Freitag, 30. März 2012

Ein Desaster allerersten Ranges





Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, heißt es nicht ohne Grund. Für ein Bild, das Billa kürzlich verschickte, gilt das ganz besonders. Es zeigt Gesundheitsminister Stöger, Billa-Vorstand Siess und den oberösterreichischen Fleischhauer Oberndorfer bei der Präsentation des gemeinsamen Pilotprojektes für die gentechnikfreie Produktion von Schweinefleisch. Und weit und breit kein Berlakovich, kein Wlodkowski und wie sie alle heißen.

Freilich könnte man sagen: Recht haben sie, sich nicht zu zeigen, bei einem Projekt wie diesem zahlen die Bauern ohnehin - wie bei Milch, Eiern und Geflügel - wahrscheinlich eher drauf, als dass sie etwas davon haben. Dennoch ist dieses Bild ein ebenso beschämendes wie symptopmatisches Dokument für die heimische Agrarpolitik.

Zum einen zeigt es, dass der Landwirtschaft das Heft aus der Hand genommen wurde und sich Handel und Verarbeiter die Dinge - nicht nur wenn es um Gentechnik geht - immer öfter selbst richten. Sie schaffen damit Tatsachen, an denen sich die Bauern ungefragt orientieren müssen. Und dass der Gesundheitsminister Bild lächelt zeigt, dass Agrarpolitik in zentralen Bereichen nicht mehr im Landwirtschaftsministerium gemacht wird.

Zum anderen ist es der Landwirtschaft bisher in keiner Weise gelungen, die Gentechnik-Freiheit in der Fütterung als Besonderheit zu vermarkten und für die Bauern mehr herauszuholen.  Schlimmer noch - es wird auch kaum versucht. Und das obwohl Österreich in Europa das einzige Land ist, das in zentralen Produktions-Sparten auf gentechnikfreie Fütterung umgestellt hat. Nach den bisherigen Erfahrungen gilt jedenfalls: Statt dass die Konsumenten mehr zahlen, haben die Bauern nichts als höhere Kosten und mehr Kontrollen.

Warum man sich dennoch so gerne als Vorkämpfer der Gentechnik-Freiheit feiern lässt, ist daher nicht nachvollziehbar. Da wird, wie so oft bei den Agrariern, Öffentlichkeitsarbeit mit Politik verwechselt. Genau betrachtet ist der strikte Anti-Gentechnikkurs, auf den die Bauernvertreter so stolz sind, daher bisher für die Bauern nichts als ein Desaster allerersten Ranges.

Die Bauern zmüssen das zur Kenntnis nehmen, dass eine der größten Chancen, die sie haben, nicht genutzt wird. Ihre Vertreter haben das Heft aus der Hand gegeben, die Richtung geben Handel und Verarbeiter vor. Und das nicht aus Bosheit, sondern weil es die Bauernvertreter und -organisationen oft nicht verstehen oder ablehnen, die nötigen Brücken zu schlagen. Sie betonieren sich lieber in Abwehrpositionen ein, solange, bis es zu spät ist. Bei den Mastschweinen etwa wurden Angebote von Verarbeitern und Landesproduktenhändlern ignoriert und nach Kräften hintertrieben. Dabei hätte nichts dagegen gesprochen, selbst Pilotprojekte zu initiieren - und sei es darum, um nur zu zeigen, dass es nicht geht.

So aber sehen sich nun die die Schweinemäster - wie zuvor die Milchbauern, Eier- und Geflügelproduzenten - Fakten gegenüber, die sie nicht mehr selbst steuern können, sondern auf die sie reagieren müssen. Bisher haben die Bauern dabei immer den Kürzeren gezogen. Image und Geld machen die anderen, die Kosten bleiben den ihnen.

Geschaffen wurden diese Fakten nicht von der Landwirtschaft, sondern von Handel und Verarbeitern. Und von einem Minister, der der Landwirtschaft fern steht.

Aber daran müssen sich die Bauern wohl, wie die Dinge in diesem Land, zumal die politischen Dinge, liegen, ohnehin gewöhnen, geht man doch in politischen Kreisen längst davon aus, dass Niki Berlakovich der vorerst letzte VP-Landwirtschaftsminister ist - wenn es denn in Zukunft überhaupt noch einen Landwirtschaftsminister geben wird.  

Gmeiner meint - Blick ins Land 4/12 30. März 2012

Donnerstag, 29. März 2012

Orientierungssehnsucht im Weihrauchnebel





Es war wohl Zufall, dass kürzlich am gleichen Tag und zur gleichen Stunde in Linz zwei deutsche "Wirtschaftsweise“ zur Schuldenkrise, zum Euro und zur Lage der Weltwirtschaft referierten. Kein Zufall war es wohl, dass sich dort jeweils rund 1.000 Besucher in den Sälen drängten.

Wenig ist das nicht, zumal dann, wenn eher spröde Wissenschafter am Podium stehen und sich mit sperrigen Themen auseinandersetzen. Der Besucherandrang ist deutlicher Beleg dafür, wie viele Menschen nach Information hungern und Orientierung im Weihrauchnebel suchen, den die heimische Politik und Wirtschaft verbreiten.

Sie haben es schwer in Österreich, einem Land, das sich als Insel der Seligen begreift, in dem der Blick über den Tellerrand weitgehend fremd ist und in dem Weltläufigkeit und Internationalität allenfalls an Erfolgen von Skifahrern gemessen werden.

Entsprechend beschränkt und enden wollend sind Angebot und Möglichkeit zu umfassender und vor allem ungefärbter Information zu kommen und entsprechend schlicht zumeist die Diskussion. Man neigt dazu, Probleme kleinzureden. In der Sehnsucht, die Krise überwunden zu sehen, sagt man Sachen, die wenig mit der Realität zu tun haben, und steckt den Kopf lieber in den Sand.

Der Diskurs, die Auseinandersetzung mit schwierigen Themen, ihnen gar auf den Grund zu gehen, daraus Schlüsse zu ziehen und entsprechende Handlungen zu setzen, ist freilich die Sache Österreichs nicht. Dafür fehlt es an der entsprechenden Kultur. Dafür fehlt es dem Land aber auch an der fundierten Expertise.

Das hat weniger damit zu tun, dass es hierzulande an Leuten mit entsprechendem Wissen fehlt, sondern viel mehr mit den Strukturen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt haben. Politik, Interessenvertretungen, Organisationen und Unternehmensgruppen haben längst die Diskussion und die Menschen, die sie führen könnten, für ihre Interessen vereinnahmt. Oder, die andere Variante, sie verstehen es, sie mit entsprechenden Mitteln in Zaum zu halten. Sie haben damit Geist und Esprit in diesem Land in den Schwitzkasten genommen und es nicht nur der Freiheit und Offenheit, sondern vor allem auch seiner Kraft beraubt.

Das ist schlimm. Schlimmer noch ist freilich, dass die Wissenschaft und all die anderen, die etwas zu sagen hätten, das mit sich geschehen lassen haben. Verschreckt vom politischen Einfluss etwa scheut das Gros des wissenschaftlichen Personals dieses Landes die öffentliche Diskussion. "Das tue ich mir nicht an“, sagen viele von ihnen und ziehen das Leben im Elfenbeinturm dem oft rauen Wind eines öffentlichen Diskurses vor.

In der Diskussion respektive der Nicht-Diskussion rund um die aktuellen Wirtschaftsfragen zeigen sich die Folgen davon im ganzen Ausmaß. Das Niveau ist bescheiden, der Informationswert gering, die wissenschaftlichen Claims sind abgesteckt, die dahinter stehenden Absichten durchsichtig. Zu eng sind die Verflechtungen längst, als dass die Diskussion ins Grundsätzliche kommen könnte. Was die immergleichen wenigen Wirtschaftwissenschaftler und Wirtschaftsforscher, die sich in der Öffentlichkeit äußern, sagen, kennt man. Und welche Parteien, Institutionen und Interessengruppen - und damit Absichten - dahinter stehen und wem sie als Feigenblatt dienen, auch.

Das ist in Österreich offenbar unvermeidlich. Warum das so ist, kann man sich erklären, weil man es kennt. Zu akzeptieren ist es nicht. So wie die Politik und die Medien nicht aus der Verantwortung um die Informations- und Diskussionspflicht zu entlassen sind, ist es auch die Wissenschaft nicht.

Was für die Wissenschaft gilt, gilt freilich auch für die Wirtschaft. Auch dort versteckt man sich lieber hinter den ständig mit den immergleichen Meinungen auftretenden Wirtschaftskapitänen, als mit eigenem Wissen und eigener Erfahrung zur Auf- und Erklärung der Lage beizutragen.

Die Menschen dieses Landes haben ein Recht auf Offenheit, auf Vielfalt, auf Ehrlichkeit, auf Qualität und auf das, was man salopp als G’scheitheit bezeichnet. Vor allem haben sie ein Recht auf mehr als partei- und interessenspolitisch gefärbte Einschätzungen, auf eine österreichische Sicht der Dinge und auf österreichisches Antworten.

Gefordert sind die, die schweigen und es sich leicht machen. Die Leute brauchen sie. Und das Land erst recht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 29. März 2012

Dienstag, 27. März 2012

Billige Milch gibt es nur von großen Milchbauern




Die Bauern vergrößern ihre Betriebe, weil die Konsumenten günstige Preise wollen und die Förderungen bald weniger werden.


In der heimischen Landwirtschaft hat die Zukunft längst begonnen. Viele Bauern stellen schon jetzt die Weichen und warten die 2014 anstehende EU-Agrarreform gar nicht ab, weil sie ohnehin mit weniger Geld und deutlich schlechteren Förderbedingungen rechnen. Wer es sich zutraut, auch in Zukunft Bauer zu sein, ist schon jetzt dabei, seine Stallungen zu vergrößern und Grundflächen zuzukaufen oder zu pachten. Typisch dafür sind die Milchbauern, die so viel produzieren wie noch nie.

Die Bauern haben auch kaum Alternativen. Einerseits müssen sie mit weniger öffentlichen Geldern auskommen, andererseits ist vom Markt und damit von den Konsumenten her der Druck enorm, möglichst billig zu produzieren. Das geht in den zentralen Produktionsbereichen nur in entsprechend großen Betrieben. Den betriebswirtschaftlichen Gesetzen können sich die Bauern nicht verschließen.

Das freilich wird in der öffentlichen Diskussion, in der die Kleinlandwirtschaft oft zur idealen Form, Stall und Felder zu bewirtschaften, nachgerade verklärt wird, gern ausgeblendet. Die großen Mengen, die günstigen Lebensmittel kommen von den großen Betrieben. Sie sind es auch, die die Versorgung in diesem Land sichern.

Die Landwirtschaft, von der vor allem Städter träumen, funktioniert nur in Teilbereichen. Das Potenzial, das Spezialprodukte oder Direktvermarktung bieten, wird aber überschätzt. Für alle Bauern, die gesamte heimische Landwirtschaft, ist das kein tragfähiges Konzept. Selbst die Biolandwirtschaft kommt selten über den Marktanteil von zehn Prozent hinaus.

So wie sich die Landwirtschaft mit der Gesellschaft arrangieren muss, müssen sich daher wohl auch die Konsumenten mit der Landwirtschaft arrangieren. Schließlich tragen sie in hohem Maß dazu bei, dass die Dinge so sind, wie sie sind. Niedrige Preise und weniger Subventionen sind nur für größere Agrarbetriebe machbar.

Für die kleinen Bauern wird es freilich noch enger. Auch wenn ihnen alle Sympathie gilt, sind die Dinge mit Geld kaum zu regeln. Einen Weg zu finden, ihnen ihre Würde lassen und sie dabei nicht endgültig zu Landschaftspflegern von Steuerzahlers Gnaden zu degradieren, ist eine der Herausforderungen für die Politik.

Man sollte dabei die Kirche im Dorf lassen. Groß heißt in der Landwirtschaft nicht automatisch schlecht. So, wie klein nicht automatisch gut heißt.

Salzburger Nachrichten, Leitartikel Seite 1, 27. März 2012

Bauern drehen Milchhahn auf




Viele Milchbauern pfeifen auf Marktbeschränkungen, um ihre Zukunft abzusichern. Noch trägt es der Markt.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die heimischen Milchbauern produzieren heuer so viel Milch wie schon lang nicht. Strafzahlungen in Millionenhöhe, die sogenannte Superabgabe, die wegen der Übererfüllung der Lieferkontingente droht, können sie kaum bremsen. „Wir werden mit Milch regelrecht zugeschüttet“, ist aus den Molkereien zu hören. Die Milchproduktion liegt derzeit im Schnitt um fünf Prozent über dem Vorjahresniveau, in manchen Gebieten aber deutlich höher.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen haben sich die Preise im vergangenen Jahr deutlich erholt. Die Molkereien zahlen knapp 40 Cent pro Kilogramm Milch. Zum anderen versuchen sich viele Bauern im Hinblick auf das Auslaufen des Kontingentierungssystem 2015 eine gute Ausgangsposition zu sichern und sich bei ihren Molkereien als gute Lieferanten zu empfehlen. „Die Anpassung läuft längst“, sagt Michael Wöckinger, Milchexperte der Landwirtschaftksammer Oberösterreich. „Bauern, die früher 15 Kühe hatten, haben heute 30, die, die 30 hatten, haben jetzt 60.“ Vor allem in den traditionellen Milchregionen, wie im Salzburger Flachgau, im Innviertel und im Mühlviertel bauen die Bauern seit Jahren im Hinblick auf den freien EU-Milchmarkt ihre Ställe aus.

Bei der AMA rechnet man damit, dass die Milchbauern im laufenden Milchwirtschaftsjahr, das mit 31. März endet, die nationale Milchquote von 2,846 Mill. Tonnen um mindestens 110.000 Tonnen übertreffen werden. Dafür werden in Brüssel nach derzeitigen Schätzungen mindestes 30 Millionen Euro an Strafzahlungen fällig. Auf ein Kilogramm Milch umgelegt, sind das im Schnitt 27,83 Cent, die nach einem komplizierten System auf die Überlieferer aufgeteilt werden. Bei einem Milcherzeuger, der statt der ihm zustehenden 100.000 Kilogramm 150.000 Kilogramm liefert, macht das mehr als 10.000 Euro aus.

Viele Milcherzeuger versuchen seit Monaten durch den Kauf von Lieferkontingenten von Bauern, die ihre Milchproduktion aufgeben, die Belastung zu mindern. Die Preise für das Recht ein Kilogramm zu liefern, schnellten binnen weniger Monate von rund fünf Cent vor Weihnachten sogar auf knapp 30 Cent. Dass diese Lieferrechte in zwei Jahren, wenn in der EU Milch ohne Beschränkung erzeugt werden kann, nichts mehr wert sind, nehmen die Bauern in Kauf. Denn das ist billiger als die Strafzahlungen. „Da fließt viel Geld unnötig aus der Milchwirtschaft“, wird geklagt.

Die Politik ist mit dieser Entwicklung jedoch alles andere als glücklich. Während die IG-Milch nach wie vor glaubt, eine EU-weite Mengensteuerung auch in Zukunft durchsetzen zu können, sucht die Agrarpolitik nach anderen Lösungen. Die Hoffnung auf eine Verlängerung des derzeitigen Systems mit Lieferrechten hat man aufgegeben. „Wir suchen nach Steuerungsinstrumenten“, sagt Josef Moosbrugger, oberster Milchbauernvertreter in der Landwirtschaftskammer Österreich. Angestrebt wird eine stufenweise Reduktion der Superabgabe und eine Anpassung der sogenannten Fettkorrektur, die den unterschiedlichen Fett-gehalt von Milch berücksichtigt. Kaum Chancen sieht er für die Durchsetzung einer EU-weiten Saldierung der Milchlieferungen, also einem Ausgleich zwischen den wenigen Ländern, die wie Österreich überliefern und jenen, die ihre Quoten nicht erfüllen. In Brüssel ist das aber nicht erwünscht, denn dann könnte man das derzeitige Quotensystem sofort auflösen.

Auch wenn derzeit die Märkte dank der internationalen Nachfrage vor allem aus Russland noch gut sind, stehen die Bauern dennoch unter Druck. In diesen Wochen senken eine Reihe von Molkereien den Bauernmilchpreis, dabei knabbern die hohen Betriebsmittelkosten ohnehin an den Erlösen. Sorgen macht der starke Druck des Handels. Und damit kann die derzeit heile Milchwelt sehr schnell wieder ganz anders ausschauen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 27. März 2012

Donnerstag, 22. März 2012

Die eitle Welt der Selbstgerechten






Das Drama um Griechenland und um den Euro, die Korruptionsvorwürfe, die die Politik erschüttern, die Aufregung, weil sich Politiker mit der Justiz anlegen - diese und ähnliche Themen machten die letzten Wochen und Monate zu wahren Hoch-Zeiten für die Selbstgerechten. Jene, die immer alles gewusst haben, die immer auf der Seite des Guten sind, die immer wissen, was richtig ist und was sich gehört, die mit dem erhobenen Zeigefinger durchs Leben gehen und rasch mit Beurteilungen und Urteilen zur Hand sind.

Sie sitzen bei den Stammtischen dieser Republik, aber auch in Zeitungsredaktionen und natürlich in der Politik. Zwischentöne sind ihnen fremd, Abwägung auch. Krachen muss es.

Oft haben sie recht, das sei ihnen unbenommen. Manchmal freilich muss man sich schon wundern, wer und wie viele da über die Tachinierer in Griechenland schimpfen, über die Zocker in den Banken, über korruptionsanfällige Politiker und über Parteienvertreter, die es wagen, Justizorgane zu kritisieren - ausgerechnet in Österreich, in dem vielen Bewohnerinnen und Bewohnern genau diese Verhaltensmuster, die nun schon seit geraumer Zeit für Erschütterungen im politischen und wirtschaftlichen Leben, ja in den Grundfesten des Staatsgefüges sorgen, von klein auf bekannt sind. Diese Muster werden hierzulande ja nachgerade mit der Muttermilch aufgesogen und oft regelrecht gefördert.

Dass Polizisten "Wappler“ sind, die einem nichts Gutes wollen, bekommt schon jedes Volksschulkind mit. Wer eine Verkehrsstrafe kassiert, wehrt sich mitunter lautstark und setzt alle Hebel in Bewegung, um sie zu verhindern.

Möglichst wenig und leichte Arbeit, kurze Arbeitszeiten, viel Freizeit und Geld und eine frühe Pension gelten vielen in diesem Land als wichtigste Lebensziele.

Dass ein kleines Trinkgeld manchen Wunsch erleichtert, ist ohnehin Teil der Wirtschaft.

Selbst die Lust am Spiel, am Zocken, ist hierzulande kaum jemandem unbekannt. In den Trafiken stehen Woche für Woche Mama, Papa, Oma und Opa und die dazugehörige Jugend an, um mit ihrem Geld Lotto und Toto zu spielen. Allerorts schießen Wettbüros aus dem Boden, in denen die Leute oft mit dem Geld der Familie gambeln und zusammen fast so wie die Banker Milliarden verzocken. Mehr als 13 Milliarden Euro, fast fünf Prozent des BIP, verwetten Österreicherinnen und Österreicher jährlich in den Casinos, bei Lotto und Toto, in den Wettbüros und im Internet, wird geschätzt (nebenbei gesagt: Der Staat verdient gut damit). Kein Wunder, dass ein Automatenhersteller binnen weniger Jahre zum reichsten Mann des Landes wurde.

Da ist bemerkenswert, wie mit diesem Hintergrund die Griechen als faul abgekanzelt werden, wie manche sich über die Zockermentilität der Banken und der Banker ereifern und bei Politikern Korruption praktisch automatisch annehmen und über Politiker diskutiert wird, die sich mit der Justiz anlegen - zumeist von ein und den selben Leuten.

Freilich, es gilt nichts zu beschönigen, gar nichts. Schon gar nicht, was Politik und Politiker betrifft. In Österreich ist der Handlungsbedarf hoch wie kaum anderswo. Aber es sollte klar und bewusst sein, dass von diesen Verhaltensmustern, denen so viele in Österreich im Kleinen nachhängen und die sie nicht als ungewöhnlich empfinden, ein direkter Weg zu den großen Problemen führt, die dieses Land derzeit beschäftigen und plagen. Denn in großem Stil, auf politischer Ebene, in den Chefetagen von Banken, im öffentlichen Leben oder in Institutionen, entfalten Verhaltensmuster wie diese eine verheerende Wirkung. Genau das erleben wir derzeit. Dann freilich werden sie zur Gefahr für das gesamte System. Ganz abgesehen davon, dass es darauf nicht vorbereitet ist, ist es wohl einer der Gründe dafür, dass sich das öffentliche Österreich so schwer tut, damit zurecht zu kommen.

Nicht zuletzt das macht es so schwer, mit den Problemen fertig zu werden und die richtigen Maßnahmen zu treffen. Weil man diese Muster verinnerlicht hat, scheint in diesem Land jede Fähigkeit zu einer ernsthaften Selbst-Reflexion oder gar Auflösung der Probleme abhanden gekommen zu sein. Und wenn es sie doch gibt, dann bleibt sie auf Hinterzimmer beschränkt oder wird in hohen Papierstapeln und meterlangen Ordner-Wänden erstickt, weil es niemand wagt, die Dinge anzugreifen.

Das Land versinkt dabei. Langsam zwar, aber wie es scheint unaufhaltsam. Und jedenfalls sehr selbstgerecht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. März 2012

Weber fürchtet neue Schuldenkrise schon im Sommer

 




HANS GMEINER Linz (SN). Axel Weber, ehemaliger Chef der deutschen Bundesbank, hat auch ein Jahr nach seinem Rücktritt und kurz vor seinem Wechsel an die Spitze des Verwaltungsrats der UBS nichts von seine Schärfe verloren. Während Politiker und Banker in Europa und in Österreich gern so tun, als sei die Finanzkrise überwunden, sieht Weber das deutlich anders. „Wir sind nicht im Jahr eins nach der Krise, sondern im fünften Jahr der Krise“, sagte er am Dienstagabend bei einem seiner ersten Auftritte im deutschsprachigen Raum nach der Rückkehr aus den USA bei einer Veranstaltung der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich in Linz.
Schon im Sommer, wenn es in die nächste Runde der Refinanzierung der Staatsschulden von Griechenland, Spanien, Italien, Irland und Portugal geht, könnte die Krise einem neuen Höhepunkt zustreben, meint er. „Wenn die europäische Politik die Liquiditätsmaßnahmen der EZB nicht durch eigene Kapitalmaßnahmen bei den Banken unterstützt, werden wir uns über die gleichen Themen wie im vergangenen Herbst unterhalten“, befürchtet er. „Die Notenbanken haben genug Vorarbeiten geleistet, um der Politik das Handeln zu ermöglichen.“ Jetzt müsse die Politik an den Tisch.
Dort freilich sieht Weber „ein Umsetzungsproblem“. Er vermisst in der europäischen Politik Weitblick und Durchsetzungsvermögen. „Einer der größten Fehler ist, dass Sünden gegen den Stabilitätspakt von den Staats- und Regierungschefs selbst bewertet werden“, poltert er. „Da geht man freundlich miteinander um, hat aber Probleme nicht gelöst.“ Von den bisherigen Rettungsaktionen hält er wenig. „Jede Aktion erhöht nur die Verbindlichkeiten der Retter.“ Kaum ein gutes Haar lässt der Banker auch an dem, was noch in Diskussion steht, um Europa aus der Malaise zu führen: Eurobonds seien „Umverteilung mit unbegrenzter Haftung“, bei den Eurorettungsschirmen kritisiert er die Hebelung, weil „da nur die Verlustwahrscheinlichkeit für die Steuerzahler steigt“. Und auch vor großen Hoffnungen auf eine Fiskalunion warnt Weber. „Das ist langfristig zwar die Lösung, aber kurzfristig kein wirksamer Krisenmechanismus.“
„Man hat nicht mehr viele gute Optionen“, sagt Weber, der nicht nur als Bundesbankchef, sondern auch als Mitglied der deutschen Wirtschaftsweisen jahrelang die Finanz- und Währungspolitik mitbestimmte. „Die größte Herausforderung der europäischen Politik ist die Rekapitalisierung der Banken in Europa und die Wiederherstellung des Vertrauens in das Bankensystem.“
Dass die Banken das EZB-Geld zur Sanierung ihrer Bilanzen verwenden, hält er für nachvollziehbar, von Dauer könne das nicht sein. Darum müsse alles getan werden, dass die Banken wieder ihre Funktion als Kapitalgeber für die Wirtschaft wahrnehmen. Wenn das nicht gelingt, sieht er schwarz. „Das würde das Wirtschaftswachstum viel nachhaltiger lähmen als alles andere.“ Sein Rat daher: „Wenn sich Europa einen Gefallen tun will, stellt man jetzt die Gesundung der Bankbilanzen in den Mittelpunkt.“
Weber hatte Anfang Februar 2011 seinen Rückzug aus der Bundesbank erklärt, nicht zuletzt weil er die Politik der Europäischen Zentralbank, vor allem die Ankäufe von Staatsanleihen nicht mehr mittragen wollte. Er verzichtete damit auch auf die in Aussicht stehende Position als EZB-Chef.
Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 22.03.2012

Samstag, 17. März 2012

Die Landwirtschaft rüstet technisch auf

 



Andreas Klauser treibt den Umsatz beim Landtechnik-Riesen Case IH, der auch Steyr verkauft: 2011 waren es sechs Mrd. US-Dollar.

HANS GMEINER St. Valentin (SN). Die Sicherung der Welternährung ist eine der größten Herausforderungen. Rund um den Globus wird in der Landwirtschaft technisch aufgerüstet, um die wachsende Nachfrage nach Agrarprodukten möglichst kostengünstig befriedigen zu können. Davon profitiert die internationale Landtechnik-Industrie. „Die Lage in der Landwirtschaft ist trotz der Sorge um internationale Wirtschaftskrisen stabil, alle Zeiger weisen nach oben“, sagt Andreas Klauser von Case IH. Der Österreicher sitzt seit fast zweieinhalb Jahren im Chefsessel des zum Fiat-Konzern gehörenden US-Landtechnik-Riesen, unter dessen Dach auch die österreichischen Steyr-Traktoren erzeugt werden. „Wir haben all unsere Ziele bisher weit übertroffen“, sagt Klauser. „Von 3,7 Mrd. US-Dollar im Jahr 2009 erhöhte sich der Umsatz auf knapp sechs Mrd. US-Dollar (4,6 Mrd. Euro, Anm.) im vergangenen Jahr“.

Allein 2011 betrug der Zuwachs im Traktoren-, Mähdrescher und Landtechnik-Geschäft rund 25 Prozent. In Nordamerika erreichte Case IH im Vorjahr einen Umsatz von 3,5 Mrd. US-Dollar. Aus Lateinamerika kam rund eine Mrd. US-Dollar. Gegen die dortigen Zuwachsraten nahm sich das 15-prozentige Plus (auf 1,5 Mrd. US-Dollar) nachgerade mager aus. Heuer werde das Geschäft weiterwachsen, „ich erwarte zehn Prozent Zuwachs“, sagt Klauser. In Europa setzt er große Erwartungen in Rumänien und Bulgarien. Dort geht Titan Machinery, in den USA mit 640 Mill. Dollar Umsatz der wichtigste Händler für Case IH, neue Wege im Vertrieb. „Aus Europa hat sich niemand drüber getraut.“ Die Amerikaner investieren 25 Mill. US-Dollar und peilen mit Großtraktoren 65 Mill. bis 70 Mill. Euro Umsatz an.

In Österreich ist Case IH mit den Marken Steyr und Case unangefochten Marktführer. Mit 1236 verkauften Traktoren und einem Marktanteil von 16,2 Prozent hielt Steyr Platz eins in der Verkaufsstatistik. Zusammen mit Case erreichte man einen Marktanteil von knapp 20 Prozent.

Im Vorjahr wurden in St. Valentin, dem Europa-Sitz von Case IH, 9500 Traktoren beider Marken erzeugt. Es könnten bald mehr sein. Ein Grund dafür: Bei der Bundesbeschaffungsgesellschaft, die für Österreichs Kommunen die Ausschreibungen abwickelt, hat sich Steyr in sieben von zwölf Traktorenkategorien als günstigster Anbieter durchgesetzt.

St. Valentin ist mit knapp 550 Mitarbeitern in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten der weltweit insgesamt 26 Case-IH-Standorte geworden. „In den vergangenen fünf Jahren haben wir in Österreich 25 Mill. Euro in Ausbau, Modernisierung und Vertrieb investiert“, sagt Klauser. Bis 2015 sollen weitere 15 Millionen dazukommen.

Der frische Wind färbt auch aufs Image des einst als dröge und bieder geltenden Traktorherstellers ab. Bei der YPD-Challenge, bei der sich Jugendliche um Praktika bewerben können, war die Nachfrage nach einem Platz bei Steyr so groß wie bei Red Bull oder McDonald’s. Klausers Schluss daraus: „Für mich beweist das: Landtechnik ist sexy.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 17.03.2012

Mittwoch, 14. März 2012

Das Sparkonsolidierungssteuerpaket und unsere Schuld daran






Es war wohl Zufall, aber es ist symptomatisch für dieses Land. Just an dem Tag, an dem in Wien das 28-Milliarden-Sparkonsolidierungssteuerpaket vom Nationalrat durchgewunken wurde, ließ sich im Oberösterreichischen ein Bürgermeister samt allen Gemeinderatsfraktionen für ein Hochwasserschutzprojekt feiern. "Sicherheit geht vor“, rapportierte die lokale Wochenzeitung Meinungen zum vorgeblich guten Werk. Das Wohngebiet sei sehr beliebt, man habe etwas tun müssen. Sogar aus dem fernen Wien heischte der Landwirtschaftminister, der zur nötigen Million die Hälfte beisteuerte, um Beifall.

Warum Projekte wie dieses mit einem Mal notwendig werden, fragt freilich niemand. Man kennt das. Leider und von viel zu vielen Fällen. Statt nach dem Warum zu fragen, lassen sich ausgerechnet genau jene feiern, die sie mit ihren Fehlentscheidungen, falschen Einschätzungen, planerischen Abenteuern, wasserbaulichen Unsinnigkeiten, Flussbegradigungen und Gefälligkeitswidmungen notwendig gemacht haben. Mithin also jene, die für das Desaster verantwortlich sind.

Pfuirufe haben sie nicht zu befürchten, wenn sie mit den Millionen anrücken und ganze Landstriche im Sinne des Hochwasserschutzes umgraben und verbetonieren. Ganz im Gegenteil. Sie können sich des Applauses jener sicher sein, für die diese Fehlentscheidungen gemacht und durchgedrückt wurden. Und freilich auch von den echten Opfern, die im guten Glauben Grund kauften und erst dann merkten, dass sie den falschen Leuten vertraut hatten, als das Wasser von oben in die Gummistiefel kam, während sie im Keller zu retten versuchten, was möglich war.

Kaum sonst wo ist so augenscheinlich, wie sehr auch die Bürger dieses Landes mit verantwortlich sind dafür, dass der Staatshaushalt längst aus allen Fugen geraten ist. Auch sie tragen ein gerüttelt Maß an Verantwortung dafür. Mit ihren Wünschen, mit ihren Forderungen und mit ihren Ansprüchen, die sie sehr oft wider besseres Wissen und mit großer Vehemenz durchsetzen. Und denen freilich die Politiker allzu oft allzu schnell nachgeben.

Die Sanierung von Fehlern kostet oft noch mehr als die Fehler selbst. Hochwasserschutzbauten sind nur ein teures Beispiel dafür. Da gibt es aber auch die millionenschweren Investitionen in Lärmschutzwände, die notwendig werden, weil man allzu lange ungeniert neben Autobahnen oder anderen hochrangigen Straßenverbindungen bauen ließ und allzu oft dem Druck von Grundeigentümern und Bürgermeistern nachgab. Von der Eisenbahn gibt es viele ähnliche Beispiele. Nach wie vor werden etwa keine 20 Meter von der Bahntrasse der Westbahn Häuser errichtet, deren Bewohner dann umgehend Lärmschutz fordern und auf die Barrikaden steigen. Nicht anders ist es in der Umgebung der Flughäfen. Dort sind oft genau jene die lautesten Protestierer gegen den Fluglärm, die sich in Flughafennähe ansiedelten, weil der Grund billig war und sie Gefallen an der zentralen Lage fanden.

Raumordnung freilich ist überall. Und das macht es für den Staat teuer. Möglichst früh in die möglichst hoch dotierte Pension zu gehen, gilt Vielen in diesem Land als das Lebensziel schlechthin. Man verlangt das Spital im Bezirk und neue Straßen und Geld für Energiesparmaßnahmen. Man verlangt und verlangt. Aber Steuern zahlen will niemand.

Schlimm genug. Noch schlimmer freilich ist, dass alle diese Forderungen, und seien sie oft noch so unsinnig und anmaßend, auch bedient werden. Irgendeine politische Partei, irgendeine Interessensgruppe, irgendeine NGO, irgendeine Zeitung findet sich immer, die sich auch hinter die Wünsche stellt und mögen sie noch so abstrus und teuer ein. Und irgendein Wahlkampf steht auch immer bevor, der als Rechtfertigung herhalten muss. Dass das für das Land mittlerweile unbezahlbar und für die Zukunft längst eine Hypothek ist, spielt dabei keine Rolle.

Million fügt sich so zu Million, Milliarde zu Milliarde. "Stopp“ sagt niemand. Eine Hand wäscht die andere. Geld gegen Stimme. Stimme gegen Geld. Und schon dreht sich die Spirale weiter. Es geht immer noch allzu leicht. Man braucht nur die richtigen Argumente. So etwas wie "Sicherheit geht vor“, wie es beim Hochwasserschutz gerne verwendet wird, geht immer. Dann spielen Millionen keine Rolle. Nicht bei den Politikern. Und nicht bei den Bürgern.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. März 2012

Donnerstag, 8. März 2012

Das schwere Los von Pflänzchen in der Wüste politischer Dumpfheit





Während die Bundespolitik in Wien an einer gesetzlichen Regelung für die Offenlegung von Parteispenden respektive deren Verhinderung würgt, zeigt das kleine Salzburg, wie es gehen könnte. Dort einigten sich dieser Tage alle vier im Landtag vertretenen Parteien auf Regeln, wie denn mit Zuwendungen an die politischen Parteien und mit der Information der Öffentlichkeit darüber umzugehen sei.

Nun steht die dortige Landeshauptfrau zwar im Ruf, sich immer dann besonders innovativ zu zeigen, wenn sie das nichts kostet - was die Vermutung nahe legt, dass es in Salzburg um nicht wirklich viel geht. Das ändert aber nichts daran, dass dem Vorstoß durchaus Vorbildkraft zu eigen ist.

Derzeit haben die Länder die Nase vorn, wenn es darum geht, politische Lösungen umzusetzen. Zumal bei Themen, an denen Österreich leidet, weil auf Bundesebene nichts vorankommt. Beispiele dafür gab es in den vergangenen Monaten gar nicht wenige. Das sind die Steirer mit ihrer Reformpartnerschaft und ihrem als "Eintrachtspärchen“ bespöttelten Duo Voves-Schützenhöfer an der Spitze, die nicht nur mit ihrem um 180 Grad gewendeten politischen Stil, sondern auch mit der Zusammenlegung von Bezirken und Gemeinden und der beabsichtigten Halbierung der 50 Organisationseinheiten im Land für Aufsehen sorgten. Oder da ist Oberösterreichs Landeshauptmann Pühringer, der sich von heftigen Protesten nicht beirren ließ und eine tiefgreifende Spitalsreform durchsetzte.

Das mag angesichts des Reformbedarfs in diesem Land wenig erscheinen. Aber es sind zumindest ein paar Pflänzchen der Vernunft in der Wüste der politischen Dumpfheit, die so oft zu ertragen, respektive kaum zu ertragen ist. Es ist nicht viel, aber es reicht allemal dafür, ein bisschen Hoffnung daran festzumachen, dass in diesem Land doch nicht alle politische Vernunft den Orkus hinuntergegangen ist.

Warum freilich in den Ländern oft möglich ist, was auf Bundesebene um nichts in der Welt machbar scheint, ist unverständlich. Und auch, warum sich das umgekehrt auch nicht anders verhält. Warum die Länder ihre Kollegen aus dem Bund so gerne auflaufen lassen und warum allzu machtversessene Landeshauptleute oft nichts anderes im Sinn zu haben scheinen, als in Wien Verdruss zu bereiten. So, als ob es sich nicht um ein Land, sondern um zwei Welten handeln würde, die nichts miteinander zu tun haben. Um zwei Arten von Menschen, die nichts gemein haben, und um Kulturen, die einander völlig fremd sind.

Dabei sind doch alle Politiker, sowohl die in den Ländern als auch die, die in National- und Bundesrat gewählt werden, vom gleichen Stamm. Sie haben ihr Haus im Dorf im Waldviertel, ihre Kinder werden in einer obersteirischen Schule unterrichtet, ihre Großeltern verbringen in einem Kärntner Seniorenheim ihren Lebensabend und sie pendeln mehrmals in der Woche von ihrem Wohnsitz in die Landeshauptstadt oder ins ferne Wien, um in den Gremien ihrer Partei und im Nationalrat die Menschen in ihrem Wahlkreis zu vertreten.

Die Bundespolitiker wurden, nicht anders als ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern, in ihren Orts- und Bezirksparteien groß, ehe sie auf Bundes- oder Landeswahllisten landeten.

Spätestens dann freilich ziehen sie oft nicht mehr am gleichen Strang, sondern stehen einander gegenüber. Und das zuweilen sogar in Verbitterung. Auf Bundesebene nehmen sich die Länder allzuoft als Betonierer und Blockierer aus. In den Ländern gilt die Bundespolitik oft als nichts anderes als dilettantische Räubertruppe.

Statt offen zu bleiben für die jeweils andere Sicht, lassen sich Politikerinnen und Politiker, die in jungen Jahren gemeinsam zu Parteiveranstaltungen in ihrem Bezirk gefahren sind, von den Gremien, in denen man landete, instrumentalisieren. Zuweilen willenlos, solange es nur dem eigenen Fortkommen dient. Und oft gedankenlos.

Dass sie vom gleichen Stamm sind, vergessen sie schnell. Kein Wunder, wenn da oft nichts mehr geht. Vor allem nichts mehr weiter geht und man einander nichts anderes als politische Geisel ist.

Die Pflänzchen der Hoffnung, die da und dort wachsen, verwelken darob. Das ist nicht akzeptabel und schwer verständlich. Aber es ist so. Und es ist offenbar unvermeidlich. Und darum ist Österreich viel zu oft wohl, wie es ist - eine Wüste der politischen Dumpfheit.

Meine Meiung - Raiffeisenzeitung 8. März 2012

Donnerstag, 1. März 2012

Vom süßen Zuckerl zur bitteren Pille





Freilich: Man kann sagen, man hat toll verhandelt, weil die Bauern zum Sparpaket nicht 9,2 Milliarden Euro, wie es die ganz Übel meinenden verlangten, sondern nur 1,8 Milliarden Euro beitragen müssen. Man kann aber auch sagen, dass diese 1,8 Milliarden für eine Berufsgruppe, die nur vier Prozent der Bevölkerung ausmacht, viel zu viel sind. Denn dann hätte der Beitrag der Bauern zum Sparpaket maximal 1,1 Milliarden Euro betragen dürfen.
Kein Wunder ist da, dass der eine oder andere Bauer glaubt, beim Sparpaket "einen Sechser gemacht" zu haben, den Haupttreffer. Was durchaus nicht von der Hand zu weisen ist. Jedenfalls nehmen sich für viele Bauern die 200 Euro, die Bundeskanzler Faymann dem Sparpaket angeblich pro Monat opfern muss, als mickriger Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes aus gegen das, was ihnen abverlangt wird.
Man kann sich das Sparpaket schön reden, so toll, wie man das gerne darstellt, haben die Bauernvertreter aber nicht verhandelt. Und je näher die Entscheidung kam, desto mehr entglitt ihnen die Entwicklung.
Zur ganz bitteren Pille wird dabei die Umwidmungssteuer, die zu Beginn der Verhandlungen ganz generös als eigentlich süsses Zuckerl angeboten wurde.
"95 Prozent der Bauern würden gerne diese Steuer zahlen, wenn sie nur in die Gelegenheit dazu kämen", wurden allfällige Zweifel abgeschmettert. Doch dann nahm das Unheil seinen Lauf. So wie derzeit die Dinge liegen, kommt eine allgemeine Immobiliensteuer, die weit in die Vergangenheit greift und zudem alle Grundstücksgeschäfte zu erfassen droht, gleich, ob es dabei Zugewinne gibt oder nicht. Keine Rede ist mehr davon, dass das Geld den Gemeinden vorbehalten bleiben soll. Und nichts ist davon zu hören, wie die neue Steuer in Ländern wie Oberösterreich, wo die Bürgermeister den Bauern gerne Infrastrukturabgaben abknöpfen, eine Regelung ausschauen könnte, die Bauern nicht zu mehrfachen Draufzahlern macht.
Gelingt es nicht, das noch weg zu verhandeln, nähme sich das Traktor-Führerschein-Desaster (das übrigens immer noch der Reparatur harrt) dagegen als harmlos aus.
Die Informationslage für die Landwirtschaft ist auch drei Wochen nach Vorlage des Sparpaketes unklar. Nur Stück für Stück werden - oft durchaus widersprüchliche - Details bekannt. Sicher ist, die Immobiliensteuer wird nicht die letzte Überraschung gewesen ein. Immer noch ist unklar, wie die Millionen-Lücke zwischen der 5-prozentigen Bindung der Ermessenausgaben und den beabsichtigten Einsparungen im Verwaltungsbereich, die sie eigentlich decken sollen, geschlossen werden soll. Böse Überraschungen, die auch Bauern direkt an die Brieftaschen gehen könnten, sind dabei durchaus nicht ausgeschlossen.
Vertrauenserweckend ist all das nicht, was die Bauernvertreter in den letzten Wochen boten. Aller Beharrlichkeit zum trotz, die der Landwirtschaft in den Verhandlungen vorgeworfen wurde, zeigte sich, wie schwach ihr Standing im politischen Umfeld und in der Öffentlichkeit ist. In geradezu kläglicher Hilflosigkeit steht man den Argumenten der Arbeiterkammer gegenüber. Auch in den eigenen Reihen ist der Rückhalt enden wollend, wie die Forderung von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner nach Erhöhung der Grundsteuer beweist.
Das macht Sorgen. Schließlich geht es in den nächsten Monaten in Brüssel um die Wurst. Und in der Folge - Stichwort nationale Kofinanzierung - in Österreich auch. Und da sollte sich nicht wiederholen, was jetzt rund ums Sparpaket lief.

Gmeiner meint - Blick ins Land, 1. März 2012

Auch Macht macht Ungerechtigkeit





Gerechtigkeit ist, so scheint es, das neue Mantra in der heimischen Politik. Alles dreht sich darum, alle führen das Wort im Mund. Alle geben es als Maß und Ziel ihres Handelns aus.

Als Maßstab dafür genommen wird ausschließlich Geld.

Warum das gerade in Österreich so ist, wo jedes Bundesland und jede öffentliche Körperschaft nichts anders lieber tut, als eigene Vorschriften zu machen, wo es 22 Sozialversicherungsanstalten mit zum Großteil sehr unterschiedlichen Tarifen und völlig unterschiedlichen Pensionssystemen gibt, ist freilich nur schwer verständlich.

Diese Strukturen werden bislang allenfalls als teurer Geldfaktor wahrgenommen. Dass sie das kleine Österreich und seine acht Millionen Einwohner regelrecht auseinander dividieren und sedieren, ist hingegen kein Thema. Schon gar nicht in der Gerechtigkeitsdiskussion.

Dabei tragen sie oft wesentlich mehr zum Gefühl fehlender Gerechtigkeit in diesem Land bei, als es zu wenig abgestufte Steuersätze und allfällige Steuerlücken je könnten. Sie sind die Wurzel zahlloser Ungerechtigkeiten im täglichen Leben und sorgen für sehr viel mehr Verärgerung und Neid. Der Oberösterreicher staunt über Kostenerstattungen in Niederösterreich, die Vorarlbergerin wundert sich über die Zuschüsse in der Steiermark, der ASVG-Pensionist ärgert sich über die Beamtenpensionen. Die Beispiele sind zahllos.

Zum Thema wird das freilich, allem populistischem Nebel um die Gerechtigkeit zum Trotz, nicht gemacht. Schon gar nicht von jenen, die hinter den Kulissen die Fäden in der Hand halten und in ihren Parteien als die starken Männer gelten. Dort zählt die Macht und sonst nichts. Allenfalls neigt man der Häme zu, mit der man genussvoll zeigt, wer in diesem Land wirklich das Sagen hat.

Zwei auch körperlich sehr mächtige Menschen taten sich dabei besonders hervor. In einem Ö1-"Mittagsjournal“ lieferte Gewerkschaftspräsident Neugebauer, der dieser Spezies zweifellos angehört, und sich seinen Skiurlaub nicht von Verhandlungen stören ließ, ein beeindruckendes Beispiel dafür. Interviewer: "Wie haben Sie es geschafft, der Regierung die Einsparungen bei den Beamten um ein Drittel herunterzuverhandeln?“ - Neugebauer: "Wenn man eine starke Gewerkschaft ist, muss man gar nicht persönlich anwesend sein. Dann erledigt man so was telefonisch.“ - Interviewer: "Also die Regierung ist vor Ihnen in die Knie gegangen?“ - Neugebauer: "Ich hab ihnen nicht dabei zugeschaut.“

Um keinen Deut anders hielt es der Wiener Bürgermeister. Dass sich seine Partei groß das Etikett Gerechtigkeit an die Brust geheftet hat, scheint ihn nicht im geringsten zu kümmern. Er toppt Neugebauer ohne große Mühe. Die jüngst bekannt gewordenen Zahlen aus dem Wiener Magistrat müssen für jede Supermarktkassierin in diesem Land, für jeden kleinen Angestellten in einem Unternehmen, für jeden Arbeiter im Straßenbau, für Lehrer und all die anderen, die nicht auf der Lohnliste des Wiener Magistrats stehen, nichts anders als Hohn sein.

Während sich die Regierung müht, das Pensionsantrittsalter über die Grenze von 60 Jahre zu bringen und in Brüssel längst offen über Arbeiten mit 70 diskutiert wird, geht in Wien jeder zweite Landes-und Gemeindebedienstete wegen Dienstunfähigkeit mit kaum 51 Jahren in Pension.

Als ob das nicht genug wäre, brachte kürzlich ein Kontrollamtsbericht zu Tage, dass es die rund 65.000 Bediensteten der Stadt Wien auf durchschnittlich 22,9 Krankenstandstage im Jahr bringen. Das ist nicht viel weniger als ein ganzer Arbeitsmonat, den ein Magistratsmitarbeiter zusätzlich zum Urlaub am Arbeitsplatz fehlt. Dazu kommen mehr als 5.200 Mitarbeiter, die als Langzeitkranke gelten, weil sie mehr als 60 Tage krank gemeldet sind. Um die Zahlen einordnen zu können: Abseits des Wiener Magistrats beträgt die Krankenstandsdauer im Schnitt pro Jahr 12,9 Tage.

Herunterhandeln, Privilegien sichern und mauern, allein schon um die eigene Macht zu festigen und einzuzementieren: Neugebauer und Häupl sind nur zwei Beispiele dafür, wie man in Österreich Machtpolitik macht und wie das kleine Land auch in so einfach erscheinenden Dingen wie Pensionsantrittsalter oder Krankenstand in eine Neidgesellschaft zersplittert wird und die Gerechtigkeit aus dem Lot gerät.

Aber nicht nur das: Sie zeigen auch exemplarisch, warum in diesem Land allerorten in den öffentlichen Haushalten die Finanzen aus den Rudern laufen - und wo wirklich über Gerechtigkeit geredet werden sollte.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. März 2012
 
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