Freitag, 30. Dezember 2011

Geht nicht, gibt's nicht





"Nein", tönt es von allen Gipfeln und aus allen Tälern, aus allen Fernsehkanälen, aus den Parteizentralen und von den Stammtischen. "Wir bekennen uns natürlich zum Sparen, aber bei uns geht das nicht." Jeder sagt das. Die Bauern natürlich auch. Verständlich, stehen sie doch mitten im Steuer-Sperrfeuer von SP und Arbeiterkammer. Grundsteuer, Umwidmungsabgabe, Einheitswerte, Einkommensbesteuerung -und sogar von Traktorsteuern und Düngemittelabgabe wird geredet.
Auch wenn vieles von dem nicht mehr als heiße Luft ist, müssen die Bauern wohl oder übel lernen, dass ein Griff auch in ihre Brieftaschen angesichts der Nöte im Staatshaushalt nicht mehr sakrosankt ist.
Auf den Höfen spürt man den Ernst der Lage. Das ändert freilich nichts daran, dass man sich schwer tut, damit zurechtzukommen. Die Stimmung ist angesichts der immer neuen Begehrlichkeiten gereizt.
In manchen Regionen gehen bereits die Wogen hoch und die Gemüter laufen heiß. Obwohl noch gar nichts beschlossen ist, fühlen sich viele sich schon jetzt um die Zukunft betrogen und in der Vergangenheit an der Nase herumgeführt. Bauern wollen immerzu hören, wie hart es sie getroffen hat und wie sehr sie benachteiligt werden.
Allerorten hängt man an dem, was man seit Generationen kennt. Fördergelder und steuerliche Sonderstellungen werden längst wie Erbpachten betrachtet, unumstößlich und unabänderbar -übergeben von einer Generation auf die nächste. Selbst die Jungen stellen diesen Anspruch, weil sie es niemals anders kennengelernt haben. Ganz so, als wäre die Landwirtschaft unantastbar.
Mit Verlaub, und bei allem Verständnis für die Wut auf die SP, auf die Arbeiterkammer, aber auch auf Bauernbündler, die etwa für eine Abgabe bei der Umwidmung von Grünland auf Bauland Verständnis zeigen: Die Argumentation, mit der sich Bauern mitunter verteidigen, macht manchmal staunen. Immer wieder verblüfft es, wie schnell sich Menschen, die eben noch mit dem Brustton der Überzeugung selbstbewusst erklärten, Unternehmer und verantwortungsvolle Staatsbürger zu sein, in Not leidende Bittsteller an den öffentlichen Kassen verwandeln. Wie schnell sie ausblenden können, dass ihr Einkommen schon jetzt zu einem großen Teil aus öffentlichen Kassen kommt. Wie schnell sie mit den Fingern auf andere zeigen. Und wie sehr sie bei anderen wissen, wie es geht und was möglich ist, und wie wehleidig sie oft selbst sind.
Ob diese jetzt allerorten sichtbar werdende Hauruck-Haltung taugt, erträglich im Sinne der Bauern durch all die Diskussionen durchzukommen, darf bezweifelt werden. Erst recht, wenn es um die in den eigenen Reihen anstehende Diskussion über die Neu-Verteilung der EU-Mittel geht. Da drohen verbrannte Erde und tiefe Gräben.
Die Bauern werden vor große Herausforderungen gestellt. Wie jede Gesellschaftsgruppe in diesem Staat werden sie ihren Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen leisten müssen. Und auch die Verschiebungen der Geldflüsse innerhalb der Bauernschaft sind nur schwer zu vermeiden.
"Geht nicht' gibt 's nicht" gilt auch für die Bauern. Sie brauchen eine brauchbare persönliche Einstellung, um damit zurechtkommen zu können. Und sie brauchen eine brauchbare Strategie, mit den Einschnitten, die möglicherweise auf sie zukommen, umgehen zu können. Aufgabe der Politik freilich ist es, dafür zu sorgen und zu kämpfen, dass die Bauern nicht über Gebühr unter die Räder kommen und auf dem Budgetaltar geopfert werden. In den vergangenen Jahren ist das immer ganz gut gelungen.

Gmeiner meint - Blick ins Land 1/2012 30.12. 2011

Dienstag, 27. Dezember 2011

Der Wahnsinn braucht neue Methoden





Die durchaus verständliche Sorge um die Sicherheit unseres Essens ist längst zu einer Hybris geworden, die grenzenlos wuchert und immer mehr Geld verschlingt. Immer neue Methoden und immer genauere Analyseverfahren treiben den Aufwand in die Höhe. Und damit auch, obwohl Essen nie so sicher war wie heute, die Ängste der Konsumenten.
Der Handel steht dabei ganz vorn und dreht über seine Eigenmarken und Spezialprogramme mit ihren oft so aberwitzigen wie unsinnigen und weit über gesetzlichen und gesundheitlichen Standards liegenden Auflagen besonders munter an dieser Schraube. Der gleiche Handel, der auf der anderen Seite mit seinen Billigstprodukten im Diskontsegment die Qualität der Lebensmittel in immer neue Abgründe führt und mit dem Preisdruck der In dustrialisierung der Produktion eine Schneise schlägt.
Weil das freilich keine Entschuldigung für irgendeinen Lebensmittelskandal sein darf, sind alle Beteiligten gefordert. Effizienz ist gefragt – und vielleicht ein bisschen mehr Nachdenken bei manchen, die so gern den Preisdrücker geben.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft 27. 12. 2011

Geschäft mit der Kontrolle





Lebensmittel. Noch nie wurden Produktion und Verarbeitung so genau überwacht. Nicht alle Kontrollen bringen auch Zusatznutzen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). 108 Millionen Kilogramm Fleisch, mehr als 900 Millionen Kilogramm Gemüse, 250 Millionen Kilogramm Obst, Hunderte Millionen Kilogramm Kartoffeln, 150 Millionen Kilogramm Käse und vieles andere mehr kommen jährlich auf den heimischen Tisch. Diese Mengen machen die Kontrolle der Agrar- und der Lebensmittelproduktion zu einer herkulischen Aufgabe. Die Suche nach gesundheitsschädlichen Stoffen, nach Chemierückständen und die Überwachung der Produktionsvorschriften gleichen der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Dennoch gilt, was Martin Greßl von der AMA-Marketing so formuliert: „Essen war trotz der manchmal für Schlagzeilen sorgenden Lebensmittelskandale noch nie so sicher wie heute.“
Dieses Vertrauen kostet. Die staatliche AGES etwa, die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Jahresbudget: 90 Mill. Euro), kassiert jährlich mehr als 26 Mill. Euro an Gebühren und Tarifen. Vom Geschäft mit der Sicherheit von Lebensmitteln profitieren aber immer mehr private Kontrollunternehmen, Zertifizierungsstellen, Labors, NGOs wie Global 2000 und mit dem Grünen Wolfgang Pirklhuber, der eine Kontrollfirma leitet, sogar Nationalratsabgeordnete. Ihre Umsätze wuchsen in den vergangenen Jahren kräftig.
Die Überwachung der Biobauern, die Absicherung einer GVO-freien Produktion, die immer genaueren Analysemethoden und die Vielzahl an Lebensmittel-Gütezeichen waren die Grundsteine für den neuen Geschäftszweig. Vor allem aber die Verarbeiter und die Handelskonzerne sorgten für immer neues Geschäft. Rewe, Spar, Hofer und Co. haben ihre Qualitätsmanagement-Abteilungen auf bis zu 50 Mitarbeiter aufgestockt. Ihre Strategie, sich mit immer neuen, über den gesetzlichen Vorschriften liegenden Extrastandards für Bioprodukte, nachhaltige Produktion, Gentechnikfreiheit oder Pestizidanwendungen von der Konkurrenz zu differenzieren, lässt die Kassa klingeln.
Typisch dafür ist die Entwicklung der Austria Bio Garantie (ABG). Wie die meisten Kontrollunternehmen wurde die ABG mit der Überwachung von Biobauern groß, heute trägt auch die Überwachung von Verarbeitungs- und Handelsunternehmen im In- und Ausland zu einem Gutteil des Umsatzes bei. Das Geschäft der ABG und des Tochterunternehmens VetControl legte in den vergangenen Jahren um gut 30 Prozent zu. Die zirka 80 fixen und 150 freien Mitarbeiter erwirtschaften mittlerweile einen Umsatz von 5,5 Mill. Euro. Das entspricht einem Marktanteil von rund 60 Prozent. Während die Zahl der Biobauern, die man kontrolliert, bei zirka 10.000 stagniert, erhöhte sich die Zahl der von dieser Gruppe kontrollierten Verarbeitungsbetriebe von 400 auf heute 1100. „Unsere Verantwortung wurde größer“, ist sich Firmenchef Hans Matzenberger bewusst.
Zu den Großen der Branche zählen auch der Zertifizierungsspezialist Quality Austria oder die Lebensmittel-Versuchsanstalt (LVA). Dieses privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen macht in seinem Labor jährlich rund 50.000 Lebensmittelproben. Mit einem Umsatz von acht Mill. Euro hält es ein Drittel des Markts.
Gut im Geschäft ist auch die AMA-Marketing mit ihren Gütesiegel- und Produktsicherungsprogrammen. Das AMA-Gütesiegel auf Lebensmitteln gilt als besonders vertrauenswürdig, die Anteile in den einzelnen Produktsparten legen beständig zu. „Wir bauen die Qualitätssicherung zwischen Stall und Tisch ständig aus“, sagt Greßl, der für das Qualitätsmanagement zuständig ist.
Greßl hält jeden Euro für gut investiertes Geld. „Ein einziger in die vorbeugende Qualitätssicherung investierter Euro erspart zehn Euro an Korrekturaufwand und 100 Euro, wenn es zu ernsthaften Problemen kommt.“
In Expertenkreisen sieht man in der Kontrolle der Agrar- und Lebensmittelproduktion enormen Verbesserungsbedarf. „Wir sind gut, aber nur Mittelmaß“, sagt Leopold Girsch, in der AGES für den Bereich Landwirtschaft verantwortlich. „Angesichts der Kosten müssten wir top sein.“
Die vielen Doppelgleisigkeiten vor allem in der staatlichen Kontrolle, die zwischen Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium und Ländern und Kommunen aufgeteilt ist, gelten in der Lebenmittelbranche als „aufgelegter Elfmeter für eine Verwaltungsreform“. Unzufrieden ist man auch mit der Biokontrolle. Dort sieht man ein Einsparungspotenzial von bis zu 80 Prozent.
Auf politischer Ebene hat man die Probleme zumindest erkannt. Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich lässt derzeit die Aufwendungen und Mehrgleisigkeiten prüfen und denkt daran, die Kontrollaktivitäten zu bündeln. Und im Gesundheitsausschuss des Nationalrats herrscht Einigkeit darüber, dass die Lebensmittelkontrolle einer grundlegenden Reform bedürfe.
Man ist sich bewusst, dass angesichts der Dynamik Anpassungsbedarf herrscht. „Es geht um die Vernetzung nicht nur der Kontrollen, sondern auch der Warenströme“, sagt Hans Matzenberger.
Dass es immer wieder Lebensmittelskandale geben wird, ist dennoch nicht auszuschließen. „Eine Kontrolle kann nur eine Stichprobe sein“, sagt Oskar Wawschinek von der Lebensmittel-Versuchsanstalt. „100 Prozent Kontrolle gibt es nicht. Denn das würde logischerweise null Prozent Essen bedeuten.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 27.12.2011

Donnerstag, 22. Dezember 2011

Wenn Scheine den Schein wahren, ist Weihnachten






Die nächsten Tage gelten als Tage der Besinnung, der Einkehr, des Innehaltens. Es hat Tradition, es sich gut gehen zu lassen. Oft bis zum Zerbersten. Bratwürstel, Karpfen, Ente oder gar ein Ganserl. Und Mehlspeisen und Kekserl. Oft auch Kaviar, Lachs und Champagner.
Auch heuer. Heuer erst recht. Das Krisengerede kann einem ... Und wer weiß, was nächstes Jahr ist. Zufrieden schaut man zurück aufs Jahr. Die meisten halt. Zufrieden mit sich selbst. Alles passt, alles richtig gemacht, da kann man schon stolz sein. Das Glück des Tüchtigen halt.
Das zeigt man. Gerne. Geht in die Kirche, im feinsten Gewand, macht sich ein gutes Gewissen und lässt diesmal nicht nur ein paar Centstücke im Klingelbeutel klimpern. Nein, diesmal greift man zu einem Schein.
Allzuoft freilich nur, um den selbigen auch zu wahren. Man ist eh super. Und sozial. Eh klar, gehört sich doch. Naja, der Nachbar vis á vis, der den ganzen Tag nichts als herumhängt, die Bekannte von der Bekannten, die mit ihren zwei Gschrappen vorne und hinten nicht zurecht kommt, seit ihr Mann weg ist, und so abgerissen daherkommt, die vielen Ausländer, gar nicht zu reden von den Bettlern in den Straßen und von den Sandlern. Naja, die braucht es wirklich nicht. Sind eh selbst schuld, was wollen die von uns? Warum sollen wir die durchschleppen? Sollen doch hingehen, wo sie herkommen.
Aber eigentlich ist man eh ein guter Mensch.
Weihnachten, Jahreswende. Am Familientisch, bei Firmenfeiern, in der Kirche - überall hehre Worte. Friedensfest, Mitmenschen und so. Spendenaktionen übertreffen sich jedes Jahr mit neuen Rekordmeldungen. Da sind mit einem Mal, so scheint es, die allermeisten wie die Lämmer. Brav, christlich, voller gegenseitigem Verständnis und voller Nächstenliebe.
Halt so, wie Politiker bei Sonntagsreden.
Ziemlich selbstgerecht.
Und oft ziemlich ungerecht. Das freilich auch.
Oft, sehr oft, sind das gerade die Menschen, die in diesen Tagen mit Spenden und Scheinen den Schein wahren vor sich selbst und vor den anderen.
Die unterm Jahr mit Leuten, die mit dem Leben nicht so zurecht kommen, denen nicht alles gelungen ist, denen das Glück fehlt, hart ins Gericht gehen. Die wenig Wertschätzung für Menschen aufbringen, die irgendwie immer daneben dran sind. Und das nicht, weil sie sich nicht bemüht hätten. Gar nicht zu reden von den Leuten, die betteln, jenen, die aus manchen Städten regelrecht verjagt wurden. Hinausgeekelt. Die alles genannt und vielerlei bezichtigt wurden.
Die Stimmung zu Weihnachten und zum Jahresende, die zur Schau getragene Gutheit, hat viel mit der Stimmung zu tun, die es diesem Land so schwer macht. Vorne immer ein bisserl Lächeln und guten Wind machen, hinten herum allzuoft großspurig, eigensinnig, wehleidig, neidisch, doppelbödig, oft regelrecht böse.
Österreich leidet daran. Und wie es scheint, wird es in den nächsten Monaten noch viel mehr daran leiden.
Die Wirtschaftskrise, die Notwendigkeit, Steuerpakete zu schnüren und Schuldenbremsen zu installieren, drückt auf die gesellschaftliche Solidarität. Verteilungskämpfe zeichnen sich am Horizont ab. Und dabei scheint jedem das Hemd näher als der Rock zu sein. Wer für irgendetwas Verständnis zeigt, verliert, scheint die einhellige Devise zu sein, mit der die jeweiligen Gesellschaftsgruppen ihre politischen Vertreter und die wiederum sich gegenseitig unter Druck setzen.
Man hat doch nichts zu verschenken, wo doch eh alles schon so wackelt. Die Währung, die Wirtschaft, und womöglich bald auch das Konto.
Das Land blockiert sich selbst. Nichts scheint mehr zu gehen. Überall wird Beton angerührt.
Die Aussichten, dass die gesellschaftliche Solidarität eine andere wird und es damit im Umgang miteinander alle bis hin zur Politik leichter haben, sind freilich gleich Null. Die jüngste Umfrage unter Österreichs Jugend ist schockierend. Sie zeigt, dass die 16- bis 19-Jährigen die anderen Menschen nicht mehr als Mitmenschen, sondern als Mitbewerber sehen.
Das schaut nicht einmal mehr nach selbstgerechten Weihnachten aus, wo zumindest Scheine den Schein wahren und wo zumindest ein paar Tage Solidarität und Einkehr funkeln.
Mit Namen gezeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers übereinstimmen.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 22. Dezember 2011

Montag, 19. Dezember 2011

Einen Elfmeter verschossen





Jetzt also auch die Masthühner. Nach den Kühen und den Legehennen kommt bald auch bei ihnen nur mehr Schrot aus GVO-freiem Soja ins Futter. Österreich ist damit international Vorreiter.
Toll eigentlich. Im Marketing nennt man das Alleinstellungsmerkmal. Genau das, was die heimische Landwirtschaft braucht, um sich von der immer stärker werdenden internationalen Konkurrenz abzusetzen.
Aber: Es gelingt nicht, diese Stellung auch entsprechend zu vermarkten. Besonders schlimm, dass nicht einmal der Versuch unternommen wird, das zu tun.
Auch wenn jetzt anderes versprochen wird, werden wie bei Milch und Eiern über kurz oder lang die höheren Kosten bei den Bauern hängen bleiben. Handel und Verarbeiter versuchen nicht einmal, GVO-frei gefütterte Hühner und Puten teurer zu verkaufen. „Geht nicht“, heißt es, „der Markt“.
Dann aber ist nicht einzusehen, dass Österreichs Bauern diese Umstellung einfach schlucken müssen. Denn dann ist es nichts anderes als ein verschossener Elfmeter. Denn es wäre eine der ganz großen Chancen gewesen, sich vom Markt abzuheben.
Wäre.

Salzburger Nachrichten -Wirtschaft 19. Dezember 2011

Hühnerfutter ohne Gentechnik





Masthendln erhalten ab Jänner nur mehr gentechnikfreies Futter. Die Bauern fürchten, auf den Mehrkosten sitzen zu bleiben.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Nach den Milchkühen und den Legehennen, deren Futterrationen bereits in den vergangenen Jahren umgestellt wurden, soll es ab Jahresbeginn auch für die heimischen Masthühner und Puten nur mehr Futter ohne gentechnisch veränderte Organismen (GVO) geben. Statt gentechnisch verändertem Billigsoja aus Südamerika kommt als Eiweißträger teureres, nicht verändertes Soja – zum Großteil auch aus Südamerika – ins Futter.
Was Handelsketten wie Rewe und Spar in den vergangenen Wochen großspurig ankündigten, gefällt den Bauern gar nicht. „Das ist nicht mit uns abgestimmt, sondern wurde von den drei maßgeblichen Schlachtbetrieben und den Handelsketten vereinbart“, sagt Michael Wurzer von der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Geflügelwirtschaft. Den gut 600 heimischen Hühner- und Putenmästern bleibt angesichts der geballten Marktmacht, die ihnen gegenübersteht, nichts anderes, als sich zu fügen. Sie fürchten allerdings um ihre Konkurrenzfähigkeit. „Wichtig ist für uns, dass die Mehrkosten abgedeckt werden.“
„Das haben wir vor“, sagen Karin Nakhai von Rewe und Nicole Berkmann von Spar und versprechen im gleichen Atemzug, dass Hendln und Puten für die Konsumenten nicht teurer werden.
Nach den Erfahrungen, die man bei der Umstellung auf GVO-freie Fütterung in der Milch- und Eierproduktion gemacht hat, ist man in der Landwirtschaft skeptisch. „Dass die Mehrkosten abgegolten werden, widerspricht meiner Erfahrung“, zweifelt August Astl von der Landwirtschaftskammer Österreich die Versprechungen des Handels an. Derzeit ist GVO-freies Soja um rund zehn Prozent teurer als konventionell erzeugte Ware. „Bei den Eiern sind die Mehrkosten jedenfalls nicht hereingekommen“, sagt Wurzer. Bei der Milch war es nicht anders. Der ursprünglich ausgezahlte Extracent verlor sich bald in den Preisänderungen.
Mit einem Jahresbedarf von rund 50.000 Tonnen Sojaschrot ist die Geflügelmast bisher der größte Produktionszweig, der auf GVO-freie Fütterung umgestellt wird. Bei der Milch- und Eierproduktion mussten jeweils nur halb so große Mengen ersetzt werden.
Über den größten Zweig, die Schweinemast, wo es um rund 200.000 Tonnen geht, traut sich selbst der Handel noch nicht drüber. „Wir schauen uns das zwar an, aber wir sind uns bewusst, dass die Fütterung dort sehr viel schwieriger umzustellen ist“, sagt Nakhai. Bei Schweinefleisch ist der Konkurrenzdruck härter als in anderen Bereichen. Zudem sind die Produktionsketten in der Fleischverarbeitung international viel zu stark verwoben, als dass sich Österreichs Verarbeiter heraushalten könnten und wollten.
Pilotprojekte von zwei Schlachtbetrieben kamen bisher nicht über eine regionale Bedeutung hinaus. Obwohl Importeure wie der oberösterreichische Agrarhändler Pilstl Garantien für die Versorgung des heimischen Markts mit Soja in Aussicht stellen, zeigt man sich zurückhaltend. In Südamerika geht der Anbau von GVO-freiem Soja zurück und in Europa ist man mit dem Aufbau der Produktion noch nicht so weit. Die österreichische Produktion von knapp 100.000 Tonnen geht größtenteils in Lebensmittel wie Sojamilch und Tofu. Hoffnungen setzt man auf das Projekt Donaubohne. In der Donauregion von Deutschland bis zum Schwarzen Meer soll auf österreichische Initiative der Anbau von GVO-freiem Soja forciert werden. Das macht, so das Kalkül, von Südamerika und von weiten Transportwegen unabhängig. Beim AMA-Gütesiegel für Schweinefleisch könnte GVO-freie Fütterung dennoch bald eine Rolle spielen. Astl: „Nicht als Bedingung, aber als parallele Schiene“.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 19. Dezember 2011

Donnerstag, 15. Dezember 2011

..bei uns aber gilt das Prinzip Christkind





Der Gipfel in der vergangenen Woche in Brüssel, im Vorfeld als historisch etikettiert, brachte zwar nicht den erwarteten Befreiungsschlag, um wieder ein wenig durchzuatmen und Zuversicht zu fassen reicht das Ergebnis allemal.
Auch wenn die Erfolgsmeldungen von diesem Gipfel, wie schon jene von den Gipfeln davor wohl wieder schnell verhallen werden, reichen sie doch vielen, sich zurückzulehnen und weiter Party zu machen, als gäbe es kein Morgen. Keine Defizite, die unbezahlbar werden, noch künftige Generationen belasten und die Währung angreifen, keine leeren Kassen in den öffentlichen Haushalten und im Sozialbereich.
Fast ist man geneigt, es zu verstehen, brummt doch hierzulande alles wie eh und je. Die Krise gibt es, scheint es, bei uns allenfalls auf dem Papier. In den Zahlenkolonnen der Wirtschaftsforscher und Banken, in den Reden von Politikern, im Fernsehen. Im Alltag hingegen ist nichts von einer Krise zu spüren. Und vor Weihnachten mag man sich die Stimmung ohnehin nicht verderben lassen.
"Was haben die denn?", denken da immer mehr, "es geht ja."
Freilich, es ist bald Weihnachten. Unverdrossen ans Christkind zu glauben, könnte sich aber dennoch als fatal erweisen.
Denn die Sanierung Europas steht erst am Anfang. Was man bestenfalls hat, sind, um in der Bau-Sprache zu bleiben, so etwas wie Pläne, oft gar nur Ideen. Die Baumaßnahmen, die das Haus Europa, die Währung und die Wirtschaft retten sollen, die spürbaren Einschnitte aber stehen noch aus.
Das meiste von dem, was man aus Brüssel und wo immer die Gipfel stattfinden, zur Bewältigung der Krise hört und das seit Monaten für Aufregung, Befürchtungen, wachsende Sorge und wild mäandernde Aktienkurse sorgt, sind einstweilen nicht viel mehr als Absichtserklärungen, Ankündigungen, Versprechungen und Paktierungen.
Oft weiß man noch gar nicht, wie das umzusetzen ist, was da die EU-Regierungschefs im Monatsrhythmus unter der Regie von "Merkozy", wie Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nur mehr genannt werden, heuer schon beschlossen wurde. Und wann die Maßnahmen in Kraft treten sollen, ist auch nicht immer klar.
Es dauert ganz einfach, bis all die Schuldenbremsen installiert und die Auflagen und Sparpakte in den betroffenen Ländern in Gesetze gegossen sind und wirksam und für die Bevölkerung spürbar werden. Alleine das Schauspiel, das Österreichs Politik seit Wochen bietet, zeigt, wie mühsam und schwierig das in der tages- und innenpolitischen Wirklichkeit ist.
Und selbst wenn all das einmal auf Linie sein sollte, ist damit noch längst nicht gesagt, dass die Modelle und Konzepte, die den Karren wieder flott machen sollen, nicht bloß Papiertiger sind, sondern auch funktionieren.
Was auf den Gipfeln der Politik beschlossen wurde und wird, ist das eine. Was in den Ebenen der nationalen Politik wie umgesetzt wird, das andere. Und das ganz andere ist, wie die betroffenen Menschen damit umgehen, wie sie auf die Einschnitte reagieren werden.
Der jüngste OECD-Bericht zur Lage in Griechenland, wo die Menschen längst auf den Straßen sind, lässt Schlimmes erwarten. Das harsche Urteil: Der griechische Regierungsapparat sei zu Reformen einfach nicht in der Lage. Überall fehle es an Daten, Fachwissen, Organisation und Zusammenarbeit. Wie die Griechen trotz Schuldenerlass mit den Vorgaben der EU zu Rande kommen sollen und sich alles, so wie am Papier geplant, entwickeln soll, wird da zum Rätsel.
In Italien ist es kaum anders. Die neue Regierung gibt Hoffnung, mehr aber auch nicht. Der Sanierungsweg ist hart. Die Sozialaministerin wird wohl nicht die einzige bleiben, der er die Tränen in die Augen treibt. Das ändert aber nichts dran, dass das 24-Milliarden-Sparpaket des neuen Regierungschefs Mario Monti erst zeigen muss, was es kann.
In anderen Staaten wird es wohl über kurz oder lang ähnlich sein. Sie alle müssen erst beweisen, dass sie umsetzen können, was ihnen abverlangt wird. Gar nicht zu reden davon, dass es die Menschen ertragen müssen, was man ihnen aufbürdet. Die sich draus entwickelnden sozialen und politischen Spannungen können sehr schnell mehr als explosiv werden und für das gemeinsame Europa eine noch viel größere Sprengkraft entwickeln, als das die Währungs- und Schuldenmisere jemals könnte.
Das alles wird bei uns gerne verdrängt. Man will glauben, dass es bei uns anders ist. Ganz fest - so wie Kinder ans Christkind.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 15. 12. 2011

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Patentamt sagt Nein zur Marke Kornspitz





Linz (SN-gm). Die Marke Kornspitz galt bisher als eine der bekanntesten und erfolgreichsten Lebensmittelmarken nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. backaldrin, der oberösterreichische Hersteller von Backmischungen, wurde damit groß. Die Mischung für das Vollkornweckerl, die backaldrin seit Jahrzehnten unter dem Namen Kornspitz an die Bäcker vertreibt, machte das Unternehmen zu einem der Top 4 der Branche in Europa.
Nun gibt es ein böses Erwachen. Das österreichische Patentamt stellte in einem Beschluss fest, dass die Bezeichnung Kornspitz nicht mehr geschützte Marke ist, sondern im Lauf der Jahre zu einer allgemeinen Gattungsbezeichnung für Weckerl dieser Art wurde. Für backaldrin kann das weitreichende Folgen haben. Sobald diese Entscheidung rechtskräftig wird, kann nämlich die Konkurrenz und jeder Bäcker ähnliche Produkte als Kornspitz erzeugen und verkaufen.
Beim Patentamt beantragt hat das Verfahren der backaldrin-Konkurrent Pfahnl aus Pregarten. Der Streit um die Marke Kornspitz ist der vorläufige Höhepunkt in einem seit Jahren schwelenden Streit der beiden oberösterreichischen Hersteller von Backmischungen.
Bei backaldrin versucht man Gelassenheit zu demonstrieren. Gegen den Beschluss des Patentamts wurde Einspruch erhoben. „Wir werden unsere Markenrechte entsprechend verteidigen, und uns gegen Nachahmer und Kopierer wehren“, sagt backaldrin-Chef Peter Augendopler. „Kornspitz-Kunden brauchen Sicherheit, sie wollen darauf vertrauen können, dass nur dort, wo Kornspitz draufsteht, auch wirklich Kornspitz drinnen ist.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 14.12.2011

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Jede Regierung hat die Opposition die sie verdient






Die Krise und die Bemühungen, sie irgendwie in den Griff zu bekommen, streben in diesen Tagen immer neuen Höhepunkten zu. Wie schon in anderen EU-Staaten, rückte nun auch bei uns die Rolle der Oppositionsparteien in den Fokus, als es darum ging für die Schuldenbremse eine Verfassungsmehrheit zu finden. Die Figur, die sie dabei machten ist, gelinde gesagt, alles andere als Vertrauen erweckend. Sie fügt sich aber nahtlos in das Bild, das auch die Regierung angesichts der Krise macht und man denkt nur Gott sei Dank spielen Österreichs Politiker nirgendwo an den internationalen Schaltstellen eine Rolle, wenn es darum geht, Euro, Europäische Union und Wirtschaft zu retten.
Ohne Idee, ohne Esprit und getragen von einem ordentlichen Schuss Realitätsverweigerung - was man der Regierung vorwirft, gilt noch viel mehr für die Opposition in diesem Land. Sie stellte sich in den vergangenen Wochen vollends bloß.
Dem BZÖ ging es um nichts anderes als politisches Kleingeld zu machen und das eigene Überleben und ein bisschen Bedeutung zu sichern. Ihr Parteichef Bucher versteht das mit intellektuellen Anstrich und großer Geste zu tun. Ob es für die Forstsetzung des politischen Lebens nach den nächsten Wahlen reicht, muss sich freilich erst weisen.
Die Grünen waren in den vergangenen Wochen, als es in ganz Europa immer heftiger krachte und auch Österreich in den Strudel der Finanzkrise geriet, vor allem damit beschäftigt, zu feiern und sich wegen ihrer 25-jährigen Präsenz im heimischen Parlament zu beweihräuchern. Krise? Euro? Budgetsanierung? Achja - "Eat the rich!", dann wird's schon wieder.
Und da ist da noch die FPÖ, die, geht es nach den jüngsten Umfragen, derzeit im Land sogar die Kanzlermehrheit hat. Schlimme, beschämende und regelrecht Angst machende Aussichten, wenn man allein hört, was HC Strache am vergangenen Wochenende bei einem Parteiveranstaltung in Tirol von sich gab. Für ihn, für den die Europäische Union der Grund allen Übels ist, sind Bemühungen wie der Rettungsschirm nichts als "ein einziger Belastungs- und Zwangsenteignungschirm", der Euro ohne Zukunft und längst ausgemachte Sache, dass Österreichs Triple AAA ohnehin perdu ist. Die Schuldenbremse? "Reiner Placeboeffekt". Seine Vorschläge zur Bewältigung der Krise sind nichts als verbale Kraftmeierei. "Zwei Währungssysteme", sagt er, und: "Die starken Volkswirtschaften müssen die Notbremse ziehen".
Freilich ist es für Oppostionsparteien legitim selbst so heikle Situationen, wie wir sie derzeit erleben, zur eigenen politischen Positionierung zu nutzen, sich zu profilieren und bei den Wählern Eindruck zu machen. Und das selbst mit Ansprüchen und Forderungen jenseits aller Realität, viele davon gestellt im sicheren Wissen, dass sie ohnehin nie umgesetzt werden und allenfalls nur gut klingen.
Warum nicht? Die Oppositionsparteien sollten nicht auf ihre Kontrollfunktion beschränkt werden, sondern mit ihrem Esprit und mit ihren Ideen so etwas wie das Salz im Eintopf der Politik der jeweils Regierenden ein.
Von den österreichischen Oppositionsparteien aber ist dennoch mehr Verantwortung einzufordern. Die Position als Opposition entschuldigt nicht verantwortungslose Vorschläge und populistische Rülpser. Sie entbindet auch nicht von der Pflicht mit möglichst guten Ideen und Vorschlägen zu Staatswohl beizutragen. Und sie ist keine Legitimation dafür, die Politik allein danach auszurichten, der Regierung möglichst maximal zu schaden.
Auch wenn die Regierungsparteien zuletzt immer heftiger lamentierten und Verantwortung einforderten, um die Opposition ins Schuldenbrems-Boot zu holen ist ihnen bei allem Verständnis entgegenzuhalten: Jede Regierung hat die Opposition, die sie verdient.
Mit Verantwortung, vor allem mit der Verantwortung, wie sie derzeit gefordert ist, haben auch die regierungsinternen Querelen und der Positionskämpfe innerhalb der der Regierungsparteien nichts zu tun.
Und mit politischer Kultur schon gar nichts. Die ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Österreich auf allen Seiten zur taktischen, nach Schlagzeilen schielenden Ränkespielen verkommen, geprägt von Eitelkeiten, geringer gegenseitiger Wertschätzung und oft erschütternd niedrigem Niveau.
In so heiklen Situationen, wie wir sie derzeit erleben, zahlen wir Staatsbürger die Zeche dafür.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 8. Dezember 2011

Sonntag, 4. Dezember 2011

Die Böcke als Gärtner gegen das Bürokratiemonster





Es war der 8. September dieses Jahres, es war ungefähr halb zehn. Seither weiß Österreichs Agrarpolitik, die bis dahin den Ideen der EU-Agrarreform eher orientierungslos gegenüberstand, wo der Hund in den Plänen von Agrarkommissar Ciolos wirklich begraben liegt. "Da kommt ein Bürokratiemonster auf uns zu", redete sich der deutsche Bauernbundpräsident Gerd Sonnleitner bei einer Pressekonferenz der heimischen Agrargranden auf der Rieder Messe in Rage.
"Bürokratiemonster"! Das "Heureka! Das ist es" war den honorigen Herren von Landwirtschaftminister Berlakovich abwärts, die da neben Sonnleitner auf dem Podium saßen, förmlich anzusehen. Endlich! Griffig noch dazu! Und ideal geeignet dafür, davon abzulenken, dass von den eigenen Vorstellungen ziemlich wenig in Ciolos' Reformpläne einfloss.
Das "Bürokratiemonster" kam da gerade recht.
Der Landwirtschaftsminister baute es gleich in die Verabschiedung von der Pressekonferenz ein und eine Stunde später in seiner Rede im Bierzelt. Seither fehlt das Wort in kaum einer Presseaussendung und in kaum einer Rede. Nicht bei Berlakovich und nicht bei den anderen, die in Österreichs Agrarpolitik etwas zu sagen zu haben, die das von sich meinen oder die glauben, dazu etwas sagen zu müssen.
Mit Verlaub - aber da versuchen sich Böcke als Gärtner aufzuführen. Zuletzt wurde es sogar Agrarkommissar Ciolos zuviel. Man möge, ließ er via Interview in der Bauernzeitung wissen, lieber vor der eigenen Tür kehren.
Man kann ihm nur Recht geben. Die Bürokratie, unter der die Bauern so leiden, hat viel weniger mit Brüssel zu tun, als mit Österreich selbst. Das weiß man auch und gibt es hinter vorgehaltener Hand auch zu.
Das 64 Seiten umfassende Kompendium, das jeder Bauer jährlich gemeinsam mit dem Mehrfachantrag bekommt, ist zum überwiegenden Teil mit Vorschriften und Haarspaltereien zum Thema ÖPUL und AZ gefüllt. Und die wurden nicht von anonymen Brüsseler Bürokraten in irgendwelchen fernen, dunklen Betonburgen erfunden und auch nicht von der AMA, die so gerne wie oft ungerechtfertigter Weise die Watschen abkriegt. Erfunden, um bei diesem Wort zu bleiben, wurden sie zum größten Teil von heimischen Ministerial- und Hofräten, von Kammerdirektoren und -referenten, von Abgeordneten und Landesräten - und immer auf Druck von Bauern respektive von Bauernvertretern. Eine Prämie für die Steilmahd dort, ein bisserl Geld für die Maßnahme da, dort noch was und da auch.
Um noch einen Euro für die Bauern zu holen, hat man da noch eine Maßnahme erfunden und dort noch eine Auflage mehr. Die Österreicher waren dabei die größten in der EU und sie wurden beneidet. Das war österreichische Agrarpolitik - und nicht die schlechteste.
Denn: Auch wenn sich die Bauern oft grün und blau ärgern über all den Papierkram und die Kontrollen, auch wenn der Dschungel längst unübersichtlich geworden sein mag, ist doch festzuhalten, dass sie dafür eine ganze Menge Geld bekommen. Um genau zu sein: Beim ÖPUL sind es gut doppelt so viel wie ein Bauer in anderen Ländern.
Freichlich sollte das Ziel sein, all den Aufwand zu verringern. Dass sich aber ausgerechnet Österreichs Bauernvertreter den Kampf gegen das Bürokratiemonster zur zentralen Strategie in der Gestaltung der Agrarreform erkoren haben, wirkt befremdlich mit einem Schuss Lächerlichkeit.
Und es macht sogar Sorgen. Denn bei allem, was da noch kommen kann: Vielleicht wünscht man sich noch so ein Bürokratiemonster, wenn es denn nur genug Geld für die Bauern ausspuckt.

Gmeiner meint - Blick ins Land 3.12.2011

Samstag, 3. Dezember 2011

Jakob Auer: Bauer im Nadelstreif




HANS GMEINER

In Gunskirchen (OÖ) wird heute, Samstag, Ökonomierat Jakob Auer, Abgeordneter zum Nationalrat, Präsident des Aufsichtsrats der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich (RLB) und Chef des Raiffeisenverbands im Land ob der Enns zum Präsidenten des Österreichischen Bauernbundes gewählt. Der Abgang seines Vorgängers Fritz Grillitsch und Auers Nominierung sorgten für Staunen. Auer hatte keiner auf der Rechnung, zumal er mit 63 in einem Alter ist, in dem zumeist nur noch die Pension Ziel ist.
Dass Auer noch Anfang November in Interviews Interesse bekundete, Christian Konrad als Chef des Österreichischen Raiffeisenverbandes nachzufolgen, zeigt, dass er aus einem anderen Holz geschnitzt ist. Seither verstummen auch Gerüchte nicht, die einen Zusammenhang zwischen den in den Interviews avisierten Absichten und Auers rascher Kür zum Bauernbundpräsidenten sehen.
Auer, der seine familiären Wurzeln in Tirol hat, ist einer der dienstältesten Politiker im Land. Seit den frühen 1980er-Jahren sitzt er für die ÖVP im Nationalrat, mehr als 20 Jahre war er Bürgermeister in Fischlham, wo sein 40-Hektar-Schweinemastbetrieb steht. Seit dem Jahr 2000 hält er die Zügel bei Raiffeisen Oberösterreich fest in der Hand und hielt RLB- Generaldirektor Ludwig Scharinger den Rücken für dessen expansive Geschäftspolitik frei. Das war in den vergangenen Jahren seine Welt. Mehr Nadelstreif als Trachtenanzug oder gar Gummistiefel.
Unbeschriebene Blätter schauen anders aus. Der neue Bauernbundpräsident ist absoluter Profi, ein pragmatischer Politiker, der das Etikett „mit allen Wassern gewaschen“ wie kaum ein anderer verdient, sehr machtbewusst, beinhart, wenn es sein muss, und das, was man durchsetzungsstark nennt.
Das ist es auch, was ihn in der derzeitigen Situation der heimischen Bauernvertretung zum richtigen Mann macht. Auer bringt alle Voraussetzungen mit, zum starken Mann zu werden, und hat die nötige Schlitzohrigkeit, um die zuweilen zwischen Bauernbund, Ministerium und Landwirtschaftskammer irrlichternde Agrarpolitik auf Linie zu bringen. Durchaus möglich, dass Grillitsch nicht das letzte Opfer im Zuge der Neuorientierung der Bauernführung war.
Es würde nicht wundern, wenn Auer nicht auch versuchen würde, in der ÖVP ein kräftiges Wort mitzureden. Mit mehr als 300.000 Bauernbund-Mitgliedern hat er jedenfalls ein starkes Atout in der Hand. In der Organisation, die er nun führen wird, wartet freilich viel Arbeit. Der Bauernbund ist nur mehr ein Schatten von einst, groß längst nicht mehr aus eigener Kraft, sondern weil die politischen Gegner im Mikrokosmos Landwirtschaft so schwach sind.
Auers Bestellung wirft aber auch Fragen auf. Wie nehmen es die Bauern auf, dass mit Auer nun einer der mächtigsten Raiffeisen-Männer auch im Bauernbund das Sagen hat, zumal er nicht daran denkt, seine Funktionen zurückzulegen? Und: Wie verhalten sich die jüngeren Agrarpolitiker, die bei der Bestellung Auers übergangen wurden?

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 03.12.2011

Freitag, 2. Dezember 2011

Allzu viel der Ehre




HANS GMEINER
Gemeinderat in Oberösterreich müsste man sein. Da wird man geschätzt. Dient man lang genug, erhält man dort die Goldene Medaille für Verdienste um die Republik Österreich. Viel der Ehre. Und viel des Aufwands. Schon Monate zuvor erhält man Brief 1 und Brief 2. Sowohl die Innenministerin als auch der Landeshauptmann kündigen in persönlich unterzeichneten Schreiben die Auszeichnung an. Dann kommt Brief Nummer 3 – die Einladung zur Verleihung. Und dann kommen die Briefe 4, 5 und 6. Landesräte gratulieren unbekannterweise, aber persönlich unterschrieben. Jeder für sich. Jeder korrekt frankiert. Mit einem Mal aber ehrt das nicht nur, sondern macht auch stutzig. Was ist mit den Briefen 7, 8 und 9? Jenen der restlichen Landesräte. Sind die nicht so höflich wie ihre Kolleginnen und Kollegen? Nicht so gut organisiert? Oder tun wenigstens die das, was sich der einfache Steuerzahler respektive die einfache Steuerzahlerin wünscht, aber gar nicht glauben kann – sparen?

Spitze Feder - Salzburger Nachrichten, 2. Dezember 2011

Biosprit kämpft um Zukunft





HANS GMEINER Wien (SN). In Deutschland sorgte die Beimischung von zehn Prozent Bioethanol im Superbenzin (E10) zu Beginn dieses Jahres für große Aufregung. In Österreich, wo seit Jahren bereits fünf Prozent beigemischt werden, ist frühestens im Herbst 2012 eine Anhebung auf zehn Prozent geplant. Dennoch gehen schon jetzt die Wogen hoch. Der Autofahrerclub ARBÖ, Umweltorganisationen und Künstler machen dagegen Stimmung und treffen damit offenbar den Nerv der Bevölkerung. Hubert von Goiserns „Brenna tuats guat“ hielt lang die Spitze der Charts. Nun versuchen die Protagonisten der heimischen Biosprit-Erzeugung, Dinge zurechtzurücken.
„Wir produzieren zwei Hauptprodukte, eines für den Tank und eines für den Trog“, sagt Johann Marihart, Chef der Agrana. In Pischelsdorf erzeugt das Unternehmen aus rund 500.000 Tonnen Getreide und Mais nicht nur 190.000 Tonnen Bioethanol, sondern auch 170.000 Tonnen Eiweißfuttermittel. Damit wird die Spritproduktion flächenmäßig zu einem Nullsummenspiel. Denn würde die entsprechende Eiweißmenge aus Soja erzeugt, würde das allein ungefähr so viel Fläche beanspruchen wie die Produktion in Pischelsdorf. Dort aber hat man den Vorteil, die Äcker für die Eiweiß- und für die Biospritproduktion gleichzeitig zu nutzen und Importsoja zu sparen.
Rückenwind für Biosprit kommt auch von Technikern. „Ethanol ist ein etabliertes Beimischungsprodukt“, sagt Bernhard Geringer von der TU Wien. Heutige Neufahrzeuge seien für eine Beimischung von zumindest 15 Prozent Ethanol ausgelegt. In Deutschland seien 93 Prozent des gesamten Fahrzeugbestands und 99 Prozent der Fahrzeuge von deutschen Herstellern für E10 freigegeben.
Auch beim ÖAMTC sieht man keine Probleme, verlangt aber eine Haftung der Hersteller im Fall der Freigabe. Zudem dürfe Benzin insgesamt nicht teurer werden, fordert Max Lang, Cheftechniker der Autofahrerorganisation.
Das freilich verlangt Wohlwollen des Finanzministeriums. Weil das noch genauso offen ist wie die Unterschriften der Verkehrsministerin und ihrer Kollegen im Gesundheits- und Wirtschaftsressort unter die Beimischungsverordnung des Umweltministers, beginnt man sich mit einem Plan B anzufreunden. Statt einer verpflichtenden Einführung im Herbst 2012 kann man sich eine freiwillige Übergangsphase bis 2014 vorstellen.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft 02.12.2011

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Neue Besen für braune Winkel





Deutschland ist seit Wochen erschrocken wegen des Neonaziterrors, der in den vergangenen Jahren mindestens zehn Menschen das Leben gekostet hat. Völlig perplex ist man mit einem Mal genötigt dort hin zu schauen, wo man nicht so gerne hinschaute und ist erschüttert.

In Österreich war von der Aufregung im Nachbarland nicht viel zu merken. Die Schuldenkrise hielt das Land in Atem, die Regierung das übliche Wermitwem und die ausbleibenden Schneefälle.

Dabei wäre es unserem Land durchaus ganz gut angestanden, sich etwas näher mit den Vorgängen in unserem Nachbarland auseinanderzusetzen. Gut, von terroristischen Neonazi-Zellen ist in Österreich einstweilen nichts bekannt. Aber immerhin: Es gibt auch hierzulande eine Neonazi-Szene. Nicht so sehr in Städten, sondern eher draußen, am flachen Land - in Niederösterreich, in Oberösterreich, in Salzburg, aber auch in anderen Bundesländern. Und es gibt durchaus Verbindungen nach Deutschland.

Wollen wir den Verfassungsschützern glauben, wenn sie sagen, sie hätten die Szene im Griff. Mehr Sorgen macht, dass sich in unserer Gesellschaft hartnäckig dieses gewisse braun gefärbte Unterfutter hält. In allen Parteien und in allen Gesellschaftsschichten. Reden davon mag kaum jemand, zugeben will es erst recht niemand.

Es ist oft erschreckend, was durchaus angesehene Leute von sich geben, wenn sie meinen, unter sich zu sein. Die Verteidigung des Autobahnbaues als "eine gute Seite“, die Hitler gehabt habe, ist da noch das Geringste. Problematischer wird es, wenn zu fortgeschrittener Stunde mit einem Mal davon die Rede ist, dass "mit den Juden ja wohl was gewesen sein muss“, weil sie ja nicht nur von den Nazis verfolgt worden seien.

Und das ist bei weitem noch nicht alles.

Erschreckend ist, und um dieses Thema drückt sich Österreich herum, wie diese Einschätzungen bedient und am Köcheln gehalten werden. Selten plump, meistens sehr subtil. Viele der Bücher über die Nazizeit etwa, die von Buchhandlungen unter dem Mäntelchen der Geschichtsaufklärung feilgeboten werden, sind nichts anderes als Rechtfertigungsliteratur, die mit den Ewiggestrigen als Käufer spekulieren. Oft verherrlichen sie den Krieg, stilisieren ihn zum Abenteuer hoch und tragen den vorgeblichen Heldenruhm von Menschen fort, die heute längst als Kriegsverbrecher geächtet sind.

Nicht anders ist es mit vielen der Fernsehdokumentationen über die Jahre zwischen 1939 und 1945, mit denen vor allem viele deutsche Sender ihr Programm gerne füllen. Auch sie können mitunter die Begeisterung und Bewunderung kaum in Zaum halten und lassen jede Distanz vermissen.

Viele dieser Bücher, Dokumentationen und anderer Aufklärungsbemühungen machen im besten Fall nicht viel mehr als ein gutes Gewissen, etwas zu tun. Ihre Wirkung ist im besten Fall gering, allzu oft sogar fragwürdig.

Vorangekommen ist man damit in den vergangenen Jahrzehnten kaum. Wie sonst ist es möglich, dass sich all die fragwürdigen Einschätzungen, allesamt längst international widerlegt und geächtet, hierzulande nicht nur in Hinterzimmern so lange halten? Wie sonst ist es möglich, dass mit politischen Parolen, die in dieser Ideologie ihre Wurzeln haben, immer noch Wähler mobilisiert werden können?

Viele der Mittel und Bemühungen, über Nazizeit und Ideologie aufzuklären, sind längst zur politisch-historischen Folklore verkommen. Davor sind auch jene nicht gefeit, denen dieses Engagement ein ernstes Anliegen ist. Ihre Arbeit geht zu oft ins Leere, sie erreichen die Menschen nicht. Nicht selten, weil sie ebenso schwarz-weiß malen wie jene, die sie überzeugen wollen. Nicht selten freilich auch wegen der damit gerne einhergehenden Selbstgerechtigkeit, die oft nicht einmal Fragen zulässt.

Das hat aber auch damit zu tun, dass diese Leute von der politischen Öffentlichkeit zu oft allein gelassen und sogar desavouiert wurden. Und es hat damit zu tun, dass bisher bei der Erklärung und Aufklärung dieser Zeit und der damit einhergehenden Ideologie die Quantität eine allzu große Rolle spielte - viele Bücher, viele Filme, viele Veranstaltungen.

Darob gerieten Qualität, Inhalt und Wirkung aus dem Fokus.

Das freilich sollten sie nicht. Daran sollte man arbeiten. Dringend. Und frei von jeder Selbstgerechtigkeit und ohne Vorbehalte - wenn uns Nachrichten wie jene aus Deutschland erspart bleiben sollen.


Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 1. 12. 2011
 
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