Sonntag, 4. Dezember 2011

Die Böcke als Gärtner gegen das Bürokratiemonster





Es war der 8. September dieses Jahres, es war ungefähr halb zehn. Seither weiß Österreichs Agrarpolitik, die bis dahin den Ideen der EU-Agrarreform eher orientierungslos gegenüberstand, wo der Hund in den Plänen von Agrarkommissar Ciolos wirklich begraben liegt. "Da kommt ein Bürokratiemonster auf uns zu", redete sich der deutsche Bauernbundpräsident Gerd Sonnleitner bei einer Pressekonferenz der heimischen Agrargranden auf der Rieder Messe in Rage.
"Bürokratiemonster"! Das "Heureka! Das ist es" war den honorigen Herren von Landwirtschaftminister Berlakovich abwärts, die da neben Sonnleitner auf dem Podium saßen, förmlich anzusehen. Endlich! Griffig noch dazu! Und ideal geeignet dafür, davon abzulenken, dass von den eigenen Vorstellungen ziemlich wenig in Ciolos' Reformpläne einfloss.
Das "Bürokratiemonster" kam da gerade recht.
Der Landwirtschaftsminister baute es gleich in die Verabschiedung von der Pressekonferenz ein und eine Stunde später in seiner Rede im Bierzelt. Seither fehlt das Wort in kaum einer Presseaussendung und in kaum einer Rede. Nicht bei Berlakovich und nicht bei den anderen, die in Österreichs Agrarpolitik etwas zu sagen zu haben, die das von sich meinen oder die glauben, dazu etwas sagen zu müssen.
Mit Verlaub - aber da versuchen sich Böcke als Gärtner aufzuführen. Zuletzt wurde es sogar Agrarkommissar Ciolos zuviel. Man möge, ließ er via Interview in der Bauernzeitung wissen, lieber vor der eigenen Tür kehren.
Man kann ihm nur Recht geben. Die Bürokratie, unter der die Bauern so leiden, hat viel weniger mit Brüssel zu tun, als mit Österreich selbst. Das weiß man auch und gibt es hinter vorgehaltener Hand auch zu.
Das 64 Seiten umfassende Kompendium, das jeder Bauer jährlich gemeinsam mit dem Mehrfachantrag bekommt, ist zum überwiegenden Teil mit Vorschriften und Haarspaltereien zum Thema ÖPUL und AZ gefüllt. Und die wurden nicht von anonymen Brüsseler Bürokraten in irgendwelchen fernen, dunklen Betonburgen erfunden und auch nicht von der AMA, die so gerne wie oft ungerechtfertigter Weise die Watschen abkriegt. Erfunden, um bei diesem Wort zu bleiben, wurden sie zum größten Teil von heimischen Ministerial- und Hofräten, von Kammerdirektoren und -referenten, von Abgeordneten und Landesräten - und immer auf Druck von Bauern respektive von Bauernvertretern. Eine Prämie für die Steilmahd dort, ein bisserl Geld für die Maßnahme da, dort noch was und da auch.
Um noch einen Euro für die Bauern zu holen, hat man da noch eine Maßnahme erfunden und dort noch eine Auflage mehr. Die Österreicher waren dabei die größten in der EU und sie wurden beneidet. Das war österreichische Agrarpolitik - und nicht die schlechteste.
Denn: Auch wenn sich die Bauern oft grün und blau ärgern über all den Papierkram und die Kontrollen, auch wenn der Dschungel längst unübersichtlich geworden sein mag, ist doch festzuhalten, dass sie dafür eine ganze Menge Geld bekommen. Um genau zu sein: Beim ÖPUL sind es gut doppelt so viel wie ein Bauer in anderen Ländern.
Freichlich sollte das Ziel sein, all den Aufwand zu verringern. Dass sich aber ausgerechnet Österreichs Bauernvertreter den Kampf gegen das Bürokratiemonster zur zentralen Strategie in der Gestaltung der Agrarreform erkoren haben, wirkt befremdlich mit einem Schuss Lächerlichkeit.
Und es macht sogar Sorgen. Denn bei allem, was da noch kommen kann: Vielleicht wünscht man sich noch so ein Bürokratiemonster, wenn es denn nur genug Geld für die Bauern ausspuckt.

Gmeiner meint - Blick ins Land 3.12.2011

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1