Samstag, 18. Juni 2011

Tiermehl als Futter vor Comeback





Zehn Jahre nach BSE ist die Verfütterung von Tiermehl wieder ein Thema. Die Landwirtschaft will eine Lockerung des Verbots.


HANS GMEINER Salzburg (SN). Angesichts der starken Abhängigkeit von Eiweißimporten aus Übersee und der hohen Kosten dafür werden die Stimmen in der Landwirtschaft immer lauter, das Verbot der Verfütterung von Tiermehl zumindest teilweise zu lockern. Mit Eiweißgehalten von 60 Prozent und mehr gilt Tiermehl als hochwertiges Futtermittel. „Es ist viel zu schade, es nicht zu verwenden und zu verbrennen oder nur an Haustiere zu verfüttern“, heißt es aus der Landwirtschaft.

Am Verbot der Verfütterung von Schlachtabfällen an Rinder und andere Wiederkäuer – die Ursache für BSE – soll dabei nicht gerüttelt werden. Erlaubt werden soll aber, so der derzeitige Stand der Diskussion, die Verfütterung von Schlachtabfällen von Nichtwiederkäuern untereinander, also etwa von Abfällen aus der Schweineschlachtung an Geflügel oder von Geflügelmehlen an Schweine. Diese Tiere seien von Natur aus auf tierisches Eiweiß angewiesen.

Auf europäischer Ebene läuft das Projekt Rückkehr von Tiermehl in die Futtertröge bereits auf vollen Touren. Schon im Vorjahr wurde in einem Fahrplan über den künftigen Umgang mit der BSE-Prävention eine Lockerung des Verfütterungsverbots ins Spiel gebracht. Im heurigen Frühjahr sprach sich Verbraucherkommissar John Dalli dafür aus, das Fütterungsverbot zu lockern. Ein Gutachten der EU-Lebensmittelbehörde EFSA bewertet das BSE-Risiko der Verfütterung von Tiermehl von Nichtwiederkäuern an Nichtwiederkäuer mit null, sofern das Kannibalismusverbot eingehalten wird.

Anfang Juli steht im EU-Parlament der Bericht des Umweltausschusses auf der Tagesordnung, der sich ebenfalls für eine Lockerung des Verfütterungsverbots ausspricht. „Es ist purer Luxus, dass wir Teile von Tieren, die wir nicht essen möchten, die aber zum menschlichen Verzehr geeignet sind, einfach wegwerfen“, sagt die bei diesem Bericht federführende deutsche Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt (SPD).

Wann es wirklich zu Veränderungen beim Verfütterungsverbot kommen wird, ist freilich noch ungewiss. Kommissar Dalli brachte einen Termin zum Jahresende 2011 für einen Vorschlag der Kommission ins Spiel. Der Landwirtschaft kann es nicht schnell genug gehen. Derzeit müssen 80 Prozent des Eiweißpflanzenbedarfs – vorwiegend aus Nord- und Südamerika – importiert werden. Das sind rund 35 Millionen Tonnen Soja und Sojaschrot jährlich. Zudem sind diese Produkte derzeit sehr teuer. Tiermehl könnte knapp zehn Prozent davon ersetzen.

In Österreich werden derzeit jährlich rund 500.000 Tonnen Soja und Sojaschrot importiert. Dem gegenüber stehen rund 50.000 Tonnen Schlachtabfälle, die größtenteils verbrannt, zu Haustierfutter verarbeitet oder exportiert werden.

Mit Verweis auf die enorme Importabhängigkeit, die Versorgungssicherheit, die schlechte CO2 -Bilanz von Übersee-Einfuhren und auf die Konkurrenzfähigkeit versuchen die Bauern auf europäischer Ebene, die Diskussion voranzutreiben. Nach außen hält man sich in Zeiten von Dioxin im Futter und von EHEC bedeckt. Auch in Österreich wagt niemand, das Thema aufzugreifen. „Wir fordern das offiziell nicht“, heißt es in verantwortlichen Kreisen hinter vorgehaltener Hand.


Salzburger Nachtichten - Wirtschaft / 18.06.2011

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