Dienstag, 16. August 2011

Nur Wärter im Agrarmuseum?





Der Strukturwandel in der heimischen Landwirtschaft wird zu einem Thema für die Selbstversorgung Österreichs mit Nahrungsmitteln. Längst geben nicht nur Kleinbetriebe in schlechten Lagen auf. Am stärksten ist der Rückgang der Zahl der Bauern in den guten Produktionsgebieten und mit an sich guten Produktionsvoraussetzungen, wo sie zumeist auch entsprechende Mengen produzierten.
Das fehlt in der Versorgungsbilanz und muss importiert werden. Denn die verbleibenden Betriebe können und wollen das angesichts der gedrückten Preise und ständig neuen Auflagen kaum mehr ausgleichen. In hoch spezialisierten und kapitalintensiven Sparten wie der Produktion von Schweinefleisch oder Eiern ist das bereits der Fall. Bei Milch ist es noch unvorstellbar, der Trend zeigt aber ebenfalls in diese Richtung.

Die öffentliche Diskussion nimmt diese Entwicklung noch nicht – oder in viel zu geringem Ausmaß – zur Kenntnis. Strukturpolitik wird hierzulande seit Jahrzehnten allein als Erhaltung möglichst vieler Höfe verstanden. Produktionskraft, Wettbewerbsfähigkeit und leistungsfähige Produktionseinheiten spielen dabei keine Rolle.

Ein fataler Weg. Die Folgen werden nun erkennbar. Österreichs Landwirtschaft ist für die künftigen Aufgaben, zu denen ganz zentral die Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln zählt, schlecht aufgestellt.

Das sollte für alle ein Alarmzeichen sein, die sich so gern einem romantischen Bild von der Landwirtschaft hingeben und die Bauern am liebsten als Wärter im Agrarmuseum Österreich sehen wollen.

Salzburger Nachrichten Kommentar 16. August 2011

Bauernsterben drückt Produktion





Das Bauernsterben ist nicht nur in Randlagen ein Thema. Am stärksten grassiert es in den guten Agrargebieten.


HANS GMEINER Salzburg SN. Die Zahl der Schweinebauern hat sich in den vergangenen zehn Jahren von 80.000 auf 40.000 halbiert. Nun fürchtet man, dass wegen neuer Vorschriften bei der Zuchtsauenhaltung weitere Tausende Bauern aufhören. Bei den Milchbauern ist der Rückgang um nichts schwächer. Und im Ackerbau auch nicht. In den getreidestarken Agrargebieten im Osten Österreichs hat seit dem EU-Beitritt 1995 jeder zweite Bauer aufgehört – wesentlich mehr als in Bergregionen.
Der Strukturwandel hinterlässt seit Jahren tiefe Spuren in der österreichischen Landwirtschaft. Die Arbeit auf den Bauernhöfen, das niedrige Preisniveau und der verschärfte Wettbewerb boten zu wenig Perspektiven. Jeder vierte Bauer sperrte im letzten Jahrzehnt Hof- und Stalltür für immer zu.

Das Bild des Strukturwandels in der Landwirtschaft ist differenziert. Bemerkenswert ist, dass in den östlichen Kernregionen der österreichischen Landwirtschaft mit ihren vergleichsweise großen Betrieben der Wandel deutlich stärker war als im Westen, wo die Produktionsbedingungen schwieriger sind. Das spiegelt sich auch im Vergleich der Produktionssparten wider. Bei den sogenannten Marktfruchtbetrieben waren die Veränderungen in den vergangenen 20 Jahren deutlich stärker als in der tierischen Produktion.

Weil der Strukturwandel längst die Kernbereiche der Bauernschaft erreicht hat, geht in zentralen Sparten wie der Schweineproduktion oder der Eiererzeugung die Gesamtproduktion und damit der Selbstversorgungsgrad zurück. Aber nicht nur das. Vor allem in den Berggebieten der westlichen Bundesländern wird das Verschwinden von Agrarflächen zu einem immer wichtigeren Thema. „Wird dort ein Betrieb aufgegeben, wird oft auch die Fläche sich selbst überlassen“, sagt Rupert Huber von der Landwirtschaftskammer Österreich.

Der Trend wird sich weiter fortsetzen, glauben Experten wie Leopold Kirner von der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft. „Der Strukturwandel ist ein linearer Prozess“, sagt er im SN-Gespräch. Und er ist vielschichtig. „Es sind nicht unmittelbar agrarpolitische Einflüsse.“ Manchmal seien die Rahmenbedingungen auch nur vorgeschoben. „Wenn die Agrarpolitik so schlecht wäre, müssten alle aufhören.“

Von heute auf morgen sperrt niemand einen Hof zu. „Der Entschluss zum Aufhören fällt meist dann, wenn ein Generationswechsel ansteht“, sagt Kirner, das sei „eine multifunktionale Angelegenheit“. Wichtigste Gründe: Arbeitsüberlastung, Alter, fehlende Hofnachfolge, mangelnde Investitionen und angespannte wirtschaftliche Situation. „Da entsteht eine Spirale nach unten.“ Erst recht, wenn es an der Betriebsgröße fehle. Kirner: „Die Größe erhöht die Wahrscheinlichkeit für die Hofnachfolge und die Weiterführung des Betriebs.“ Da freilich sind die Voraussetzungen auf heimischen Bauernhöfen nur selten gut. Die Durchschnittsgröße eines heimischen Agrarbetriebs liegt bei nicht einmal 20 Hektar. Damit rangiert Österreich im EU-Vergleich im letzten Drittel.

Salzburger Nachrichten 16. August 2011

Samstag, 13. August 2011

Wofür die heimischen Agrarpolitiker kämpfen





Für die Landwirtschaft wird es von der EU in Zukunft weniger Geld geben. Auch wenn von Landwirtschaftsminister Berlakovich und Bauernkammer-Präsident Wlodkowski abwärts alle laut deklamieren: "Nicht mit uns" und "Das geht nicht!" Und auch wenn alle hoch und heilig und bei jeder Gelegenheit versprechen, "mit ganzer Kraft", wie gerne betont wird, gegen die Kürzung zu kämpfen.

Aber nicht alleine das: "Kämpfen" will man auch dagegen, dass durch die Agrarreform die Agrarpolitik verändert wird. Allenfalls eine "Weiterentwicklung" kann man sich vorstellen.

Das klingt schön und lobenswert. Aber ist es das auch tatsächlich? Denn, was heißt für das Bisherige zu kämpfen anderes, als dass man die derzeitige Situation für die nächsten Jahren fortschreiben will? Diese Situation, man erinnere sich nur, vor der vor der letzten Agrarreform so eindringlich gewarnt wurde und angesichts derer damals genauso versprochen wurde zu kämpfen. Diese Situation, die von vielen Bauern als unbefriedigend, von manchen gar als demütigend und zuweilen aussichtslos, jedenfalls aber als stark verunsichernd empfunden wird.

Da sollte die Frage schon legitim sein, wofür man sich einsetzt. Denn was heißt das für den Bauern? Weiterhin schlechte Einkommen? Weiterhin keine Hoffnung auf Preise, von denen ein Bauer ohne Subventionen leben kann? Weiterhin abhängig sein von den öffentlichen Haushalten, wie im Spital ein Patient vom Tropf? Und damit weiterhin politischer Spielball und angewiesen sein auf guten, wohl besser, gnädigen politischen Wind? Müssen sich die Bauern deswegen auch in Zukunft immer wieder vor Krethi und Plethi für jeden Cent rechtfertigen, den sie wegen einer Agrarpolitik brauchen, die sie eigentlich gar nicht wollen? Ohne Kraft und Möglichkeiten, auf eigenen Beinen zu stehen? Ohne Perspektiven und mit wenigem, das Vertrauen und Sicherheit schaffen könnte? Und ohne viel, das Glauben an die Zukunft geben und die Verunsicherung darüber, wie es mit der Landwirtschaft weitergehen wird, nehmen könnte?

Die Diskussion um die Agrarreform läuft nicht befriedigend. Agrarpolitik scheint sich in der Sicherung von Geld und in der Erfindung immer neuer Rechtfertigungen dafür zu erschöpfen.

Auch wenn angesichts des schwierigen politischen Standes, den die Landwirtschaft in Europa und auch in Österreich hat, die Vorschläge und Forderungen der Agrarier verständlich und der bisherige Verlauf der Diskussion nachvollziehbar sein mag, seien andere Themen als Geld und die Sicherung von Bestehendem eingemahnt. Denn damit -siehe oben - wird, genau betrachtet, nur gesichert, dass für niemanden etwas besser wird. Nicht für den kleinen Bauern mit ein paar Hektar und wenigen Stück Vieh, nicht für die Bergbauern, nicht für den Biobauern und auch nicht für den österreichischen Durchschnittsbauern, der hierzulande mitunter als groß, im internationalen Vergleich aber als mickrig gilt.

Sie alle müssen sich weiter vor der Zukunft fürchten.

"Und?", könnte man fragen. "Dafür lohnt es sich zu kämpfen?"

Ja, lautet die Antwort. Leider, kann man allenfalls hinzufügen. Wegen der mutlosen und uninspirierten Agrarpolitik der vergangenen Jahre, wegen des schwindenden Verständnisses für die Landwirtschaft und weil große Themen wie international ungleiche Produktionsund Umweltstandards und Lebensbedingungen oder billige Transsportkosten nach wie vor international ungelöst sind, hat man zumindest kurzfristig keine realistische Alternative -was immer die Bauern davon halten.

Gmeiner-meint Blick ins Land August 12. August 2011

 
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