Donnerstag, 8. November 2012

Mehr Ehre für die Lehre





Das Land braucht Fachkräfte, schallt es aus jeder Ecke. Überall sind Leute gefragt und gesucht, die sich auskennen und etwas können. Immer lauter klagen die Betriebe über den Mangel an qualifiziertem Personal. Gute Leute zu finden, gleicht in manchen Branchen längst der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen. Auch der Lehrlingsmangel macht zunehmend Sorgen. Während sich die Universitäten kaum des Ansturms junger Leute erwehren können, tun sich Betriebe in vielen Branchen immer schwerer, Nachwuchs zu finden und damit ihre Zukunft zu sichern. Alle Bekenntnisse zur Lehre und alle Bemühungen sie attraktiver zu machen und damit den Nachschub zu sichern, erweisen sich zumeist als eines - als Papiertiger.

Da ist einiges in Schieflage geraten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, was sich nun zu rächen beginnt. In den Köpfen von Eltern, in den Köpfen von Jugendlichen, in den Köpfen von Bildungs-und Ausbildungsverantwortlichen. Studieren gilt etwas in diesem Land, Lehre, Handwerk und nichtakademischen Berufen hingegen kommt oft bei weitem nicht jene Beachtung zu, die sie verdienen. Schon gar, wenn es um handwerkliche Tätigkeiten geht. Man macht sich ja die Hände nicht schmutzig.

Wer eine Lehre beginnt, hat es in diesem Land nicht immer leicht. Allen Beteuerungen zum Trotz kann das Image der meisten Lehrberufe nicht mit dem Studium an einer Universität mithalten. Die Lehre gilt vielen hierzulande als Sackgasse, AHS und Studium hingegen gelten als Einbahn zum Erfolg. Unverdrossen.

Warum das so ist, ist freilich die Frage. Denn viele hoffnungsvoll beginnende akademische Karrieren stranden oft sehr rasch im abgeschiedenen Kämmerlein mit wenig anspruchsvollen Aufgaben, schlechter Bezahlung und miserablen Aussichten.

Ein ordentlicher Lehrabschluss mit entsprechenden Weiterbildungen ist da angesichts der Aussichten auf dem Arbeitsmarkt durchaus eine sinnvolle Alternative. Selbst Siemens-Chefin Brigitte Ederer rät den Jungen zu Mut und zu Lehrberufen. "Werdet Installateur“, sagt sie gerne Leuten, die sie um Rat fragen.

Freilich, leicht ist es nicht diesem Rat zu folgen. Man muss angesichts der österreichischen Wirklichkeit schon einiges mögen, um einen Lehrberuf zu ergreifen. Dinge, wie die Aussicht auf eine relativ schlechte Bezahlung, oft schwierige und unangenehme Arbeitsbedingungen oder schwere körperliche Arbeit über Jahrzehnte sind durchaus nicht jederfrau und jedermanns Sache. Mit 60 auf dem Baugerüst bei Wind und Wetter herumzuklettern, auch wenn man längst Polier ist. Mit 58 als Installateur unter der Abwasch liegen, um zwei Rohre zusammenzuklemmen. Oder mit 55 als Mechanikergeselle mit ölverschmierten Händen Autos zu reparieren.

Der Mangel an Fachkräften hat aber nicht nur mit Image, Arbeitsbelastung und Bezahlung zu tun. Er hat auch mit dem Korsett zu tun, das Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden wollen, in den vergangenen Jahren umgelegt wurde.

Angesichts der oft allzu gut gemeinten und damit überzogenen Auflagen und Verpflichtungen ist durchaus nachvollziehbar, dass vor allem kleine Unternehmen sich aus der Lehrlingsausbildung völlig zurückziehen. Lehrlinge unterm Glassturz sind für sie bei allem guten Willen oft mehr Last als Hilfe. Sie können sich das schlicht nicht leisten. Und: Wer will sich schon von den Haarspaltern aus Gewerkschaft oder Arbeitsmarktaufsicht ständig wegen jeder Kleinigkeit auf die Finger klopfen und als übelmeinender Bösewicht hinstellen lassen?

Es täte gut, den Wert einer akademischen Ausbildung und den Wert einer Lehre öfter zu vergleichen und sich nicht auf Vorurteile zu verlassen. Die Ergebnisse würden zuweilen überraschen. Sehr oft zugunsten der Lehre. Denn was Können, Wissen und Know-how betrifft, sind Lehrberufe oft völlig unterschätzt. Und das völlig zu Unrecht. Angesichts der Anforderungsprofile, die an manchen Akademiker gestellt werden, ist zu fragen, warum etwa Lehrberufe durch die Bank schlechter bezahlt sind, zumal dann, wenn man dort oft mehr können muss und mehr gefordert ist als in Berufen, die akademische Ausbildung verlangen.

Lehre verdient mehr Anerkennung. So lange es die aber nur auf dem Papier gibt, wird sich wohl am Fachkräftemangel in Österreich nur schwer etwas ändern.

Meine Meinung, Raiffeisenzeitung, 8. November 2012

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