Freitag, 28. September 2012

Der Bauer ist kein Spielzeug


 


"Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn?", heißt es in der berühmten Ballade von Adelbert von Chamisso. Das möchte man vielen zurufen, die versuchen rund um die EU-Agrarreform und in Österreich anstehenden Veränderungen im landwirtschaftlichen Umfeld für sich Stimmung und Stimmen oder gar Geschäfte zu machen.

Der Agrarsprecher der FPÖ, Harald Jannach mit Namen, ist wohl dieser Spezies zuzuzählen. In einer Aussendung mokierte er sich jüngst darüber, dass Österreich als Nettozahler mehr Geld nach Brüssel überweist, als es von dort bekommt. Wie er die Zahlen mischt, ist nicht nachvollziehbar, wohl aber was seiner Ansicht nach unter dem Strich bleibt: Geld, das "unsere Bauern" dringend benötigen, fließe nach Griechenland, Spanien und Frankreich.

Klingt gut, hat aber nichts mit der Realität zu tun. Österreich ist, das ist richtig, Nettozahler, zahlt also mehr nach Brüssel, als es von dort bekommt. In den vergangenen Jahren betrug der Überhang 400 Mill. bis 800 Mill. Euro. Fraglos viel Geld, und fraglos auch, dass man darüber diskutieren kann. Bauern, respektive deren Vertreter oder die sich dafür halten, sollten sich dabei wohlweislich zurückhalten. Denn die Landwirtschaft zählt zu den größten Profiteuren dieses Systems. Mehr 1,3 Mrd. Euro, weit mehr als das, was Österreich netto die EU kostet, überweist Brüssel jährlich auf die bäuerlichen Konten - als Betriebs-, Mutterkuh-, Milch- und Stärkekartoffelprämie und als 50-Prozent Beitrag zu ÖPUL, Ausgleichzahlungen für Bergbauern und all die anderen Programme in der Ländlichen Entwicklung. Man mag sich angesichts der Stimmung, die in diesem Land der Landwirtschaft gegenüber herrscht, gar nicht ausmalen, wie es aussehen würde, wenn dieses Geld in Österreich aufgebracht werden müsste.

Warum daher Politiker wie Jannach, zumal wenn sie vorgeben, Interessen der Bauern zu vertreten, gegen Österreichs Nettozahlerposition polemisieren, ist nicht nachzuvollziehen. Es gibt viel zu viele, die oft bar jeder Sachkenntnis und wider besseres Wissens Forderungen aufstellen, die allenfalls gut klingen, aber fern aller realen Verhältnissen und Umsetzungsmöglichkeiten sind. Und die allenfalls ihnen selbst, nicht aber der Landwirtschaft, die ehrliche Diskussion und Vorschläge so dringend nötig hätte, dienen. Aber Hauptsache Wirbel, Hauptsache Aufmerksamkeit, Hauptsache Schlagzeilen. Da reibt man sich die Hände und lacht sich ins Fäustchen. Allzuoft auf Kosten der Bauern.

So sind viele, die in der Agrarpolitik mitmischen und nach Stimmen fischen. Auch der Agrarsprecher der SPÖ, Kurt Gassner mit Namen und Lehrer von Beruf, zählt dazu. Er erklärt gerne, dass er ja die Positionen zur Agrarreform nicht im Detail kenne, weil ihn niemand informiere. Das hindert ihn aber nicht gegen die Bauernvertretung und die Bauern zu polemisieren, statt sich um die nötigen Informationen zu kümmern. Geradezu lustvoll treibt er im Verein mit der Arbeiterkammer Bauern und Bauernvertretung mit Steuervorschlägen und Sticheleien zu den Bauerneinkommen und ihrer Verteilung vor sich her.

"Bauern sind kein Spielzeug" sollten sie "Agrarpolitiker" wie diese hinter die Ohren schreiben. Aber nicht nur sie. Auch all die Arbeiterkämmerer und die Verantwortlichen im Handel, die ich so gerne um die Landwirtschaft besorgt zeigen, aber doch nichts anders im Sinn haben, als bäuerliche Sorgen oder das Image der Bauern zu benutzen, um sich zu profilieren.


Gmeiner meint - Blick ins Land 10/12 - 28. September 2012

Donnerstag, 27. September 2012

Land der Fahnen im Wind





Ein ganzes Land echauffiert sich in diesen Tagen über den Untersuchungsausschuss und die Ränkespiele darum herum, mit denen Politiker sich und ihr Verständnis von Politik entblößen und die Dinge in ihrem Sinne richten. Da war alles vergessen, was man in den vergangenen Monaten in Kommissionen besprach und als Anstandsregeln in Ehrenkodices formulierte.

Überraschend ist das nicht. Nicht in diesem Land, in dem sich nicht nur die Fahnen im Wind drehen. Überraschender ist die Aufregung, die darum gemacht wurde. Das ist doch ganz normal, man kennt es doch. Man wird sich‘s ja noch richten dürfen. Da ein Schachzug für einen kleinen Vorteil, dort ein kleines politisches Gegengeschäft, da ein Augenzwinkern, dort ein Versuch, zumal die Gelegenheit günstig erscheint. Könnt‘ ja gehen.

Beispiele für dieses Denken und dieses Verhalten gibt es zwischen Neusiedlersee und Bodensee zuhauf. Jeden Tag, jede Woche und überall.

Bauernschlau strebte etwa dieser Tage ein Landwirt die Umwidmung eines Grundstückes zu einem Betriebsbaugebiet an, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass just dort die Trasse eines für das ganze Land wichtigen Infrastrukturprojektes vorgesehen ist. "Man wird‘s doch probieren dürfen“, war wohl die Devise, schließlich wäre eine dadurch höhere Ablöse sicherlich nicht zu verachten. Der Bauernvertreter, den er dafür einspannen wollte, musste sich einiges anhören, weil er sich nicht zum Kumpanen machen wollte.

Ein anderes schönes Beispiel dafür, wie doppelbödig das Bewusstsein vieler Österreicherinnen und Österreicher angelegt ist, wurde erst vor wenigen Wochen aus dem oberösterreichischen Städtchen Wels berichtet. Dort sorgte eine Posse für Schlagzeilen, deren Muster man bisher allenfalls von Griechenland und den dortigen Usancen kannte, die Pension der Altvorderen trotz deren Ableben zu lukrieren. In der Stadt, die sich gerne Messemetropole nennt, stellte sich im Sommer heraus, dass 300 Besitzer der rund 1.400 im Umlauf befindlichen Parkausweise für Gehbehinderte bereits verstorben sind.

Diese Selbstgefälligkeit, dieses Ausnutzen von Gelegenheiten, dieses Hintergehen von Regeln ist schwer zu ertragen. Noch schwerer zu ertragen ist, dass viele dieser Leute, die tagaus, tagein nach solchen Gelegenheiten suchen und sie postwendend ausnutzen, die sich erschlichene Ausweise hinter die Windschutzscheiben kleben oder die schimpfen, wenn eine Grundstückspekulation nicht aufgeht, sich über andere so gerne alterieren. Sei es der Politiker ganz oben, der Bürgermeister in der Gemeinde nebenan, der Betriebsratschef, der kleine Beamte und gar nicht zu reden von den Arbeitslosen, den Sozialhilfeempfängern, den Ausländern oder den Griechen - wer immer. Da weiß man ganz genau, was geht und was nicht geht, was erlaubt ist und was nicht und wie der "G’hörtsich“ auszuschauen hat.

Nur bei sich selbst legt man zweierlei Maßstäbe an. Man tut das gerne in Österreich. Viel zu gerne. Die Folge ist dieses für Österreich typisch werdende verschwitzte Klima, in dem ein Ja oft kein Ja ist und ein Nein kein Nein. In dem ja gesagt, aber nein gemeint wird und umgekehrt. Das verdrießt und bremst. Es lähmt und ist purer Humus für eine Neidgesellschaft, die nicht aufs Ganze, sondern vor allem auf sich selbst schaut. Längst ist das Land dabei, sich zu blockieren im Bestreben nur nicht zu kurz zu kommen.

Wie es dazu gekommen ist, ist so wenig nachzuvollziehen wie die Frage, ob zuerst die Henne oder zuerst das Ei war. Ob sich diese Unkultur breit machte, weil die schlechten Beispiele von oben kamen?Oder ob sie von unten nach oben gewachsen ist mit jeder neuen Generation, die an die Schaltstellen in Politik und Gesellschaft geriet?

Es bleibt einem oft der Mund offen, mit welcher Chuzpe sich Leute die Dinge und die Meinungen zurechtbiegen können, auf dass für sie ein Vorteil heraus schaue. Da zählt viel zu oft, scheint‘s, nichts mehr von dem, was man gestern gesagt hat, und was morgen sein wird, auch nicht. Es geht nur ums Ich.

Wie die Gesellschaft dieser Falle entkommt, ist freilich die Frage. Käme der Anstoß von oben, wär’ das wohl der beste Weg. Nur, danach schaut es nicht aus. Zumindest nicht in der derzeitigen Konstellation. Hoffnung macht allenfalls, dass die Vorkommnisse rund um den Untersuchungsausschuss doch aufregen - nicht nur die Anhänger nicht beteiligter Parteien.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. September 2012

Freitag, 21. September 2012

Milch wird wieder teurer





Vor allem die Nachfrage aus China entlastet die Milchmärkte. Der Preis für Milchprodukte steigt, aber die Bauern sollen vorerst nichts davon haben.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Nach vielen schwierigen Wochen hatte Helmut Petschar, Chef der Kärntnermilch und Sprecher der österreichischen Milchverarbeiter, Donnerstag bei der Milchwirtschaftstagung seines Verbandes in Salzburg frohe Kunde für seine Kollegen und die gesamte Branche. „Der erste Diskonter hat heute den Preis für die Eigenmarkenbutter um zehn Cent pro Viertelkilogramm angehoben“, verkündete er. Nun erwartet er, dass nach den dreimaligen Preissenkungen seit Jänner Milch und Milchprodukte in den nächsten Wochen wieder teurer werden. „Der Handel weiß, dass auf den internationalen Märkten die Preise steigen“, sagte Petschar. Er rechnet damit, dass die Preise quer über alle Produktgruppen um rund fünf Prozent angehoben werden. „Ausdrücklich spreche ich nicht von einer Erhöhung, sondern von einer Rücknahme der Preissenkungen.“ Vor allem die letzte im Juli hält man in der Branche für völlig unnötig. „Da hat sich die Wende auf den Milchmärkten bereits abgezeichnet.“

Dieser Trend hält nach wie vor an. Seit Wochen zeigen die Preise in allen Produktgruppen wieder aufwärts. „Wir spüren eine deutliche Entlastung“, sagt Petschar. Auf den internationalen Märkten sind die Preise für Produkte wie Milchpulver und Milchfett seit Juli um 20 Prozent in die Höhe geschossen. „Hintergrund des anhaltenden Preisanstiegs ist offenbar eine sehr robuste Nachfrage Chinas“, heißt es im deutschen Branchen-Informationsdienst „agrarheute“.

Auch in Österreich hat sich der Marktdruck deutlich verringert. Im August lagen die Milchlieferungen der Bauern, die die Molkereien im ersten Halbjahr mit Milch regelrecht überschwemmten, um den Preisdruck auszugleichen, erstmals niedriger als im Vorjahr. „Wegen der deutlich erhöhten Futtermittelpreise haben die Bauern die Produktion jetzt zurückgenommen“, sagt Petschar. Bis dahin lagen die Produktionszahlen um rund fünf Prozent über dem Vorjahresniveau. „Innergebirg lieferten die Bauern heuer im ersten Halbjahr sogar um acht Prozent mehr als im Vorjahr, im Flachgau lag das Plus bei vier Prozent“, sagt Christian Leeb von der Salzburger Alpenmilch. Damit ist es nun vorbei. „Der Markt stabilisiert sich derzeit auch von der Anlieferungsseite her“, sagt Petschar.

Die Bauern, die in der ersten Jahreshälfte für ein Kilogramm Milch noch 39 Cent bekamen, sich derzeit aber mit 34 bis 36 Cent bescheiden müssen, werden davon vorerst dennoch nicht profitieren. Dass die Milchpreise für die bäuerlichen Lieferanten heuer noch angehoben werden, kann sich Petschar nicht vorstellen. „Wir sind am Limit“, verteidigt er sich. „Die Molkereien haben in den ersten sechs Monaten viel von den Preisrückgängen auf den Märkten geschluckt.“ Die Lage der Verarbeiter sei höchst angespannt. „Die Betriebsergebnisse sind heuer im ersten Halbjahr oft negativ.“ Schon im Vorjahr blieb den Molkereien im Schnitt nicht mehr als eine schwarze Null. „Das bedeutet, dass wir alles, was wir erwirtschaftet haben, an die Bauern weitergaben“, sagen Petschar und Leeb unisono. Dass sich die Bauern damit zufriedengeben werden, ist unwahrscheinlich. Denn ihnen geht es kaum anders als den Molkereien. Wegen der hohen Futterkosten können sie kaum kostendeckend produzieren.

Einer der wichtigsten Gründe für die angespannte Lage ist das niedrige Preisniveau bei Milch- und Milchprodukten in Österreich. „Bei uns kostet ein Liter Trinkmilch 0,95 Euro, in Frankreich 1,18 und Italien 1,37 Euro“, nennt Petschar ein Beispiel. „Nur in Deutschland kostet der Liter mit 0,61 Euro noch weniger.“

Zornig machen ihn vor diesem Hintergrund nicht nur die Aktionspolitik der Handelsketten, sondern auch die Preisvergleiche der Arbeiterkammer. „Da werden Äpfel mit Birnen verglichen“, sagt er. Dass etwa in Österreich Milch von ausschließlich GVO-frei gefütterten Tieren komme, werde genauso wenig berücksichtigt wie die wesentlich strengeren Tierschutzgesetze.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 21. September 2012

Donnerstag, 20. September 2012

Holland gäbe Hoffnung ...





In Holland ist der Spuk vorbei. Bei den Wahlen in der vergangenen Woche wurde der Rechtspopulist Geert Wilders regelrecht abmontiert. Jahrelang machte er mit ausländerfeindlichen Parolen von sich reden, im Wahlkampf heftete er sich den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union und aus dem Euro auf die Fahnen. Und ging damit unter. Im Parlament verlor er neun von 24 Sitzen. Seine Konkurrenten Rutte und Samson, Rechtsliberaler der eine, Sozialdemokrat der andere, ließen sich nicht von Strache-Freund Wilders ins Bockshorn jagen - und gewannen mit klaren Argumenten, die nicht von billigem Populismus, sondern von sachlichen Notwendigkeiten getragen waren.

Es gibt nicht wenige in Österreich, denen das, was in Holland passierte, Hoffnung gibt. Hoffnung darauf, dass auch hier der rechtspopulistische Spuk und wirtschaftspolitische Harakiri-Absichten zumindest einen ordentlichen Dämpfer bekommen könnten.

Freilich nur könnten. In Österreich wäre die Konstellation jener in Holland gar nicht unähnlich, aber, was soll man sagen, Österreich ist Österreich. Und die beiden Regierungsparteien liefern dem hiesigen Rechtsaußen gerade wieder eine Steilvorlage auf seinem Marsch an die Macht.

Nur unglaublich und peinlich ist zu nennen, wie sich Parteien und Politiker in diesen Tagen rund um den parlamentarischen Untersuchungsausschuss und die Kärntner Skandalpossen selbst vorführen. Selbst zynischste Beobachter hielten diese Steigerung nicht für möglich. Was die Frau und der Mann von der Straße davon halten und denken, mag man sich gar nicht ausmalen.

Der Klubobmann der einen Regierungspartei setzt die andere Regierungspartei mit Dieben gleich, sein Kollege von ebendieser als eine Ansammlung von Dieben geziehenen Partei hinwiederum schmettert das Ansinnen, den Bundeskanzler vor den Ausschuss zu zitieren, mit dem Hinweis darauf ab, dass er dazu ohnehin bereits im Fernsehen befragt worden sei. In Kärnten führt die dortige Regierungspartei samt ihrem Landeshauptmann Verfassung und Demokratie seit Wochen regelrecht vor, indem sie immer wieder eine Abstimmung über einen Neuwahlantrag verhindert.

Und alle schauen zu und - der Ausdruck sei verziehen - begeilen sich regelrecht an all den Ränkespielen. Da gespielte Aufregung, dort geheuchelte Erregung. Hauptsache, es rumpelt in der Kiste und es geht ordentlich rund im Land.

Abstoßend, man kann es nicht anders sagen. Unendlich mühsam und unbeschreibbar enttäuschend. Wofür wird man als Bürger dieses Landes eigentlich gehalten?

Was da geschieht, hat nichts mehr mit politischen Winkelzügen zu tun, mit dem, was man als politische Taktik verstehen könnte, oder mit etwas, was dem gleichzusetzen ist. Das ist nichts anderes als ein neuer Tiefststand des Niveaus, den man nie für möglich gehalten hätte.

Österreich hat nicht einen Wilders, Österreich scheint ganz oben nur Wilders zu haben. Gott sei Dank nicht alle so gefährlich rechts, aber in der gleichen Art dem Populismus verschrieben, der schnellen Schlagzeile, dem billigen Applaus. Linien sind kaum mehr wo auszumachen in diesem Tohuwabohu. Zumal solche, an denen sich das Land orientieren könnte.

Längst scheint das Land die Kraft zur Selbstreinigung verloren zu haben. Wie seit mehr als einem Jahrzehnt eine Partie in Kärnten eine ganzes Bundesland mit immer neuen, immer hanebücherneren Volten in Schach halten kann, ist ein so atemberaubendes wie besorgniserregendes Beispiel dafür.

Und niemand hat die Kraft das zu stoppen. Kein Politiker, keine Partei, keine Institution. In Österreich fehlen Leute vom Zuschnitt der beiden holländischen Politiker, die den Wahnsinn stoppen könnten. Hierzulande sind selbst die, die sich wie Frank Stronach dafür aufdrängen, des Politiker-Zuschnitts, der unser Land auszuhebeln droht.

Immer mehr Menschen in Österreich wollen etwas anderes. Allzu viele freilich tanzen noch nach der Pfeife derer, die derzeit die Hebel der Macht in Händen halten. Das gilt auch und vor allem für die vielen Politikerinnen und Politiker in den zweiten und dritten Reihen dieser Parteien, für die in den hinteren Bänken des Nationalrates und der Landtage. Ihre Verantwortung wäre es, die vorne zu stoppen und herunterzuholen von ihrem Trip, der für die heimische Politik und für das Land insgesamt zum Höllentrip zu werden droht.

Holland ist ein Signal. Holland gäbe Hoffnung. Holland zeigt, was möglich ist. Trotz allem auch in Österreich.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. September 2012

Mittwoch, 19. September 2012

"Grüne“ und "rote“ Gentechnik: Schlitzohrige Verhältnisse


Schon Nachdenken über Gentechnik gilt als Tabuüberschreitung - auch bei Journalisten.

Österreich und Österreichs Landwirtschaft gefallen sich als Trutzburg gegen die sogenannte "grüne“ Gentechnik. Die Ablehnung von gentechnisch veränderten Pflanzen gehört zum Standardrepertoire eines jeden Agrarpolitikers bis hinunter zum kleinen Ortsbauernobmann. Dass sehr oft eine andere persönliche Meinung dahintersteht, mag man nicht zugeben, zumal man weiß, dass alles andere, als lautstark gegen Gentechnik zu sein, nichts als einem politischen Selbstmord gliche.

In den Redaktionsstuben der Medien, respektive der Agrarmedien, ist der Umgang mit der "grünen“ Gentechnik um keinen Deut anders. Die Ablehnung von gentechnischen Eingriffen in Pflanzen ist nachgerade zu einer Kultur geworden. Die Ablehnung kommt reflexartig und ungeprüft. Längst hat man darob jede ernsthafte Kritikfähigkeit verloren - nicht zuletzt, weil man schon lange nicht mehr die internationale Entwicklung des wissenschaftlichen Fortschritts und der Diskussion zu diesem Thema verfolgt. Das gilt für die Agrarier, das gilt aber auch für die Journalisten, namentlich die Agrarjournalisten. Die einhellige Ablehnung ist hierzulande so einbetoniert, dass jede ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema als vergeudete Zeit erscheint.

Dass es so weit gekommen ist, ist verwunderlich. Bei der Anwendung von "roter“ Gentechnik, also der Gentechnik im medizinischen Bereich, bei der Produktion von Medikamenten, Vitaminen oder Impfstoffen, ist nämlich von den Gefahren und den ethischen Bedenken, die der "grünen“ Gentechnik landauf, landab vorgehalten werden, keine Rede. Da gilt der Grundsatz, der Fortschritt ist zu nutzen, so er Möglichkeiten bietet, Probleme zu lösen. Da redet niemand von "Teufelswerk“ und "dem Herrgott ins Handwerk pfuschen“. Die Patienten nicht, die Konsumenten nicht, die Kirche nicht.

Und auch die Bauern nicht. Die haben, bei Licht betrachtet, ohnehin ein sehr schlitzohriges Verhältnis zur Gentechnik. Auf den Feldern, zumal den eigenen, lehnen die allermeisten von ihnen Gentechnik ab, weil sie sich vor einem Rationalisierungsschub fürchten und davor, vollends in die Fänge von internationalen Saatgutriesen und Agrochemie zu geraten.

Hingegen hat man nichts dagegen einzuwenden, dass sich in den Futtertrögen der Schweine praktisch ausnahmslos Schrot aus gentechnisch verändertem Soja findet. Ganz im Gegenteil. Die Gegenwehr gegen Ansinnen, das zu ändern, ist heftig.

Die Fronten bröckeln freilich und nach den Kühen und den Hühnern wird man wohl bald auch bei Schweinen den Kürzeren gezogen haben und lauthals klagend wirklich das tun, was Österreichs Landwirtschaft schon lange vorgibt, zu tun - gentechnikfrei zu produzieren.

Dass, es wäre wohl nicht Österreich, dabei ohnehin nur auf die "grüne“, nicht aber auf die "rote“ Gentechnik verzichtet wird, wird von allen Beteiligten und auch von gegen "grüne“ Gentechnik geifernden Medienleuten unter den Tisch gekehrt. Aber das spielt keine Rolle. "Rote“ Gentechnik gilt hierzulande als gut, "grüne“ als schlecht.

Hinzunehmen ist das freilich nicht, zumal es bisher in keinster Weise gelungen ist, den Verzicht auf "grüne“ Gentechnik in einen Wettbewerbsvorteil für die heimische Landwirtschaft zu verwandeln. Wenn man schon drauf verzichtet, sollte man auch etwas draus machen, ist die Forderung. Und: Man sollte nicht unvorsichtiger mit dem Thema "grüne“ Gentechnik umgehen, aber gelassener. Das gilt für Politiker und Journalisten. Denn allzu leicht steht man daneben.
 
"Der österreichische Journalist" - Special Agrar
Nr. 08-09/2012 vom 19.09.2012

Montag, 17. September 2012

Stärke für Papier und Beton

 

 

Neben Nahrungsmitteln erzeugt die Landwirtschaft immer schon Rohstoffe für die Industrie. Die Kartoffel ist ein Beispiel.
 
HANS GMEINER Gmünd (SN). Träge fließt im Stärkewerk der Agrana in Gmünd im Waldviertel die dickflüssige weiße Masse, die aus Kartoffeln gewonnen wurde, über eine große Trocknungstrommel, fällt in der Folge staubtrocken in dünnen Platten in einen Behälter darunter und wird dann zu Pulver verarbeitet. „Das ist das Ausgangsprodukt für rund 400 weitere Produkte“, sagt Josef Granner, Leiter der Abteilung Stärke bei Agrana. Nur ein Teil davon findet sich in Lebensmitteln wie Trockensuppen, Teigmischungen, Backwaren oder Sirupen wieder. Ein Gutteil der Kartoffelstärke-Produktion findet in der Industrie Anwendung. In der Textilindustrie sorgt Stärke dafür, dass die Garne beim Weben leichter verarbeitet werden können. In Druckfarben wird sie als Verdickungsmittel eingesetzt, in der Papierindustrie zur Erhöhung der Papierfestigkeit, in der Wellpappeindustrie als Kleber und im Tunnelbau in Spritzbeton. In der Chemieindustrie ist Stärke als Rohstoff für Penizillin und Zitronensäure gefragt und als Trägersubstanz für Medikamente und Kosmetika. „Man schätzt die technischen Eigenschaften und die biologische Unbedenklichkeit“, sagt Granner.
Die Produktion von Stärke ist Beleg dafür, dass die Erzeugung von Rohstoffen für die Industrie in der Landwirtschaft immer schon Tradition hat. Besonders im Waldviertel, dem Hauptproduktionsgebiet von Kartoffeln für die Erzeugung von Stärke, ist man froh darum. Mit Getreide ist dort trotz der verbesserten Preise wenig Staat zu machen. „Vielen Bauern ermöglicht der Anbau von Stärkekartoffeln, im Vollerwerb zu bleiben“, so Alfred Sturm, Obmann der knapp 2000 heimischen Stärkekartoffelerzeuger. Er hofft, dass es so bleiben kann. Der Wegfall der Produktionsquoten macht ihm genauso Sorgen wie die EU-Agrarreform und der Wegfall der Extraförderung für den Anbau von Stärkekartoffeln. Sie macht für die Bauern 70 Prozent des Deckungsbeitrags aus. Es geht um vier Millionen Euro. Darauf will er nicht verzichten. „Dann brauchen wir andere unterstützende Maßnahmen.“
Schützenhilfe bekommen die Bauern von Agrana-Chef Johann Marihart: „Wenn die Produktion gegenüber Stärke aus Getreide nicht wettbewerbsfähig ist, wird der Kartoffelanbau abnehmen.“ Insgesamt 230.000 Tonnen Stärkekartoffeln verarbeitet Agrana derzeit in Gmünd zu rund 50.000 Tonnen Stärke. Dazu kommen 20.000 Tonnen Speisekartoffeln.
Gmünd ist einer von fünf Standorten, an denen Agrana stärkehaltige Produkte erzeugt. Mit einer Gesamtverarbeitungsmenge von rund zwei Mill. Tonnen Kartoffeln, Mais und Weizen zu Stärke und Agrosprit ist Agrana, die 30 Prozent des 2,4- Mrd.-Euro-Umsatzes in dieser Sparte macht, schon jetzt größter Verarbeiter Europas. Im kommenden Jahr sollen 100.000 Tonnen Weizenstärke in Pischelsdorf dazukommen. Auch an eine weitere Vergrößerung der Anlage in Aschach, die rund 400.000 Tonnen Mais verarbeitet, ist gedacht.
 
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 17. September 2012

Donnerstag, 13. September 2012

Im Schwitzkasten der Gerechtigkeitsdebatte

 




Österreichs Politik ist seit Jahren im Schwitzkasten einer Gerechtigkeitsdebatte gefangen. Die Forderungen nach Besteuerung von Erbschaften und Vermögen werden damit begründet, die Maßnahmen zur Sanierung des Staatshaushaltes werden daran gemessen, die Hilfen für notleidende Eurostaaten und die Proteste gegen die internationale Finanzwirtschaft.

Was man unter Gerechtigkeit versteht, wird freilich selten dazu gesagt. Da neigt man allerorten sehr viel lieber dazu, sich den Inhalt des Begriffes selbst zurechtzubiegen. Oft kommt sie in Begleitung des Begriffes "Fairness“ daher, oft aber auch in der von "Gleichheit“. Und fast immer ist dem, was als Gerechtigkeit gefordert wird, eine große Portion Selbstgerechtigkeit eigen.

Die Sozialdemokraten samt ihrer Vorfeldorganisationen und der von ihnen beherrschten Interessenvertretungen haben es hierzulande verstanden, daraus ein Perpetuum mobile zu zimmern, das den eigenen Erfolg ohne großes Zutun zu sichern scheint. Die Konservativen, namentlich die Volkspartei, hingegen drohen am Gerechtigkeitsgeflecht zu ersticken. Chancenlos, nicht zuletzt, weil auch völlig ideenlos das zu ändern, dreht sich die Spirale für die Schwarzen seit drei Jahren abwärts, seit die Sozialdemokraten die Gerechtigkeit für sich entdeckt und gepachtet haben. Die wissen den Zeitgeist hinter sich und verstehen es seither auf dieser Klaviatur zu spielen und ihre Macht abzusichern. Der Regierungspartner hingegen ist gezwungen seine Kraft zu verbrauchen an der Notwendigkeit, sich ständig rechtfertigen zu müssen für seinen Begriff von Gerechtigkeit.

Fraglos ist in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren viel aus dem Lot geraten, was das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen stört. Dem Liberalismus in der Wirtschaft ist ein Teil zuzurechnen und der Nehmermentalität, die sich ausgehend von der als Vorbild dienenden Politik tief in nahezu alle Gesellschaftschichten hineinfraß. Dazu trugen viele der Versprechen bei, die in Aussicht gestellt wurden, um Wählerstimmen zu bekommen, die aber nie eingelöst wurden. Und dazu trug die Wirtschafts- und Währungskrise bei, die Europa und auch Österreich nun schon das sechste Jahr in ihrem Banne hält. Zutiefst verunsichert und in Sorge um ihr eigenes Vorankommen schaut aus verständlichen Gründen jede Berufsgruppe, jedes Unternehmen und jede Bürgerin respektive jeder Bürger, sehr genau, ob er es wo besser haben könnte und wo ein anderer möglicherweise zu viel bekommt.

Dass dabei andere Prinzipien der Gesellschaft und andere Grundsätze des Rechtsstaates in immer größere Gefahr kommen, unter die Räder zu geraten, wird billigend in Kauf genommen. Die Neiddebatte, sozusagen der Zwilling der Gerechtigkeitsdiskussion, ist ein Beispiel dafür. Immer öfter und immer unverhohlener werden etwa Leute, die etwas besitzen - und es müssen gar nicht die als "Reiche“ Diskreditierten sein - in die Nähe von Gaunern gerückt, wird ihnen unterstellt, ihr Vermögen, und sei es auch nur ererbt, auf zwielichtigem Weg erworben zu haben, knapp am Rande der Illegalität. Nicht anders läuft das Spiel zwischen Gesellschaftsschichten. Die heimischen Bauern, aber auch die Eisenbahner, wissen ein Lied davon zu singen.

Das war nicht immer so und das ist nicht überall so. Gerechtigkeit spielt auch in Deutschland eine zentrale Rolle, so wie sie in allen Demokratien spielen muss. Dort aber sorgte der neue Bundespräsident Gauck für Aufsehen, als er den Begriff "Freiheit“ als zentrales Leitmotiv seiner Präsidentschaft nannte. Bei uns in Österreich ist dieser Begriff alles andere als modern. Im Gegenteil. Man würdigt die Freiheit allenfalls als Ende der Besatzungszeit und feiert den Staatsfeiertag. Ansonsten versteht man aber den Begriff Freiheit eher als die Freiheit, Ansprüche zu stellen. Zu mehr fehlt der Mut, dann schon lieber Vollkasko von der Wiege bis zur Bahre, ist der Eindruck der sich hierzulande allzu oft aufdrängt.

Freiheit aber ist nur eines von vielen Themen, die vom Drängen nach dem, was für Gerechtigkeit gehalten wird, zugedeckt werden. Zu Unrecht. Solidarität ist auch so ein Begriff, der hierzulande, zumal in der Gesellschaft, viel zu kurz kommt, Verantwortung gehört dazu und auch Leistung. Man sollte diese Begriffe, die meist für Lebenshaltungen, aber auch für politische Prinzipien stehen, nicht geringer schätzen als das Streben nach Gerechtigkeit. Zumal in einer Gesellschaft, um deren Vorankommen es Spitz auf Knopf steht. Sie einzufordern sollte vorderste politische Aufgabe sein. Zumal von jenen, deren Kräfte die Gerechtigkeitsdebatte verbraucht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 13.September 2012

Dienstag, 11. September 2012

Die anderen Seiten des Agrosprits





Agrosprit aus Pflanzen sorgt für heftige Diskussionen. Manches wird dabei ausgeblendet – zu Unrecht.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Jahrzehntelang galt der Einstieg in die Erzeugung von Bioenergie als die Zukunftsstrategie für die Landwirtschaft und für die Industriestaaten schlechthin. Angesichts der großen Abhängigkeit von einigen wenigen Öl produzierenden Ländern und auch wegen der zweifelhaften Umwelteigenschaften von fossilen Treibstoffen hatte die Erzeugung von Treibstoffen aus Pflanzen immer besonderen Charme. Damit ist es nun vorbei. Überzogene politische Ziele für die Agrosprit-Erzeugung und schlechte Ernten schüren weltweit die Angst vor hohen Lebensmittelpreisen. In Österreich ist die Diskussion wegen der bevorstehenden Aufstockung des Agrosprit-Anteils in Benzin von derzeit fünf auf zehn Prozent (E10) besonders hitzig. Manches wird dabei vor allem aus Sicht der Landwirtschaft vergessen, manches überzeichnet, vieles kam bisher zu kurz.

1 Landwirtschaft erfüllt mit Agrosprit alte Forderung
Bis vor fünf Jahren, bis 2007, als die Preise für Agrarrohstoffe erstmals in bis dahin unvorstellbare Höhen schnellten, wurde der Landwirtschaft in der Europäischen Union und in den USA jahrzehntelang vorgeworfen, an den Märkten vorbei zu produzieren. Mit ihren Überschüssen würden die Produzenten die Preise auf den Weltmärkten ruinieren und damit den Bauern in der Dritten Welt gar keine Chance lassen, eine eigenständige Agrarproduktion aufzubauen. Die gleichen Leute und Organisationen werfen jetzt vor allem den USA und der EU vor, die Lebensmittel unnötig zu verteuern, weil sie in einem Teilbereich eine Lösung für die Bewältigung der Überschussprobleme gefunden haben, Agrosprit nämlich. Von den Möglichkeiten für die Bauern in der Dritten Welt ist hingegen keine Rede mehr.

2 Ungerührte Wegwerfgesellschaft
Bemerkenswert ist, dass die Diskussion über die Verspritung von rund sechs Prozent der Welt-Getreideproduktion von einer Gesellschaft geführt wird, die einen Gutteil der Lebensmittel wegwirft. Experten gehen davon aus, dass in den USA und in Europa jedes Jahr bis zu 50 Prozent der Nahrungsmittel im Müll landen. Allein in der EU wird die Menge auf rund 90 Mill. Tonnen geschätzt. In Österreich wird ein Viertel der gekauften Lebensmittel weggeworfen, 784.000 Tonnen insgesamt.

3 Erfolglose Entwicklungspolitik
Die Folgen des Agrosprit-Booms für manche Entwicklungsländer werden ausschließlich unter dem Aspekt des Landverbrauchs für die Erzeugung von Ölpflanzen diskutiert. Keine Rolle spielt hingegen, wie die Produktionsbedingungen für die dortige Landwirtschaft verbessert und das höhere Preisniveau genutzt werden könnten. Die Fortschritte sind gering. Es fehlt an Geld, Ausbildung und Infrastruktur. Die Verluste zwischen Acker und Markt sind enorm. Laut dem vor drei Jahren veröffentlichten Weltagrarbericht gehen rund 15 Prozent der Waren gleich bei der Ernte verloren, weil es an einem entsprechenden Straßennetz oder entsprechender Kühl-, Transport- und Lagertechnik fehlt. Bis zu den Märkten erreichen die Verluste in manchen Regionen 40 Prozent.

4 EU schränkt Flächen für die Landwirtschaft ein
Im Zuge der Agrarreform will die EU sieben Prozent der Agrarflächen als „ökologische Vorrangflächen“ aus der Produktion nehmen. Die Bauern laufen dagegen Sturm. Sie verstehen nicht, dass die möglichen Folgen für Preise und Versorgungssicherheit in diesem Zusammenhang kein Thema sind. Verbündete finden sie nicht.

5 Die Produktion in Österreich läuft längst
In Österreich wird bereits seit drei Jahren die Menge an Agrosprit erzeugt, die für E10 notwendig ist. Ob die Beimischung kommt oder nicht, ändert nichts daran, weil der Sprit auf dem internationalen Markt gefragt ist. Ein direkter Einfluss auf die Getreidepreise ist nicht auszumachen. Diese pendelten auch in den Jahren, seit die Erzeugung in Pischelsdorf läuft, zwischen 120 und 250 Euro je Tonnen. Entscheidend dafür waren in Österreich nicht Nachfrage nach Agrosprit, sondern Ernteergebnisse in Mittel- und Osteuropa. Ein Positivum hat die Produktion in Österreich jedenfalls. Bei der Verspritung entsteht ein hochwertiges Eiweißfuttermittel, das ein Drittel der österreichischen Importe aus Südamerika ersetzen kann und damit dort Agrarflächen für die Versorgung der Bevölkerung frei macht.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 11. September 2012

Donnerstag, 6. September 2012

Direkte Demokratie wird dreist missbraucht






Seit sich die SPÖ und ÖVP auf eine Volkbefragung zum Thema Bundesheer geeinigt haben, ist in der heimischen Innenpolitik der Teufel los. Im Handumdrehen hob das Hauen und Stechen zwischen den Parteien an. Ein einziges Thema auf allen Kanälen, ein ganzes Land aus den Fugen.

Man hat es befürchtet, aber man mochte es nicht glauben. Wie in Österreich direkte Demokratie verstanden wird, dünkt als nachgerade atemberaubende Themaverfehlung. Monatelang war jetzt die Rede von direkter Demokratie. Mehr sollte es sein, wurde überall verlangt. Öfter. Zur Ursache der Politikverdrossenheit wurden die eingeschränkten Möglichkeiten des Volkes, in politischen Fragen mitzuentscheiden, hochstilisiert.

Und jetzt das. Der Aufbruch von Österreichs Demokratie in eine neue Ära geriet im Handumdrehen zu einem klassischen Fehlstart. Und wenn es in dieser Tonart weitergehen sollte, wird Österreichs Umgang mit der direkten Demokratie und der stärkeren Einbindung des Volkes in politische Grundsatzentscheidungen noch abschreckendes Beispiel. Angesichts dessen wird sich dann auch der letzte sich politisch verantwortlich fühlende Bürger in diesem Land mit Grausen vom politischen Geschehen abwenden.

Der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer zeigte sich dieser Tage skeptisch darüber, dass die Österreicher gebildet und diskursfähig genug für mehr direkte Demokratie seien. Wiewohl des Professors Bedenken nicht von der Hand zu weisen sind, ist das aber hierzulande ganz offensichtlich nicht die ärgste Befürchtung, die angebracht ist. Die viel wichtigere und entscheidendere Frage ist, ob die österreichische Politik, respektive die österreichischen Politiker, gebildet und diskursfähig genug sind, um bei Mayers Worten zu bleiben, um mit mehr direkter Demokratie umzugehen. Das freilich ist nach den ersten Tagen, nachdem die Absicht über die künftige Gestaltung der Rekrutierung von Bundesheerpersonal verkündet wurde, zu bezweifeln.

Man mag zum Ausbau der direkten Demokratie stehen wie man will, man mag von einem Berufsheer oder vom verpflichtenden Wehrdienst halten, was man will - so wie die Diskussion in den vergangenen Tagen geführt wurde, die Art und Weise, wie die Parteien Stellung bezogen und auf einander losgingen, ist nichts als der freche Missbrauch einer Idee, die vielen Menschen in diesem Land ein wichtiges Anliegen ist.

Ungeniert spannen die etablierten Parteien die direkte Demokratie vor ihre Karren, um die Position bei den Wählern auszuloten. Was geboten wird, ist Wahlkampf pur und von der übelsten Sorte. Und das von zwei Parteien, die zusammen in der Regierung sitzen und die Dinge so lösen könnten, wie sie die Bundesverfassung vorsieht.

Stattdessen wird das Land wohl für die nächsten Monate in eine völlig unproduktive politische Schüttellähmung versetzt und die ohnehin nicht sonderlich aktive Politik wohl endgültig wieder in den Stillstand verfallen. Die Aussichten sind wenig berauschend. Volksbefragung im Jänner, Niederösterreich-Wahlen im März, Nationalratswahlen im Herbst nächsten Jahres - da ist wohl auf Dauer nichts mehr zu erwarten, was das Land weiterbringen könnte. Statt dessen wird mitten in einer der größten Krisen, die in der Zweiten Republik zu bewältigen sind, die Politik, auf die Frage, Berufsheer oder Wehrpflicht?‘ reduziert.

Ganz abgesehen davon, dass Landesverteidigung nicht wirklich ein Thema ist, das es verdient hat, populistisch und zum Nutzen von politischen Parteien auf die Frage Wehrpflicht oder Berufsheer reduziert zu werden. Da geht es wohl eher um andere Fragen, wenn man sich den beklagenswerten Zustand des Heeres und seiner Einrichtungen vor Augen führt.

Österreichs Politik ist dabei, die direkte Demokratie und die ihr innewohnende Qualität der politischen Entscheidungsfindung, die in so vielen Sonntagsreden gepriesen wurde, regelrecht zu zertrampeln. Die Scharfmacher sollten rasch gestoppt werden. Will man direkt-demokratische Formen in Zukunft tatsächlich ausbauen und meint es ernst mit einer verstärkten Einbindung des Volkes in die politische Entscheidungsfindung, ist mehr Zurückhaltung zu fordern. Und auch ein sorgsamerer Umgang mit den unterschiedlichen Standpunkten und unterschiedlichen Zielen.

Gelingt das nicht, bleibt die direkte Demokratie und deren Ausbau das, was viele ohnehin hinter der Diskussion darüber vermuten - ein Gag.


Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 6. September 2012

Dienstag, 4. September 2012

Mit Anlauf ins Agrosprit-Desaster





Die Agrosprit-Diskussion schlug in den vergangenen Wochen wieder hohe Wellen. Dass die für die Einführung von E10 benötigte Menge längst in Österreich erzeugt wird und kein einziges zusätzliches Kilogramm Weizen oder Mais dafür nötig ist, spielte in all den hitzigen Diskussionen nicht die geringste Rolle -E10 ist in Österreich vorerst wohl gescheitert.

Den Bauern kann's eigentlich egal sein. Die Agrana-Fabrik in Pischelsdorf läuft im Vollbetrieb, sorgt für einen sicheren Absatz von heimischem Getreide und Mais und für eine Entlastung der Märkte. Aus landwirtschaftlicher und agrarpolitischer Sicht läuft alles wie geplant und das Konzept geht auf. Wann und ob überhaupt E10 in Österreich kommt, ist damit eher ein Problem der Agrana, die den Sprit wohl weiterhin zu einem guten Teil in Ungarn und in Deutschland und verkaufen und damit zurechtkommen muss.

Und dennoch ist die Diskussion rund um den Agrosprit ein Armutszeugnis für die Vertretung der Landwirtschaft, das angesichts der Aufgaben und Herausforderungen die anstehen, Sorge machen muss. Wie man sich ein zentrales Element der Agrarpolitik zerstören und die Verantwortung für hohe Preise und den Welthunger von einer Gesellschaft umhängen lässt, die ein Drittel der Lebensmittel wegwirft und täglich 20 Hektar zubetoniert, ist beschämend.

Das unschuldige Opfer, als das man sich so gerne hinstellt, ist man nicht. Denn dass es überhaupt zu einer derartigen neuerlichen Gefühls-Aufwallung gegen den Agrosprit kommen konnte, hat mit der atemberaubenden Abgehobenheit der Protagonisten in Bauernvertretung und Ministerium und mit einer unverantwortlich schlampigen Vorbereitung der Einführung (falls man von so etwas überhaupt reden kann) zu tun. Das Desaster zeichnete sich schon im vergangenen Winter ab, als in Deutschland die Diskussion losbrach und E10 grandios an den Tankstellen scheiterte. Spätestens da war klar, dass auch in Österreich ähnlicher Widerstand zu erwarten war. Minister wie die Verkehrsministerin Bures, aber auch Wirtschaftminister Mitterlehner äußerten sich schon damals abfällig, Autofahrerclubs wie der ARBÖ machten mit Unterschriftenaktionen mobil, die Mineralölwirtschaft zeigte sich distanziert.

Die Verantwortlichen taten trotzdem nichts. Keine wirkungsvollen Informationskampagnen betreffend die Umwelteigenschaften, keine schlüssige und verständliche Aufklärung über die Zusammenhänge mit Lebensmittelpreisen und Welthunger, keine Informationen für die Autobesitzer, keine technische Vorbereitung im Tankstellennetz, sondern immer nur ein so bräsiges wie herablassendes "Wir halten am 1. Oktober fest".

Das Ergebnis dieses Nichtstuns ist der Watschentanz der vergangenen Wochen, der nicht nur Minister und Bauernvertreter traf, sondern den vor allem auch die Bauern über sich ergehen lassen mussten. Sie wurden wieder einmal in der Öffentlichkeit vorgeführt als die Deppen und Gauner der Nation, die sich in ihrer Gier Unmäßiges herausnehmen und für die teurere Semmel und den Hunger in der Welt verantwortlich sind. Es ist nur bestürzend zu nennen, wie wenig die sonst so gesprächigen und gerne so viel versprechenden Agrar-Verantwortlichen bei einem so zentralen Thema zu sagen haben, wenn es ernst wird. Die Sorge ist groß, dass das möglicherweise auch bei anderen für die Bauern wichtigen Themen gilt -und dass die EU-Agrarreform ein solches ist. Da freilich kann man sich noch damit trösten, dass die Hoffnung lebt.

Gmeiner meint , Blick ins Land, 3. Sptember 2012
 
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