Dienstag, 26. April 2011

Schweinebauern schlagen Alarm




Durch einen geplanten österreichischen Alleingang im Tierschutz fühlen sich die heimischen Schweinebauern bedroht.

HANS GMEINER Salzburg (SN). „Eisengestänge, das horrendes Tierleid verursacht“ nennen es die Tierschützer, ein „Ferkelschutzkorb“ ist es für die Bauern. In der Auseinandersetzung um die Haltung von Zuchtsauen für die Ferkelproduktion, in deren Mittelpunkt der sogenannte Kastenstand steht, gehen die Wogen seit Monaten hoch. Nach einer sogenannten Missstandsfeststellung der Volksanwaltschaft will der für den Tierschutz zuständige Gesundheitsminister Alois Stöger nun das bisher in Österreich und in den meisten Ländern Europas übliche System zur Haltung von Zuchtsauen verbieten. In der Bauernschaft stößt er damit auf heftigsten Widerstand.

Die Lage ist verzwickt. Das derzeit geltende Tierschutzgesetz, das nun verschärft werden soll, trat erst vor sechs Jahren in Kraft. Es sieht die Umstellung der Zuchtsauenhaltung auf die sogenannte Gruppenhaltung bis 2013 vor. Ab dann dürften demnach in Österreich Zuchtsauen nicht mehr ganzjährig in Kastenständen gehalten werden. Sind sie nicht gerade trächtig, müssen sie frei laufen können. Die Haltung in Kastenständen ist nur rund um den Beginn der Trächtigkeit und die Geburt der Ferkel zulässig. In der Praxis bedeutet das, dass ein Zuchtschwein rund 20 Wochen pro Jahr in solchen Ständen zubringen muss, den Großteil des Jahres aber frei laufen kann.Investitionen wären bedroht Rund 60 Prozent der insgesamt 10.000 heimischen Schweinezüchter haben in den vergangenen Jahren mit viel Geld die Ställe auf den letzten Stand gebracht und erfüllen bereits jetzt die Anforderungen des neuen Gesetzes. Gerade diese Bauern kämen besonders zum Handkuss. Sie müssten neuerlich umbauen, denn Stöger will nicht nur kürzere Standzeiten für die Sauen in den Kastenständen sondern auch mehr Raum für sie. Die Bauern laufen dagegen Sturm. „Wir setzen EU-Recht 1:1 um“, sagen sie. „Nun müssten sie neuerlich zehntausende Euro in die Hand nehmen“, sagt Walter Lederhilger, der Obmann der Vereinigung österreichischer Schweinehalter (VÖS).

Einen Vollerwerbs-Schweinezüchter mit knapp 100 Zuchtsauen kostet der neuerliche Umbau und die Anpassung an die von Stöger geplanten Haltungsvorschriften rund 250.000 Euro, rechnet die VÖS vor. „Es würde ja nichts mehr zusammenpassen“, sagt Lederhilger. „Man müsste alles wieder herausreißen.“

Die Ferkel verteuerten sich dadurch um rund 20 Prozent. Auf dem umkämpften Markt, der ohnehin bereits unter starkem Importdruck steht, wäre das nicht nur für die Züchter, sondern auch für die Schweinemäster, die die Ferkel großziehen, eine Katastrophe. Sie kämpfen ohnehin um jeden Cent. „Das wäre der Anfang vom Ende der heimischen Schweineproduktion“, heißt es.Widerstand von Berlakovich Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich sieht das ähnlich. „Ich sehe keinen Sinn darin, mit einer überschießenden Verordnung Schweinebauern zu ruinieren“, sagt er. „Wenn das kommt, hören vor allem die kleinen Bauern auf.“ Zudem fürchtet er weitreichende Folgen. „Möglicherweise kippt der gesamte Tierschutz.“

Es geht aber nicht nur ums Geld. „Es geht auch um den Schutz der Ferkel und um den Schutz der Menschen vor den oft aggressiven Tieren“, sagt Lederhilger. „Ohne Schutzkörbe erdrücken Zuchtsauen immer wieder Ferkel.“ Eine Studie errechnete, dass die Körbe in Österreich den Tod von rund 500.000 Ferkeln verhindern.

Lederhilger hofft, dass der Kelch an den Schweinebauern vorübergeht. Berlakovich, der die Stöger-Verordnung unterschreiben muss, signalisiert Unterstützung. „Es kann nicht sein, dass heimisches Fleisch aus der Produktion gedrängt wird und wir dann umso mehr aus Ländern importieren müssen, die keine so strengen Vorschriften haben wie sie bei uns kommen sollen.“


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 26.04.2011

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