Samstag, 1. Dezember 2012

Die Gräben werden tiefer





Die Bauern hierzulande sind meist astreine Neurotiker, wenn es um ihre Einkommen geht. Die sind ihrer Ansicht nach grundsätzlich schlecht, von ihnen Steuern zu wollen wird daher als die reinste Zumutung empfunden. Die Landwirtschaft fuhr damit seit Jahrzehnten gut. Angesichts der Dramatik, mit der das gerne transportiert wird, zeigte man sich immer geneigt, den Bauern zu glauben, und ließ von allzu krassen Forderungen ab.

Jetzt scheint es gelungen zu sein, dieses steuerschonende System wieder für eine Weile zu retten. Die politische Konstellation rund um die Einstellung des Korruptions-Untersuchungsausschusses ermöglichte das. Und wohl auch, dass sich mit den Feinheiten des Systems Landwirtschaft niemand mehr auskennt außer die Landwirtschaft selbst. Und da kann man sich manches richten.

In den Augen der Agrarpolitik und vieler Bauern ist es daher wohl unstatthaft, die Einigung auf die neuen Einheitswerte samt Neugestaltung der Bauern-Besteuerung nicht nur zu loben. Es sei trotzdem getan. Zu diskutieren ist vor allem, ob die Lösung ein Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit -mehr Steuergerechtigkeit in diesem Fall -innerhalb der Bauernschaft ist.

Das wohl nicht. Denn da ist eher noch mehr aus dem Lot gekommen, als dies ohnehin schon der Fall war. Die tatsächlichen Einkommensverhältnisse, so viel steht fest, spiegeln auch die neuen Regeln nicht. Kein Wunder, ging es bei der Neugestaltung ganz offensichtlich nicht um Gerechtigkeit, sondern vor allem darum, Privilegien zu retten.

Das jedenfalls gelang. Allem Anschein nach gibt es weiterhin Konstellationen, in denen die Bauern steuerlich mit Glacéhandschuhen angefasst werden, während bei anderen zugegriffen wird.

Dass die Stimmung in der Bauernschaft seit Wochen immer gereizter wird, nimmt da nicht wunder. "Die Gräben werden tiefer", konstatieren Kenner der Szene. In der Tat ist die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Betrieben mit ähnlichen Einheitswerten, aber unterschiedlichen Produktionszweigen mitunter eklatant.

Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten. Es ist für viele schwer zu verstehen, dass selbst Betriebe, die im Jahr 2000 Mastschweine verkaufen, ihre Einkommensteuer auf Basis des Einheitswertes berechnen können. Man ärgert sich darüber, dass die Umrechnungsschlüssel bei Schafen, Hühnern oder Ziegen deutlich schlechter sind als bei Schweinen oder Rindern. Man staunt, wie Obsterzeuger steuerlich hofiert werden, und reibt sich die Augen, wie im Gemüsebau mit zugegebenermaßen sehr viel Arbeit sehr viel Geld gemacht werden kann, ohne dass davon viel an Steuern zu zahlen wäre.

Dass das vor allem jene Bauern nicht verstehen, die diese Möglichkeit nicht haben, ist so verständlich wie nachvollziehbar. Die einen ärgern sich, weil sie Steuern zahlen, wie jeder andere Staatsbürger auch, die anderen ärgern sich, weil sie sich gegenüber anderen Produzentengruppen schlechtergestellt fühlen.

Weil da viel weniger passt, als man glauben machen möchte, sind auch die, die die Einigung so gerne als Sieg im Ringen mit den zuweilen als "Bauernfresser" empfundenen Koalitionspartner sehen würden, bisher damit nicht wirklich glücklich geworden.

Denn es ist offenbar ein falsches Signal für die heimische Landwirtschaft, die bisher so sehr vom Zusammenhalt aller lebte. Zumal in Zeiten, in denen noch einige Weichenstellungen anstehen, bei denen Gerechtigkeit zwischen Produktionszweigen und Regionen eine große Rolle spielt. Das Klima, in dem das geschehen muss, wurde damit jedenfalls nicht besser.

Gmeiner meint Blick ins Land 12/12, 1. Dezember 2012

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