Dienstag, 21. Februar 2012

Den Bauern wird das Land knapp

 



30 Hektar Boden gehen der Landwirtschaft in Österreich täglich verloren. Für die Bauern wird das zum Problem.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Es ist nur ein Beispiel von vielen: Statt die bestehende Westbahntrasse zwischen Linz und Wels zu erweitern, werden die Züge mit Tempo 250 bald auf einer 40 Meter breiten, völlig neuen Trasse quer über wertvollstes Ackerland fahren. Begleitet von neuen Straßen geht es in Zukunft direkt zum Linzer Flughafen – in einem sieben Kilometer weiten Bogen rund um Pasching. Die Bauern sind machtlos. Rund 40 Hektar müssen sie für ein Projekt hergeben, das für sie nicht nachvollziehbar ist. Schon jetzt steht fest: Beim Flughafen, der schon jetzt ohnehin nur wenige Hundert Meter von der Westbahn entfernt ist, wird nie ein Schnellzug halten. Bürgermeister und ÖBB aber sind zufrieden. „Das ist kostengünstiger und beim Bau einfacher als alle anderen Varianten“, sagen sie.

Für Gerlind Weber, Professorin für Raumplanung an der Universität für Bodenkultur, ist das „schlimm“. Einzelfall ist das freilich keiner. Infrastruktur- und Bauprojekte fressen nach wie vor schier ungehemmt wertvolles Agrarland. Ortsrandlagen oder gar freies Ackerland zu nutzen gilt bei Kommunalpolitikern, Raumordnern und Projektbetreibern oft als die einfachere Lösung. Probleme mit Anrainern sind kleiner, Planungen weniger aufwendig, der Grund ist billiger.

Für immer mehr Bauern wird das zum Problem. Während international die Sicherung der Agrarflächen längst wichtiges Thema ist, gehen in Österreich der Landwirtschaft seit 2001 laut dem jüngstem Nachhaltigkeitsbericht des Umweltbundesamts täglich rund 30 Hektar Land verloren. Das entspricht fast der Größe von zwei durchschnittlichen österreichischen Höfen. In den vergangenen zehn Jahren summierte sich das zu 100.000 Hektar, die der Agrarproduktion abhandenkamen.

Rund ein Drittel davon wird zu Wald, weil die Bauern in Randlagen angesichts der schlechten Aussichten ihre ohnehin kargen Felder und Wiesen aufgeben. Die restlichen zwei Drittel werden zu Straßen, Bau- oder Gewerbegrund oder zu Freizeitanlagen – zum Großteil versiegelt unter Asphalt und Beton.

Für die Bauern wird es damit eng. In besseren Lagen haben sie Probleme, Flächen zu finden, um ihre Betriebe auszubauen. Die bräuchten sie aber, um sich trotz der Änderungen in der Agrarpolitik und auf den Märkten in der Landwirtschaft zu halten.

Besonders angespannt ist die Lage rund um Städte wie Linz oder St. Pölten oder im Marchfeld. „In vielen Tallagen, etwa im Lienzer Becken oder ähnlichen Regionen, ist es aber auch kaum anders“, sagt Günther Rohrer von der Landwirtschaftskammer Österreich.

Agrarland ist in solchen Regionen knapp, Pacht oder Kauf enorm teuer und oft nicht zu erwirtschaften. Zum einen gehen dort überdurchschnittlich viele Flächen an Bau- und Infrastrukturprojekte verloren. Für stark steigende Preise sorgt aber auch die Nachfrage seitens der Bauern, die – oft auf enormen Druck vor allem von Bürgermeistern und anderen Politikern hin – Grund verkauft haben und ihren Betrieb mit dem Verkaufserlös vergrößern wollen. Immer öfter treten aber auch landwirtschaftsfremde Geldanleger als Käufer von Agrargrund auf. Bauern, die keine Grundstücksgeschäfte und damit auch nicht das nötige Kapital im Rücken haben, haben in diesem Spiel schlechte Karten.

In Deutschland machen die Bauern bereits massiv Druck gegen diesen „Landfraß“. In Österreich fehlt es vielerorts noch am entsprechenden Bewusstsein. „Die Bauern zeigten bei diesem Thema bisher eine sehr ambivalente Haltung“, kritisiert Gerlind Weber. „Man hat keine klare Position eingenommen.“

Für sie ist der nach wie vor enorme Flächenverbrauch längst ein weit über die Landwirtschaft hinausgehendes Problem. Sie warnt vor den Folgen für Klima und Umwelt und mahnt ein Konzept für den Umgang mit den Böden ein. „Wir haben gegenüber Deutschland einen übermäßigen Bodenverbrauch.“

Der Hut brennt. Seit 1951 verlor Österreich ein Viertel des Agrarlandes. Statt 4,08 Mill. Hektar sind es nur mehr knapp über drei Millionen Hektar.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 21.02.2012

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