Donnerstag, 13. Oktober 2011

Tanzen wir auf der Titanic?





Der Verkehr brummt, niemand verzichtet aufs Auto, die Einkaufszentren sind voll, die Wirtshäuser und die Züge am Morgen auch. Die Leute hasten durch den Tag. Alle sind geschäftig wie immer. Die Autohändler melden Rekorde und die Lebensmittelexporteure, auf den Baustellen herrscht Hochbetrieb. Und auch die Gewerkschaft scheint nichts zu spüren, fordert sie doch bei den Metallern eine Lohnerhöhung von mehr als fünf Prozent.

Angesichts der unvermindert alltäglichen Normalität rund um uns ist es schwierig, sich einen Begriff vom Ernst der Lage zu machen. Wie steht es wirklich um Griechenland, um Italien, um den Euro und um die Banken? Wie um unsere Staatsfinanzen? Welches Spiel treibt Amerika und welches die Rating-Agenturen? Welche Gefahren kommen da daher?

Die Zeitungen sind voll mit Spekulationen, die Börsenkurse zacken wie wild. In den Buchhandlungen werden die Krisen-Bücher immer mehr. Die Wirtschaftsforscher nehmen ihre Prognosen zurück. Und die Bilder, die die Medien verwenden, werden immer drastischer. Weil "Fünf vor Zwölf“ schon ziemlich abgegriffen ist und niemand mehr aufregt, hat der deutsche "Spiegel“ kürzlich auf dem Titelbild zu einer Geschichte über den Euro den Zeiger auf eine Minute vor Zwölf gestellt - "Die Geldbombe“.

Stehen wir schon am Abgrund? Oder sind wir bald schon einen Schritt weiter?

All das einzuschätzen, was da täglich auf einen einprasselt, ist derzeit das, was man als einfacher Bürger mit der Krise zu tun hat und wo man sie spürt - diese Suche nach Orientierung.

Ist es schon der Tanz auf der Titanic? Oder doch - noch - nicht?

Was immer kommen wird, jetzt erlebt man als Bürger und damit Passagier in der politischen, respektive wirtschaftpolitischen Welt, die mögliche Krise jedenfalls als Kommunikationskrise, als Führungskrise und als Wissenskrise - die auf allen Ebenen nur desaströs zu nennen sind.

Das ist schlimm genug.

Es ist atemberaubend, was da aufgetischt wird. Angesichts der Diskussion darüber, wie man das Desaster in den Griff kriegen könnte und der zuweilen um 180 Grad divergierenden Vorschläge staunt der Laie nur mehr mit offenem Mund. Nichts kann man beurteilen. Und es ist deprimierend, dass offenbar niemand dazu fähig ist - vor allem die nicht, die sich sonst so gerne wichtig machen und die einen immerzu bitten, ihnen das Vertrauen zu schenken.

Dabei möchte man den Erklärungen glauben, die man hört. Dass es ein Rezept gibt, die Lage wieder in Ordnung zu bringen, dass das Geld sicher ist, dass man sich wegen Inflation nicht zu sorgen braucht. Aber es fällt immer schwerer. Nicht einmal der Rat in Gold zu flüchten, scheint zu taugen, wenn man die Kurseinbrüche der vergangenen Wochen anschaut.

Das Vertrauen schwindet, je mehr man hört. Wessen Interessen dient dieses Statement, wer steckt hinter jener Schlagzeile? Und wer hinter diesem Beschluss?

Isoliert betrachtet klingt ja das Meiste schlüssig, was die - meistens - Herren da mit ernster Miene im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen von sich geben. Stellt man diese Einschätzungen aber nebeneinander, versucht sich selbst einen Reim zu machen, wägt dieses ab und jenes, dann wendet man sich bald ratlos ab, Schulter zuckend.

Was soll‘s? Es kommt, wie es kommen muss.

Einer Privatperson mag das alles zugestanden sein. Dass aber ein ganzes Land, respektive die politischen Verantwortungsträger dort, so handeln, geht an die Nieren. Zumal dann, wenn dies Land Österreich heißt und man in diesem Land lebt.

Hier tut die Politik so, als ob nichts wäre und bewirft sich lieber mit Schlammpatzen aus dem Sumpf, in dem man sich seit Jahren und Jahrzehnten suhlt. Darauf versteht man sich. Zweifellos.

Auf mehr, so zuweilen der Anschein, nicht. Und schon gar nicht auf Einschätzung und Umgang mit so krisenhaften Entwicklungen, wie sie jetzt Europa, ja die Welt und vor allem auch die Bürger umtreiben.

Es fehlt schlicht die Expertise dafür. Das mag man den Verantwortlichen gar nicht vorwerfen. Vorzuwerfen ist ihnen aber, dass sie sich darum erst gar nicht bemühen, dass ihnen der Wille dazu fehlt.

Man tut nichts. Man schaut Griechenland zu, wie es untergeht. Man steht an der Reling.Wie damals die Leute auf der Titanic.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung 13.10. 2011

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