Sonntag, 2. Januar 2011

Lust & Wonne in der „Folter-Kammer“





In regelmäßigen Abständen bringt die Arbeiterkammer das Blut der Bauern und ihrer Vertreter ins Wallen. Da fordert man höhere Steuerleistungen von den Bauern, zettelt eine Diskussion über die Einheitswerte an, geißelt die zu hohen Lebensmittelpreise, verlangt immer neue Kontrollen und Auflagen und versucht mit Sätzen wie „Keine Steuergerechtigkeit innerhalb der Bauernschaft“ Keile zu setzen.

Es könnte noch dicker kommen für die Bauern. Die Folter-Instrumente für die Diskussion mit den Bauern jedenfalls hat sich die Arbeiterkammer schon zurechtgelegt.

In einem Positionspapier zur künftigen EU-Finanz- und Agrarpolitik fordert man nicht nur ein „Auslaufen aller Direktzahlungen und Marktstützungsmaßnahmen“, sondern nimmt in einem Aufwaschen auch gleich die Mittel für die Ländliche Entwicklung, aus denen das ÖPUL und die AZ für benachteiligte Gebiete gezahlt werden, ins Visier. Mindestens 25 Prozent dieser Mittel sollen, so wünscht man sich, künftig für den nicht-landwirtschaftlichen Bereich reserviert werden. „Der Agrarsektor soll maximal den Anteil erhalten, der dem 5-fachen seines Bevölkerungsanteils in den ländlichen Regionen entspricht“. Auf EU-Ebene soll nach den Vorstellungen der Arbeiterkammern künftig für die Programme zur ländlichen Entwicklung nicht mehr das Agrar-Ressort, sondern der Regional-Ressort zuständig sein und – gleichsam als i-Tüpfelchen - auf nationaler Ebene das Bundeskanzleramt.

Gegenüber den Bauern gefällt sich die Arbeiterkammer in solchen provokanten Positionen als „Folter-Kammer“. Gut. Diskussion und neue Vorschläge sind gerade angesichts der eingefahrenen Geleise, in denen Agrarpolitik betrieben wird, dringend notwendig. Als Beobachter kann man sich freilich zuweilen kaum des Eindrucks erwehren, dass sie von den Arbeiterkämmerern zumeist mit großer Lust und Wonne und einem ordentlichen Schuss Bosheit ersonnen werden – Hauptsache, die Bauernschaft ist aufgescheucht.

Warum sich in der Arbeiterkammer diese „Kultur“ so entfalten kann und warum die Landwirtschaft ihr gegenüber zuweilen so hilflos wirkt, ist freilich schwer nachvollziehbar. Denn grob geschätzt sind immerhin rund 100.000 Bauern, die als Nebenerwerbsbauern ihre Höfe bewirtschaften und auswärts arbeiten gehen, auch Mitglieder der Arbeiterkammer. Sie zahlen dort brav wie alle anderen 0,5 Prozent ihres Monatsgehaltes als Kammerumlage ein. Dass sie damit, so wie die Dinge liegen, die mächtigste Lobby gegen den eigenen Berufsstand füttern, ist – höflich gesagt - nur paradox zu nennen.

Dabei geht es nicht nur um Agrarpolitik, sondern durchaus auch um Eingemachtes, bei dem es der Arbeiterkammer anstünde, die Interessen der bäuerlichen Beitragszahler besser zu vertreten. So sind in den Betrieben Nebenerwerbsbauern als Arbeitnehmer nach wie vor sozialrechtlich in manchen Bereichen (Arbeitslose, Pension) schlechter gestellt, als ihre Kollegen.

Die Bauern und ihre Vertreter führen gerne Klage darüber. Über die zweite Seite sollten sie auch reden. Zu fragen ist, wie stark die Landwirtschaft, respektive die Landwirtschaftskammer, noch in der Sozialpartnerschaft ist, wie das Verhältnis zu den „Partnern“? Mit dem Attribut „mächtig“ kommen jedenfalls nur die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer daher. „Sind die zu stark, bist du zu schwach“, müssen sich hingegen die Bauernvertreter einen Sager aus der Werbung vorhalten lassen.

Sie sollten das nicht auf sich sitzen lassen – angesichts der Ideen die gewälzt werden.

Blick ins Land 1. Jänner 2011

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