Donnerstag, 22. März 2012

Weber fürchtet neue Schuldenkrise schon im Sommer

 




HANS GMEINER Linz (SN). Axel Weber, ehemaliger Chef der deutschen Bundesbank, hat auch ein Jahr nach seinem Rücktritt und kurz vor seinem Wechsel an die Spitze des Verwaltungsrats der UBS nichts von seine Schärfe verloren. Während Politiker und Banker in Europa und in Österreich gern so tun, als sei die Finanzkrise überwunden, sieht Weber das deutlich anders. „Wir sind nicht im Jahr eins nach der Krise, sondern im fünften Jahr der Krise“, sagte er am Dienstagabend bei einem seiner ersten Auftritte im deutschsprachigen Raum nach der Rückkehr aus den USA bei einer Veranstaltung der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich in Linz.
Schon im Sommer, wenn es in die nächste Runde der Refinanzierung der Staatsschulden von Griechenland, Spanien, Italien, Irland und Portugal geht, könnte die Krise einem neuen Höhepunkt zustreben, meint er. „Wenn die europäische Politik die Liquiditätsmaßnahmen der EZB nicht durch eigene Kapitalmaßnahmen bei den Banken unterstützt, werden wir uns über die gleichen Themen wie im vergangenen Herbst unterhalten“, befürchtet er. „Die Notenbanken haben genug Vorarbeiten geleistet, um der Politik das Handeln zu ermöglichen.“ Jetzt müsse die Politik an den Tisch.
Dort freilich sieht Weber „ein Umsetzungsproblem“. Er vermisst in der europäischen Politik Weitblick und Durchsetzungsvermögen. „Einer der größten Fehler ist, dass Sünden gegen den Stabilitätspakt von den Staats- und Regierungschefs selbst bewertet werden“, poltert er. „Da geht man freundlich miteinander um, hat aber Probleme nicht gelöst.“ Von den bisherigen Rettungsaktionen hält er wenig. „Jede Aktion erhöht nur die Verbindlichkeiten der Retter.“ Kaum ein gutes Haar lässt der Banker auch an dem, was noch in Diskussion steht, um Europa aus der Malaise zu führen: Eurobonds seien „Umverteilung mit unbegrenzter Haftung“, bei den Eurorettungsschirmen kritisiert er die Hebelung, weil „da nur die Verlustwahrscheinlichkeit für die Steuerzahler steigt“. Und auch vor großen Hoffnungen auf eine Fiskalunion warnt Weber. „Das ist langfristig zwar die Lösung, aber kurzfristig kein wirksamer Krisenmechanismus.“
„Man hat nicht mehr viele gute Optionen“, sagt Weber, der nicht nur als Bundesbankchef, sondern auch als Mitglied der deutschen Wirtschaftsweisen jahrelang die Finanz- und Währungspolitik mitbestimmte. „Die größte Herausforderung der europäischen Politik ist die Rekapitalisierung der Banken in Europa und die Wiederherstellung des Vertrauens in das Bankensystem.“
Dass die Banken das EZB-Geld zur Sanierung ihrer Bilanzen verwenden, hält er für nachvollziehbar, von Dauer könne das nicht sein. Darum müsse alles getan werden, dass die Banken wieder ihre Funktion als Kapitalgeber für die Wirtschaft wahrnehmen. Wenn das nicht gelingt, sieht er schwarz. „Das würde das Wirtschaftswachstum viel nachhaltiger lähmen als alles andere.“ Sein Rat daher: „Wenn sich Europa einen Gefallen tun will, stellt man jetzt die Gesundung der Bankbilanzen in den Mittelpunkt.“
Weber hatte Anfang Februar 2011 seinen Rückzug aus der Bundesbank erklärt, nicht zuletzt weil er die Politik der Europäischen Zentralbank, vor allem die Ankäufe von Staatsanleihen nicht mehr mittragen wollte. Er verzichtete damit auch auf die in Aussicht stehende Position als EZB-Chef.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 22.03.2012

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