Donnerstag, 5. April 2012

Die Zumutungen werden nie weniger





Jetzt haben wir also das Sparpaket. Seit vier Tagen ist es in Kraft. Die Regierungsparteien sind allem Anschein nach zufrieden. Die Aufregungskarawane ist weitergezogen, ereifert sich an Fragen der Transparenz und arbeitet das Gemüt an diversen Jagdgesellschaften ab, während Gesetzgeber und Verwaltung längst mit Hochdruck an den Methoden arbeiten, den Leuten die Milliarden aus den Taschen zu holen.

Seit vier Tagen werden auch all unsere Telefon- und Internetkontakte gespeichert. Von mir, von Ihnen, von Ihrem Nachbarn, von allen. Vorsorglich und ohne irgendeinen Verdachtsmoment, Unrechtes im Schild zu führen. Es gilt die Gauner-Vermutung.

Auf den Donnerstag dieser Woche fällt auch der so genannte Equal Pay Day, mit dem Frauenorganisationen auf die gegenüber Männern immer noch deutlich schlechtere Bezahlung der Frauen aufmerksam machen. Bis zu diesem Tag müssten Frauen hierzulande weiterarbeiten, um so viel zu verdienen, wie Männer, die bis zum 31. Dezember des Vorjahres gearbeitet haben.

Große Aufregung im Land? Mitnichten. Kaum jemand redet noch vom Sparpaket vulgo Stabilitätspakt. Am größten war der Unmut noch beim Bundespräsidenten. Gegen die Vorratsdatenspeicherung gingen ein paar Hundertschaften Demonstranten auf die Straße und den Equal Pay Day tut man sowieso eher als Marotte von Feministinnen ab, als ihn ernst zu nehmen.

Draufpacken, verschärfen, ignorieren, hinausschieben. Das hat in Österreich Methode. Die Zumutungen werden dabei immer mehr, weniger wird nie etwas. Was Bürgerinnen und Bürger hierzulande schlucken, sich gefallen und auf sich nehmen müssen, ist ungeheuer viel. Angehäuft hat es sich, weil die Politik viel zu selten Linie und Mut für klare Lösungen fand, das Land von Interessengruppen im Griff gehalten wird, dem Populismus überall Tür und Tor geöffnet wurde und weil den Menschen jedes Vertrauen in öffentliche Einrichtungen abhanden gekommen ist.

Zu den Folgen dieser Zustände, die längst das Land lähmen, gehören eine Steuerlast, die so hoch wie kaum wo auf der Welt ist. Dass von 100 Euro, die ein Unternehmer für einen Arbeitnehmer ausgibt, ein Großteil als Lohnsteuer, als Mehrwertsteuer und als Gebühren in den öffentlichen Taschen verschwinden, muss dann als unausweichlich hingenommen werden.

Auch das aufgeblähte und sündteure Gesundheits- und Sozialsystem, das Schul- und Bildungssystem und vieles andere sind solche Folgen. Und der tägliche Verwaltungswahnsinn. "Ich bin Unternehmer“, sagte kürzlich ein Land- und Gastwirt. "Seit über 200 Jahren betreibt meine Familie den Betrieb. Drei Personen finden bei mir Arbeit und erhalten Löhne. Außerdem bilde ich Lehrlinge und Praktikanten aus.“ Er leidet darunter, dass zwar in Sonntagsreden Leute wie er gelobt werden, den Rest des Jahres aber unter dem Deckmantel des Personen- und Arbeitsschutzes und zahlloser anderer Sicherheitsvorschriften von der Verwaltung gequält wird. Überprüfung von Enteisungsanlage, Lüftung, Kühlraum und Notbeleuchtung mehrmals jährlich nennt er. Gar nicht zu reden von der Lebensmittelpolizei, der AUVA und der Lohnsteuerprüfung, all den Kontrollen, denen er im landwirtschaftlichen Teil seines Betriebes ausgesetzt ist. "Oft frage ich mich, wann ich für die richtige Arbeit eigentlich Zeit haben soll“, sagt er.

Er raunzt, aber er schluckt all die Zumutungen. Wie die meisten Österreicher. Sie haben aufgegeben. Längst hat man das Vertrauen in die Gestaltungskraft der Verantwortlichen in diesem Land verloren. Angesichts des Gefühls der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins sind die Courage und vor allem die Zuversicht in diesem Land verkümmert.

Apathie macht sich breit. Die Menschen haben genug. Die Politik erreicht sie nicht mehr. Sie sind der immer gleichen Erklärungen und Versprechungen, die sich zumeist als haltlos und enttäuschend erweisen, müde geworden.

Die größtmögliche Rache dieser Menschen, zumal dann, wenn sie bisher ÖVP oder SP wählten, ist, FPÖ zu wählen, oder auch in Österreich Leute wie die politisch unbedarften Piraten über Gebühr zu stärken oder gar nicht mehr zur Wahl zu gehen. Und sei’s nur, um Rache zu üben.

Die Aussichten, das zu verhindern, erscheinen gering. Und das nimmt dem Land und seinen Bewohnern Zukunft.
Meine Meinung - Raiffeisezeitung, 5. April 2012

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