Mittwoch, 23. Februar 2011

Agrana steigt wieder aufs Gas





HANS GMEINER Serpuchov (SN). Nach zwei durchwachsenen Jahren steuert der heimische Nahrungsmittelkonzern Agrana heuer auf Rekordkurs. Der Umsatz im laufenden Geschäftsjahr (bis 28. Februar) soll heuer 2,1 Mrd. Euro erreichen, so viel wie noch nie zuvor. „Wir erwarten ein ganz gutes Ergebnis“, sagt Agrana-Chef Johann Marihart. Das verleiht auch den Investitionsplänen des Unternehmens Flügel. Im Mittelpunkt dabei stehen die Sparten Frucht und Stärke, auf die bereits rund drei Viertel des Geschäfts entfallen.

Selbst politische Umwälzungen scheinen den Expansionsdrang der Agrana nicht bremsen zu können. In Ägypten sind die Vorbereitungen für die Inbetriebnahme eines Fruchtzubereitungswerks trotz der Unruhen der vergangenen Wochen im Plan. Noch im März soll das Werk in Kairo, ein Joint Venture mit einem ägyptischen Partner, in Betrieb gehen.

Im Mai will man mit dem Ausbau des 2005 eröffneten Fruchtzubereitungswerks in Serpuchov, 100 Kilometer südlich von Moskau, beginnen. „In den nächsten fünf Jahren wollen wir dort insgesamt 27,5 Millionen Euro investieren“, sagt Marihart. Die Produktionskapazitäten sollen von 38.000 auf 62.000 Tonnen Fruchtmischungen für Molkereiprodukte erhöht werden. „Die Russen fliegen darauf“, sagt Alfred Marchler, Agrana-Vertreter in Osteuropa. Schon jetzt sagt er: „Zwischen 2015 und 2020 brauchen wir ein zweites Werk in Sibirien.“

Noch vorher könnte es in den USA, dem neben Russland am stärksten wachsenden Markt für Fruchtzubereitungen, ein viertes Werk geben. „Beschlossen ist noch nichts“, gibt sich Marihart zurückhaltend.

Beschlossen, aber noch nicht offiziell ist auch der Ausbau des Bioethanolwerks in Pischelsdorf. Zusätzlich zu den derzeit rund 600.000 Tonnen Weizen und Mais für Biosprit und Futtermittel will man 200.000 Tonnen Weizen zu Stärke verarbeiten. Geplantes Investitionsvolumen: 60 Mill. Euro.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 23.02.2011

Samstag, 19. Februar 2011

Bio in feinster Aufmachung





HANS GMEINER
Nürnberg (SN). Die Kartoffel präsentiert er in einer großen Kühlvitrine. Vakuumverpackt – im Ganzen, geviertelt, gewürfelt. „Dass Bio eine kontemplative Geschichte ist, das war einmal, heute geht es nur mit Vollgas“, sagt der Herr in feinem dunkelblauem Anzug und Krawatte. Er ist ein Landwirt aus dem Weinviertel. Auf der BioFach in Nürnberg, der mit 2500 Ausstellern weltgrößten Fachmesse für Ökoprodukte, wirbt er um Kunden, wie 86 weitere österreichische Unternehmen.
Der Markt für Biolebensmittel gilt immer noch als Goldgrube. „Der Biomarkt ist in Österreich am weitesten entwickelt, aber man wird auch schon in Wladiwostok nach Bio gefragt“, sagt Peter Augendopler. Sein Unternehmen Backaldrin macht bereits rund fünf Prozent des 130-Mill.-Euro-Umsatzes mit Biobackmischungen. „Neben dem Kornspitz und anderem Kleingebäck vor allem Brot“, sagt Augendopler: „Jährliche Zuwachsraten von fünf bis zehn Prozent sind möglich.“

Branche optimistisch
Trotz Dämpfern durch die Wirtschaftskrise ist die Branche ungebrochen optimistisch. Auf rund 40 Mrd. Euro wird der weltweite Umsatz geschätzt. An die 20 Mrd. Euro umfasst der europäische Markt. Ein schwaches Drittel davon entfällt auf Deutschland. Das kleine Österreich zählt zu den großen Nummern. Knapp 22.000 Bauern, 16 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe, bewirtschaften hierzulande 544.000 Hektar (19,4 Prozent der Gesamtfläche) im Biolandbau. In manchen Bundesländern wie in Salzburg liegt der Bioanteil weit jenseits der 50-Prozent-Marke.

Fleisch ist am teuersten
Nicht nur, weil Hofer seine Eigenmarke „Zurück zum Ursprung“ umstellte, legte Bio im Vorjahr im heimischen Einzelhandel (ohne Brot) laut AMA-Marketing mengenmäßig um 21,5 Prozent und wertmäßig um 18,7 Prozent zu. Bei Milch, Eiern und Kartoffel sind die Bioanteile besonders hoch. Allerdings gibt es teils markante Verschiebungen. So ist die spezialbehandelte und länger haltbare Bio-ESL-Milch offenbar bei den Käufern in Ungnade gefallen. Ihr Anteil sank in vier Jahren von 27,4 auf 15 Prozent, während unbehandelte Vollmilch von 7,7 auf 15,6 Prozent zulegte. Bei Fleisch, Geflügel, Wurst und Schinken hingegen tritt man seit Jahren auf der Stelle. Die Produktionskosten seien dort im Vergleich zu konventioneller Ware zu hoch, die Preisabstände zu groß, heißt es. „Wir brauchen auf den Höfen höhere Preise, damit wir den Bioboom auch absichern können“, sagen Agrarpolitiker wie Oberösterreichs Landesrat Max Hiegelsberger.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 19. Februar 2011

Donnerstag, 17. Februar 2011

Die Biobauern entdecken das Exportgeschäft




HANS GMEINER
Der Biomarkt in Österreich brummt. Die Zuwachsraten liegen nicht nur bei Hofer, der im Vorjahr groß einstieg, sondern auch bei Spar und Rewe im zweistelligen Prozentbereich. „Nun wollen wir auch im Ausland zulegen“, kündigt Rudi Vierbauch, Obmann der Bio Austria, an.

Österreich sieht sich zwar als Bioland Nummer eins in Europa, das Exportvolumen ist mit rund 60 Mill. Euro bisher aber bescheiden. Was soll anders werden?
Vierbauch: Bisher waren Einzelkämpfer unterwegs. Um im Ausland wirklich erfolgreich zu sein, muss man im Biobereich eine Österreich-Identität aufbauen. Wir haben ja die besten Voraussetzungen dafür. Darauf gilt es aufzubauen. Es laufen Vorarbeiten für eine gemeinsame Marke und einen gemeinsamen Marktauftritt. Es soll signalisiert werden: Da ist Österreich dahinter.

Nach den großen Problemen in der Vermarktung von Biogetreide im Vorjahr gibt es nun ein neues Modell. Alles perfekt?
Vierbauch: Die Bauern haben jetzt mehrere Ansprechpartner. Mit allen wichtigen Händlern gibt es eine Kooperation auf Basis des Bio-Austria-Qualitätsstandards. Auch für die Käufer von Biofuttergetreide sollten die Voraussetzungen besser werden, günstiger einkaufen zu können. Es gibt mehrere Anbieter und nicht mehr nur einen, über den alles läuft. Zudem wollen wir das Geschäft Bauer zu Bauer stärker forcieren. Das sollte auch Signalwirkung für die Futtermittelhersteller haben.

Die Streitigkeiten sind aber offenbar noch nicht beigelegt. Es gibt Klagsdrohungen einer Gesellschaft, die mehrheitlich zwei Bio- Austria-Landesorganisationen gehört. Sie richten sich gegen Bio- Austria-Bauern, die angeblich ihre Verträge nicht erfüllten. Haben die Hilfe zu erwarten?
Vierbauch: Wir können nur über die Rechtssituation aufklären. Ich habe das Thema an die Landesgesellschaften Niederösterreich und Burgenland verwiesen. Die sind ja Hauptgesellschafter dieser Bio-Qualitätsgetreide-Gesellschaft, die Schadenersatzforderungen androht.

Ganz wie bei konventioneller Ware gibt es auch bei Bioprodukten Klagen über wachsenden Preisdruck im Handel. Enttäuscht das?
Vierbauch: Ja natürlich. Der Biomarkt wird ganz stark von drei Handelsmarken beherrscht. Und ob Bio wächst oder ob es Bio gut geht, entscheiden nicht die Biobauern oder die Verarbeiter, sondern das wird in den Vorstandsetagen der Handelsketten entschieden. Die Diskussion darüber, ob das gut oder schlecht ist, hilft uns nicht weiter.

Die EU-Agrarreform kommt in eine entscheidende Phase. Haben auch die Biobauern Angst?
Vierbauch: Grundsätzlich haben die Biobauern genauso Sorgen wie die Nichtbiobauern auch. Ich glaube, dass Österreich aber gerade bei Bio gut unterwegs ist und es fatal wäre, diesen Weg zu verlassen.

Kann das Österreich allein beeinflussen?
Vierbauch: Das Umweltprogramm ÖPUL ist ein ganz entscheidender Bereich. Je nach dem, wie man da die Schwerpunkte setzt, kann man da schon sehr viel beeinflussen. Ein gewisses Umdenken halte ich aber für wichtig. Bestimmte Zahlungen, die auf dem Markt keine Relevanz, sondern eher Versorgungscharakter haben, sollten mehr als Vorstufe für den Einstieg in die biologische Landwirtschaft gestaltet werden.

Angesichts der steigenden Rohstoffpreise wächst wieder die Sorge um die Nahrungsmittelversorgung der Weltbevölkerung. Kommt da die Biolandwirtschaft mit ihren geringeren Erträgen nicht unter Druck?
Vierbauch: Das ist ein großer Trugschluss. Natürlich kann die biologische Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung leisten, denn es geht ja um eine umweltfreundliche Landwirtschaft, die in Kreisläufen wirtschaftet und dafür sorgt, dass die Menschen ohne Abhängigkeit von Düngemitteln und Erdöl Nahrungsmittel erzeugen können – nicht nur für sich selbst, sondern vielleicht auch für zwei, drei andere. Aber primär ist der Zugang zu Saatgut und zu Land zu regeln, damit man in der Ernährung der Weltbevölkerung einen Schritt weiterkommen kann, denn man darf nicht vergessen: 50 Prozent der hungernden Bevölkerung lebt auf dem Land.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 17.02.2011

Dienstag, 15. Februar 2011

EU-Agrarier über Reform uneins




HANS GMEINER Wien (SN). Auch wenn keiner der Verantwortlichen weiß, was in der EU-Budgetperiode finanziell möglich sein wird, gewinnt die Diskussion um die 2014 anstehende EU-Agrarreform an Fahrt. Das zeigte sich Montag auf der traditionellen Agrar-Wintertagung des Ökosozialen Forums in Wien.

Dabei geht es nicht nur um die Aufteilung der Agrargelder zwischen West und Ost, sondern zunehmend auch um die Struktur der Reform selbst. Während EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos und der heimische Agrarminister Niki Berlakovich einer möglichst kontinuierlichen Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik das Wort redeten, mahnte der polnische Landwirtschaftsminister Waclaw Sawicki mehr Mut ein. Die EU-Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte habe in der europäischen Landwirtschaft „zu Stillstand“ geführt. Produktionschancen für die Landwirtschaft seien nicht genutzt worden. Als Beispiel nannte er die Fleischproduktion, die weltweit deutlich stärker angestiegen sei, als in Europa.

„Ohne echte Reformen gehen auch die nächsten 20 Jahre verloren“, befürchtet er nun. Der Ciolos-Vorschlag enthält seiner Ansicht nach „zu wenig ehrgeizige Elemente“. Das sei „ein Rückschritt in die 1990er Jahre“.

Was Sawicki, der mit Polen das viertgrößte Agrarland in der EU vertritt, bewirken wird, werden die nächsten Monate zeigen. Ciolos will im Herbst seinen konkreten Vorschlag präsentieren – just wenn Polen den EU-Vorsitz hat. Sawicki: „Ich werde alles tun, dass diese Periode für bestmögliche Lösungen genutzt wird“.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 15.02.2011

Samstag, 12. Februar 2011

Höhere Agrarpreise befeuern Traktorenmarkt





Case IH legt unter österreichischer Führung kräftig zu und will im Traktorenwerk in St. Valentin investieren.

HANS GMEINER St. Valentin (SN). Wenn die Mitarbeiter von Case IH in Racine im US-Bundesstaat Wisconsin ihren Chef ab und an im Trachtenrock sehen, geraten sie nachgerade in Verzückung. „Oh, traditional clothes – like in ,Sound of Music‘.“ Es sind nicht die einzigen Komplimente für den Oberösterreicher Andreas Klauser, der seit Ende 2009 im Chefsessel eines der größten Traktoren- und Landtechnikherstellers der Welt sitzt. Auch die Geschäftszahlen, die er in seinem ersten Jahr an die Konzernmutter Fiat in Turin melden konnte, können sich sehen lassen. „Wir haben im Vorjahr mit Case IH das beste Ergebnis seit 30 Jahren erzielt.“ Der Umsatz legte zehn Prozent zu und erreichte knapp fünf Mrd. Dollar, umgerechnet 3,85 Mrd. Euro. „Damit haben wir die Ziele übertroffen“, sagt Klauser. Case IH ist damit umsatzmäßig so groß wie New Holland, das Schwesterunternehmen in der CNH-Gruppe.

Auch wenn die Landtechnikmärkte im Gefolge der Krise 2008 auch im Vorjahr immer noch lahmten und die Hersteller vor allem in Europa mit Absatzrückgängen zu kämpfen hatten, gelang es Case IH, den Rückgang zu stoppen. Heuer rechnet Klauser mit einer Trendumkehr. Mit den höheren Agrarpreisen bekommen die Bauern wieder Lust auf neue Traktoren und Maschinen. „Seit Herbst ist eine Wende deutlich spürbar. Nordamerika läuft beständig gut, Frankreich, Deutschland und Großbritannien boomen seit drei Monaten, auch in Österreich gibt es seit dem Herbst kräftige Zuwächse.“ Selbst auf den Märkten in Osteuropa seien positive Signale erkennbar.

Das ist Wasser auf die Mühlen von Fiat-Boss Sergio Marchionne, der mit der Landwirtschaft gro-ße Pläne hat. „Fiat investiert gezielt in diese Sparte und denkt über strategische Partnerschaften nach“, sagt Klauser, der im Dezember 2008 von Marchionne an die Case-IH-Spitze geholt wurde.

Davon soll auch der Case-IH-Standort in St. Valentin profitieren. Dort werden derzeit mit 550 Mitarbeitern rund 10.000 Traktoren der Marken Steyr und Case IH erzeugt. „Es ist geplant, in den nächsten drei Jahren hier rund 18 Mill. Euro in die Erweiterung der Kapazitäten auf 12.500 Traktoren und in die Verbesserung der Qualität zu investieren“, sagt Klauser.

St. Valentin ist einer von drei Standorten in Europa, an denen Case IH Traktoren erzeugt. „Das österreichische Werk ist zwar das kleinste, aber das profitabelste und deshalb auch für den Konzern interessant“, sagt Klauser. „Die Marke Steyr, deren Hauptmarkt die deutschsprachigen Länder sind, trägt wesentlich dazu bei.“

In Österreich war die heimische Traditionsmarke auch im Vorjahr mit einem Marktanteil von 17 Prozent wieder Marktführer. Zusammen mit den Traktoren, die unter der Marke Case verkauft wurden, lag der Marktanteil von Case-IH-Traktoren knapp über 20 Prozent.

Insgesamt erzeugt Case IH weltweit an 26 Standorten Maschinen und Geräte für die Landwirtschaft – von Traktoren und Mähdreschern über Baumwollpflücker und Strohpressen bis hin zu Zuckerrohr-Erntemaschinen.

Klauser hat das Unternehmen im Griff, genauso wie das Pendeln in die USA – den Trachtenrock immer im Gepäck.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 12.02.2011

Donnerstag, 10. Februar 2011

Agrargelder wieder online





HANS GMEINER Wien (SN). Die Agrargelder, die einzelne Bauern von der EU, vom Bund und von den Ländern erhalten, werden ungeachtet ihrer Höhe künftig nicht mehr veröffentlicht. Aufscheinen werden in der sogenannten Transparenzdatenbank, die bis Ende April wieder online gehen soll, nur mehr Förderungen für Unternehmen, Gesellschaften, Genossenschaften, Stiftungen, andere juristische Personen und öffentliche Körperschaften. Das kündigte Landwirtschaftminister Niki Berlakovich am Mittwoch an. „Wir folgen damit einer Empfehlung der EU-Kommission“.

Die Transparenzdatenbank war im November 2010 nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in zwei deutschen Fällen vom Netz genommen worden. Das Gericht befand, bei der Veröffentlichung der Empfänger von EU-Agrarbeihilfen hätten EU-Kommission und EU-Staaten eine „ausgewogene Gewichtung“ zwischen dem Anspruch der Steuerzahler auf Transparenz und den Interessen der Empfänger verabsäumt.

Die Bauern waren die einzige Berufsgruppe, die bisher die Ausgleichszahlungen, die sie aus öffentlichen Mitteln erhielt, offenlegen musste. Das führte vor allem im Vorjahr zu mitunter heftigen Diskussionen und Debatten. Berlakovich ist erleichtert. „Ich will die Bauern nicht im Netz haben, das öffnete nur einer Neiddebatte die Tore, hatte aber keinen Wert für die Bevölkerung“, sagte er.

Ganz aus dem Netz sind die Bauern freilich nicht. Auf farmsubsidy.org, einer privaten Internetplattform, die sich der Transparenz bei den Agrarzahlungen verschrieben hat, sind die Daten der Bauern bis einschließlich 2009 nach wie vor online.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 10.02.2011

Dienstag, 8. Februar 2011

Die Freie Milch legt weiter zu





HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Freie Milch Austria, die alternative Milchhandelsgesellschaft, die aus der IG-Milch hervorging, mausert sich. Waren es beim Start vor drei Jahren rund vier Millionen Kilogramm Milch, die vermarktet wurden, so sind es jetzt bereits rund 44 Millionen Kilogramm. Rund ein Drittel davon ist Biomilch. Geliefert wird diese Menge von 325 Bauern. Dazu kommen rund 15 Millionen Kilogramm, die man nach Bedarf für Molkereien handelt. „Das sind insgesamt rund 2500 Milch-Lkw, die wir pro Jahr vermarkten“, sagt Freie-Milch-Chef Ernst Halbmayr. „Damit bewegen wir uns in einer Größenordnung wie die Pinzgauer Molkerei.“

Die Milch kommt derzeit hauptsächlich aus dem Mühl- und Waldviertel, aus dem Raum Amstetten und aus der Steiermark. Bald will Halbmayr auch Milch aus Salzburg vermarkten. „In Seekirchen haben bereits Bauern mit zusammengerechnet acht Millionen Litern Milch ihr Interesse bekundet.“ Insgesamt sollen heuer in Österreich 200 neue Lieferanten dazukommen.

Verkauft wird die Milch derzeit hauptsächlich an rund 30 Partner in Italien und Deutschland. „20 Prozent bleiben in Österreich“, sagt Halbmayr. Ihm gehört das Unternehmen gemeinsam mit dem ehemaligen IG-Milch-Chef Ewald Grünzweil, dem jetzigen IG-Milch-Vize Thomas Schmidthaler und einem weiteren Vertreter der „Milchrebellen“. Sie wollen mit der Freien Milch den Bauern eine Alternative zu den Genossenschaften bieten, die sie für schwerfällig, intransparent und teuer halten.

In Teilen der Bauernschaft steht die Freie Milch allerdings heftig in der Kritik, da sie sich bislang weigerte, an Milchpreisvergleichen teilzunehmen. „Gäbe es in Österreich ein einheitliches System, hätten wir kein Problem damit“, sagt Halbmayr. So aber will man sich keinen Diskussionen aussetzen. Zumindest nach dem Vergleichsmodell, das man selbst für das beste hält, bietet man den besten Milchpreis. „Wir zahlen derzeit 33 Cent netto pro Kilogramm, um einen Cent mehr als die österreichischen Molkereien“, sagt Halbmayr.

Geht es nach den Milchpreisvergleichen, die den Bauern in Österreich als Informationsgrundlage dienen, ist dieser Preis freilich nicht besser als der, den die Molkereien zahlen.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 08.02.2011

Samstag, 5. Februar 2011

Von der fatalen Sucht nach Öffentlichkeit





Von „Millionen gefährdeten Verbrauchern“ sprach die Tierschutzorganisation Vier Pfoten und empfahl, da war der Dioxinskandal in Deutschland noch nicht viel mehr als ein Gerücht, auch in Österreich Schweinefleisch zu meiden.

Gleich hinterdrein polterte der Agrarsprecher des BZÖ und schaltete auf Presseaussendungs-Dauerfeuer: „Gesundheitsrisiko für österreichische Bevölkerung steigt“ hieß es einmal und dann „Dioxin-Skandal erreicht Bayern und somit Österreich“.

Was bei einer Tierschutzorganisation, zumal einer vom Zuschnitt von Vier Pfoten, noch nachvollziehbar sein mag, ist es für einen Vertreter der Landwirtschaft nicht. Das ist Öl ins Feuer gießen und nichts anderes als Wichtigmacherei auf dem Rücken der Schweine- und Geflügelbauern.

Und wenig zur Entspannung trug auch bei, dass selbst von Agrarpolitik und von Vertretern der Schweinebauern mit Krawallworten wie „Preis-Tsunami“ und Ähnlichen die Diskussion in den Schlagzeilen gehalten wurde.

Aber eigentlich war es wie immer: Gibt es irgendwo einen Skandal, der mit Ernährung zu tun hat, springt die Landwirtschaft, gleich ob die Bauern selbst oder ihre Vertreter, mit Anlauf in alle bereit stehenden Fettnäpfchen. Man bettelt nachgerade darum, so zuweilen der Eindruck, verantwortlich gemacht zu werden und Schuld tragen zu dürfen. Man zerrt regelrecht Skandale ins Land und betet Absatz- und Preiszusammenbrüche herbei. Man erklärt Dinge, nach denen keiner fragt und man drängt sich in Positionen, in denen man nichts verloren hat.

Das war bei BSE so, das war beim Quargel so, das war bei nahezu allen anderen Skandalen so. Und das war mit dem Dioxin-Skandal im fernen Norddeutschland so. Die Futtermittelindustrie, zumal die im Ausland? Die Verarbeiter? Der Handel? Allenfalls gelassene Reaktionen, kurze Statements, wenn sie gefragt werden, möglichst schnell zurück zu täglichen Geschäft. Deckung.

Nur die Landwirtschaft blieb übrig. Wie immer. Und nicht immer, weil die anderen so böswillig sind.

Um nicht missverstanden zu werden. Hier soll nicht einer Verniedlichung der Probleme, die der Dioxin-Skandal auch für die österreichischen Bauern gebracht hat, das Wort geredet werden, und schon gar nicht einer Vertuschung. Weniger Aufgeregtheit ist es aber, die zu wünschen ist, mehr Sachlichkeit und rasches und zielorientiertes Handeln.

Dass das ein Wunsch und nicht Wirklichkeit ist, hat damit zu tun, dass die Landwirtschaft in ihrem ewigen Bestreben sich als notwendig für Land und Gesellschaft zu rechtfertigen, die Öffentlichkeit sucht, wie keine andere Branche.

Und es hat damit zu tun, dass gerade in der Agrarpolitik (oder was sich dafür hält) politisches Handeln gerne mit dem Verschicken von Presseaussendungen verwechselt wird. Motto: erst sicherheitshalber einmal schreien, ganz egal, was man damit anrichtet, und dann erst schauen, was man wirklich tun kann.

Von diesem Geist getragen sind auch die Rufe nach Importsperren oder die Hohelieder, die gerade in den vergangenen Wochen wieder besonders laut auf die heimische Qualität gesungen wurden.

Beim einen vergisst man darauf, dass man selbst zu einem guten Teil vom Export lebt. Und beim anderen kehrt man unter den Teppich, dass es ein österreichisches Unternehmen war, das den Deutschen den letzten Skandal eingebrockt hat - mit Quargel. Der kostete acht Menschen das Leben.

Gott möge verhüten, dass als Folge des jetzigen Dioxin-Skandals auch nur einer stirbt.

Blick ins Land - Februar 2011

Freitag, 4. Februar 2011

Wenn Testosteron die Preispolitik bestimmt




HANS GMEINER Salzburg (SN). „Wie die kleinen Kinder im Sandkasten“, flüstert der Sitznachbar. „Preispolitik per Testosteron“, nennt es Spar-Chef Gerhard Drexel, wenn sich der Handel Preisschlachten mit immer neuen Tiefstpreisen liefert, die mitunter Verarbeitern und Bauern die Luft abdrücken. „Da sind lauter Männer in den Einkaufsabteilungen, die sagen, so, jetzt lasse ich einmal die Muskeln spielen, ich werde denen schon zeigen, wer da die Preise bestimmt.“ Und dann würden die Produktpreise gesenkt, obwohl die Rohstoffpreise nach oben gingen. Drexel spricht von „Cherry-Pickern“ und „Wertvernichtern“. „Konditionierten Mechanismus“ nennt er, dass sich auch Unternehmen wie das seine Preissenkungen nicht entziehen könnten und setzt noch eins drauf: „Das ist ja verrückt“, gehe es doch um „unsere Bauern, um unsere Almen und Wiesen, um unser Kulturgut“.

„Oh – Krokodilstränen“, kommt vom Sitznachbarn. Auch wenn der mächtige Handelsboss ausschließlich „den Diskont“ punzieren wollte, bot er Mittwochabend den Vertretern der Milchverarbeiter und der Landwirtschaft bei der Tagung des Handels-Fachmagazins „Regal“ in Salzburg doch Einblick in den „Maschinenraum“ aller großen Handelskonzerne. Denn kaum einer der Zuhörer, von denen viele mit Einkäufern der Handelsriesen zu tun haben, glaubte, dass nur im Diskont der Testosteronspiegel der Einkäufer verrückt spielt und Kirschen herausgepickt werden.

„Jeder hier tut doch alles, um den Konsumenten irgendetwas zu verkaufen“, warb Frank Hensel, Boss von Rewe Österreich, um Verständnis. „Wir wären dumm, wenn wir den Trend nicht mitmachen würden, wir haben auch Verantwortung, dass der Preisabstand zu Diskontartikeln nicht zu groß wird, denn das würde erst recht zulasten der Markenartikel gehen.“

Helmuth Petschar, Chef der Kärntnermilch und Sprecher der heimischen Milchwirtschaft, mochte das nicht so recht schmecken. „Wir müssen endlich von der Preisdiskussion wegkommen und dem Konsumenten näher bringen, was hinter dem Produkt steht“, warf er ein. Er war damit einer Meinung mit dem Tiroler Bauernkammerpräsidenten Josef Hechenberger, der von der „Kuh mit Familienanschluss“ und vom „ehrlichen, einzigartigen und wertvollen“ Bauernprodukt Milch sprach und einen „fairen Preisanteil“ einforderte.

Das war Wasser auf Hensels Mühlen. „Wir sind nicht allein verantwortlich“, brummte er. „Wir müssen den Kunden in den Mittelpunkt stellen.“ Und: „Herr Hechenberger, sie schlagen nur auf die Händler ein, sie sagen nichts zu den Verarbeitern, dabei sind sie als Landwirt Eigentümer. Und die Kunden und ihre Wünsche erwähnen sie gar nicht. Aber die entscheiden.“

Und dann sprach Hensel Klartext: „Hören wir endlich auf mit den blöden Schuldzuweisungen.“ Das bringe nur Sturheit. „Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.“

Trotz aller Sturheit kommt aber offenbar bald Bewegung in die Preise für Molkereiprodukte. Nächste Woche werde Rewe die Preise erhöhen, kündigte Hensel an. Spar wird im Sinne des „konditionierten Mechanismus“ wohl mitziehen.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 04.02.2011

Donnerstag, 3. Februar 2011

Entwarnung für Schweinebauern





Der deutsche Dioxinskandal kostete die heimischen Schweinebauern zumindest 1,5 Mill. Euro. Die Preise steigen wieder.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Vor zwei Wochen noch zitterten die heimischen Schweinebauern vor einem „Preis-Tsunami“, wie sie es nannten. Sie fürchteten, dass im Gefolge des deutschen Futtermittelskandals auch in Österreich die Preise abstürzen. Nun kommt von allen Seiten Entwarnung.

Zum einen half eine von der EU-Kommission rasch auf die Beine gestellte Einlagerungsaktion, die Märkte zu beruhigen. Zum anderen halfen sich die Bauern selbst. Vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich verkauften viele Bauern die Schweine angesichts der historisch niedrigen Preise nicht, sondern ließen sie in den Ställen stehen. Das wirkte. Das knappere Angebot sorgte prompt für eine Wende auf dem Markt. Seit der vergangenen Woche steigen die Preise wieder. In Österreich zogen die Preise nach einer Woche mit einem Minus von zehn Cent je Kilogramm wieder um die gleichen zehn Cent an. Der Schaden für die Branche ist dennoch beträchtlich. Hans Schlederer, Geschäftsführer der Österreichischen Schweinebörse, schätzt, dass allein diese Woche die Bauern rund 1,5 Mill. Euro kostete.

In Deutschland, wo der Rückgang deutlich stärker ausfiel, geht man mittlerweile davon aus, dass sich der Schweinemarkt rasch weiter erholt. In Österreich ist man vorsichtiger. „Die Lage ist schwer einzuschätzen“, sagt Schlederer. „Die heimischen Verarbeiter haben das niedrige Preisniveau der vergangenen Wochen genutzt, um sich mit Vorräten einzudecken.“ Statt in Österreich kauften sie lieber im noch billigeren Deutschland. Marktkenner Schlederer schätzt, dass just in der Krisenphase, als sich Angst vor deutschem Fleisch breitmachte, zumindest 20.000 Schweine zusätzlich aus Deutschland importiert wurden. „Das Fleisch ist ja okay, aber es drückte den Preis.“

Die weitere Entwicklung hänge nun vor allem davon ab, wie rasch die derzeit für deutsches Fleisch gesperrten Märkte Russland oder Südkorea wieder geöffnet würden.

Auch wenn dort die Grenzbalken in den nächsten vier Wochen wieder hochgehen sollten, ist laut Schlederer damit zu rechnen, dass die Bauern zumindest im nächsten Halbjahr noch mit den Folgen des Dioxinskandals zu kämpfen haben werden. „Das eingelagerte Fleisch kommt ja, wenn auch dosiert, wieder auf den Markt.“

Das ist aber nicht die einzige Sorge der heimischen Schweinezüchter. Sorgenfalten treiben ihnen auch die steigenden Futtermittelkosten auf die Stirn. Damit steht die Wirtschaftlichkeit der Schweineproduktion auch von einer zweiten Seite unter Druck. Das erklärt auch den erbitterten Widerstand der Schweinebauern gegen Pläne, die heimische Produktion auf die noch teurere GVO-freie (Gentechnisch veränderte Organismen) Sojafütterung umzustellen. Es sei ohnehin erwiesen, dass das Fleisch auch dann gentechnikfrei sei, wenn die Tiere mit gentechnisch verändertem Soja, das aus Übersee importiert werde, gefüttert worden seien. Sie befürchten, auf den zusätzlichen Kosten sitzen zu bleiben.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 03.02.2011 / Print
 
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