Donnerstag, 31. Januar 2013

Das Leer-Jahr 2013



Die Argumente schienen logisch. Mehr Zeit, politische Konzepte zu entwickeln und dann fern von Wahlkämpfen umzusetzen, wurde zuvorderst genannt, als man seinerzeit beschloss, die Legislaturperiode auf Bundesebene von vier auf fünf Jahre zu verlängern. Heuer geht die erste fünfjährige Periode zu Ende. Was die Verlängerung gebracht hat, ist freilich nur schwer auszumachen. Die Politik hat längst die Arbeit eingestellt. Statt über die Lösung von politischen Problemen zu reden, mauschelt man in den Couloirs des Parlaments und in den Salons längst lieber über mögliche Wahlaussichten. Mit großer Verve bringt man die Figuren im Postenschacher in Stellung, sinnt eher nach Möglichkeiten der Konkurrenz eins auszuwischen, als konstruktiv zu arbeiten und verkauft Stillstand als Fortschritt.

Seit Monaten wird alles auf den Tag X hin ausgerichtet und ihm untergeordnet. Die Volksbefragung zum Bundesheer, die ohne Not angezettelt wurde und monatelang die Kapazitäten der Politik gebunden hat, war nur das erste Glied in einer Kette von Plebisziten. Daran soll das Wahlvolk im Superwahljahr 2013 einem Tanzbären nicht unähnlich den Nationalratswahlen im Herbst zugeführt werden. Von einem Stimmungstest zum andern wird man ab nun hecheln. Demnächst Niederösterreich, dann Kärnten, dann Salzburg, dann Tirol.

Große Weichenstellungen sind wohl nicht mehr zu erwarten, zumal dann, wenn ihnen der Geruch anhaftet, unpopulär zu sein. Viel größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man überall die Brieftasche in der Hand hat, um Wähler mit Zuckerln zu ködern - was freilich angesichts der angespannten Situation der Staats- und Länderfinanzen nichts anderes als eine gefährliche Drohung ist. Die Anpassung des Pendlerpauschales vor Weihnachten war wohl nur ein Anfang. Und man kann nur hoffen, dass sich jener Tag vor den letzten Wahlen nicht wiederholt, als alle Parteien im Anfall eines kollektiven Furors jedes Maß verloren und die Gelder nur so zum Fenster hinauswarfen.

Trübe Aussichten fürwahr. Sie sind Folge einer Politik, die sich sehr viel eher dem politischen Populismus verschrieben hat, als ernsthaft im Staat anstehende Fragen zu lösen. Gute und gut gemeinte Ansätze verkommen so mitunter zu billiger Schmiere. Ernsthafte Absichten geraten schnell zum billigen Gag. Die Verlängerung der Legislaturperiode ist so etwas. Sie wurde allzu schnell von allzu vielen Akteuren der Politik als eine Möglichkeit den Wahlkampf um ein Jahr auszudehnen, interpretiert. Nichts anderes war die Volkbefragung, bei der es die direkte Demokratie gerade einmal zum Feigenblatt für einen Probe-Waffengang der Parteien brachte. Die Senkung des Wahlalters auf 16 passt auch in diese Reihe. Schnell ein paar Argumente hergezaubert und, um den ewig nörgelnden Kritikern Handlungsfähigkeit zu beweisen, flugs ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Die Jungen freilich ließ man dann allein, sie an die neuen Möglichkeiten heranzuführen, ihnen die Verantwortung und die Möglichkeiten auszudeutschen versuchte man indes gar nicht erst.

Ein langer Atem, die großer Perspektive, ist schon lange nicht mehr eine Kategorie in der österreichischen Politik. Nicht einmal der Begriff Kurzatmigkeit reicht. Der Begriff "hecheln“ ist wohl eher das, was passt.

Statt einer Linie zu folgen und einem Ziel, irrlichtert man durch die Jahre. Zu oft werden Konzepte großspurig angekündigt und verschwinden umgehend in Schubladen, an der politischen Konkurrenz wird grundsätzlich kein gutes Haar gelassen und schon gar nicht das verschwendet, was gemeinhin als Respekt gilt. Man hat die Schlagzeile in den Zeitungen des nächsten Tages im Auge, und in die "Zeit im Bild“ zu kommen gilt als das Höchste, was zu erreichen ist.

Dass die Qualität der Politik unter diesen Umständen leidet, liegt auf der Hand. Und dass ihr Ansehen längst keines mehr ist, auch. Man bindet die Kapazitäten und das Engagement allzu oft mit Nichtigkeiten, arbeitet sich am Schlechtmachen des Mitbewerbs ab und bringt in wichtigen Themen nichts weiter. Und so rasen wir nahezu ungebremst in den Abgrund der Pensionslücke, wird das Bildungswesen sehenden Auges an die Wand gefahren und der Berg ungelöster Probleme immer größer.

Die Verlängerung der Legislaturperiode hat in dieser Hinsicht nichts geändert. Würden wir nach wie vor alle vier Jahre wählen, hätten wir aber zumindest das, was uns jetzt bevorsteht, schon hinter uns.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 31. Jänner 2013

Mittwoch, 30. Januar 2013

Gentechnikfreies Schweinefleisch ist ein Ladenhüter





Verbraucher müssen sich auf höhere Fleischpreise einstellen. Mit fünf bis zehn Prozent Steigerung ist zu rechnen.

HANS GMEINER Linz (SN). Die Umstellung auf gentechnisch nicht verändertes Futter in der Schweineproduktion kommt nicht in die Gänge. Nach Branchenschätzungen werden derzeit pro Woche nur 1500 bis 2000 Schweine schlachtreif, die ausschließlich GVO-frei gefüttert wurden. „Das sind nicht mehr als zwei Prozent der gesamten Produktion“, sagt Hans Schlederer, Chef der Österreichischen Schweinebörse, einer bäuerlichen Organisation, die einen Großteil der in Österreich erzeugten Schweine vermarktet. „Die Nachfrage dümpelt dahin“, sagt er. Dazu passt, dass sich just jener Fleischer aus Oberösterreich, der Vorreiter bei der Verarbeitung von GVO-freiem Schweinefleisch ist, mit einem Insolvenzverfahren herumschlagen muss.

Die Umstellung bei Schweinen ist wesentlich komplexer als bei Milchvieh oder Geflügel. Von einem Schwein kommen aufgrund der Marktverhältnisse nur rund 25 Prozent für die Vermarktung als GVO-freies Produkt infrage. Der Aufpreis von 50 Cent pro Kilogramm, der wegen der höheren Kosten erforderlich ist, ist vielen Konsumenten zu hoch.

Dass die Umstellung damit gescheitert ist, glauben die Bauern nicht. Die Agrarmarkt Austria wird eine Erweiterung des Gütesiegels vorstellen. „Wir produzieren GVO-freies Fleisch, wenn es bezahlt wird“, verspricht Franz Reisecker, Präsident der Landwirtschaftskammer in Oberösterreich.

Weil in ganz Europa die Produktionszahlen zurückgehen, müssen sich die Verbraucher auf höhere Fleischpreise einstellen. „Ein Preisanstieg von fünf bis zehn Prozent ist möglich“, sagt Schlederer. Die Bauern leiden derzeit unter den stark angestiegenen Futtermittelkosten. Sorgen macht auch das grassierende Schlachthofsterben. Allein im Vorjahr schlitterten sechs große Verarbeiter in die Pleite, unter anderem wegen unlauterer Konkurrenzbedingungen. Vor allem in deutschen Schlachthöfen sind in einem Hohen Maß Billigkräfte aus Osteuropa beschäftigt. „Die müssen um 2,5 bis fünf Euro pro Stunde arbeiten“, sagt Schlederer. „Fairtrade darf nicht nur für Bananen aus Entwicklungsländern gelten, in vielen deutschen Waren steckt auch Sklavenarbeit drin.“

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 30. Jänner 2013

Freitag, 25. Januar 2013

Landwirtschaft sucht neues Maß



 

Bei der "Wintertagung" des Ökosozialen Forums suchten in dieser Woche die heimischen Agrarier ihre Zukunft

WIEN (SN). Vor wenigen Jahren noch bemitleidet gilt die Landwirtschaft heute als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Zukunft. Die heimischen Agrarier versuchen den Rückenwind für sich zu nutzen. "Intensivierung? Ja, aber nachhaltig!"-das Generalthema der Wintertagung des Ökosozialen Forums zeigt, wo es hingehen soll. Aber, wie viel Landwirtschaft braucht Österreich überhaupt? Und welche? Dabei zeigt sich immer klarer, dass die Standardantworten kaum mehr reichen.

Dass die Bauern und ihre Vertreter unter "viel Landwirtschaft" vor allem eine große Zahl an Bauern verstehen und auf die Frage nach der Form der Landwirtschaft wie aus der Pistole geschossen "Familienbetriebe" und "nachhaltige Produktion" antworten, ist verständlich. Der Wandel auf den Märkten, aber auch die anstehende EU-Agrarreform verlangen, das zu hinterfragen. Denn in der Vergangenheit hat man es sich mitunter allzu bequem eingerichtet. "Es ist, was uns betrifft, alles bestens, die Bösen sitzen woanders",hielt man allen Kritikern entgegen.
"Viele Bauern" bedeuten aber nicht automatisch "viel" und "gute" Landwirtschaft. Kleine Bauern produzieren nicht automatisch nachhaltig und umweltfreundlich, große belasten nicht automatisch die Umwelt und erzeugen schlechte Produkte. Und Familienbetriebe sind nicht per se Garanten für hohe Qualität.

Seit Jahren vermeidet man, sich wichtigen Fragen zu stellen. Wie gut sind die Produkte im Verhältnis zu denen aus anderen Regionen wirklich? Wie umweltfreundlich erzeugen Österreichs Bauern? Was unterscheidet sie von Landwirtschaften in anderen Ländern? Wie könnte sich die österreichische Landwirtschaft weiterentwickeln? Und wie geht das alles mit den Anforderungen der Märkte zusammen? Österreichs Landwirtschaft und ihr Selbstverständnis beruht auf 30 Jahre alten Ideen. Dass Landwirtschaft über die Nahrungsmittelerzeugung hinaus auch für Umwelt und Regionalentwicklung von Bedeutung ist, ist inzwischen aber Allgemeingut der europäischen Agrarpolitik und wichtiger Teil der geplanten Agrarreform.

Österreichs Landwirtschaft muss wieder unterscheidbarer werden. Will man sich erfolgreich behaupten, ist die Argumentation, auf der sie ihre Stellung auf den Märkten aufbaut und ihren Anspruch auf Förderungen begründet, nachzuschärfen. Und wenn es Österreichs Landwirtschaft tatsächlich gelingt, sich abzuheben, muss das besser verkauft werden und sich, anders etwa als der bisher verschenkte Verzicht auf Gentechnik, für die Bauern bezahlt machen.

Dabei ist das richtige Maß zu finden. Beeinflusst von oft realitätsfernen Werbebotschaften von Handel, Verarbeitern, aber auch der Agrarvertretung selbst sympathisiert die nicht landwirtschaftliche Öffentlichkeit mit einer Art Landwirtschaft, die im Vergleich zu den tatsächlichen Verhältnissen nichts anderes ist als Subsistenz-oder Hobby-Landwirtschaft. Für die Bauern ist das zur Last geworden. In der Realität haben sie mit Preisdruck zu kämpfen und müssen zusehen, wie in den Supermärkten allen Beteuerungen zum Trotz oft zur Billigmarke gegriffen wird.

Für Bauern und Öffentlichkeit geht es vor allem um die Glaubwürdigkeit. Erst wenn man die gewonnen hat, kann man beantworten, wie viel Landwirtschaft man braucht.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 25. Jänner 2013

 

Mittwoch, 23. Januar 2013

Seitenblicke statt Wirtschaftsseiten


Wolfgang Eder, Chef der voestalpine, ließ dieser Tage wieder einmal aufhorchen. "Die Jugend muss wieder radikaler werden“, fordert er in einem Zeitungsinterview. Er sagt darin Sätze wie "Wir haben zwar das wünschenswerteste, weil breiteste Sozialsystem, aber wir sind dabei, es uns nicht mehr leisten zu können.“ Oder er spricht davon, dass nicht sein könne, dass "wir nach 250 Jahren mariatheresianischer Verwaltungsstrukturen immer noch so tun, als ob sie die besten wären“. Erst im Vorjahr warnte er vor einer Deindustrialisierung Europas und immer wieder äußert er sich kritisch zum Wirtschaftsstandort Österreich.

Wolfgang Eder ist einer der wenigen Wirtschaftskapitäne, die in der Öffentlichkeit zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung nehmen und sich keine politischen Punzierungen umhängen und schon gar nicht von Parteien jedweder Couleur vereinnahmen lassen.

Brigitte Ederer, vom SPÖ-Sekretariat in den Vorstand des Weltkonzerns Siemens gekommen, ist auch so eine. Aber damit hat sich‘s schon. Man kommt fast mit den Fingern einer Hand aus, versucht man Leute dieses Kalibers auf-zuzählen, die in der Öffentlichkeit zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen Stellung nehmen - sachlich, von großem Wissen und von großer Erfahrung getragen, unterfuttert von den Erfolgen, auf die sie in der Führung ihrer Unternehmen verweisen können und mit einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit. Aber sonst? Da gibt es abgesehen von den ewigen Androschs, Raidls und Sorgers, die nicht aufhören können sich im Licht der Öffentlichkeit zu produzieren, nur ganz wenige. Viel zu wenige.

Das gilt nicht nur für die Wirtschaftsbosse, das gilt auch für die zahllosen Professoren an den Unis und in vielen anderen Bereichen. Die, die etwas zu sagen hätten, tun es nicht. In der Politik ist auf diese Weise ein paar Filzmaiers die Deutungshoheit zugewachsen und in der Bildung muss man meinen, ein Herr Salcher sei der einzige, der sich da auskennt. In vielen anderen Sparten ist es nicht anders. Die etwas zu sagen hätten, tun es nicht.

Überall versteckt man sich lieber, überall will man nichts als seine Ruhe haben, nirgendwo will man sich aufraffen, Stellung zu beziehen. Da ist man allemal lieber in den "Seitenblicken“, als auf den Politik- und Wirtschaftsseiten der Zeitungen. Sie weigern sich beharrlich sich in den öffentlichen Diskurs einzuklinken.

Aber schimpfen tut man schon gerne. In den Elfenbeintürmen der Wissenschaft, in den Vorstandsbüros, in den Cafès und Clubs, bei den feinen Essen in den feinen Restaurants und auf den Golfplätzen.

Österreicher eben. Um keinen Deut anders als die anderen.

Gut ist das nicht, weil man damit im öffentlichen Leben, respektive in der Politik, just jenen Raum gibt, sich zu produzieren, über die man sich so viel ärgert und die einem mitunter regelrecht das Leben verleiden können. Man überlässt ihnen das Feld und die Schalthebel. Man öffnet ihnen Tür und Tor, obwohl man weiß, dass sie es nicht können und dass es Bessere und Besseres gibt.

Am Resultat dieses Verhaltens leidet längst das ganze Land. Es gibt keine Autoritäten mehr, auf die man kraft ihrer Kompetenz vertrauen könnte, sondern allenfalls Durchschnitt, bei dem man zumeist froh sein muss, wenn nicht noch mehr angerichtet wird. Man muss schon zufrieden sein, wenn sich Verantwortliche zumindest ab und an nicht Veränderungen in den Weg stellen und offen für neue Entwicklungen zeigen.

So hat das Mittelmaß das Land fest im Griff. Grau, farblos und zaudernd. Und ohne große Visionen und ohne viele Perspektiven. Das schlägt auf die Stimmung. Ein offenes Klima, Aufbruchsstimmung gar, hat es in Österreich schon lange nicht mehr gegeben, stattdessen herrscht Bunkerstimmung. Draußen nichts als Gefahren und Bedrohungen - von der EU, über die freien Märkte bis zu den Migranten. Und drinnen hält man sich, ganz wie Kinder im Finstern, damit aufrecht, sich Märchen davon zu davon erzählen, wie gut man ist und dass man eh alles im Griff hat.

Befeuert wird diese Bunkerstimmung von Parteien, die nicht zuletzt deswegen so viel Raum bekamen, weil so viele Leute schwiegen und schweigen in diesem Land. In diesem Klima zu leben, macht nur selten Freude. Oft nicht einmal auf dem Golfplatz. Alleine das sollte Grund genug sein, sich ein Herz zu nehmen und das Spielfeld nicht den Krakeelern und Parvenus zu überlassen.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 24. Jänner 2013

Sonntag, 20. Januar 2013

Kürzung trifft nicht nur Bauern





Agrarreform: Einsparungen könnten auch Konsumenten und Tourismus spüren

HANS GMEINER Berlin (SN). Die möglichen Folgen der EU-Agrarreform und die geplante Kürzung der Mittel sorgen bei den Bauern seit Monaten für Diskussion. „Wir brauchen jeden Cent“, betonten sie und ihre Vertreter auch am Freitag wieder bei der „Grünen Woche“ in Berlin. Die Auswirkungen der Reform der EU-Agrarpolitik für die Konsumenten spielt indes in der Öffentlichkeit keine Rolle. Dabei stellt sie den Verbrauchern nicht nur Einsparungen bei Steuergeldern und Preissenkungen, wie sie etwa bei Milch nach Auslaufen des Quotensystems erwartet werden, in Aussicht.

Vor allem könne eine überzogene Kürzung der Bauernförderung viel von dem unter Druck bringen, was in den vergangenen Jahren zu Österreichs Stärke in der Vermarktung von Lebensmitteln und in damit zusammenhängenden Wirtschaftszweigen geworden sei und was auch Konsumenten besonders schätzten, warnen nicht nur Bauernvertreter. „Wenn die Förderung für den biologischen Landbau gekürzt werden sollte, wird auch das Angebot reduziert werden“, nennt Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut ein Beispiel. Auch die Folgen des Strukturwandels sind nicht zu unterschätzen. Sinabell: „Gäbe es weniger Mittel für die Bergbauern, hätte das Folgen für den Tourismus, weil gewisse Gebiete dann nicht mehr für Aktivitäten zur Verfügung stünden.“

Michael Blass, ehemaliger Geschäftsführer des Fachverbands der Lebensmittelindustrie und seit Jahresbeginn Chef der AMA-Marketing, sieht das ähnlich. Seiner Ansicht nach brächte eine Einschränkung der Agrarförderung vor allem Qualität und Regionalität unter Druck.

Um die Versorgung im Allgemeinen bräuchte man sich nach Einschätzung beider Experten keine Sorgen machen. „Die Zahl der Bauern sinkt. Weil die Betriebe größer werden, bleibt aber die Produktion stabil,“ sagt Sinabell.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Jänner 2013

Donnerstag, 17. Januar 2013

Direkte Demagogie



Viele in Österreich sind mit der Politik unzufrieden. Laut sind ihre Klagen oft, groß ihr Ärger. Sie fühlen sich hilflos, machtlos und was die Umsetzung ihrer Vorstellungen und Wünsche betrifft, chancenlos. Alle vier, fünf Jahre ein Kreuzerl in der Wahlzelle als einzige Möglichkeit ins politische Rad zu greifen und "denen da oben“ in der Politik zu signalisieren, was man denkt, ist für viele unbefriedigend.

Der Ausbau der direkten Demokratie schien da als ein Ausweg, als interessante und starke Alternative. Ein durchaus lauteres Ansinnen, das freilich einen Haken hat, zumal in Österreich. Denn die sich da für den Ausbau der direkten Demokratie stark machen, haben die Beharrlichkeit und Dreistheit der heimischen Politik, respektive des heimischen politischen Personals, nicht in ihrem Kalkül gehabt. Und auch nicht den Boulevard, der sich gerne und ungeniert, oft verantwortungslos, manchmal nachgerade lüstern und immer unkontrolliert als vierte Macht im Staat geriert.

Denn die, wir erleben in diesen Tagen ganz augenscheinlich und ertragen es kaum mehr, zertrampeln in verantwortungsloser und empörenderer Weise das zarte Pflänzchen, das mit einem eigenen Demokratiepaket zu stärken sie im vergangenen Herbst noch vorgaben.

Nach allem, was da in diesen Tagen rund um die Bundesheer-Volkbefragung passiert, wie da die Hackeln fliegen und wie mit Untergriffen aller Art das ganze Land gespalten wird, mag man sich gar nicht vorstellen, dass das Instrument der Volksbefragung in Zukunft im Sinne eines Ausbaues der direkten Demokratie öfters eingesetzt wird. "Nein, danke“ ist das Erste, was einem dazu einfällt. Permanenter Wahlkampf, Agitation überall und aufgeblasene Aufgeregtheit wären nicht zu ertragen. Das Land, in dem der politische Stillstand ohnehin längst ein Problem ist, würde wohl endgültig unter einer politischen Blockade erstarren.

Die Bundesheer-Volksbefragung wäre eine Chance gewesen, das heimische Wahlvolk an mehr Mitbestimmung und an eine stärkeren Anteilnahme am politischen Prozess heranzuführen, das Interesse an Politik wieder hochzupäppeln, Vertrauen und vielleicht sogar Achtung zurückzugewinnen. Die heimische Politik hätte das so notwendig gebraucht. Nach dem, was in den vergangenen Wochen geschah, ist zu befürchten, dass man genau das Gegenteil erreicht hat. Selten war so viel Falschheit in einer politischen Diskussion, selten so viele Finten und selten so viel Chuzpe.

Die beiden Großparteien und der Boulevard aber haben die direkte Demokratie als zusätzliche Spielwiese gekapert. Routiniert haben sie mit dem, was sie politisches Verständnis nennen und von dem sich immer mehr Österreicher abwenden, eine Option in den Geruch der Lächerlichkeit gebracht, auf die so viele in Österreicher setzten.

Das begann schon damit, dass die beiden Großparteien ihre Positionen zum Bundesheer mir nichts dir nichts und getragen rein vom politischen Kalkül, aber ganz offenbar nicht von politischer Verantwortung, austauschten. Die Wehrpflicht, für die Sozialdemokraten spätestens seit ihren Erfahrungen, die sie 1934 und in den darauffolgenden Jahren machen mussten, tatsächlich immer in Stein gemeißelt, ist nun mit einem Mal obsolet. Für die Konservativen hingegen, die noch vor gar wenigen Jahren in jedem Zivildiener einen Staatsfeind, wenn nicht gar einen verkappten Terroristen sahen und ihm alle Prügel dieser Welt in seinen Weg ins Leben schmissen, sind nun ausgerechnet die Zivildiener offenbar das wichtigste Argument für die Beibehaltung der Wehrpflicht, die sie noch vor zwei Jahren am liebsten abgeschafft hätten.

Dass eine Volksbefragung zum Bundesheer zu einer Befragung über die Gestaltung der Sozialdienste und des Katastrophenschutzes gemacht wird, die Sache selbst, das Heer, seine Bedürfnisse und seine Bedeutung aber gar keine Rolle spielen, muss Österreich erst jemand nachmachen. Aber es ist typisch für die Art und Weise, wie man hier Politik versteht. Die Frage rot oder schwarz ist da in jedem Fall wichtiger als jede Sachfrage.

Genau die, die schon das Ansehen der repräsentativen Demokratie seit Jahren ramponieren und Wählerinnen und Wähler vertreiben, sind nun dabei auch die direkte Demokratie, die das Wahlvolk als Ventil sah, zu ruinieren. "Direkte Demagogie“ wäre wohl der bessere Ausdruck für die österreichische Variante. Die Fortsetzung steht Anfang März in Wien an.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. Jänner 2013

Donnerstag, 10. Januar 2013

Nagelprobe für Bauern und Konsumenten





Immer mehr Bauern sehen in Bio ihre Zukunft. Erfüllen die Konsumenten die Erwartungen nicht, droht ein Desaster.

Österreichs Bauern wollen in Bio flüchten. Nach Einschätzung der Biobauernorganisation könnte sich die Zahl der heimischen Biobauern bald fast verdoppeln. Die Umstellung auf Bio gilt auf den heimischen Höfen offenbar angesichts des scharfen Konkurrenzdrucks, der unsicheren Preissituation und drohender Förderkürzungen als die aussichtsreichere Perspektive in der Landwirtschaft.

An diesem Kalkül ist was dran. Bio hat Zukunft. Dass immer wieder Skandale am Vertrauen der Konsumenten rütteln, ändert daran nichts. Auch wenn angeblich bei den Konsumenten mittlerweile Regionalität mehr zählt als die biologische Erzeugung, ist das Vertrauen intakt. Das Kontrollsystem funktioniert. Die Biolandwirtschaft hat nach wie vor eine hohe Glaubwürdigkeit, jedenfalls die österreichische.

Die Verkaufszahlen in Österreich wachsen zwar nicht mehr zweistellig, aber immer noch kräftig. Getragen wird der Markt bei uns von den Handelsketten. Die haben ihn aufgebaut, diktieren aber auch die Bedingungen.

Die Biobauern sind darob nicht immer froh. Längst leiden auch sie wie ihre konventionellen Kollegen unter dem Preisdruck. Aber das ist wohl auch einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Bio in Österreich so gut funktioniert. Wäre der Unterschied zu den Preisen konventioneller Produkte allzu groß, würden die Konsumenten wohl nicht so häufig zu Bioprodukten greifen.

Auch wenn sympathisch erscheinen mag, worauf sich viele konventionelle Bauern jetzt offenbar einlassen wollen, es ist dennoch riskant. Denn die Märkte für das in völlig neue Dimensionen wachsende Angebot gibt es noch nicht. Sie müssen erst entwickelt werden. Dabei setzt man vorwiegend auf die Exportmärkte. Dort aber fehlt es an Absatzkanälen.

Wenn der Umstieg auf Bio wirklich zu einer Chance für die Bauern werden soll, muss man schnellstens die Ärmel aufkrempeln. Andernfalls wird man auf der Produktion sitzen bleiben und froh sein müssen, sie als konventionelle Ware verkaufen zu können.

Danach, dass dabei alle an einem Strick ziehen, schaut es freilich nicht aus. Angesichts der anstehenden Neuordnung der Förderungen sehen viele Agrarier die Biopläne skeptisch. Ob aus Kalkül, um Fördergelder zu retten, oder aus Vernunft, weil sie das Unterfangen für ein aussichtsloses Abenteuer halten, lassen sie freilich selten erkennen.

Salzburger Nachrichten - Leitartikel Seite 1, 10. Jänner 2013

Bauern suchen Heil im Bioanbau





Weil viele Bauern mit dem Umstieg auf biologischen Anbau liebäugeln, braucht die heimische Biolandwirtschaft dringend neue Märkte.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Biolandwirtschaft gilt immer mehr heimischen Bauern als zukunftsträchtige Alternative zur konventionellen Landwirtschaft. Während man sich von den wirtschaftlichen und produktionstechnischen Ansprüchen der konventionellen Landwirtschaft zunehmend überfordert fühlt, erscheinen vielen von ihnen die Möglichkeiten und Chancen, die Bio bietet, erfolgversprechender.

Auf Basis einer Umfrage schätzt Bio Austria, dass sich daher die Zahl der Biobauern in Österreich im Gefolge der EU-Agrarreform ab 2014 von derzeit rund 22.000 auf knapp 50.000 mehr als verdoppeln könnte. Statt derzeit 20 wären das dann rund 36 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe insgesamt. Der Anteil der biologisch bewirtschafteten Flächen würde sich damit laut Bio Austria auf knapp 40 Prozent erhöhen.

Für die heimische Agrarpolitik und die Verarbeiter ist das eine enorme Herausforderung. Das Bioangebot wird innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes sprunghaft ansteigen, wenn die Bio-Austria-Einschätzung eintrifft. So werden schon in wenigen Jahren 800 Mill. statt derzeit rund 400 Mill. Kilogramm Biomilch anfallen und zu vermarkten sein. Bei anderen Produkten wie Getreide wären die Relationen ähnlich.

Für Bio-Austria-Obmann Rudi Vierbauch ist die Bereitschaft der Landwirte, auf Bio umzusteigen, eine Chance, die genutzt werden muss. Statt die Gefahr von zusammenbrechenden Preisen an die Wand zu malen, wie das manche Agrarfunktionäre tun, um die Wünsche der Biobauern einzubremsen, fordert Vierbauch, den Biomarkt rechtzeitig und gezielt weiterzuentwickeln.

Für den Absatz des zu erwartenden Mehrangebots hat Vierbauch vor allem Exportmärkte im Auge. Derzeit beträgt die Exportquote je nach Bioprodukt nur bis zu 15 Prozent. Um Absatz und Preise zu sichern, soll sie in Zukunft – etwa bei Milch – bis zu 50 Prozent erreichen.

Man soll die gute Stimmung für Bio nutzen, verlangt Vierbauch. „Wir haben in Österreich und in Europa trotz Krise gute Zuwächse.“ Der heimische Markt wächst nach wie vor um drei Prozent jährlich, in Europa liegen die Wachstumsraten der Biomärkte zwischen acht und zehn Prozent. „Da haben wir große Chancen, uns mit innovativen Produkten zu positionieren.“

Um mit der Herausforderung zurechtzukommen, wollen die Biobauern, insbesondere die Verarbeiter wie etwa die Molkereien, verstärkt in die Pflicht nehmen. „Wir erwarten von unseren Partnern in der Verarbeitung, dass sie in Sachen Bio agieren und nicht nur reagieren.“ Erwartet wird insbesondere mehr Engagement für Entwicklung und Vermarktung biologischer Produkte. „Die Vermarktung von Bioprodukten läuft bisher nebenbei mit“, sagt Vierbauch. „Die Produkte werden derzeit nahezu ausschließlich für Eigenmarken des Handels erzeugt, eigenständige Biomarken der Verarbeiter gibt es praktisch nicht.“ Versuche von Molkereien mit eigenen Biomarken waren bisher wenig erfolgreich. Neben den Handelsmarken sei zumindest in Österreich kaum Platz, heißt es in der Branche.

Den Verarbeitern will der Obmann der Biobauern mit Unterstützung im Marketing auf die Sprünge helfen. Das Geld dafür soll über einen eigenen Marketingbeitrag der Biobauern aufgebracht werden. Bei Milch etwa denkt man – zusätzlich zum AMA-Marketingbeitrag – an eine Abgabe von 0,2 Cent pro Kilogramm gelieferter Milch. „Wir wollen gemeinsam mit den Verarbeitern den Markt aufbereiten.“ Die Koordination will Bio Austria übernehmen. „Die AMA-Marketing soll die Strategien, die aus diesem Bereich kommen, unterstützen“, wünscht sich Vierbauch.

Bei den Verarbeitern reagiere man vorerst eher reserviert, gibt Vierbauch zu. „Die Milchverarbeiter reagieren unterschiedlich“, sagt er. „Aber sie sehen, dass Handlungsbedarf auf sie zukommt.“

Reserviert reagiert auch die Politik. Dass dort laut darüber nachgedacht wird, die sich abzeichnende Entwicklung einzubremsen, statt sie durch entsprechende Unterstützung und Dotierung der Förderung zu begleiten, sieht Vierbauch als größtes Risiko dafür, dass diese Chance für die Landwirtschaft vertan wird. Verständnis dafür hat er nicht. „Wenn mehr Bauern auf Bio umstellen wollen, muss es für den Biolandbau auch mehr Geld geben.“
Salzburger Nachrichten - Wirtschat, 10. Jänner 2013

Das verlorene Maß




In diesen Tagen ist das österreichische Wahlvolk angehalten, die Einigung auf ein Gesetz gegen Spekulation mit öffentlichen Geldern anerkennend zu beklatschen. Wird doch zum Staatsziel im Verfassungsrang gemacht, dass Bund, Länder und Gemeinden künftig nur mehr risikoarm finanzieren und veranlagen dürfen. Das ist doch was.

Ein paar Wochen zuvor war es das Antikorruptionsgesetz, für das die heimische Politik Anerkennung einforderte und davor ein Transparenzgesetz. Und selbst für so Selbstverständliches wie dafür, dass die Wirkung von Gesetzen auf Jugendliche bei deren Gestaltung zu berücksichtigen ist, brauchte es eine eigene Vorschrift.

Das Selbstverständliche zu tun ist in Österreich längst nicht mehr selbstverständlich. Das Land ist dabei, das Maß zu verlieren und seine Verlässlichkeit. Nichts scheint mehr unmöglich zu sein, Handschlagqualität ist zur Rarität geworden, Verantwortung auch und Ehrlichkeit. Eitrigen Wimmerln von Pubertierenden gleich schießen immer neue Malversationen auf, die man nie für möglich gehalten hätte.

Die Politik hat längst die Kontrolle über diese Entwicklung verloren. Die politische Arbeit wird mittlerweile in einem hohen Maß von Anlassgesetzgebung bestimmt.

Man reagiert, weil man reagieren muss, man hat aber das Gesetz des Handelns längst aus der Hand geben müssen. Mit immer neuen Vorschriften und Gesetzen sieht sich die Politik in Bund und Ländern gezwungen, vermeintlich Selbstverständliches abzusichern. Mit immer mehr Verästelungen im Regelwerk aus Gesetzen und Verordnungen sucht man der bösartigen List und der Schwächen der Kollegenschar und auch der Beamtenschaft Herr zu werden, die dieses Land in immer neuen Volten überziehen und in oft fassungsloses Erstaunen versetzen.

Aber auch das gemeine Volk trägt nach Kräften dazu bei, dass das Regelwerk immer umfangreicher und immer feiner wird, und dass die Grenze zur Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger oftmals längst überschritten ist. Ansprüche und Rechte werden allzu oft und sehr oft mit Unterstützung von gefinkelten Anwälten und mit dem Beistand von großzügigen Versicherungen im Hintergrund bis auf das letzte Komma ausgereizt - man hat ja nichts zu verschenken und ein Recht auf das Recht.

Die Folgen sind mitunter so haarsträubend wie im vergangenen Jahr in Oberösterreich. Dort wurden in einer Gemeinde, natürlich anonym, Pfarre, Musikkapelle, eine Bank und die Gemeinde selbst bei der Datenschutzkommission angezeigt, weil sie Daten für ein Fest für Paare, die silberne oder goldene Hochzeit feierten, sammelten und weitergaben. Der oberösterreichische Landtag sah sich daraufhin genötigt, die Misere mit einem eigenen Gratulations-Gesetz zu lösen.

Kein Wunder ist vor diesem Hintergrund, dass die Gesetzesflut schier ungebremst anwächst. Allein zwischen 2000 und 2008 wurden in Österreich alleine 7000 Bundesgesetze mit mehr als 70.000 Seiten verabschiedet. Ungezählt sind die Paragraphen und Absätze dieser Gesetzwerke, die das Leben in diesem Land regeln sollen, ungezählt die Kosten dafür, die Bürokratie und die Arbeitsplätze, die dieser Aufwand verlangt.

Dabei ist in diesem Land seit Jahren so viel von einer Verringerung der Bürokratie die Rede und von mehr Eigenverantwortung. Die Verärgerung über Bürokratie gehört zu den Standardsätzen eines jeden Politikers, der sich für modern hält. Und die Wut über die immer neuen Gesetze, Regeln und Vorschriften sorgt nicht nur an den Stammtischen dieses Landes für erhitzte Gemüter.

Und dennoch ist die Entwicklung nicht zu stoppen. Das schwindende Verantwortungsgefühl, die allerorten grassierende Gier, ein angesichts der Krise und ihrer möglichen Auswirkungen immer dreisteres Anspruchsdenken sorgen dafür, dass sich die Spirale in immer größeren Tempo weiterdreht. Die Politik ist machtlos. Längst sind der Bedarf und die Notwendigkeit, selbst einstmals Selbstverständliches zu regeln, zu einem gesellschaftlichen Problem geworden.

Gesetze greifen da nicht mehr. Sie sind nichts anderes als ein hilfloser Versuch die Entwicklung in den Griff zu bekommen. Denn Verantwortung, zumal Eigenverantwortung, Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit kann man nicht per Gesetz dekretieren. Da braucht es andere Wege. Die freilich sind in Österreich kaum in Sicht. Nicht zuletzt deswegen, weil es an Vorbildern fehlt. Nicht nur, aber eben vor allem auch an Vorbildern in Politik und Wirtschaft.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 10. Jänner 2013

Freitag, 4. Januar 2013

Anderswo würde man die Ärmel aufkrempeln





Die Agrarpolitik hat offenbar nur mehr ein Thema: Geld, Geld und noch einmal Geld. In Wien wie in Brüssel geht es allem Anschein nach nur mehr darum, Gelder und Geldflüsse zu sichern und Förderungen und Ausgleichszahlungen möglichst zu erhalten. Die Agrarpolitik ist angesichts des immer größerer werdenden Drucks zu einem reinen Rückzugsgefecht geworden. Agrarpolitiker werden nur mehr daran gemessen, wie gut oder schlecht es ihnen gelingt, Ausgleichszahlungen, Förderungen, Steuererleichterungen zu sichern.

Dass das so ist, verwundert in mehrerlei Hinsicht, gilt Landwirtschaft doch als der Wirtschaftszweig der Zukunft. Die Weltbevölkerung wächst rasant, die immer größere Zahl von Menschen zu versorgen gilt als die Herausforderung dieses Jahrhunderts schlechthin. Man müsste also meinen, dass die Politik alles tut, um die Weichen entsprechend zu stellen, damit diese Ziele auch erreicht werden können. Danach schaut es freilich nicht aus. Jedenfalls nicht in Europa.

Der Agrarkommissar und seine Reform wurden in den vergangenen Wochen angesichts der Budgetnöte der Gemeinschaft abgeräumt wie der sprichwörtliche Christbaum. Das mag angesichts der Anforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht, und angesichts der Weltmärkte, auf denen man Europas Landwirtschaft immer mehr verliert, unverständlich sein. Unerwartet kommt es nicht. Die Reform galt von Beginn an als wenig ambitioniert und auf Sicherung des Geldes bedacht. Viele innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft hätten sich angesichts der sich abzeichnenden Geldnöte mehr Mut gewünscht und neue Ideen.

Es mag verwundern, dass die Landwirtschaft trotz der großen Aufgaben, die sie für die gesamte Gesellschaft hat, finanziell im Stich gelassen werden soll. Zumindest genauso verwunderlich und unverständlich ist aber, dass es vor diesem Hintergrund bei Bauern und Agrarpolitik so wenig Thema ist, von sich aus zu versuchen, die guten Aussichten für die Landwirtschaft zu nutzen.

Dieses Denken scheinen die Agrarier in den vergangenen Jahrzehnten der Voll-Alimentation mit Förderungs-und Beratungs-Rundumbetreuung völlig verlernt zu haben. Auch hierzulande. Mauern und betonieren sind die Hauptbeschäftigung allzu vieler Agrarpolitiker und Bauern. Dabei wird die Gefahr immer größer, wegen des Klammerns an Vergangenem die Zukunft zu versäumen.

In vielen anderen Wirtschaftszweigen wäre man froh ob der Aussichten, die den Bauern prognostiziert werden. Da würde man die Ärmel aufkrempeln. Nicht so die Bauern. Die kochen entweder im eigenen Saft oder starren im Verein mit ihren Vertretern wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange, die ihnen an das will, was sie fürs Leben halten - ans Fördergeld.

Die Suche nach neuen Wegen ist nicht die Sache der heimischen Landwirtschaft. Dabei wäre sie angesichts ihrer Strukturen und Produktionsbedingungen ganz besonders darauf angewiesen. Die Bemühungen aber sind überschaubar. Und wenn es doch Anstalten dazu gibt, haben sie es schwer, sich durchzusetzen und akzeptiert zu werden - vom Biolandbau bis zur Agrospriterzeugung. Irgendwer macht sie immer madig. Vor allem in den eigenen Reihen.

Das sollte sich tunlichst ändern und schnell aufhören. Es gilt, Wege frei zu machen, Ideen Chancen zu geben und aus Stärken -wie etwa der GVO-freien Produktion - Geld zu machen. Dafür zu sorgen ist für die Bauern und ihre Vertreter auf Sicht viel wichtiger, als ewig öffentlichen Geldern hinterherzurennen - zumal dann, wenn die absehbarerweise immer weniger werden.

Gmeiner meint - Blick ins Land, Jänner 2013
 
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