Montag, 28. November 2011

Mühsamer Kampf um faire Milchpreise





Mit Milch und bald auch Butter sind die Mitglieder der IG-Milch zwar gut im Geschäft. Aber die Motivation der Bauern wird zur Herausforderung.


HANS GMEINER Salzburg (SN). Mit Aktionen vor Supermärkten, dem Lieferstreik vor drei Jahren und Sternfahrten im vergangenen Jahr wurde die IG-Milch groß. Seither wurde es ruhig um die Rebellen unter den Milchbauern. „Es ist in Österreich eher schwierig, die Bauern zu motivieren“, sagt Erna Feldhofer, die seit einem Jahr die Geschicke der Interessengemeinschaft führt. „Die Bauern sind mutlos, das Einkommen passt nicht und sie sind mit der Arbeit ausgelastet.“ Am politischen Ziel hält sie dennoch fest. „Wir kämpfen für einen kostendeckenden Milchpreis.“ Die derzeit im Schnitt pro Kilogramm gezahlten 35 Cent seien zu wenig, die Feindbilder daher intakt. „Unsere Gegenspieler sind die Agrarpolitik, die uns nicht versteht, und die Molkereien, die es gut verstehen, die Bauern einzuschüchtern“, versucht Feldhofer bei Veranstaltungen wie der Jahreshauptversammlung in Leonding (OÖ) Stimmung zu machen.

Nicht entmutigen lässt man sich bei den Plänen, über nahestehende Unternehmen mit eigenen Produkten und einer eigenen Milchvermarktung auf dem Markt mitzumischen und Alternativen für die Bauern aufzuzeigen. Nach einem Zwischenspiel bei der NÖM füllt nun wieder die Innviertler Molkerei Seifried die „Faire Milch“ ab. Die Absatzzahlen der mit 1,19 Euro je Liter teuersten konventionell erzeugten Milch im Land sind seit der Rückkehr der Produktion ins Innviertel im Juni um 20 Prozent gestiegen. Im Vergleich zu anderen Marken sind sie aber unverändert geringfügig. Das mit der NÖM entwickelte und gescheiterte Projekt „A faire Butter“ will man jetzt ebenfalls mit Seifried verwirklichen. Die Molkerei will aber erst investieren, wenn es vom Handel Zusagen für die Abnahme gibt.

Einen Gang zurückschalten muss die „Freie Milch Austria“, die inzwischen jährlich 74 Millionen Kilogramm Milch von knapp 600 Bauern überwiegend in Deutschland und in Italien vermarktet. Dort geht es jetzt um eine Stärkung des Eigenkapitals und eine Verbesserung der Strukturen. „Wir wollen das Wachstum bremsen“, sagt Freie-Milch-Chef Ernst Halbmair. Das Unternehmen, dessen Umsatz in den vergangenen vier Jahren von knapp 500.000 Euro auf heuer rund 30 Mill. Euro schnellte, drücken die Kosten. Man tut sich schwer, mit den Bauernmilchpreisen der Molkereien mitzuhalten.

Nach Angaben Feldhofers zählt die IG-Milch derzeit rund 4000 Mitglieder. „Vollmitglieder zahlen jährlich 55 Euro, unterstützende Mitglieder 25 Euro.“ Wichtigster Posten auf der Einnahmenseite sind mit 155.000 Euro Mitgliedsbeiträge und die Erlöse aus Werbeartikeln und mit 18.500 Euro Lizenzeinnahmen aus dem Verkauf von „A faire Milch“ (fünf Cent je Liter). Bei den Ausgaben dominieren der Mitgliedsbeitrag für den Europäischen Milkboard (19.200 Euro) sowie die Kosten für die Rechtsberatung (23.500 Euro). Die Entschädigung für den Vorstand beträgt 14.400 Euro. Im Vorjahr gab es wegen der Rückzahlung eines 40.000-Euro-Darlehens für die Freie Milch Austria 22.800 Euro Verlust. Heuer schaut es anders aus. Nach den ersten neun Monaten gab es ein Plus von 51.000 Euro.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 28.11.2011

Donnerstag, 24. November 2011

Zum nationalen Kraftakt an den Runden Tisch - bitte!





Die Überraschung war groß. Vor drei Wochen wusste man noch nicht, was eine Schuldenbremse ist, jetzt wissen wir, dass Österreich - auch wenn man allem Anschein nach immer noch nicht recht weiß, was das ist - eine bekommen soll. Um die Rating-Agenturen mild zu stimmen und das Triple A zu retten, um den Staatshaushalt in den Griff zu bekommen - und das alles im Verfassungsrang.

Dieses Tempo war man nicht gewohnt. Schon gar nicht in Österreich, schon gar nicht von dieser Regierung, die sich seit Monaten von allen Seiten Nichtstun und Lähmung vorwerfen lassen musste. Endlich eine Aktion, endlich eine Reaktion. Die Regierung tat, was man von ihr eigentlich erwartet - regieren. Erleichterung machte sich darob breit. Geht ja doch, wenn der Druck nur groß genug ist.

Aber das war es auch schon. Seither geht es wieder rund. Die Länder fühlen sich übergangen, die Gemeinden, die Oppositionsparteien und die Gewerkschaften. Und alles lief, das erleichterte Beklatschen der wiedergefundenen Handlungsfähigkeit an der Regierungsspitze war noch gar nicht verhallt, flugs gleich wieder in den altbekannten österreichischen Bahnen. "Kommt nicht in Frage“, tönt es seither von allen Seiten in bester österreichischer Manier, obwohl man noch gar nicht weiß, was nicht in Frage kommen kann, weil es noch nicht viel mehr gibt als das Wort Schuldenbremse.

Längst hat nicht mehr die Regierung das Heft in der Hand. Nicht einmal die eigenen Parteien hat man geschlossen hinter sich, gar nicht zu reden von den Oppositionsparteien. Längst haben die politischen Kuhhändler die Regie übernommen. Da versucht man Kleingeld zu machen und dort ein politisches Geschäft. Nur eine Lösung, eine Lösung, die will man offenbar nicht.

Verbockt hat es wieder einmal, anders kann man es nicht sagen, die Regierung. Wie kommt man nur auf die Idee, ein so weitreichendes Projekt in einer so heiklen Phase ganz alleine durchsetzen zu wollen? Warum hat man die wichtigsten Entscheidungsträger in diesem Land, es sind ohnehin nicht allzu viele, nicht eingebunden? Warum zeigten sich selbst Landeshauptleute überrascht und überrumpelt? Ganz abgesehen davon, dass die Frage nach der Ausgestaltung der Schuldenbremse zu stellen ist.

Das ist nur Dilettantismus zu nennen. Fahrlässiger Dilettantismus, der einen fragen lässt, ob man die Situation denn überhaupt ernst nimmt, zumal dann, wenn man wenige Tage nach Ankündigung der Schuldenbremse zur Kenntnis nehmen muss, dass das Budgetdefizit im kommenden Jahr weiter anwachsen wird und man erst ab 2013 gedenkt, sparen zu wollen.

Kann sich Österreich das leisten? Das Land, das wurde in den vergangenen Wochen immer deutlicher, ist keine Insel im Finanzstrudel. Die Lage ist nicht so, wie man sie sich lange schön gerechnet hat. Immer klarer wird, dass es einen nationalen Kraftakt braucht, um sich aus dem Strudel herauszuhalten. Politisches Kleingeld ist dabei nicht die Währung, die hilfreich ist.

Es ist ein nationaler Schulterschluss aller maßgeblichen Kräfte zu fordern und ein Beitrag aller. Österreich muss an einem gemeinsamen Strang ziehen. Es ist zu fragen, ob es nicht an der Zeit ist, die maßgeblichen Kräfte des Landes an einem Runden Tisch zu vereinen, um dort zu einer Lösung zu finden, die von den maßgebenden Parteien und Interessenvertretungen und damit von möglichst großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen wird. Die Zeit scheint reif zu sein dafür.

Die Ankündigung der Schuldenbremse, der Dilettantismus der sie begleitete, waren eine vertane Chance. Das politische Hickhack, das seither das Land beherrscht, ist der Sache alles andere als förderlich und kostet nichts als wertvolle Zeit.

Zeit aber glaubt man offenbar in Österreich nicht nur in der Politik noch viel zu haben. Am Donnerstag vergangener Woche protestierten in Wien rund 400 Menschen auf dem Ballhausplatz gegen die ausufernden Staatsschulden. Während in anderen Ländern Demonstranten mitunter täglich auf die Straßen ziehen und sogar Lager aufschlagen, hat es in Österreich das unzufriedene Volk nicht eilig. Im März - immerhin wird "spätestens“ hinzugefügt - soll die nächste Kundgebung folgen.

Insofern hat das Land wohl die politische Führung, die es verdient.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 24.11.11

Dienstag, 22. November 2011

Ja!Natürlich geht auf Nummer sicher






HANS GMEINER Milazzo (SN). Seine Augen sprühen vor Begeisterung, wenn er von seinen Orangen und Zitronen spricht, seine Worte überschlagen sich in bestem Trappatoni-Deutsch. „Iste Sonne konzentrierte in die Frucht“, sagt der sizilianische Agronom und Bauer Francesco Salamita voller Inbrunst. „Iste Feuer wie die Sonne.“

Natalie Kirchbaumer von Global2000 glaubt ihm gern. Sie will es aber ganz genau wissen und streift sich Gummihandschuhe über. Mit zwei Sackerln in den Händen streift sie quer durch den Zitronen- und Orangenhain in der Nähe von Syrakus, um Blattproben zu nehmen. Sie werden in Österreich auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht.

Seit sechs Jahren lässt die Rewe-Biomarke Ja!Natürlich von der Umweltorganisation die Partner im Ausland kontrollieren. Etwa 200 sind das insgesamt.

Die Vor-Ort-Untersuchung von Bioprodukten im Ausland ist Teil eines vierstufigen Systems und damit noch strenger als in Österreich selbst. „Wir wollen einfach näher dran sein an der Produktion“, sagt Christina Angerer, im Ja!Natürlich-Qualitätsmangement für Obst und Gemüse zuständig.

Das Biokontrollsystem der EU ist ja!natürlich zu wenig. „Wir schauen nicht nur auf das Endprodukt, sondern auf den ganzen Prozess“, sagt Ja!Natürlich-Chefin Martina Hörmer. Was wie ein Seitenhieb auf die Biobauern und die sonst übliche Kontrolle klingt, verteidigt sie mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit, sich vom Mitbewerb abzuheben. „Für eine Marke ist die Biokontrolle allein zu wenig“, sagt sie.

Der hohe Aufwand rechnet sich. „Für uns und für die Bauern ist das eine Win-win-Situation“, sagt Hörmer. Jeweils rund 1000 Tonnen Orangen und Blutorangen und 3500 Tonnen Zitronen importiert Ja!Natürlich heuer aus Sizilien. Die Insel vor der Stiefelspitze Italiens passt ins Konzept. In drei bis vier Tagen sind die Orangen von dort in den Regalen von Billa, Merkur, Adeg und Sutterlüty. Hörmer: „Wenn es etwas bei uns nicht gibt, suchen wir in möglichst nahen Ländern, wo die Früchte am besten gedeihen.“ Bei vielen Dingen müsse man freilich Nein sagen. „Man kann bei Bio nicht alles zu jeder Zeit haben.“

Hinter Brot ist bei Ja!Natürlich Obst und Gemüse die zweitgrößte Warengruppe. 50 Prozent davon kommen aus dem Ausland. Hörmer: „Es wäre ja undenkbar, dass wir keine Orangen hätten.“ Insgesamt machen ausländische Produkte 20 Prozent des Umsatzes der Rewe-Biomarke aus, der heuer erstmals die 300-Mill.-Euro-Grenze überschreiten wird. Hörmer: „Damit sind wir mindestens doppelt so groß wie das Bioangebot bei Hofer. Erst dann kommt mit großem Abstand Spar.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 22.11.2011

Samstag, 19. November 2011

Schweinebauern stecken weiter in der Klemme





Die politische Debatte um die Haltung von Zuchtsauen ist festgefahren. Die Bauern wissen nicht, was auf sie zukommt.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Für Walter Lederhilger, Obmann der heimischen Schweinebauern, hat sich der Spaß aufgehört. „Was rund um das beabsichtigte Verbot der Ferkelschutzkörbe läuft, ist nicht mehr lustig.“ Seit Monaten mobilisieren Tierschützer gegen die Kastenstände, in denen Zuchtschweine in der Zeit der Besamung und der Geburt der Ferkel gehalten werden. Sie ketten sich an die Tore des Landwirtschaftsministeriums und stören Veranstaltungen von Ressortchef Nikolaus Berlakovich.

Die Bauern wiederum versuchen bei dem für Tierschutz zuständigen Gesundheitsminister Alois Stöger und bei Volksanwalt Peter Kostelka Gehör für ihre Anliegen zu finden. Auf politischer Ebene geht praktisch nichts weiter. Sah es im Sommer kurzfristig so aus, als hätten die Minister einen Weg gefunden, so ist man davon jetzt weiter entfernt denn je.

„Es gibt Gespräche, ob es eine Lösung geben und wie sie aussehen wird, ist aber offen“, heißt es im Gesundheitsministerium. Kompromissvorschläge der Bauern, die eine deutliche Verkürzung der Haltung in Ferkelschutzkörben vorsehen, wurden bisher nicht akzeptiert. „Dabei hätten wir damit hinter Schweden die zweitstrengsten Vorschriften in der EU“, sagt Lederhilger. Die Zeit drängt. Die Volksanwaltschaft, die in der nicht nur in Österreich, sondern in praktisch allen EU-Staaten und auch international üblichen Haltungsform für Zuchtsauen einen Missstand erkannte und eine Änderung verlangt, will höchstens bis zum Jahresende zuwarten. Dann will man den Verfassungsgerichtshof mit der Angelegenheit befassen.

Den Bauern brennt das Thema unter den Fingernägeln. Die Schweinezucht ist eines der Herzstücke der heimischen Landwirtschaft. Auf rund 10.000 Bauernhöfen werden 290.000 Zuchtsauen gehalten und jährlich fünf Millionen Ferkel erzeugt – genug um Österreich mit Schweinefleisch zu versorgen. Viele Schweinezüchter haben in den vergangenen Jahren ihre Stallungen noch vor Auslaufen der Übergangsfrist bis 2013 adaptiert oder neu gebaut. Sie fürchten um ihre Investitionen. Jene, die das noch nicht getan haben, wissen nicht, was auf sie zukommt. Die Stimmung unter der Bauern beschreibt Lederhilger als „katastrophal“, viele Züchter wollten aufgeben. „Wir verstehen nicht, dass man eine funktionierende Produktion, die geltendem EU-Recht entspricht, vorsätzlich untergraben will“, sagt der Vertreter der Schweinebauern. Damit werde die Selbstversorgung Österreichs gefährdet. „Mit einem Verbot schießen wir uns selbst aus dem Markt und wir Bauern müssen dann zuschauen, wie Großbetriebe aus Osteuropa das Fleisch liefern.“

Es wäre nicht das erste Mal für Österreichs Landwirtschaft, dass eine Vorreiterrolle nicht belohnt wird. Obwohl erst mit Ende dieses Jahres vorgeschrieben, haben die heimischen Eiererzeuger bereits 2009 von Käfig- auf Freiland- und Bodenhaltung der Hühner umgestellt. Auf dem Markt wurde das nicht honoriert. In Gastronomie und Industrie drücken nach wie vor billige Importeier aus Käfighaltung auf die Preise. Beim Treffen der EU-Landwirtschaftsminister am Montag wurde das Thema ebenfalls besprochen. Laut Berlakovich will die EU-Kommission gegen säumige Länder Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Österreich werde verstärkt kontrollieren.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 19. November 2011

Die Faymänner und das Vertrauen





Jetzt also soll es ernst werden - wir müssen sparen. Jedenfalls, wenn es nach der aktuellen Schlagzeilenlage geht. Dunkle Wolken allerorten. Die Konjunkturaussichten sind trüb, die Prognosen für den Arbeitsmarkt schlecht. Österreichs Triple A auf den internationalen Finanzmärkten gerät im Sog Italiens in Diskussion. Analysten und andere Experten, auch aus dem eigenen Land, fordern von Österreich ein klares Signal, dass man es mit der Sanierung des Staatshaushaltes ernst meint. Die Finanzministerin spricht von einem Sparpaket. "Schuldenbremse“ ist das Wort der Stunde, zusätzlich werden Einsparungen gefordert.

Das alles müsste für Österreich eigentlich keine allzu schwere Übung sein, zumal der Karren noch nicht so verfahren ist, dass nichts mehr ginge.

Müsste - wenn da nicht die Geisteshaltung wäre, die in den vergangenen Tagen exemplarisch von zwei in diesem Staat nicht ganz unwesentlichen Politikern von zwei nicht ganz unwesentlichen Parteien an den Tag gelegt wurde. Ungeniert und voller Selbstgerechtigkeit. Der Beamtengewerkschafter Neugebauer gab bei den Gehaltsverhandlungen für seine Klientel - wieder einmal - den Elefanten im Porzellanladen. Und auch an Bundeskanzler Faymann scheinen die Zeichen der Zeit spurlos vorbeizugehen, zumal dann, wenn man dafür billigen Applaus von den eigenen Gewerkschaftern abholen kann. "Die Gürtel-enger-schnall-Fraktion hat noch immer die Mehrheit. Auch Anhänger von Lohndumping müssen wir zurückdrängen“, tönt es dann - Applaus.

Das "Ich hab doch nichts zu verschenken“ einer heimischen Rennfahrerlegende, der die ganze Nation zu Füßen liegt, fügt sich da nahtlos drein und wird für Gesellschaftsgruppen, die jahrzehntelang durch zuweilen maß- und oft auch rücksichtslose Klientelpolitik verwöhnt wurden, zur persönlichen und politischen Maxime - bedient und gefördert von Politikern, die oft weniger den Leuten helfen, als ihre Sessel sichern wollten und wollen.

In einer Gesellschaft, in der Solidarität und Vertrauen ohnehin nicht mehr viel zählen und in der Verantwortung eine Tugend aus längst vergangenen Zeiten ist, sind all diese Lösungen, wie sie nun gefordert sind, nicht förderlich. Kein Wunder, dass sich die Positionen verhärten und die Töne rauer werden.

Dabei ist es ja durchaus nicht so, dass nicht große Gruppen der Bevölkerung aus allen Gesellschaftsschichten zu einer Sanierung der öffentlichen Haushalte beitragen könnten, ohne dass sie auf allzuviel verzichten müssten.

Das Problem ist viel eher, dass sie nicht das Vertrauen haben, dass die Politik aus ihrem Verzicht auf Ansprüche oder aus ihren höheren Steuerzahlungen etwas Vernünftiges macht.

Als gelernter Österreicher weiß man, dass Misstrauen angebracht ist. Allzuoft wurden Erwartungen und Hoffnungen, die geweckt wurden, enttäuscht. Allzuoft hat man erfahren müssen, dass mit den aus neuen oder höheren Steuern lukrierten Geldern nichts gemacht wurde, allzuoft fühlten sich die, die bereit waren, auf etwas zu verzichten, als die Draufzahler, und allzuoft mussten viele, die in die Pflicht genommen wurden, durch die Finger schauen, während sich andere die Taschen stopften und Prämien, Zuschüsse und was das staatliche Füllhorn noch alles hergibt, regelrecht abzockten.

Da sind, auch wenn das so modern ist, nicht die Politiker gemeint, da ist durchaus die gesamte Gesellschaft angesprochen.

Es wundert nicht, dass niemand etwas zur Lösung der Probleme mit den öffentlichen Haushalten beitragen will. Dass alle versuchen, zumindest das zu halten, was sie haben. Das 15. Gehalt, das zweite Auto, die schicke Mode, den Extra-Urlaub zwischendurch und den Anspruch auf eine ordentliche Pension - nicht zuletzt deshalb, weil sich in der Politik und in den Interessensvertretungen immer jemand findet, der diese Haltung unterstützt.

Denn alles andere ist schließlich ungleich schwieriger.

So ist die Krise in erster Linie wohl eine Vertrauenskrise. Ganz oben in der Weltpolitik und im internationalen Finanzwesen, aber auch ganz unten in den Familien, Unternehmungen und in den öffentlichen Einrichtungen.

Genau das freilich macht die Bewältigung der Krise so schwierig und es den Faymännern und Neugebauers aller Parteien und nicht nur dieses Landes so leicht.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 17. November 2011

Donnerstag, 10. November 2011

Die Sehnsucht nach Portisch





Es ist bemerkenswert, wie sprachlos die heimische Politik, aber auch die heimische Wirtschaft und die Wirtschaftswissenschaft angesichts der Entwicklung rund um Euro, EU und Griechenland sind. Ein ganzes Land ist ohne Stimme. Mit einem Mal.

Von den Staatsspitzen sind nicht viele Äußerungen zur Krise überliefert. Zumindest keine von größerem Gehalt. Nicht einmal dazu, wie rasche Krisenbewältigung und Demokratie unter einen Hut zu bringen sein könnten.

Wie wenig man mit den aktuellen Ereignissen zu tun hat und wie wenig man mit ihnen zu tun haben will, zeigte sich ganz besonders deutlich in der Vorwoche, als der griechische Ministerpräsident mit seiner Referendum-Ankündigung ganz Europa in Aufruhr versetzte. Weder vom Bundeskanzler noch von seinem Stellvertreter und Außenminister sind Stellungnahmen überliefert. Und der Frau Finanzminister fiel nicht mehr ein, als in einem Interview Griechenland mit Kärnten für vergleichbar zu erklären. Dabei habe sie "bisher nicht die Gelegenheit gehabt, mit Herrn Papandreou zu sprechen“. Aber sie kenne den griechischen Finanzminister. Na immerhin.

Die Wirtschaftsvertreter, die Wirtschaftswissenschafter, all die anderen, von denen man sich Orientierung, Positionen, Diskussionsbeiträge und Erklärung erwartet, sind um keinen Deut anders als die Politiker. Wenn sie sich denn überhaupt äußern, dann sind zumeist hohle Phrasen, leere Floskeln oder plumpe Parolen zu hören. Man hat nicht das Gefühl, dass sich da jemand ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzt und schon gar nicht, dass da irgendwer die Dinge überschaut.

Die Diskussion hierzulande, die Auseinandersetzung mit den Vorgängen in Europa sind von alarmierender Seichtigkeit. So, als hätte Österreich damit nichts zu tun. Kein Vergleich zum Niveau in Deutschland, wo nicht nur in den Medien und in TV-Diskussionen, sondern selbst im Parlament - ganz anders als bei uns - die Diskussion nicht vom Austausch vorgefertigter Standpunkte und von billigem Populismus geprägt ist, sondern von Verantwortung. Und, man muss es sagen: Auch von deutlich mehr Wissen.

Nun, man kann freilich den Standpunkt beziehen, Österreich sei ein kleines Land, sowohl politisch als auch wirtschaftlich ein Leichtgewicht gegenüber Ländern wie Deutschland und Frankreich. Was soll man da schon viel sagen und was soll man da viel diskutieren?

Aber soll man das, ja darf man das wirklich? Hat Österreich wirklich nicht mehr zu bieten? Kann dieses Land nicht mehr als diese Seichtigkeit, diese Überheblichkeit, diese Ignoranz?

Die Antwort müsste natürlich lauten - Ja! Müsste. In Österreich bleibt es freilich beim Konjunktiv. Hier fehlt ganz offensichtlich das Personal. Exemplarisch spiegelt sich das in den Teilnehmerlisten der Fernsehdiskussionen. Immer die gleichen Leute. Nicht viel mehr als eine Handvoll. Zumeist Politiker, selten Wissenschafter. Ein leicht überschaubares Diskussionsbiotop, in dem routiniert die Standpunkte ausgetauscht werden.

Das hat nicht immer damit zu tun, dass Österreich ein kleines Land ist, das hat auch damit zu tun, dass sich die in Frage kommenden Persönlichkeiten rar machen und ihnen die Courage fehlt. Pragmatisiert im elfenbeinernen Wissenschaftsturm, linientreu gefönt im politischen Mandat, zu Folgsamkeit angehalten in Amtsstuben, zum Kuschen verdammt am Arbeitsplatz und mit Förderungen gefügig gemacht in Wirtschaft und Landwirtschaft hält man lieber den Mund.

Als gelernter Österreicher will man nirgends anstreifen. Damit freilich beißt sich die Katze in den Schwanz. Ein ganzes Land hat verlernt zu diskutieren, sich ohne Scheuklappen mit Themen auseinanderzusetzen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Dabei wäre der Bedarf an Information und Erklärung groß. Die Leute haben Sehnsucht danach. Sie suchen Vertrauen, sie wollen Klarheit, sie wollen die Zusammenhänge erkennen können.

Allein der Verkaufserfolg von Hugo Portischs jüngstem Buch, in dem er die EU erklärt, beweist das.

Es geht sachlich und mit Wissen. Man braucht nicht Angst zu verbreiten, aber man sollte sich bemühen, Informationen zu bieten. Gerade was die EU, Europa und den Euro betrifft.

Das ist in Österreich, wo 77 Prozent der Leute nicht wissen, was Zinsen sind, zugegebenermaßen nicht einfach, aber es wäre dringend notwendig, zumal immer mehr Österreicherinnen und Österreicher, wie jüngste Umfragen bestätigen, der EU den Rücken kehren.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung 10. November 2011

Freitag, 4. November 2011

Ruf zur Ordnung





Das bäuerliche Führungspersonal sorgte in den vergangenen Wochen zuweilen für dicke Schlagzeilen. Das freilich nicht, weil so brillante Ideen für das Fortkommen der Landwirtschaft oder Erfolge in Sachen EU-Agrarreform zu bejubeln gewesen wären.
Nein, das nicht.
Der Bauernpräsident Grillitsch war es, der mit seinen Sarrazin-Eskapaden und Vorschlägen zur Ausländerpolitik für Aufsehen sorgte und Häme auf den Bauernbund zog. Und der Landwirtschaftsminister war es, der es wegen seiner teuren Eigenwerbung auf Steuerzahlerkosten zu einiger Medienprominenz brachte.
Dabei wäre von den beiden Herren und der heimischen Agrarpolitik insgesamt gerade angesichts der Agrarreform und Themen eine ganz andere Präsenz zu fordern.
Ist aber nicht. Und das hat wohl mit dem aktuellen Zustand in den Führungsetagen der heimischen Agrarpolitik zu tun.
Im Verhältnis zwischen dem Ministerium am Wiener Stubenring, der Landwirtschaftkammer Österreich in der Schauflergasse und dem Bauernbund in der Brucknerstraße ist, das pfeifen die Spatzen von den Dächern, Sand im Getriebe. Und das nicht zu wenig. Den Mitarbeitern in Ministerium, Kammern, anderen Agrareinrichtungen und Unternehmen, die in diesem Umfeld arbeiten müssen und wollen, steigen längst die Grausbirnen auf.
Allerorten Klagen, zuweilen solche, die ans Eingemachte gehen. Mit der gegenseitigen Wertschätzung scheint es nicht weit her zu sein, die Töne, die zu hören sind, sind mitunter deftig - wenn man denn überhaupt noch miteinander redet.
Nun ist die Politik ganz sicherlich kein Mädchenpensionat, aber so wie derzeit die Dinge liegen, zumal in einer für die Zukunft der heimischen Landwirtschaft so entscheidenden Phase, müssen sich die Bauern Sorgen machen.
Die Führung steht unter Druck. Was man vorzuweisen hat, ist wenig, das Umfeld zugegebenermaßen schwierig. Bei den Vorschlägen zur Agrarreform zeigte sich, dass Agrarkommissar Ciolos kaum auf Österreich hörte. Gar nicht zu reden vom Desaster rund um die Zuchtsauenhaltung.
Das "Eiserne Dreieck", das in der Vergangenheit immer hielt, wenn es galt, die Interessen der Landwirtschaft durchzusetzen, gibt es offenbar nicht mehr. Zumindest derzeit. Zumindest in den derzeitigen personellen Konstellationen.
Von außen ist es schwierig festzustellen, wo der Hund begraben liegt. Die meisten der Beteiligten zeigen mit dem Finger auf das Ministerium, respektive den Minister und sein Büro. Von Eitelkeiten ist die Rede, von Inkompetenz und von Unzuverlässigkeit. Vorgänge, wie der Anfang September angekündigte Stopp der Auszahlung der ÖPUL-Gelder, den der Minister dann innerhalb einer Stunde zurücknehmen musste, gelten als Beweis dafür.
Den Bauernbund isoliert und stigmatisiert sein Präsident. Nicht wenige verweigern längst das Gespräch mit ihm, viele schütteln den Kopf. Seine Ego-Trips nehmen immer seltener Rücksicht auf die Erfordernisse der Agrarpolitik und der Bauern, sondern scheinen seinen eigenen Karrierezielen zu dienen.
Die Landwirtschaftskammer steht, so scheint es, noch am wenigsten in Diskussion. Das hat aber weniger mit einer seriösen Arbeit zu tun, als mit der Zurückhaltung, die dort gepflogen wird.
Einigermaßen desillusionierend jedenfalls, wie sich die heimische Agrarpolitik derzeit präsentiert. "Bitte tut's was", möchte man ihnen zurufen. "Rauft's euch zusammen". Gerade jetzt brauchen die Bauern eine starke und gute Vertretung. Genau deswegen haben sie sie gewählt.

Blick ins Land - 4. November 2011

Donnerstag, 3. November 2011

Ich bin doch nicht blöd, Mann!





Ein Aufatmen ging durch Europa. Die Börsenkurse schienen vor Freude in die Höhe zu springen, Erleichterung allerorten. Davongekommen. Doch noch. Noch einmal. Europas politische Führer hatten sich unter der Knute von Angela Merkel geeinigt, die Banken gaben klein bei. Ein noch größerer Rettungsschirm, noch mehr Milliarden, Schuldenerlass für Griechenland, Aderlass für die Banken.

Was immer wirklich davon zu halten ist, ob das die ersehnte Wende ist oder doch nicht - es war der bisher wohl größte Kraftakt der europäischen Vollkasko-Gesellschaft, sich selbst zu retten.

Notwendig im wahrsten Sinn des Wortes wurde dieser Kraftakt, weil Verantwortung, zumal Eigenverantwortung in der europäischen Gesellschaft und in den politischen Führungsetagen des 21. Jahrhunderts keine Rolle mehr zu spielen scheint. Ganze Staaten scheren sich mittlerweile um nichts mehr, solange sie nur ihre alten Trampelpfade weitergehen können, und ihr Volk bei Laune gehalten werden kann. Noch mehr Geld, noch mehr Schulden. Alles geht offenbar - bis nichts mehr geht. In Griechenland, in Italien, in Spanien, in Frankreich und auch bei uns.

Die Idee von der Friedens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die bei der Gründung in den 1950er Jahren Pate stand, wird da nur mehr müde belächelt. Die Europäische Union sieht man viel eher als Vollkaskoversicherung für die Kollateralschäden, die man mit der eigenen Politik anrichtet.

Am Pranger stehen nicht Politiker wie Papandreou oder Berlusconi, die für die desaströsen Zustände in ihren Ländern direkt verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich sind, sondern Leute wie Merkel und Sarkozy, die für ihr Zaudern, für ihre Winkelzüge und für ihre Entscheidungen zum Teil sehr brüsk zur Rechenschaft gezogen werden.

Für die Zwänge und Dreistigkeiten, die damit einhergehen und die politische Diskussion bestimmen, hat schon Helmut Qualtinger das passende Bild geliefert: "Der Papa wird‘s schon richten“.

Verantwortung übernehmen? Gar Verantwortung trage? Das sind in der Politik und in der Gesellschaft ganz offensichtlich keine Kategorien mehr, die zählen. Statt dessen gibt man die Verantwortung lieber ab wie ein Kleidungsstück an der Garderobe, lässt sich zurück und beschäftigt sich allenfalls mit der Sicherung von Ansprüchen, der Suche nach Auswegen und Schlupflöchern und dem Entwickeln von Sonderlösungen und verlässt sich darauf, dass jemand einspringen wird, wenn‘s denn wirklich sein muss.

Alle tun es. Die ganz oben und die ganz unten, und die dazwischen auch.

Die österreichische Regierung, respektive deren Spitze, überlässt die Verantwortung für die Zukunft Europas in geradezu fahrlässiger Weise und zuweilen direkt lustvoll den großen europäischen Spielern. Nie hat man sich um eine Rolle bemüht, ganz so, als ob Österreichs Zukunft nicht auch etwas mit der europäischen zu tun hätte.

Ganze Wirtschaftszweige geben die Verantwortung für ihr Tun an Politik und Gesetzgeber ab, legen die Hände in den Schoß und verwenden ihre Energie vorwiegend dafür, die ihrer Ansicht nach Schuldigen zu geißeln, statt die Verantwortung für ihr Fortkommen selbst in die Hand zu nehmen.

Viele Eltern delegieren ihre Erziehungsverantwortung mir nix dir nix an die Schulen. Nicht wenige Menschen verstehen ihre Steuer- und Abgabenzahlungen als Vollkaskoprämie fürs Leben und definieren ihr Dasein als Anspruchsberechtigte an Staat und Sozialversicherung. Und selbst unter Bergsteigern gilt die Verantwortung nicht mehr viel - die Bergrettung wird‘s schon richten.

Freilich: Die Strukturen leisten dem Vorschub. Überall Vollkasko. Für ein Handeln einzustehen ist nur mehr selten das, was zählt. Schuld sind immer die anderen. Und richten sollen es auch die anderen.

Engagement, Verantwortung in der Gesellschaft und in der Politik gilt nur mehr wenig. Für die Vergangenheit ist man nicht verantwortlich, für die Gegenwart nicht und für die Zukunft selbstredend auch nicht. Man lässt machen - ich bin doch nicht blöd, Mann!

Was freilich überhaupt kein Hinderungsgrund ist, sich über die Folgen dieser Mentalität, die in höheren Steuern und Beiträgen und in unsicheren Zukunftsaussichten zu Buche schlägt, zu alterieren.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung 3. November 2011
 
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