Donnerstag, 16. August 2012

Krokodile spielen Vabanque





Was die deutsche Kanzlerin tun soll, weiß man genauso, wie man Tipps für den Präsidenten der Europäischen Zentralbank je nach Bedarf aus dem Ärmel schüttelt. Was die Griechen verdienen, ist eine klare Sache, und warum auch Italien und Spanien im Dreck stecken, ist genauso sonnenklar, wie die Rettung des Euro unmöglich und der ESM ein Schmarrn.

Man staunt über die Expertisen zu Euro und Krise, die einem in diesem Land an den Stammtischen und aus den Medien entgegen hallen und darüber, von wem sie kommen. Offenbar alles Experten, möchte man meinen. Überall Auskenner, überall Leute, die wissen, wie es ginge. Alles bestens also? Mitnichten. Das Land leidet an den vielen dieser "Auskenner“, deren Zahl sich reziprok zu jenen verhält, die tatsächlich was wissen.

Man kann sich oft nur wundern, wer was sagt, zumal die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Qualifikation dafür kaum vorhanden ist. Erst jüngst bescheinigte eine Spectra-Umfrage, in Auftrag gegeben von der OÖ Industriellenvereinigung, den Österreicherinnen und Österreichern einen verheerenden Stand in Sachen Wirtschaftswissen. Demnach sind drei von zehn nicht in der Lage schlüssig zu erklären, was man unter Export versteht. Selbst zwei von zehn Akademikern sind dazu nicht fähig. Mit "Gewinn“ und "Umsatz“ steht man noch viel mehr auf Kriegsfuß. "Nur 56 Prozent und damit gut die Hälfte der Österreicher kann Gewinn klar definieren“, heißt es in der Studie. Und die Hälfte der Maturanten und Akademiker sieht sich außerstande, den Begriff "Umsatz“ zu erklären.

Und selbst mit Begriffen, die gerade in der Diskussion um den Euro von nicht geringer Bedeutung sind und entsprechend häufig in den Mund genommen werden, kann man wenig anfangen. Nur ein Drittel der Bevölkerung weiß, was unter "Staatsverschuldung“ zu verstehen ist, Begriffe wie "Budgetdefizit“ oder "Bruttoinlandsprodukt“ werden gar von drei Viertel der Bevölkerung nicht verstanden.

Aber was beim Euro zu tun wäre, das weiß man dennoch.

Da wundert nicht, dass der Diskurs hierzulande so flach gerät. Mit allen bedenklichen Folgen. Denn eine sich so ungeniert blank zeigende Bevölkerung ist Wachs in den Händen von Politikern, deren Tun sich an der Maximierung der Stimmen orientiert. Das ist ein Fressen für die Mundwerksburschen und Maulhelden an den Rednerpulten und treibt die Gefährdung von Währung und Wirtschaft sehr viel eher an die Spitze als sie abzuwenden. Ein bedrohliches Vabanque-Spiel, zumal sich die allermeisten Politiker mit ihrem Wirtschaftswissen kaum von dem ihrer Wähler abheben und wohl zumeist das Wort von den Blinden, unter denen der Einäugige König ist, gilt. Da verwundert nicht, dass vor allem der schnelle und griffige Sager zählt, zumal das tiefe Wissen nicht vorhanden ist.

Es fehlt an entsprechenden Autoritäten, die mit Fachwissen und nicht mit plumpen Sprüchen überzeugen und denen zu glauben die Menschen bereit sind. Nicht nur in der Politik. Auffällig ist auch, dass sich die ohnehin wenigen Experten kaum am öffentlichen Diskurs beteiligen und es dementsprechend an jeder Autorität fehlen lassen.

Die Gründe dafür sind allzuoft zutiefst österreichisch. Die Experten stehen entweder im Sold von Interessenvertretungen und Banken und sind entsprechend instrumentalisiert. Oder sie haben es sich längst und sehr lauschig in ihren wissenschaftlichen Elfenbeintürmen an den Unis und in Instituten eingerichtet. Von dort aus verfolgen sie lieber bei Kaffee und Kuchen über die Medien das so hilflose wie laute Hin und Her der Argumente, als sich selbst in die Schlacht der Worte zu werfen. Man scheut sich, Stellung zu beziehen und hat Angst davor, sich eine blutige Nase zu holen. Denn das, so viel Verständnis sei den honorigen Herrschaften entgegengebracht, passiert schnell bei dem hohen Maß an Einfluss, den die Politik in Österreich am Wissenschaftsbetrieb hat.

Tragbar ist das freilich nicht, aber ein Grund, sich an der Nase zu nehmen.

Das übrigens sollten alle tun. Vor allem aber die Oberg‘scheiten mit ihren schnellen wie haltlosen Argumenten und die stimmenjagenden Politiker sollten sich das nötige Wissen aneignen und etwas mehr Zurückhaltung an den Tag legen. Sonst müssen sie sich wie weiland ein Abgeordneter im Nationalrat auf Eigenschaften beschränken lassen, die ansonsten Krokodile beschreiben - große Klappe, kleines Hirn.
Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 16. August 2012

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