Donnerstag, 15. Dezember 2011

..bei uns aber gilt das Prinzip Christkind





Der Gipfel in der vergangenen Woche in Brüssel, im Vorfeld als historisch etikettiert, brachte zwar nicht den erwarteten Befreiungsschlag, um wieder ein wenig durchzuatmen und Zuversicht zu fassen reicht das Ergebnis allemal.
Auch wenn die Erfolgsmeldungen von diesem Gipfel, wie schon jene von den Gipfeln davor wohl wieder schnell verhallen werden, reichen sie doch vielen, sich zurückzulehnen und weiter Party zu machen, als gäbe es kein Morgen. Keine Defizite, die unbezahlbar werden, noch künftige Generationen belasten und die Währung angreifen, keine leeren Kassen in den öffentlichen Haushalten und im Sozialbereich.
Fast ist man geneigt, es zu verstehen, brummt doch hierzulande alles wie eh und je. Die Krise gibt es, scheint es, bei uns allenfalls auf dem Papier. In den Zahlenkolonnen der Wirtschaftsforscher und Banken, in den Reden von Politikern, im Fernsehen. Im Alltag hingegen ist nichts von einer Krise zu spüren. Und vor Weihnachten mag man sich die Stimmung ohnehin nicht verderben lassen.
"Was haben die denn?", denken da immer mehr, "es geht ja."
Freilich, es ist bald Weihnachten. Unverdrossen ans Christkind zu glauben, könnte sich aber dennoch als fatal erweisen.
Denn die Sanierung Europas steht erst am Anfang. Was man bestenfalls hat, sind, um in der Bau-Sprache zu bleiben, so etwas wie Pläne, oft gar nur Ideen. Die Baumaßnahmen, die das Haus Europa, die Währung und die Wirtschaft retten sollen, die spürbaren Einschnitte aber stehen noch aus.
Das meiste von dem, was man aus Brüssel und wo immer die Gipfel stattfinden, zur Bewältigung der Krise hört und das seit Monaten für Aufregung, Befürchtungen, wachsende Sorge und wild mäandernde Aktienkurse sorgt, sind einstweilen nicht viel mehr als Absichtserklärungen, Ankündigungen, Versprechungen und Paktierungen.
Oft weiß man noch gar nicht, wie das umzusetzen ist, was da die EU-Regierungschefs im Monatsrhythmus unter der Regie von "Merkozy", wie Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nur mehr genannt werden, heuer schon beschlossen wurde. Und wann die Maßnahmen in Kraft treten sollen, ist auch nicht immer klar.
Es dauert ganz einfach, bis all die Schuldenbremsen installiert und die Auflagen und Sparpakte in den betroffenen Ländern in Gesetze gegossen sind und wirksam und für die Bevölkerung spürbar werden. Alleine das Schauspiel, das Österreichs Politik seit Wochen bietet, zeigt, wie mühsam und schwierig das in der tages- und innenpolitischen Wirklichkeit ist.
Und selbst wenn all das einmal auf Linie sein sollte, ist damit noch längst nicht gesagt, dass die Modelle und Konzepte, die den Karren wieder flott machen sollen, nicht bloß Papiertiger sind, sondern auch funktionieren.
Was auf den Gipfeln der Politik beschlossen wurde und wird, ist das eine. Was in den Ebenen der nationalen Politik wie umgesetzt wird, das andere. Und das ganz andere ist, wie die betroffenen Menschen damit umgehen, wie sie auf die Einschnitte reagieren werden.
Der jüngste OECD-Bericht zur Lage in Griechenland, wo die Menschen längst auf den Straßen sind, lässt Schlimmes erwarten. Das harsche Urteil: Der griechische Regierungsapparat sei zu Reformen einfach nicht in der Lage. Überall fehle es an Daten, Fachwissen, Organisation und Zusammenarbeit. Wie die Griechen trotz Schuldenerlass mit den Vorgaben der EU zu Rande kommen sollen und sich alles, so wie am Papier geplant, entwickeln soll, wird da zum Rätsel.
In Italien ist es kaum anders. Die neue Regierung gibt Hoffnung, mehr aber auch nicht. Der Sanierungsweg ist hart. Die Sozialaministerin wird wohl nicht die einzige bleiben, der er die Tränen in die Augen treibt. Das ändert aber nichts dran, dass das 24-Milliarden-Sparpaket des neuen Regierungschefs Mario Monti erst zeigen muss, was es kann.
In anderen Staaten wird es wohl über kurz oder lang ähnlich sein. Sie alle müssen erst beweisen, dass sie umsetzen können, was ihnen abverlangt wird. Gar nicht zu reden davon, dass es die Menschen ertragen müssen, was man ihnen aufbürdet. Die sich draus entwickelnden sozialen und politischen Spannungen können sehr schnell mehr als explosiv werden und für das gemeinsame Europa eine noch viel größere Sprengkraft entwickeln, als das die Währungs- und Schuldenmisere jemals könnte.
Das alles wird bei uns gerne verdrängt. Man will glauben, dass es bei uns anders ist. Ganz fest - so wie Kinder ans Christkind.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. 12. 2011

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