Freitag, 3. Juni 2011

Ein Land schaut weg - und die nächste Generation schaut nicht hin





In Spanien gehen die Studenten auf die Straße. Riesige Zeltlager, Demonstrationen, ab und an ein Scharmützel mit der Polizei. Noch ist alles relativ friedlich. Und dennoch sind das Bilder, die in Europa verstören. Bilder, die Sorgen machen. Bilder, die Folge einer permanenten Missachtung und eines permanenten Wegschauens sind. Bilder, die es auch bei uns geben könnte.

Denn hierzulande läuft es kaum anders. Der Punkt "Perspektiven für die Jugend“ gehört zwar zu jeder besseren Sonntagsrede, viel mehr ist aber nicht und dahinter ist schon gar nichts. Die Jugendarbeitslosigkeit ist zwar bei uns weit von den spanischen Zuständen entfernt, dass die Quote mit knapp zehn Prozent aber doppelt so hoch ist wie vor zehn Jahren, sollte durchaus als Alarmsignal genommen werden.

Wer je in den vergangenen Jahren an einer Uni war, weiß, wovon die Rede ist. Die räumlichen Verhältnisse sind beengt, Anmeldelisten die Regel. Studenten, die sich in aller Früh anstellen müssen, die auf dem Boden sitzend versuchen mitzuschreiben, gar nicht zu reden von den Aufnahmetests zu Beginn mancher Studien.

Man weiß um die Umstände, man weiß um die Probleme, man weiß um die Folgen - aber man tut nichts. Seit Jahren schiebt die Politik die Probleme vor sich her.

Nicht nur an den Unis. Es sind nicht nur die Studenten, die ihrem Schicksal überlassen werden. Die gesamte Jugend droht zu einer Generation ohne Zukunft zu werden, eine "Generation prekär“, ohne viel Sicherheit, belastet vor allem mit dem, was ihr aufgelegt wurde von der Generation ihrer Eltern und ihrer Großeltern.

Die Bemühungen um Veränderungen sind enden wollend. Schnell steht nach der Rede am Sonntag am Montag wieder anderes auf der Tagesordnung - die Sicherung der Pensionen, der weitere Ausbau der sozialen Sicherheit, die Durchsetzung einer Forderung dort, die Verwirklichung eines Wunsches da. "Wir haben Anspruch darauf“, heißt es dann - und es finden sich immer Politiker oder Parteien, die das um des eigenen Vorteils willen und ungeachtet der oft weitreichenden Folgen durchzusetzen versuchen. Meistens erfolgreich.

Die Folgen sollten Sorgen machen. Ohne viel Federlesens werden immer neue Schulden aufgetürmt, ohne mit der Wimper zu zucken Tilgungspläne präsentiert, die Jahrzehnte in die Zukunft reichen. Wir haben uns so daran gewöhnt. Und bei all den großen Zahlen kann man sich ohnehin nichts Genaues mehr darunter vorstellen. Dass die Pensionen nicht gesichert sind? "Na und? Hauptsache wir haben noch eine - und die nach uns erwarten sich ohnehin nichts mehr.“ Die ärztliche Versorgung? Die Spitäler? Das Kindergeld und die Kinderbetreuung? Die Bildung? Die künftige Steuerbelastung? Alles politische Großbaustellen, auf denen nichts weitergeht und auf denen das Scheitern schon als gegeben hingenommen wird.

Ein ganzes Land schaut weg - und die nächste Generation schaut nicht hin. Politik ist ihre Sache nicht. Das ist zwar angesichts des Zustandes der heimischen Parteien respektive ihrer Jugendorganisationen durchaus nachvollziehbar, zu akzeptieren ist es nicht.

Die nächste Generation muss mitreden. Und sie muss, das vor allem, auch mitreden können. Diese Gelegenheit hat sie derzeit schlicht und einfach nicht. Zu oft und in allen Parteien und auf allen Ebenen sitzen reichlich angejahrte Leute an den Schaltstellen, denen das eigene Hemd, sprich die eigene Klientel, allemal näher ist als die Studentin am Nebensitz in der U-Bahn, als der junge Elektriker, der da im Vorzimmer den Schalter repariert und die Tochter der Sekretärin, die in einem überfüllten Klassenzimmer ihre Schuljahre abdient. "Wir haben auch was leisten müssen und nicht alles gekriegt“.

Österreich ist in Sachen Jugend-Proteste und Unruhen nicht Spanien. Österreich hat durchaus viele Voraussetzungen, Spanien zu werden. Österreich hat das nicht verdient und die Jugend schon gar nicht. Wenn es aber einmal zu spät ist, ist das aber wohl nicht das Thema. Sondern das, was man schon lange erkennt, aber nicht angreifen mag.

Meine Meinung Raiffeisenzeitung, 2. Juni 2011

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