Donnerstag, 27. Oktober 2011

Die "Insel der Seligen“ im Rutschen





Österreich rutscht ab. Nicht nur auf zwei Brettln und im Winter. Auch in internationalen Vergleichen. Bei Pisa und in den Uni-Rankings sowieso. Neuerdings geht es auch in den Wirtschafts-Rankings bergab. Im Frühjahr etwa reihte die Schweizer Agentur IMD im World Competitiveness Yearbook die Alpenrepublik nur mehr auf Rang 18 von insgesamt 59 bewerteten Ländern. Drei Jahre zuvor sah man das Land noch auf Rang elf.

Erst dieser Tage bescheinigte die Weltbank, dass hierzulande das Geschäftsklima schon deutlich besser war. Wurde Österreich im Doing Business Report, der die Bedingungen zum Geschäftemachen rund um den Erdball vergleicht, im Vorjahr noch auf Rang 28 gereiht, so gab es heuer nur mehr Rang 32 - hinter 13 EU-Staaten (darunter auch Länder wie Estland, Lettland und Litauen sowie Portugal), aber auch Ländern wie Mazedonien.

Besonders schlecht wird in Österreich von den Weltbank-Experten das Umfeld für Unternehmensgründungen gesehen. Da wurde unser Land gar nur auf Rang 134 gereiht. Zu lange der Weg dorthin, zu hoch die Kosten, wird kritisiert.

Diese Zahlen spiegeln wider, was jeder in diesem Land spürt, der in der Wirtschaft etwas machen will - Österreich ist kein Wirtschaftsland, kein Land der Unternehmer und kein Land des Unternehmergeistes. Das alles gilt nicht viel und das Ansehen dafür hält sich zumeist in engen Grenzen. Wirtschaft zu betreiben, Geschäfte zu machen ist hierzulande allenfalls gelitten, aber zuweilen zu wenig geschätzt.

Man ist nicht wirklich willkommen.

So gern man anderen die Schuld gibt, einen guten Teil davon hat die Wirtschaft, respektive deren Vertretung, die Wirtschaftskammer, selbst zu tragen. Allzu lange war man allzu stolz auf die besonders hohen Hürden, die man jenen hinstellte, die Unternehmer werden wollten. Bürokratie ohne Ende, Auflagen, Prüfungen, Konzessionen und viel, viel Zeit und Geld brauchte es, um da drüber zu kommen, respektive drüber kommen zu dürfen.

Unternehmer werden zu können war in diesem Land allzu lange eine Gnade. Und, trotz fraglos vieler Verbesserungen und Vereinfachungen, ist es das heute noch.

Sicherheit, zumal die eigene Sicherheit, ist das, was zählt. Nur keine Konkurrenz, nur keine Ungewissheit, alles am besten in eingefahrenen Bahnen, klein und übersichtlich. Nur ja keine Änderungen und schon ja keine neue Konkurrenz.

Damit spiegelt die Wirtschaft selbst das Klima wieder, das in diesem Land herrscht - seit Generationen. Der sichere Job gilt allzu vielen immer noch als das erstrebenswerteste Ziel und die frühe und - in diesem Land selbstredend - möglichst hohe Pension. Und die Zeit dazwischen idealerweise in einer pragmatisierten und damit unkündbaren Stellung.

Die Politik hierzulande bedient diese Grundstimmung. Leider. Kaum je hat man versucht, das Land aus dieser Trägheit zu lösen, zumeist tut man alles um diese Grundhaltung weiter zu festigen. Zeiten, wie wir sie jetzt erleben, in denen die Währung und die Finanzwelt in Diskussion stehen und die Wirtschaft damit auch, wo sich Sorgen breit machen, sind dafür prädestiniert. Themen wie Vermögensbesteuerung und Reichensteuer sind nicht dazu angetan, das Fortkommen des Landes zu fördern, sondern eher dazu, es endgültig in ein wirtschaftsfeindliches Klima zu kippen.

Wo doch das Gegenteil sehr viel eher gefragt wäre. Davon aber sind wir weit entfernt. Nicht zu Unrecht machen sich Leute wie der Industriellenpräsident Veit Sorger oder voestalpine-Chef Wolfgang Eder Sorgen um den Wirtschaftstandort Österreich. Während der eine über Steuerlast und Bürokratie klagt, sieht der andere unter den immer höher geschraubten Umweltvorschriften die Felle für sein Unternehmen davon schwimmen und geht so weit zu sagen, dass er das Entwicklungspotenzial seines Unternehmens "nicht in Österreich“ sehe.

Einsame Rufer, so scheint es. Den aktuellen Zeitgeist haben sie nicht im Rücken. Der macht sich lieber über Rankings lustig und ergeht sich darin, sie in Zweifel zu ziehen. Ganz unbeeindruckt - wie auf der Insel der Seligen.

"Wir sind ja eh super“, sagt man sich da lieber - und merkt nicht, dass die Musik immer lauter wo anders spielt.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 27. Oktober 2011

Scharinger räumt den Sessel für Schaller





„Es war schön“, sagt Ludwig Scharinger. Im April 2012 übergibt er die Führung an Heinrich Schaller.

HANS GMEINER Linz (SN). Seit Montag ist offiziell, was nicht nur in Bankkreisen längst die Spatzen von den Dächern pfiffen. Heinrich Schaller, derzeit Vorstandsmitglied der Wiener Börse AG, folgt ab April 2012 Ludwig Scharinger als Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Das beschloss der Aufsichtsrat der RLB Oberösterreich einstimmig.

Der 51-jährige gebürtige Linzer, Sohn des Scharinger-Vorvorgängers Karl Schaller, der von 1949 bis zu seinem Unfalltod 1973 die damalige OÖ. Raiffeisen-Zentralkasse führte, galt seit Langem als der logische Nachfolger. Raiffeisen kennt er wie seine Westentasche. Auch die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich. Dort war er bereits von 2004 bis 2006 im Vorstand.

Obwohl sich Schaller bei seiner Präsentation nicht auf Details festlegen wollte, ließ er erkennen, dass er Scharingers Weg fortsetzen will. „Es ist sicher nicht daran gedacht, etwas zu redimensionieren.“ Die Voraussetzungen seien bestens. „Da kann man hervorragend drauf aufbauen.“ Selbst Basel III sieht er als zu bewältigende Herausforderung. „Wichtig wird sein, im Umgang mit den Kunden nicht zu sehr auf die Bremse steigen zu müssen“, sagt er. „Das ist machbar in diesem Haus.“

Denn die Raiffeisenlandesbank OÖ zählt zu den Vorzeigebanken des Landes. Ludwig Scharinger machte sie mit der ihm eigenen Mischung aus Bauernschläue und Instinkt für gute Geschäfte in den vergangenen 26 Jahren von einer Regionalbank zu einer Bank, deren Wirkungskreis längst weit über Österreich hinaus reicht.

Die Zahlen sind gut, die jährlichen Zuwachsraten zumeist beeindruckend. Sie gaben Scharingers konservativem Stil eine Bank zu führen, recht. Seinen Stolz kann man Scharinger kaum verübeln. „Es war schön, die Bank aus dem Schatten in die Sonne zu holen“, sagt er. „Das Haus ist ordentlich bestellt.“

Dazu gehören die derzeit nicht weniger als 528 Beteiligungen, zu denen auch Kaliber wie die voestalpine zählen.

Für sie wird das zweite neue Gesicht im künftig wieder sechsköpfigen RLB-Vorstand zuständig sein. Reinhard Schwendtbauer (39) machte seine ersten Schritte im Bankbereich in den 1990er-Jahren als Vorstandsassistent von Scharinger. Danach wechselte er in das Kabinett von Ex-Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer und war zuletzt Geschäftsführer und Teilhaber beim Beratungsunternehmen Finadvice.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 25. Oktober 2011

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Neues Österreich zwischen "Reichen“ und "Trotteln“?





Dieser Tage das Streikgetöse der Metaller, zuvor die Debatten um die Besteuerung von Vermögen und um die Reichensteuer und die Drohung mit Verfassungsklagen gegen die Besteuerungsformen in der Landwirtschaft. Im Land verändert sich etwas. Die Stimmung ist dabei, nach Jahren der Betulichkeit, die zuweilen als Schwester der Orientierungslosigkeit daherkam, eine andere zu werden. An den Stammtischen, in den Medien, in der politischen Diskussion.

In den vergangenen Jahren entzündeten sich die politische Leidenschaft und das politische Bewusstsein allenfalls am Umgang mit Zuwanderern oder ausländischen Mitbürgern in unserem Land. Nun sind es zudem immer öfter klassenkämpferische Töne, die sich der Politik und der politischen Diskussion bemächtigen - mitunter solche, die man längst in die Mottenkiste der Politik verbannt wähnte. Die Eurokrise, die aufs Neue aufbrechende Diskussion um die Banken, die Bedrohung der internationalen Wirtschaft und die damit wachsende Sorge um Arbeitsplatz und Zukunft bieten das entsprechende Unterfutter.

Insbesondere die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften haben dadurch zu neuem Selbstbewusstsein gefunden. Das konservative bürgerliche Establishment, Unternehmer und Landwirte hingegen gerieten dabei zu Prügelknaben. Die Volkspartei, die von der politischen Vertretung dieser Gruppen lebt, hat dem nichts Substanzielles entgegenzusetzen. Sie wirkt hilflos und überfordert.

Leute wie der Staatssekretär Ostermayer geben da den Ton vor, wenn sie "den Reichen“ eine höhere Besteuerung mit dem Hinweis schmackhaft zu machen versuchen, dass sie ja auch nichts anderes wollen, als in Frieden leben zu können - "Was nützt es, wenn man reich ist und sich ständig bedroht fühlt.“ Das gibt Mut und setzt sich fort. "Wennst mit den Trotteln nicht reden kannst, wird eben gestreikt“, kommt es dann von Betriebsräten. "Wir lassen uns doch nicht verschaukeln.“

Vier von fünf Österreichern sehen das, glaubt man einer Umfrage der Kronenzeitung, genauso.

Dass all die plakativen Ansagen und Forderungen noch lange keine Politik sind, spielt dabei keine Rolle. Die Sozialdemokraten verstehen es mittlerweile so gut wie Strache, die Frustration zu bündeln und für sich politisch zu nutzen. Dass man seit Jahren den Bundeskanzler stellt, die Politik der vergangenen Jahre bestimmen konnte, mithin für alles zumindest mitverantwortlich ist, wogegen man nun auftritt, ist einerlei. Man gibt wieder den Ton vor. Das zählt.

Darüber kann man sich alterieren, gar davor fürchten und den Klassenkampf heraufdräuen sehen. Wenn man es schon nicht verstehen kann, so kann man diesen Wandel in der Stimmung doch nachvollziehen. Das herablassende Gehabe und die dröhnende Selbstzufriedenheit, mit dem allzu viele, zumal allzu viele von den bürgerlichen Sofas, aus den Führungsetagen von Unternehmen, von Beamtenschreibtischen, von Rednerpulten und aus dicken Autos oder von großen Traktoren herab auf die anderen schauten, war zuweilen zu viel. Man übergoss zu oft andere Ansprüche mit Häme, erklärte sie für unmäßig und gefährlich für den Wohlstand, sprach ihnen jede Kompetenz ab und meinte, die alleinige Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Ohne Wenn und Aber.

Bis man sich selbst nicht mehr und sonst auch nichts spürte.

Sie alle sollten nicht nur auf die anderen zeigen, sondern sich selbst an der Nase nehmen.

Das Pendel schlägt nun offensichtlich in die andere Richtung aus. Die, die bislang die Wahrheit für sich gepachtet glaubten, verstehen es nicht, mit den Themen und den Inhalten, die vorgebracht werden, umzugehen. Sie finden kaum griffige Argumentationen und haben ihnen nichts entgegenzusetzen.

Statt dessen festigt sich der Eindruck, dass man längst den Kontakt zu den Leuten verloren zu haben scheint. Es ist Sensibilität, die von den Menschen vermisst wird, das sprichwörtliche G’spür, oft auch die Achtung. Man hat das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit arg strapaziert und die Kompetenz, die man so gerne in Anspruch nahm, allzu selten bewiesen.

Und man tat es nicht nur - man tut es immer noch. Und daher wird man sich - je nach politischem Standort freilich - über die neue Stimmung auch weiterhin ärgern müssen oder freuen können.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 20. Oktober 2011

Freitag, 14. Oktober 2011

Eine Reform mit Haken




Die EU-Agrarreform macht die heimische Agrarpolitik zur Großbaustelle.

HANS GMEINER Wien (SN). Die heimische Agrarpolitik reagiert auf die am Mittwoch präsentierten Vorschläge zur EU-Agrarreform indifferent. „Nicht mit uns“, „Rolle rückwärts“, „problematisch“, das ist zwar überall zu hören. Dass Österreichs Bauern aber, wie es aus heutiger Sicht scheint, finanziell glimpflicher davonkommen als befürchtet, wird durchaus anerkannt. Groß ist freilich die Verwunderung, dass trotz der angespannten Agrarmärkte sieben Prozent der Agrarflächen zu Ökoflächen werden sollen.

Für Österreichs Bauern hat die Reform einige Haken. Vor allem die Ländliche Entwicklung, die „zweite Säule“ der Agrarpolitik, mit Programmen, deren Gestaltung weitgehend in der Hand der Mitgliedsstaaten selbst liegt, wird für Österreich zur zentralen Herausforderung.

Über die notwendige Vereinheitlichung der Hektarsätze und die seit Längerem diskutierten Probleme für die Umweltprogramme hinaus rücken neue Themen in den Mittelpunkt. So scheinen über der Bergbauernförderung, die bislang als gesichert galt, dunkle Wolken aufzuziehen. „An der Definition der Berggebiete ändert sich nichts“, sagte Klaus-Dieter Borchardt von der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission bei der Präsentation der Reformpläne in Wien. „Es gibt aber weniger Flexibilität für die Mitgliedsstaaten.“ Das System werde schwerfälliger, weil die Förderwürdigkeit je Fall festgestellt werden müsse. Sorgenfalten treibt den Agrariern auch die Neuabgrenzung der sogenannten benachteiligten Gebiete auf die Stirn, in denen derzeit mehr als 30.000 Bauern ähnlich wie die rund 70.000 Bergbauern Ausgleichszulagen bekommen. Gelingt es nicht, die Grenzen zu ändern, würden Tausende Bauern um diese Fördergelder umfallen.

Und über allem steht die Ungewissheit über die in der zweiten Säule zur Verfügung stehenden Mittel. Von Brüssel gibt es dazu noch keine Zahlen, und auch in Österreich selbst werden die Karten neu gemischt.

Geld aus dem EU-Budget soll es in Zukunft nur mehr auf Grundlage eines sogenannten nationalen Partnerschaftsvertrags geben, in dem Ziele und Verteilung der Mittel formuliert sind. Dabei hat nicht allein das Landwirtschaftsministerium, sondern vor allem das Bundeskanzleramt, das mit Ausnahme des ELER-Agrarfonds für diese Fonds zuständig ist, ein gewaltiges Wörtchen mitzureden.

Kenner wie der oberösterreichische Bauernkammerdirektor Fritz Pernkopf gehen davon aus, dass es zu einer „massiven Umverteilung der Mittel“ kommen wird. Einrichtungen wie die Wirtschaftskammer Österreich freilich warten genau darauf. „Wir begrüßen die gemeinsame strategische Ausrichtung der Fonds“, sagte Daniela Andratsch. Man will vor allem, dass Kleinunternehmen auf dem Land auch von diesen Mitteln profitieren.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 14.10.2011

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Tanzen wir auf der Titanic?





Der Verkehr brummt, niemand verzichtet aufs Auto, die Einkaufszentren sind voll, die Wirtshäuser und die Züge am Morgen auch. Die Leute hasten durch den Tag. Alle sind geschäftig wie immer. Die Autohändler melden Rekorde und die Lebensmittelexporteure, auf den Baustellen herrscht Hochbetrieb. Und auch die Gewerkschaft scheint nichts zu spüren, fordert sie doch bei den Metallern eine Lohnerhöhung von mehr als fünf Prozent.

Angesichts der unvermindert alltäglichen Normalität rund um uns ist es schwierig, sich einen Begriff vom Ernst der Lage zu machen. Wie steht es wirklich um Griechenland, um Italien, um den Euro und um die Banken? Wie um unsere Staatsfinanzen? Welches Spiel treibt Amerika und welches die Rating-Agenturen? Welche Gefahren kommen da daher?

Die Zeitungen sind voll mit Spekulationen, die Börsenkurse zacken wie wild. In den Buchhandlungen werden die Krisen-Bücher immer mehr. Die Wirtschaftsforscher nehmen ihre Prognosen zurück. Und die Bilder, die die Medien verwenden, werden immer drastischer. Weil "Fünf vor Zwölf“ schon ziemlich abgegriffen ist und niemand mehr aufregt, hat der deutsche "Spiegel“ kürzlich auf dem Titelbild zu einer Geschichte über den Euro den Zeiger auf eine Minute vor Zwölf gestellt - "Die Geldbombe“.

Stehen wir schon am Abgrund? Oder sind wir bald schon einen Schritt weiter?

All das einzuschätzen, was da täglich auf einen einprasselt, ist derzeit das, was man als einfacher Bürger mit der Krise zu tun hat und wo man sie spürt - diese Suche nach Orientierung.

Ist es schon der Tanz auf der Titanic? Oder doch - noch - nicht?

Was immer kommen wird, jetzt erlebt man als Bürger und damit Passagier in der politischen, respektive wirtschaftpolitischen Welt, die mögliche Krise jedenfalls als Kommunikationskrise, als Führungskrise und als Wissenskrise - die auf allen Ebenen nur desaströs zu nennen sind.

Das ist schlimm genug.

Es ist atemberaubend, was da aufgetischt wird. Angesichts der Diskussion darüber, wie man das Desaster in den Griff kriegen könnte und der zuweilen um 180 Grad divergierenden Vorschläge staunt der Laie nur mehr mit offenem Mund. Nichts kann man beurteilen. Und es ist deprimierend, dass offenbar niemand dazu fähig ist - vor allem die nicht, die sich sonst so gerne wichtig machen und die einen immerzu bitten, ihnen das Vertrauen zu schenken.

Dabei möchte man den Erklärungen glauben, die man hört. Dass es ein Rezept gibt, die Lage wieder in Ordnung zu bringen, dass das Geld sicher ist, dass man sich wegen Inflation nicht zu sorgen braucht. Aber es fällt immer schwerer. Nicht einmal der Rat in Gold zu flüchten, scheint zu taugen, wenn man die Kurseinbrüche der vergangenen Wochen anschaut.

Das Vertrauen schwindet, je mehr man hört. Wessen Interessen dient dieses Statement, wer steckt hinter jener Schlagzeile? Und wer hinter diesem Beschluss?

Isoliert betrachtet klingt ja das Meiste schlüssig, was die - meistens - Herren da mit ernster Miene im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen von sich geben. Stellt man diese Einschätzungen aber nebeneinander, versucht sich selbst einen Reim zu machen, wägt dieses ab und jenes, dann wendet man sich bald ratlos ab, Schulter zuckend.

Was soll‘s? Es kommt, wie es kommen muss.

Einer Privatperson mag das alles zugestanden sein. Dass aber ein ganzes Land, respektive die politischen Verantwortungsträger dort, so handeln, geht an die Nieren. Zumal dann, wenn dies Land Österreich heißt und man in diesem Land lebt.

Hier tut die Politik so, als ob nichts wäre und bewirft sich lieber mit Schlammpatzen aus dem Sumpf, in dem man sich seit Jahren und Jahrzehnten suhlt. Darauf versteht man sich. Zweifellos.

Auf mehr, so zuweilen der Anschein, nicht. Und schon gar nicht auf Einschätzung und Umgang mit so krisenhaften Entwicklungen, wie sie jetzt Europa, ja die Welt und vor allem auch die Bürger umtreiben.

Es fehlt schlicht die Expertise dafür. Das mag man den Verantwortlichen gar nicht vorwerfen. Vorzuwerfen ist ihnen aber, dass sie sich darum erst gar nicht bemühen, dass ihnen der Wille dazu fehlt.

Man tut nichts. Man schaut Griechenland zu, wie es untergeht. Man steht an der Reling.Wie damals die Leute auf der Titanic.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung 13.10. 2011

Montag, 10. Oktober 2011

„Die Stimmung ist sehr kämpferisch“





Das Europäische Parlament will bei der Reform der Agrarpolitik in der Union die Muskeln spielen lassen.

HANS GMEINER Seit zwei Jahren vertritt die Kärntnerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) Bauerninteressen im EU-Parlament. Die SN sprachen mit ihr über ihre erste große Herausforderung, die EU-Agrarreform.

In den vergangenen Wochen ist viel von der geplanten Agrarreform durchgesickert. Es gibt jede Menge Gerüchte um weitreichende Veränderungen für die Landwirtschaft, mit weniger Geld und noch mehr Bürokratie. Müssen sich die Bauern fürchten?

Köstinger: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Was kommende Woche präsentiert wird, sehe ich als Diskussionsgrundlage. Vieles von dem, was bereits bekannt wurde, gefällt mir und meinen Kollegen im EU-Parlament nicht.

Was sind die Knackpunkte aus europäischer Sicht?

Köstinger: Die Greening-Maßnahmen, also die Ökologisierungskomponenten der Reform, halten wir im EU-Parlament für problematisch, wenn sie so kommen, wie es bisher durchgesickert ist. Das heißt nicht, dass ich dagegen bin, aber ich sehe einen enormen Verwaltungsaufwand auf die Bauern zukommen. Ein anderes großes Thema ist die Definition des aktiven Landwirts. Und dann geht es um die Umschichtung von Teilen der Ländlichen Entwicklung in die Regionalpolitik.

Und was ist mit der Debatte, dass die osteuropäischen Länder mehr Geld wollen?

Köstinger: Das halte ich für absolut richtig und wichtig. Wir haben bei den Förderungen pro Hektar enorme Unterschiede zwischen West und Ost, die sind nicht rechtfertigbar. Österreich liegt in der Mitte. Da sind also keine gravierenden Änderungen zu erwarten.

Und die Obergrenzen für die Förderungen?

Köstinger: Das Europaparlament ist klar für die Einführung. Aus österreichischer Sicht ist das zu begrüßen. Wichtig ist nur, das die Regelung europaweit einheitlich gehandhabt wird.

Österreich würde, so der Eindruck, am liebsten gar nichts an der derzeitigen Agrarpolitik ändern, bloß mehr Geld hätte man gern. Eine realistische Position?

Köstinger: Dass etwas zu ändern ist, steht außer Frage. Es gehört alles weiterentwickelt und den neuen Herausforderungen angepasst. Man muss aber wegen möglichen unerwünschten langfristigen Folgen immer vorsichtig sein. Wenn in der Landwirtschaft Betriebe zugesperrt werden, machen sie nicht wieder auf. Das hat nichts mit Reformunwillen zu tun, sondern damit, dass wir an die Bedeutung der flächendeckenden Landwirtschaft glauben.

Was sind für Österreich die wichtigsten Themen?

Köstinger: Das Greening, wie es uns bisher bekannt ist, würde für unsere Umweltprogramme massive Probleme bringen. Für diese Programme, für die Österreich immer gelobt wurde, würde damit zum Teil die Grundlage wegfallen, weil die Teilnahme daran nicht mehr extra honoriert würde. Große Verluste gerade für die österreichischen Bauern, die diese Programme besonders stark nutzen, wären die Folge. Ein Knackpunkt ist auch die drohende Schlechterstellung der sogenannten benachteiligten Gebiete außerhalb der Bergbauernregion – unter anderen auch in Salzburg.

Was fordern Sie von der künftigen EU-Agrarpolitik?

Köstinger: Es muss der Spagat gelingen zwischen einer zukunftsfähigen Landwirtschaft, die die Ernährungssicherheit gewährleistet, und einem Mix aus Nachhaltigkeit und Ökologisierung, der die Grundlagen für künftige Generationen schafft. Ich halte das österreichische Modell wirklich für beispielgebend. Die Programme haben gegriffen und den Strukturwandel bremsen können.

Wie realistisch ist, dass es zumindest zum Teil so kommt, wie Sie es sich wünschen?

Köstinger: Ich glaube, wir haben schon in der Vergangenheit gezeigt, dass wir um vieles mehr nach Hause gebracht haben, als man uns zugetraut hat. Wir wissen aber auch, dass wir diesmal aller Voraussicht nach vor allem bei den Finanzverhandlungen mit Bundeskanzler Faymann einen Regierungschef aus Österreich vorn sitzen haben werden, von dem man nur hoffen kann, dass er versteht, worum es für den ländlichen Raum als Gesamtes geht.

Die Pläne zur Kürzung des Agrarbudgets bezeichneten Sie als „existenzbedrohend für Österreichs Bäuerinnen und Bauern“. Was passiert, wenn es wirklich zu Kürzungen kommt?

Köstinger: Dann ist die Frage, wie wir die Programme gestalten werden. Wenn das Geld nicht vorhanden ist, um die Leistungen abzugelten, werden unsere Bauern die Programme nicht erfüllen.

Aber müssen nicht auch die Bauern einen Beitrag zum EU-Budget leisten?

Köstinger: Sie tun es ja. Man darf aber bei allen Sparmaßnahmen nie außer Acht lassen, dass die Landwirtschaft im ländlichen Raum mit allen vor- und nachgelagerten Bereichen ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor ist und direkt und indirekt Arbeitsplätze sichert, die sonst verloren gehen.

Erstmals hat das Parlament ein kräftiges Wort mitzureden, einige Abgeordnete lassen die Muskeln spielen. Wie ist die Stimmung?

Köstinger: Ich würde die Stimmung sehr kämpferisch nennen. Der Kommissar hat ja offenbar, was wir bisher wissen, verabsäumt, die Positionen, die das EU-Parlament vor dem Sommer verabschiedet hat, in irgendeiner Weise in seinen Vorschlag einfließen zu lassen. Wir haben uns das etwas anders vorgestellt. Das werden wir jetzt der Kommission auch zu spüren geben.


Für Europas Bauern geht es ums Ganze

Kommenden Mittwoch präsentiert EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos seine Vorschläge zur Gestaltung der EU-Agrarpolitik von 2014 bis 2020. Sie betreffen in den 27 EU-Staaten 13,7 Millionen landwirtschaftliche Betriebe. Die Herausforderung ist groß, sind doch die Interessen von Kleinbauern mit ein paar Hektar in Ländern wie Rumänien oder Polen und die Vorstellungen von Großbetrieben mit oft einigen Tausend Hektar in Regionen wie Ostdeutschland, Großbritannien, aber auch in Osteuropa auf einen Nenner zu bringen. Was bisher durchgesickert ist, lässt heftige Auseinandersetzungen erwarten. Es soll weniger Geld geben, die Förderungen sollen mit maximal 300.000 Euro pro Betrieb begrenzt und die Fördersätze pro Hektar stärker vereinheitlicht werden. Für Österreich geht es insbesondere um die Absicherung der Umweltprogramme und den Erhalt bestimmter Regionen als „Benachteiligte Gebiete“, für die es Extrageld gibt.



Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 10.10.2011

Lebensmittelexporte auf Rekordkurs




Agrar- und Lebensmittelexporte legten um mehr als 20 Prozent zu.

HANS GMEINER Wien (SN). Daheim liegt man mit dem Handel und mit der Arbeiterkammer im Clinch, denen die heimischen Lebensmittel nicht billig genug sein können, im Ausland sind Käse, Fleisch und Wurstwaren, Obst, Gemüse und Getränke aus Österreich gefragt wie noch nie. „Wir hatten heuer ein unglaublich gutes erstes Halbjahr im Export“, sagte am Donnerstag Stephan Mikinovic, Chef der AMA-Marketing.

Die Agrarexporte insgesamt legten gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum um 21,2 Prozent auf 4,5 Mrd. Euro zu. Davon profitierte auch die Lebensmittelindustrie. Sie steigerte ihre Produktion um 10,4 Prozent (auf 3,7 Mrd. Euro) und die Exporte um 20,6 Prozent (auf 2,6 Mrd. Euro). „Es ist so etwas wie Normalität zurückgekehrt“, nennt das Michael Blass vom Fachverband der Lebensmittelindustrie.

„In allen Warengruppen hatten wir zweistellige Zuwächse“, freute sich Mikinovic. So legte etwa der Käseexport nach Deutschland um 30 Prozent zu und wuchsen die Agrarausfuhren in die neuen EU-Länder um 24 Prozent auf 827 Mill. Euro.

Da konnte sich Blass einen Seitenhieb in Richtung Arbeiterkammer nicht verkneifen: „Wir setzen uns mit unseren Produkten und Preisen auf den internationalen Märkten durch, nur die Arbeiterkammer will das nicht wahrhaben und vergleicht uns mit dem deutschen Markt, dem billigsten in Europa.“ Die Arbeiterkammer vergleiche dabei ungleiche Produkte. „Deutschland hat die besten Autos, aber die schlechtesten Lebensmittel“, sagt Mikinovic. Da müsse es angesichts der Qualität österreichischer Lebensmittel Preisunterschiede geben.

Man verhehlt zwar nicht, dass ein Gutteil der heurigen Zuwächse auf erhöhte Rohstoffkosten zurückzuführen sind, den Vorwurf der Preistreiberei will man sich aber nicht gefallen lassen. „In anderen Bereichen waren die Preissteigerungen in den vergangenen Jahren höher“, sagt Blass.

Nach wie vor angespannt ist das Verhältnis der Lebensmittelindustrie zum Handel. „Wir sind in den vergangenen Jahren durch ein Stahlbad gegangen“, sagt Blass. Mittlerweile gewinnt er dem auch eine positive Seite ab. „Dabei sind uns aber auch Muskeln gewachsen.“ Der Zukunft schaut man daher gelassener entgegen. Blass und Mikinovic: „Wenn es keine Rezession gibt und die Märkte normal bleiben, setzt sich der bisherige Trend fort und wir werden erstmals Agrarprodukte um neun Mrd. Euro exportieren.“ Dazu tragen wohl auch die 120 österreichischen Aussteller bei der Anuga in Köln bei, die heute eröffnet wird.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft /07.10.2011

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Der Bauch macht Biosprit zur Polit-Bombe





„Der Irrsinn mit dem Biosprit“ wetterte die deutsche Bild-Zeitung im heurigen Frühjahr in zentimetergroßen Lettern. „Biosprit-Desaster“ hieß es allerorten zwischen Zugspitze und Rügen. Und sogar die seriöse „Zeit“ schreibt vom „großen Öko-Irrtum“.
In Deutschland war in Sachen Biosprit der Teufel los. Hunderttausende Autos könnten nicht mit E10 (Superbenzin, dem zehn Prozent Bioethanol beigemischt ist) fahren, hieß es täglich groß und fett gedruckt auf den Titelseiten der Zeitungen. Totschlagargumente wurden aus der Mottenkiste geholt. Verschwendung sei das, Frevel, ungeheuer. Menschen verhungerten, während hierzulande Getreide als Treibstoff verbrannt werde. Mit einem Kilogramm Weizen könne man einen Menschen eineinhalb Tage ernähren, aber nur drei Kilometer fahren. Wissenschafter und Marktexperten legten nach und die Mineralölindustrie verstand es im Hintergrund das Feuer zu schüren. Die Anti-Biosprit-Lobby schoss aus allen Rohren und zog eine gerade Linie von Biosprit zu Welthunger, Hungerrevolten und den Revolutionen in Nordafrika.
Nach wenigen Wochen war klar. E10 war in Deutschland eine Totgeburt. Die Tankstellen bleiben seither auf dem Ökosprit sitzen.
Nun beginnen auch in Österreich, wo die Umstellung erst nächstes Jahr ansteht, die Wogen hoch zu gehen. Arbeiterkammer und Umweltschützer bringen ihre Geschütze in Stellung. Sogar die Verkehrsministerin avisierte bereits ihr Nein. In Deutschlands Windschatten hoffen manche zumindest eine Aufschiebung der Beimischung zu erreichen, wenn es denn nicht gelingen sollte, Biosprit überhaupt zu kippen.
Wie groß die Chancen solcher Ansinnen sind, Wirklichkeit zu werden, ist schwer zu beurteilen, Potenzial für heftige politische Auseinandersetzungen haben sie allemal. Denn das Thema Verspritung von Getreide zu Treibstoff, bisher zumeist wegen der Kosten und der nicht unumstrittenen Umwelteigenschaften in Diskussion, zielt vor dem Hintergrund steigender Lebensmittelpreise und drohender Versorgungsprobleme genau dorthin, wo man gemeinhin des Sitz des Gefühls der Menschen vermutet - auf den Bauch. Und das im wahrsten Sinn des Wortes.
Genau das macht die Diskussion so unberechenbar und Biosprit zu einer Polit-Bombe.
Da wird das komplexe Thema zu explosivem Stoff für politische und wirtschaftliche Ränkespiele, zu einem Hochfest für Demagogen aller Art.
„Biosprit macht Essen teurer“ ist die Devise unter der sie gegen den grünen Sprit zu Felde ziehen. Und keineswegs nur Spintisierer folgen ihnen. Die Front reicht von der FAO und anderen internationalen Organisationen bis in die heimischen Bauernstuben. Selbst dort ist man, christlich sozialisiert und bei solchen Themen sensibel, verunsichert.
In Österreich unterschätzt man das Thema. „Teller – Trog – Tank“, der plakative Hinweis auf die Reihenfolge, in der man das Getreide verwendet sehen will, ist reichlich dünn als Argument, der Verweis darauf, dass nur minderwertiges Getreide verspritet wird, sogar schlichtweg falsch. Denn auch diese Getreide braucht eine bestimmte Spezifikation – ganz abgesehen davon, dass es extra für die Verspritung erzeugt wird und kein Abfall ist.
Es gibt keine klaren Antworten auf die klaren Vorhaltungen. Man nudelt sich mit alten Argumenten, wenig stichhaltigen Zahlen und dünner wissenschaftlicher Unterstützung durch die Diskussion. Und es gibt kaum Öffentlichkeitsarbeit, die Verständnis für die komplexen Zusammenhänge schaffen könnte. Vor allem die Biodieselerzeuger scheren sich, anders als die Agrana, darum keine Sekunde.
Erfolgreiche Strategien schauen anders aus.
Die Landwirtschaft und Spriterzeuger sind gefordert, den Gegnern nicht das Feld zu überlassen – wenn sie denn mit ihren Konzepten richtig liegen.
Wenn das so ist, sollten sie aber alles dran setzen, das möglichst rasch und möglichst tief greifend nachzuweisen.
Dabei geht es vor allem darum, den Bauch zu erreichen. Bisher war man dabei ohne Eifer, ohne Geschick und auch ohne Fortune.
Dabei wäre die Gelegenheit ist günstig wie kaum je. Die Ölpreise sind hoch, Gas wird teurer und teurer. Und die Aufstände in Nordafrika und im arabischen Raum führten drastisch wie selten zuvor vor Augen, wie dünn der Faden ist, an dem unsere Energieversorgung hängt.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung 6. Oktober 2011

Sonntag, 2. Oktober 2011

Doppelbödiges Spiel mit den Bauern





Österreich rühmt sich gerne Musterland zu sein in Sachen Landwirtschaft. Umweltfreundlich, hohe Qualitäten und strenge Vorschriften ohne wenn und aber bis ins letzte Detail und in den letzten Winkel. Überall nur Gute, die nichts anderes als nach dem Guten trachten.
So weit die Theorie, das Bild, das alle, die mit dem Thema zu tun haben und damit Geschäfte machen, gerne in der Öffentlichkeit zeichnen. Und die Bauern als Mittelpunkt, denen man nur das Beste will.
Die Praxis ist oft eine andere. Da drängt sich zuweilen eher der Eindruck auf, man richtet sich die Landwirtschaft gerne wie man sie gerade braucht. Die Bauern können sich allenfalls gepflanzt fühlen und bestenfalls schmunzeln. Meistens bleibt ihnen nichts anderes, als sich zu ärgern.
Da werden die Wartezeiten für Pflanzenschutzmittel halbiert, damit die Industrie ihre Pläne umsetzen kann. Da wird mit Eiweißgehalten und Fallzahlen jongliert, dass der Verdacht nahe liegt, sie hätten weniger mit der Qualität von Getreide als mit der preislichen Situation zu tun. Und wenn das Fleisch hierzulande zu teuer ist muss man erfahren, dass nach Kräften importiert wird - freilich ohne dass sich in der Auslobung vom Typ "Heimische Qualität" irgend etwas ändert.
Alle spielen mit in diesem Spiel, die Verarbeiter etwa geradezu virtuos. Dank ihrer Labors und Versuchsküchen können sie längst auch aus minderwertigen Rohstoffen Produkte zaubern, die sich in nichts von der Ware unterscheidet, die aus hochwertigen Rohstoffen erzeugt wurde. Eine Semmel aus einem minderwertigem Weizen? Kein Problem. Eine Krakauer aus irgendeinem Fleisch, das gerade billig zu haben ist? Auch kein Problem.
Der Konsument merkt's nicht und die Bauern fühlen sich zum Narren gehalten."Immer das, wo man gerade gut ist, braucht man genau dann nicht, wenn man's hat", muss man sich in der Landwirtschaft ärgern.
Einen Klassiker liefern regelmäßig die Bäcker. Wenn der Getreidepreis hoch ist, nehmen sie das umgehend zum Anlass auch die Brotpreise zu erhöhen. Ist er niedrig, und sie wollen dennoch einen höheren Brotpreis, argumentieren sie mit Energie- und Lohnkosten. Der Verweis auf das billigere Getreide wird dann gerne vom Tisch gewischt - "der Getreidepreis spielt doch keine so wichtige Rolle".
Besonders fies und doppelbödig ist das Spiel des Handels mit den Bauern und der Landwirtschaft. Im Hochpreissegment rühmt man sich, alles für die heimische Landwirtschaft zu tun und lässt sich als Bauernförderer beklatschen, während man gleichzeitig und im selben Geschäft in der Diskontabteilung mit ewigen Dauertiefstpreisen das Preisniveau der Landwirtschaft ruiniert.
Und einen doppelten Boden hat auch das Spiel der Konsumenten mit der Landwirtschaft respektive derer, die sich zu ihrer Vertretung ernannt haben, der Arbeiterkämmerer. Sie kritisieren die Produktionsweise der heimischen Landwirtschaft, fordern aber gleichzeitig billige Produkte und verlangen gleichzeitig eine Verschärfung der Produktionsvorschriften - und haben keinen Genierer sich die Billig-Tomaten aus den Gemüseindustrieanlagen Spaniens, die Milch aus ostdeutschen Riesenställen und das Hendl aus dem Mastanlagen in Fernost in den Einkaufswagen zu legen.
Der Kampf der Bauern und ihrer Vertretung wirken diesen Entwicklungen gegenüber engagiert aber hilflos. Exemplarisch zeigt sich das an der Kastenstand-Frage. Allzuoft lässt man sich vorführen.
Das freilich kann man sich eigentlich nicht leisten.

Gmeiner meint - Blick ins Land 1. Oktober 2011
 
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