Mittwoch, 1. Februar 2012

Aus dem Brutkasten der Demokratieverdrossenheit





Bauern, die mit der Entwicklung der Landwirtschaft unzufrieden sind, sollen künftig auch im öffentlichen Dienst eingesetzt werden. Die Landwirtschaft verschlingt jährlich mehr als zwei Milliarden Euro. Jahrelang wurden Bauern in Invaliden- oder Frühpension geschickt. Damit muss jetzt Schluss sein. Die Politikerin kritisiert die Agrarpolitik, die verrückte Zustände zulasse. Es kann nicht sein, dass Menschen in einer aussichtslosen Produktion gehalten werden. Darum muss rasch die Möglichkeit geschaffen werden, Bauern auch im öffentlichen Dienst einzusetzen. Und der Steuerzahler kommt so auf sein Recht, dass vorhandenes Personal sinnvoll eingesetzt und Produktivität geschaffen wird.

Starker Tobak, der in diesem Artikel aufgetischt wird, fürwahr. Die Worte "Bauern“, "Agrarpolitik“, "aussichtslose Produktion“, "zwei Milliarden“ und "Landwirtschaft“ ausgenommen, ist er echt und vor zwei Wochen in der Kronen Zeitung erschienen. Die bäuerlichen Leser mögen sich daher nicht aufregen. Im Originaltext stehen statt dieser Worte dafür "Eisenbahner“, "Abstellgleis“, "Dienstrecht“, "ÖBB“ und "sieben Milliarden“. Gefordert hat das die schwarze Innenministerin. Daher werden an diesem Artikel wohl viele Bauern, wiewohl derzeit gerade selbst im Zentrum einer regelrechten politischen Hetzkampagane, großen Gefallen gefunden haben.

So ist Österreich. So wie die Bauern würden wohl alle reagieren. Die Beamten und Unternehmer auf der einen Seite, die Eisenbahner und Arbeiter auf der anderen. Riesenwut, wenn man betroffen ist, große Freude und Häme, wenn es um andere geht.

Dieses kleine Spiel mit dem Austausch von Schlüsselwörtern zeigt sehr viel vom Umgang in der heimischen Politik und davon, was Österreichs Staatsbürger so mürbe, müde und politikverdrossen macht. Die Leichtigkeit, die Herabgelassenheit, die Bosheit und vor allem die Respektlosigkeit ist mitunter atemberaubend und beschämend, mit der man über den politischen Gegner und die Menschen redet, die man als dessen Klientel vermutet. Argumente werden nicht gehört, Bemühungen nicht anerkannt, Wünsche abgeschmettert, Bedürfnisse negiert.

"Die“ Bauern sind beliebte Opfer, "die“ Lehrer, "die“ Beamten und "die“ Eisenbahner. Sie stehen politisch in der Auslage, daher kann man ihnen, glauben nicht wenige, alles an den Kopf werfen. Sie müssen sich von Menschen sagen lassen, wie was gemacht gehört. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, wie mit ihnen über ihre Köpfe hinweg geschachert wird. Und sie müssen sich bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit sagen lassen, dass sie für überflüssig gehalten werden, für unfähig, für notorisch faul und für Schmarotzer.

Mitleid verdienen sie freilich nur in den seltensten Fällen, denn sie verstehen sich auf dieses Spiel genauso. Zumindest.

Dieser Stil, diese Kultur, die zerren an den Nerven. Sie sind Unterfutter für Ängste, Ärger und Blockaden, ein Brutkasten für Politikverdrossenheit.

In den vergangenen Wochen gab es genug davon. Nun geht die Diskussion um das Sparpaket, wie es scheint, in die Zielkurve. Dass damit auch die gegenseitigen Miesmachereien vorbei sind, ist freilich nicht anzunehmen. Ganz im Gegenteil. Es steht zu befürchten, dass es erst richtig los geht, wenn die Pläne und die Zahlen auf dem Tisch liegen. Dann sind die Oppositionsparteien am Zug und die Interessenvertreter. Und die werden wohl weiter an der Schraube drehen.

Sie tun das freilich nicht ohne Grund und ohne Hintergedanken. Denn sie wissen genau, dass die meisten Leute in diesem Land genau das von Ihnen erwarten. Politischen Krawall zu machen, die fette Schlagzeile, wird allzu oft für Politik gehalten und als Vertretung der Interessen verstanden. Von den Politikern selbst und freilich auch von ihren Wählern.

Wehe, es ist da einer oder eine von den Interessensvertretern oder Politikern zu ruhig. Oder er oder sie zeigen gar für etwas Verständnis, das vom politischen Gegner kommt. Dann haben sie um die Stimme bei der nächsten Wahl zu fürchten. Das zumindest.

Und weil das allemal die Chance gibt, zu Stimmen und politischem Gewicht zu kommen, werden sie wohl auch nicht wortlos zuschauen und das Vereinbarte abnicken, aus Gründen der Vernunft und der Staatsräson mitzutragen versuchen oder gar loben - sondern weiter an den Nerven zerren, sich gegenseitig blockieren und alles tun, damit das Land nicht weiterkommt.

Wie bisher halt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 3. Februar 2012

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