Montag, 17. September 2012

Stärke für Papier und Beton

 

 

Neben Nahrungsmitteln erzeugt die Landwirtschaft immer schon Rohstoffe für die Industrie. Die Kartoffel ist ein Beispiel.
 
HANS GMEINER Gmünd (SN). Träge fließt im Stärkewerk der Agrana in Gmünd im Waldviertel die dickflüssige weiße Masse, die aus Kartoffeln gewonnen wurde, über eine große Trocknungstrommel, fällt in der Folge staubtrocken in dünnen Platten in einen Behälter darunter und wird dann zu Pulver verarbeitet. „Das ist das Ausgangsprodukt für rund 400 weitere Produkte“, sagt Josef Granner, Leiter der Abteilung Stärke bei Agrana. Nur ein Teil davon findet sich in Lebensmitteln wie Trockensuppen, Teigmischungen, Backwaren oder Sirupen wieder. Ein Gutteil der Kartoffelstärke-Produktion findet in der Industrie Anwendung. In der Textilindustrie sorgt Stärke dafür, dass die Garne beim Weben leichter verarbeitet werden können. In Druckfarben wird sie als Verdickungsmittel eingesetzt, in der Papierindustrie zur Erhöhung der Papierfestigkeit, in der Wellpappeindustrie als Kleber und im Tunnelbau in Spritzbeton. In der Chemieindustrie ist Stärke als Rohstoff für Penizillin und Zitronensäure gefragt und als Trägersubstanz für Medikamente und Kosmetika. „Man schätzt die technischen Eigenschaften und die biologische Unbedenklichkeit“, sagt Granner.
Die Produktion von Stärke ist Beleg dafür, dass die Erzeugung von Rohstoffen für die Industrie in der Landwirtschaft immer schon Tradition hat. Besonders im Waldviertel, dem Hauptproduktionsgebiet von Kartoffeln für die Erzeugung von Stärke, ist man froh darum. Mit Getreide ist dort trotz der verbesserten Preise wenig Staat zu machen. „Vielen Bauern ermöglicht der Anbau von Stärkekartoffeln, im Vollerwerb zu bleiben“, so Alfred Sturm, Obmann der knapp 2000 heimischen Stärkekartoffelerzeuger. Er hofft, dass es so bleiben kann. Der Wegfall der Produktionsquoten macht ihm genauso Sorgen wie die EU-Agrarreform und der Wegfall der Extraförderung für den Anbau von Stärkekartoffeln. Sie macht für die Bauern 70 Prozent des Deckungsbeitrags aus. Es geht um vier Millionen Euro. Darauf will er nicht verzichten. „Dann brauchen wir andere unterstützende Maßnahmen.“
Schützenhilfe bekommen die Bauern von Agrana-Chef Johann Marihart: „Wenn die Produktion gegenüber Stärke aus Getreide nicht wettbewerbsfähig ist, wird der Kartoffelanbau abnehmen.“ Insgesamt 230.000 Tonnen Stärkekartoffeln verarbeitet Agrana derzeit in Gmünd zu rund 50.000 Tonnen Stärke. Dazu kommen 20.000 Tonnen Speisekartoffeln.
Gmünd ist einer von fünf Standorten, an denen Agrana stärkehaltige Produkte erzeugt. Mit einer Gesamtverarbeitungsmenge von rund zwei Mill. Tonnen Kartoffeln, Mais und Weizen zu Stärke und Agrosprit ist Agrana, die 30 Prozent des 2,4- Mrd.-Euro-Umsatzes in dieser Sparte macht, schon jetzt größter Verarbeiter Europas. Im kommenden Jahr sollen 100.000 Tonnen Weizenstärke in Pischelsdorf dazukommen. Auch an eine weitere Vergrößerung der Anlage in Aschach, die rund 400.000 Tonnen Mais verarbeitet, ist gedacht.
 
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. September 2012

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