Montag, 18. April 2011

Biobauern vor Zerreißprobe





Die Probleme bei der Vermarktung von Biogetreide könnten auch Bio Austria spalten.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Nach dem Chaos im vergangenen Sommer, als die Agentur für Biogetreide, bis dahin größter heimischer Vermarkter, unmittelbar vor der Ernte in finanzielle Schwierigkeiten schlitterte und viele Bauern Geld verloren, klärt sich nun langsam die Lage. Für Bio Austria, die größte Biobauernorganisation, wird aber genau das zur Zerreißprobe.

Die Agentur, an der der Salzburger Raiffeisenverband nach wie vor mit drei Prozent beteiligt ist, steht mittlerweile mit einer Überschuldung von zumindest 3,9 Mill. Euro vor dem Insolvenzrichter. Als neuer großer Spieler auf dem rund 200.000 Tonnen großen Markt tritt nun die Raiffeisen Ware Austria mit der 100-Prozent-Tochter Bio Getreide Austria (BGA) an. Sie arbeitet nach Bio-Austria-Standard und gilt zusammen mit der Crop Control in Oberösterreich, dem privaten Handelsunternehmen Pinczker und kleineren Erzeugergemeinschaften als der neue Fixpunkt auf dem Markt.

Das schmeckt den Bio-Austria-Landesgruppen Niederösterreich und Burgenland nicht. Sie fürchten um ihren Einfluss und übernahmen daher die Mehrheit an der Bio Qualitätsgetreide (BQG), um selbst auf dem Markt mitzumischen. Die Situation ist undurchsichtig, zumal die beiden Landesorganisationen nun sowohl an der neuen BQG (mit 51 Prozent) und an der insolventen Agentur für Biogetreide (mit jeweils zwölf Prozent) beteiligt sind.

Die BQG wurde 2010 in aller Eile als eine Art Auffanggesellschaft für die von den Agenturproblemen betroffenen Bauern gegründet, um die Ernte zu sichern. Sie ist nach wie vor eng mit der Agentur für Biogetreide verbunden, die für die BQG Dienstleistungen durchführt und entsprechend Geld dafür kassiert. Manche vermuten, dass auf diesem Weg Bauerngelder verschoben werden, damit sich die Agentur retten kann. Erst dieser Tage zog sich Firmeneigentümer Engelbert Sperl aus der BQG-Geschäftsführung zurück. Körndl- gegen Hörndlbauer Als Unsicherheitsfaktor gilt auch, dass die BQG den Bauern für die heurige Ernte kaum Übernahme- und Lagerstellen für das Biogetreide anbieten kann. Man ist vor allem auf den privaten Handel angewiesen. Die Raiffeisen-Lagerhäuser, die über das dichteste Netz verfügen und ihre Silos in den vergangenen Jahren zur Verfügung stellten, brauchen die nun für die eigene BGA.

Die Bio Austria steht damit vor einem Richtungsstreit. Bei der Ende April anstehenden Neuwahl des Bundesobmanns kandidiert überraschend Karl Erlach, der Obmann der niederösterreichischen Landesgruppe, gegen Rudi Vierbauch, den derzeitigen Obmann der Bio Austria.

Erlach gilt als Vertreter der östlichen Bundesländer und der großen Getreidebauern. In einem persönlichen Schreiben an die Biobauern verspricht er unabhängige Marktstrukturen und kritisiert „das Kompromissdenken der letzten Jahre“. Erlach ist in der Szene nicht unumstritten. So gab es vor einigen Jahren heftige Diskussionen, weil er ein ihm gehörendes Haus zum Sitz von Bio Austria machen wollte. Vorwürfe gegen ihn gab es auch, als in Niederösterreich Biomilchbauern plötzlich ohne Abnehmer dastanden, weil sich eine von Bio Austria geholte Molkerei zurückzog. Und für Unmut sorgt seine Rolle als Doppeleigentümer bei der insolventen Agentur und der BQG.

Der Kärntner Rudi Vierbauch indes gilt in der Bioszene, in der nun ganz wie bei den konventionellen Bauern ein Konflikt zwischen Ost und West, zwischen Körndl- und Hörndlbauern aufbricht, als Mann der Mitte.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 18.04.2011

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