Mittwoch, 25. April 2012

„Dann gehen die Lichter aus“




Die EU verlangt von Österreich einen Umbau des Agrar-Fördersystems – eine Zerreißprobe für die Landwirtschaft.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die österreichische Landwirtschaft steht vor einer Zerreißprobe. Im Zug der 2014 anstehenden EU-Agrarreform muss das Fördersystem, das sich noch an den Verhältnissen Mitte der 1990er-Jahre orientiert, völlig umgebaut werden. Die EU verlangt für die Verteilung der jährlich rund 700 Mill. Euro, die aus Brüssel kommen, ein Abgehen von diesem sogenannten historischen Modell und eine Angleichung der Hektarprämien. Die vom Landwirtschaftsministerium vorgelegten Modellrechnungen bergen jede Menge Sprengstoff. Während Landwirte in den westlichen Bundesländern die Chance sehen, mehr herausholen zu können, fürchtet man im Osten, unter die Räder zu kommen.

Das sogenannte Österreich-Modell sieht einheitliche Hektarprämien in ganz Österreich als eine Variante vor. Es würde das derzeitige System völlig auf den Kopf stellen. Die Prämiensätze pro Hektar Ackerland, Grünland und Almen, die derzeit die Ertragskraft berücksichtigen und weit auseinander gehen, würden auf einen einheitlichen Satz umgestellt. Sie reichen derzeit von weniger als 50 Euro pro Hektar bis jenseits von 400 Euro. In Zukunft würde diesem Modell zufolge jeder Bauer pro Hektar 256 Euro bekommen.

Profitieren würden davon vor allem Landwirte in den von Berglandwirtschaft geprägten Bundesländern. Nach Tirol würden mehr als doppelt so viel Mittel fließen wie bisher, in Vorarlberg betrüge das Plus 79 und in Salzburg 77 Prozent (47 statt derzeit 26,5 Mill. Euro). Zu den Verlierern würden die größten Agrarländer Niederösterreich (–19) und Oberösterreich (–22 Prozent) zählen.

Eine zweite Variante des Österreich-Modells schlägt für Acker, Sonderkulturen und Grünland eine einheitliche Hektarprämie von 289 Euro, für extensives Grünland 96 Euro je Hektar vor. Eine dritte Variante sieht eine noch weitere Differenzierung vor. Für Acker- und Sonderkulturen gäbe es 323 Euro pro Hektar, für normal genutztes Grünland 242 Euro und für extensives Grünland 81 Euro.

Das zweite Modell, das sogenannte Bundesländer-Variante, stellt auf die Länder ab und sieht Umverteilungen nur innerhalb eines Bundeslandes vor. Die Aufteilung der EU-Mittel an die Länder bliebe dabei weitgehend unverändert. Diese Varfiante wird vor allem von den großen Agrarländern in Ostösterreich forciert.

Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich, der kommenden Donnerstag mit seinen EU-Kollegen zusammentrifft, möchte extreme Brüche vermeiden. Im Westen beißt er dabei auf Granit. Alles andere als das Österreich-Modell und einheitliche Prämiensätze sind etwa für den Präsidenten der Salzburger Bauernkammer, Franz Eßl, undenkbar. „Es ist nicht einzusehen, warum ein Bauer in Lamprechtshausen 130 Euro pro Hektar bekommt und sein Kollege ein paar Kilometer weiter in Oberösterreich 320 Euro“. Geringere Zahlungen für extensive Grünlandflächen sind alles, was er sich vorstellen kann.

Im Osten Österreichs stößt Eßl damit auf heftige Ablehnung. Dort vertrage man keine Einbußen mehr, sagt Ernst Karpfinger, Landwirt im Marchfeld und Präsident der Rübenbauern. „In unseren Regionen ist der Strukturwandel ohnehin seit Jahren am größten.“ Schon jetzt sei etwa im Mahlweizenanbau nur durch die Ausgleichszahlungen und die Teilnahme an Umweltprogrammen ein Deckungsbeitrag von knapp 100 Euro je Hektar zu erwirtschaften. „Eine Vereinheitlichung der Betriebsprämie würde dann wohl ein Minus von mehr als 200 Euro bedeuten“, erwartet er. Karpfinger: „Dann gehen im Ackerbau die Lichter aus.“

Die Butter wollen sich die Bauern im Osten Österreichs aber nicht so einfach vom Brot nehmen lassen, wie man sich das im Westen wünscht. „Wenn eine einheitliche Prämie kommen soll, dann müssen auch bei den Einheitswerten alle Hektar gleich viel wert sein und dann müssen wir auch über die Mittel für die Ausgleichszahlungen an die Bergbauern reden“, sagt Karpfinger.

Salzburger Nachrichten, Wirtschaft, 25. April 2012

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