Donnerstag, 30. Juni 2011

Griechenland als gefährliche Versuchung eines billigen Populismus





Es war nur eine Frage der Zeit. Das Milliardengrab Griechenland ist dabei, in der innenpolitischen Diskussion zur Keule zu werden, wenn es darum geht, Ansprüche irgendwelcher Art zu verteidigen, finanzielle Einbußen zu verhindern oder Wünsche durchzusetzen. Das flotte Motto: "Was sind schon meine paar Millionen gegen das, was wir für Griechenland hergeben sollen".
Die Versuchung, zu dieser Keule zu greifen ist groß. Oppositionspolitiker, zumal solche, die sich zu mehr berufen fühlen, glauben sich damit den Weg ins Kanzleramt freiknüppeln zu können. Vertreter kleiner Parteien, die nichts mehr zu verlieren haben, schlagen in ihrem Todeskampf damit wie wild um sich. Mittlerweile erliegen aber auch immer öfter Vertreter der Regierungsparteien der Versuchung, Politik mit dem Griechenland-Knüppel zu machen, zumal dann, wenn sie in ihren ureigensten Metiers Unbill auf sich zukommen sehen.
Die Landwirtschaft ist in diese Tagen ein solches Metier, dem Unbill droht. Die Agrarier zittern um ihre Zukunft. Eine große Agrarreform steht auf EU-Ebene an, heute will Brüssel mitteilen, wie viel Geld es künftig für die Bauern geben soll. Die Gerüchteküche brodelt, es ist nicht damit zu rechnen, dass es mehr wird.
Das wird die Bauern wenig freuen und manchen Agrarpolitiker in verzwickte Situationen bringen. Da scheint eine ordentliche Portion Populismus das probate Gegenmittel gegen allfällig drohende Anwürfe. Und da kommen dem einen oder anderen Agrarpolitiker schon Sätze wie "90 Milliarden hat die EU innerhalb weniger Tage für Griechenland aufgestellt und bei den Bauern wird wegen 51 Milliarden im Jahr groß diskutiert" über die Lippen. Hinterher kommt, um dem Ganzen noch mehr Gewicht zu geben, ein "nur, damit man die Relationen sieht".
Klingt fraglos gut, zumal in einem Bierzelt.
Argumentationen wie diese, die nun immer öfter und überall zu hören sind, machen Sorgen. Da werden um der billigen Polemik und des schnellen Applauses wegen und um den Kopf aus der politischen Schlinge zu retten, Dinge miteinander in Verbindung gebracht, die nichts miteinander zu tun haben.
Man vergleicht also Äpfel mit Birnen. Denn bei Griechenland geht es nicht nur um die Rettung eines Landes, das sich in den Ruin geritten hat, sondern es geht um einen ganzen Wirtschaftsraum, um eine Währung und vielleicht sogar um die Weltwirtschaft - um unsere ökonomischen Grundlagen schlechthin. Und wenn man das nicht in den Griff bekommt - und das macht den Unterschied - braucht man über eine Agrarpolitik gar nicht mehr nachzudenken.
Um nichts besser ist es freilich, das Griechenland-Problem klein zu reden. Finanzministerin Fekter tat das kürzlich im Parlament und erntete dafür heftige Schelte, weil sie damit den rechtspopulistischen Stimmenfängern und dem schlagzeilensüchtigen Boulevard eine große Spielwiese freimacht.
Beide Varianten, mit Griechenland in der Öffentlichkeit umzugehen, führen in die Sackgasse. Damit spielt man den politischen Zündlern in die Hände.
Der bisherige Umgang mit dem Thema Griechenland nicht nur in der europäischen, sondern auch in der österreichischen Öffentlichkeit macht Sorgen. Griechenlands Tragödie als Gunst der Stunde zu sehen und für innenpolitisches Zwecke und Polemiken zu nutzen sind sicherlich nicht der richtige Weg. Nicht richtig ist freilich auch wie Regierung, Wirtschaft und Hochfinanz damit in der Öffentlichkeit umgehen. Keine klaren Worte, nichts das Orientierung bieten könnte. Schon gar nicht von der Regierungsspitze.
Nur Schweigen, Verunsicherung, Nichtstun und allenfalls Verharmlosung sind von außen wahrzunehmen. Und der Verdacht liegt nahe, dass es von innen kaum anders sein wird.
Damit freilich leistet man billigem Populismus und den Parteien, die sich darauf - auf sonst aber kaum etwas - besonders gut verstehen, Vorschub.
Die Situation ist heikel. Vieleicht so heikel wie noch nie in der europäischen Geschichte der vergangenen Jahrzehnte. Die Zusammenhänge sind schwer einzuschätzen, die Folgen auch.
Umsicht verlangt die Situation, Geduld, Gespür und Gefühl. Vor allem verlangt sie von verantwortungsvollen Politikern und Wirtschafskapitänen eine sichere Hand und Leadership - ganz sicher aber keine starken Worte, die auf billige Instinkte abzielen.
Von niemandem.

Meine Meinung - Raiffeisenzeitung, 30. Juni 2011

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