Freitag, 4. Februar 2011

Wenn Testosteron die Preispolitik bestimmt




HANS GMEINER Salzburg (SN). „Wie die kleinen Kinder im Sandkasten“, flüstert der Sitznachbar. „Preispolitik per Testosteron“, nennt es Spar-Chef Gerhard Drexel, wenn sich der Handel Preisschlachten mit immer neuen Tiefstpreisen liefert, die mitunter Verarbeitern und Bauern die Luft abdrücken. „Da sind lauter Männer in den Einkaufsabteilungen, die sagen, so, jetzt lasse ich einmal die Muskeln spielen, ich werde denen schon zeigen, wer da die Preise bestimmt.“ Und dann würden die Produktpreise gesenkt, obwohl die Rohstoffpreise nach oben gingen. Drexel spricht von „Cherry-Pickern“ und „Wertvernichtern“. „Konditionierten Mechanismus“ nennt er, dass sich auch Unternehmen wie das seine Preissenkungen nicht entziehen könnten und setzt noch eins drauf: „Das ist ja verrückt“, gehe es doch um „unsere Bauern, um unsere Almen und Wiesen, um unser Kulturgut“.

„Oh – Krokodilstränen“, kommt vom Sitznachbarn. Auch wenn der mächtige Handelsboss ausschließlich „den Diskont“ punzieren wollte, bot er Mittwochabend den Vertretern der Milchverarbeiter und der Landwirtschaft bei der Tagung des Handels-Fachmagazins „Regal“ in Salzburg doch Einblick in den „Maschinenraum“ aller großen Handelskonzerne. Denn kaum einer der Zuhörer, von denen viele mit Einkäufern der Handelsriesen zu tun haben, glaubte, dass nur im Diskont der Testosteronspiegel der Einkäufer verrückt spielt und Kirschen herausgepickt werden.

„Jeder hier tut doch alles, um den Konsumenten irgendetwas zu verkaufen“, warb Frank Hensel, Boss von Rewe Österreich, um Verständnis. „Wir wären dumm, wenn wir den Trend nicht mitmachen würden, wir haben auch Verantwortung, dass der Preisabstand zu Diskontartikeln nicht zu groß wird, denn das würde erst recht zulasten der Markenartikel gehen.“

Helmuth Petschar, Chef der Kärntnermilch und Sprecher der heimischen Milchwirtschaft, mochte das nicht so recht schmecken. „Wir müssen endlich von der Preisdiskussion wegkommen und dem Konsumenten näher bringen, was hinter dem Produkt steht“, warf er ein. Er war damit einer Meinung mit dem Tiroler Bauernkammerpräsidenten Josef Hechenberger, der von der „Kuh mit Familienanschluss“ und vom „ehrlichen, einzigartigen und wertvollen“ Bauernprodukt Milch sprach und einen „fairen Preisanteil“ einforderte.

Das war Wasser auf Hensels Mühlen. „Wir sind nicht allein verantwortlich“, brummte er. „Wir müssen den Kunden in den Mittelpunkt stellen.“ Und: „Herr Hechenberger, sie schlagen nur auf die Händler ein, sie sagen nichts zu den Verarbeitern, dabei sind sie als Landwirt Eigentümer. Und die Kunden und ihre Wünsche erwähnen sie gar nicht. Aber die entscheiden.“

Und dann sprach Hensel Klartext: „Hören wir endlich auf mit den blöden Schuldzuweisungen.“ Das bringe nur Sturheit. „Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.“

Trotz aller Sturheit kommt aber offenbar bald Bewegung in die Preise für Molkereiprodukte. Nächste Woche werde Rewe die Preise erhöhen, kündigte Hensel an. Spar wird im Sinne des „konditionierten Mechanismus“ wohl mitziehen.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 04.02.2011

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