Donnerstag, 3. Mai 2012

Wie man in den Wald hineinruft ...






Als die Schweizer kürzlich gegen eine Verlängerung des Jahresurlaubs stimmten, sorgte das in Österreich regelrecht für Aufregung und vor allem für jede Menge Kopfschütteln. "Wie kann man nur gegen mehr Urlaub sein?“, fragten sich die Leute vom Neusiedler-bis zum Bodensee und machten ihre Witzchen über die westlichen Nachbarn. Die durchaus ernsthaften Kommentare und Anmerkungen vorwiegend aus der Wirtschaft, die das Schweizer Abstimmungsverhalten und vor allem die Einstellung, die dahinter steckt, zum Vorbild für Österreich zu erklären versuchten, verhallten ziemlich ungehört und vor allem wirkungslos. In einem Land, in dem im Radio schon am Montag vom darauffolgenden Freitag die Rede ist und in dem die Leute allzuoft nur dann zukunftsorientiert sind, wenn es ums nächste Wochenende geht, ist das nicht verwunderlich.

Dazu passt das Ergebnis einer Umfrage, die nur kurze Zeit nach dem für Österreich so überraschenden Volksentscheid veröffentlicht wurde. "Die Österreicherinnen und Österreicher fragen sich lieber: Was mache ich nach der Arbeit? als Was mache ich in der Arbeit?“, fasst das Meinungsforschungsinstitut Spectra die Ergebnisse der Befragung prägnant zusammen. Freizeit ist hierzulande längst wichtiger als Beruf und Arbeit.

Das ist Wasser auf die Mühlen derer, die gerne über einen mangelnden Leistungswillen lamentieren und fehlende Einstellung zur Arbeit beklagen. Freilich sind ihre Argumente oft nachvollziehbar - wenn man etwa an der Supermarktkassa steht und von den Kassierinnen nicht einmal wahrgenommen wird, weil sie in einen Tratsch vertieft sind, wenn man in einem Baumarkt verzweifelt nach einem Berater sucht, wenn man sich über die harsche und unwillige Auskunft auf dem Amt wundert, auf die man hat so lange warten müssen, oder wenn man in einem Wiener Kaffehaus von einem Ober beamtshandelt wird.

Freilich kann man darüber lamentieren und sich ärgern und neidvoll auf die Schweiz schauen. Man sollte sich aber dennoch fragen, warum das in Österreich so ist, woher das kommt und was dahinter steckt. Und dann fällt einem vielleicht auch ein, wie in der Werkstatt der Chef den Lehrling zusammenputzte, wie im Kleiderhaus die Verkäuferin die Näherin anschnauzte, wie man sich fremdschämte, weil ein Handwerker wegen eines nichtigen Hinweises zusammengestaucht wurde, und wie man wegen des rüden Umgangstons auf der Baustelle raschest das Weite suchte.

Das alles ist, das sollte einem bewusst sein, nicht ohne Folgen. Auf die Einstellung der Menschen, auf ihren Arbeitseifer, auf ihre Leistungsbereitschaft. Und offenbar auch auf ihre Gesundheit. Wegen der stark zunehmenden Zahl psychischer Erkrankungen am Arbeitsplatz schlugen erst kürzlich Psychologen und Wifo Alarm. Sie bringen sie mit einer zunehmenden Überforderung der Arbeitnehmer und massiven Veränderungen in der Arbeitswelt in Zusammenhang.

In Österreich ist da ganz offensichtlich etwas aus dem Lot geraten. Auch dafür liefert die bereits zitierte Spectra-Umfrage einen Hintergrund, der zum Nachdenken anregen sollte. Denn die Ergebnisse bezüglich der Bedeutung von Arbeit und Beruf und Freizeit liegen gar nicht so weit auseinander. Demnach ist Freizeit für 91 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wichtig, respektive sehr wichtig. Dann kommen aber mit einer Quote von 85 Prozent bereits Arbeit und Beruf. Das heißt nichts anderes, als dass der Wille und die grundsätzliche Bereitschaft durchaus vorhanden zu sein scheinen, dass aber Druck und Frust offenbar oft sehr groß sind. Zu groß.

Daran haben nicht nur die Unternehmer, die Abteilungsleiter und die vielen anderen großen und kleinen Chefs Schuld. Das ist eine Herausforderung für die ganze Gesellschaft. Für den um Lustigkeit bemühten Radiomoderator genauso wie für uns als Kunden, aber auch für jeden Arbeitnehmer und für all jene, die die Beteiligten auf politischer Ebene vertreten. Es gilt wohl: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

Es muss zu einer neuen Kultur gefunden werden und es gilt ein neues Gleichgewicht zu erarbeiten. Eines, mit dem alle zurechtkommen und das ein Klima erzeugt, in dem man dann vielleicht über solche Entscheidungen wie in der Schweiz nicht mehr den Kopf schüttelt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Mai 2012

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