Donnerstag, 19. Mai 2011

Helft den Europäern!





Überzeugte Europäer haben es schwer in diesen Wochen. Man macht es ihnen alles andere als leicht, an der Idee vom gemeinsamen Europa festzuhalten, an sie zu glauben und sie gegen die wachsende Zahl der Zweifler zu verteidigen. Denn Europa, zumal die europäische Politik, bietet ein Bild des Jammers, der Unentschlossenheit und der Orientierungslosigkeit.
Nichts als Signale der Verunsicherung allerorten. Und das in einem ohnehin schon arg strapazierten politischen Umfeld, in dem es schwer ist, Entscheidungen einzuordnen, Entwicklungen abzuschätzen und mit all den Nachrichten, die täglich aus Brüssel und den Politik- und Finanzzentren dieser Welt kommen, umzugehen. Mit Milliarden wird nur so um sich geworfen, die Schutzschirme werden größer und größer, Geheimtreffen da, Austrittsüberlegungen dort. Und immer wieder Hiobsbotschaften aus Ländern wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Irland.
Wer soll das noch begreifen? Wem glauben? Was glauben? Ist es nur ein heftiges Gewitter, das das die EU und damit die europäische Idee erschüttert, oder ist es schon Agonie?
Informationen sind schwer zu bekommen. Es gibt sie zu Hauf, aber welche Intentionen stehen dahinter? Wer will was sagen? Wer sagt was nicht? Nicht einmal das Wort von Wissenschaftern taugt mehr zur Orientierung. Die Bevölkerung wird mit sich alleine gelassen - Opfer einer Vertrauenskrise, die sich durch Gesellschaft, Wirtschaft und Politik frisst. Und auch Opfer der Führungskrise, unter der die Europäische Union leidet.
Die Verunsicherung ist groß. Das Rütteln an den Grundfesten des gemeinsamen Europas ist heftig, wie kaum je zuvor. Eine gemeinsame Richtung bei der Lösung der Probleme ist zuweilen kaum mehr zu erkennen. Aus dem Ringen um eine gemeinsame Linie sind längst Grabenkämpfe geworden.
Die verantwortlichen Politiker, nicht nur in Brüssel, Paris, Berlin oder London, sondern auch die in Wien, sind hilflos bis an die Grenze zur Verantwortungslosigkeit - und machen so die europäische Idee willfährig zum Spielball von Populisten aller Couleurs. Die bekommen Oberwasser und kochen die Emotionen der Menschen auf und die Politiker weich.
Dass Dänemark - unter dem Druck von rechts - wieder Grenzkontrollen einführen will und in der EU der Schengen-Vertrag reformiert und die Reisefreiheit wieder beschränkt werden sollen, ist nur logische Folge davon. Diese beabsichtigte Beschränkung der Reisefreiheit aber geht ins Herz der Europa-Fans. Sie geht aber, mehr noch als alles andere, auch direkt ins Herz der Europa-Idee und der EU.
Denn die Reisefreiheit ist das Thema, bei dem sich selbst Feinde Europas für die europäische Idee erwärmen können. Und dass deren Beschränkung - ausgerechnet - unter tätiger Mithilfe vor allem von christlich-sozialer Politiker mit der Begründung Flüchtlingsströme aus Nordafrika abwehren zu müssen, vorangetrieben wird, setzt dem Ganzen nur die Krone auf - auf dem Kontinent, auf dem man sich so gerne als "christliches Abendland" voller hehrer Grundsätze als Vorbild für die Welt hinstellt.
Ganz abgesehen von den menschlichen Tragödien, die so eine Vorgangsweise hervorbringt, die politischen Folgen sind nicht absehbar. Allerorten wird schon jetzt immer lauter über Renationalisierung der Politik geredet. Die Schengen-Reform wird dem wohl weiteren Vorschub leisten, schließlich haben die Populisten, denen das gemeinsame Europa ein Dorn im Auge ist, Blut geleckt.
Die gemeinsame Idee, der Glaube an das gemeinsame Vorankommen, an das gemeinsame Europa und die Kraft, die von ihm ausgehen könnte, die hat da einen schweren Stand.
Wie die Menschen, die ihr anhängen. Unterstützung gibt es wenig für sie. Und auch kaum Signale, die Hoffnung gäben. Nicht von Brüssel und nicht von Wien. Sie werden von der Politik und den Politikern allein gelassen. Wohl auch, weil sich auf dort längst Zweifel eingenistet haben.
Man hat kein gutes Gefühl in diesen Wochen und Monaten. Was bleibt, ist, die guten Nachrichten zu registrieren und zusammenzutragen. Vielleicht fügen sie sich ja doch noch zu einem Bild, das wieder Zuversicht für Europa gibt.

Meine Meinung - Rsiffeisenzeitung, 19. Mai 2011

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