Donnerstag, 21. Februar 2013

Der Aufschrei


Er ist ein Gewerbetreibender. Er verdient gut. Er ist das, was man umtriebig im besten Sinne nennt. Er hat immer wieder Ideen, mit denen er etwas Neues vorantrieben will. Er lebt in einem Dorf, dem das gut täte. Dieser Schwung, neues Leben, neue Arbeitsplätze, Geld für die Gemeindekassa.

Der gute Mann ist einer von denen es heißt, solche Leute brauche das Land.

Freilich, er lebt in Österreich. Und das, man weiß es, ist eine gehörige Herausforderung, wenn man Eigeninitiative entwickelt und etwas Neues machen will. Da fühlt man sich auch als unbescholtener Steuerzahler schnell als Bittsteller, da wird einem das Vorhaben etwas zu verdienen schnell als etwas Unlauteres ausgelegt. Und da gibt es jede Menge Hürden, die aufgestellt werden, aber ganz sicher kaum Unterstützung.

Das weiß unser Gewerbetreibender, damit lebt er. Er kennt das Getriebe, er weiß, dass man da einen langen Atmen braucht. Jetzt aber, wo er mit einem Partner ein neuartiges Gastronomie-Projekt verwirklichen will, ist ihm aber der Kragen geplatzt. Was er sagt, stellt das ganze System bloß und zeigt, was schief läuft in diesem Land. Seine Argumentationskette ist in ihrer Klarheit so entlarvend, dass sie wörtlich zitiert sei. "Wir wollen aus privater Initiative etwas auf die Beine stellen, wir beantragen keine Förderungen, wir riskieren unserer privates Geld“, umreißt er die Ausgangslage. "Dass wir nach Abzug unserer Kosten, auch von Personalkosten, etwas verdienen wollen, soll nicht verboten sein“.

Das freilich ist ein Kalkül, das hierzulande gewagt ist. Denn in Österreich ist die Bürokratie so aufgestellt, dass man anderes viele eher vermuten muss. "In der Bezirkshauptmannschaft haben uns die Beamten eine unendlich lange Liste von Auflagen präsentiert, uns gesagt, welche Gutachten erforderlich seien und dass sie mindestens drei Monate Bearbeitungszeit bräuchten“. Das rüttelt am Nervenkostüm. Verständlicherweise.

"Man stelle sich vor - ich möchte meine wirtschaftlichen Tätigkeiten erweitern und weiß schon jetzt, dass ich von jedem Ertrag wegen der Steuerprogression nur 50 Prozent behalten können werde“, geht die Anklage weiter. "Und ich muss trotzdem bangen und hoffen, dass ich die Idee verwirklichen darf und ich muss fürchten, dass die zu erwartenden Auflagen unser Projekt unrentabel machen“.

Wohl unfreiwillige Ironie ist, dass die Stelle, bei der unser Gewerbetreibender in der Bezirkshauptmannschaft darum ringen muss, Geld verdienen und Arbeitsplätze schaffen zu dürfen, nur ein paar Türen von jener entfernt logiert, die die Mindestsicherung bemisst und auszahlt. Dass diese Ironie erkannt wird, glaubt unser Mann nicht. "Ob die Beamten wissen, dass ich mit meinen Steuern nicht nur ihren Hintern, sondern auch die Mindestsicherung finanziere, muss ich nach unserer Vorsprache bezweifeln“.

Viele seiner Kollegen hat so etwas schon ins Ausland getrieben. Bestenfalls. Für viele aber kamen Herzinfarkt, Depression und Verzweiflung schneller. "Es ist unerträglich, dass man in Österreich mit einer Geschäftsidee auf den Knien vor Beamten rutschen muss, damit man wirtschaften darf“, folgert unser Gewerbetreibender entkräftet und desillusioniert. "In einem normalen Staat müsste man einen Teppich ausrollen, dafür, dass ich wirtschaftlich aktiv werde, Arbeitsplätze schaffen will und dass ich mit meinen zu erwartenden Steuern das Öl für das Staatgetriebe liefere.“

Dem Mann kann man nur recht geben. Die Klarheit, in der er das formuliert, schmerzt. Sie sollte den Verantwortlichen an den Schaltstellen in Politik, Bürokratie und Gewerkschaft unter die Haut gehen. Der Verweis auf Förderungen, der an dieser Stelle gerne eingebracht wird, führt sich selbst ad absurdum - geht doch ein Großteil dafür drauf, all die oft nichts als unsinnig und schikanös empfundenen Auflagen und Vorschriften erfüllen zu müssen. Die Katze beißt sich also in den Schwanz und Wirtschaftsförderung ist damit zu einem guten Teil nichts anderes als staatlich organisierte Geldvernichtung.

Es ginge auch einfacher. Und es muss auch einfacher gehen. Österreich kann es sich nicht leisten, sich länger selbst zu knebeln und Fesseln anzulegen. Denn es zahlen nicht nur die drauf, die durch eine wirtschaftliche Idee Geld verdienen wollen, sondern auch die, die die Arbeitsplätze bräuchten. Und auch die, die in der Bezirkshauptmannschaft um ihren Mindestunterhalt anstehen müssen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 21. Februar 2013

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