Sonntag, 23. Januar 2011

Gift für den Schweinemarkt





Vor allem die Schweinebauern fürchten den Sog des Dioxin-Skandals. Die Agrarpolitik versucht, das Schlimmste zu verhindern.

Hans Gmeiner Berlin (SN). In Österreich wurde bis jetzt keinerlei Dioxin in Schweinefleisch, Eiern oder Geflügel gefunden. Alle Analysen zeigen, dass auch die Futtermittel sauber sind. Und dennoch sinken die Schweinepreise bereits. In der Landwirtschaft herrscht Alarmstimmung. Druck aus Deutschland, wo die Preise auf knapp über einen Euro pro Kilogramm fielen, bringt auch das österreichische Preisgefüge durcheinander. Am Freitag fielen die Notierungen an der österreichischen Schweinebörse um zehn Cent auf 1,21 Euro pro Kilogramm. Zu Jahresbeginn lagen sie noch bei 1,41 Euro.

Die heimische Agrarpolitik versucht nun gegenzusteuern. Auf der Grünen Woche in Berlin kündigte Landwirtschaftminister Niki Berlakovich ein Fünf-Punkte-Programm an. Schon in der kommenden Woche wird die AMA-Marketing ihre Aktivitäten in Werbung und Marketing auf Fleisch konzentrieren. Auf europäischer Ebene will der Minister Stimmung für Exportstützungen und Lagerhaltungsaktionen machen. Vorbilder dafür gibt es bereits. Im Gefolge eines Dioxin-Skandals in Belgien nahm die EU vor vier Jahren vorübergehend 100.000 Tonnen aus dem Markt (die Kosten dafür: 42 Mill. Euro).

In Österreich selbst sucht man den Schulterschluss mit dem Handel. Dem Vernehmen nach hält die Handelskette Spar ihre Lieferanten bereits an, auch in Produkten wie Würsten ausschließlich heimisches Fleisch zu verarbeiten. Mit anderen Handelsketten laufen die Gespräche noch. Zusätzliche Sicherheit soll auch die Einführung eines Herkunftssicherungssystems bei Schweinen bringen. Zudem ist die Gesundheitsbehörde AGES angehalten, die Kontrollen bei Futtermitteln zu intensivieren.

Die Bauern hoffen, mit einem blauen Auge davonzukommen. Zum einen registriert man verstärkte Nachfrage von ausländischen Verarbeitern, die nach Alternativen zu deutschem Fleisch suchen. Zum anderen hofft man, dass Russland seine Importsperre für Fleisch doch noch aufhebt. Nicht mehr länger vor sich herschieben wollen die Bauernvertreter auch das Thema Herkunftskennzeichnung. „Die Konsumenten wollen wissen, was sie kaufen“, sagt der Minister. Die Bauernkammer will sich nun das italienische Modell zum Vorbild nehmen, das Herkunft der Rohstoffe stärker berücksichtigt als derzeit den Ort der Verarbeitung.

Geht es nach den Wortmeldungen auf der Grünen Woche, könnte die von vielen Bauern herbeigesehnte Diskussion über Wert der Agrarprodukte, die Produktionsbedingungen und den Kostendruck tatsächlich in Gang kommen. Berlakovich redet einem neuen Europäischen Lebensmittelmodell das Wort.

Dass der Weg dorthin schwierig ist, zeigt sich freilich allein an den Themen, die nun im Gefolge des deutschen Dioxin-Skandals wieder aufs Tapet kommen. Die von manchen Seiten geforderte Umstellung der Schweinefütterung auf GVO-freies Soja stößt bei vielen Bauern und ihren Vertretern auf genauso wenig Gegenliebe wie das von Tierschützern verlangte Verbot von Spaltenböden und Abferkelkäfigen. Die Agrarpolitiker lehnen das ab. „Wir müssen ja konkurrenzfähig bleiben.“

Bisher ist man mit dieser Linie jedenfalls gut gefahren. Nach einem preisbedingten Rückgang 2009 legten die Agrarexporte im Vorjahr wieder kräftig um fast sechs Prozent auf 7,55 Mrd. Euro zu. Die Importe wuchsen um nur 2,9 Prozent auf 8,3 Mrd. Euro.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft / 22.01.2011

Dienstag, 11. Januar 2011

„Ach hätt’ ich bloß mehr Wald“




HANS GMEINER Wien (SN). „Manche sagen schon: ,Ach hätt’ ich bloß mehr Wald.‘“ Rudolf Rosenstatter aus Salzburg, Obmann des Waldverbands Österreich und damit Vertreter von 60.000 Waldbauern, freut sich. Just zum von der UNO proklamierten Jahr des Waldes geht es mit der österreichischen Forst- und Holzwirtschaft wieder aufwärts. Nach einem Jahrzehnt der Rückschläge, die 2002 mit dem Orkan Kyrill begannen, fasst man nun wieder Zuversicht. „Wir haben die Krise überwunden“, sagt Felix Montecuccoli, Präsident der heimischen Forstbetriebe.

Die Preise für Holz ziehen seit geraumer Zeit an. „Holz ist wieder gefragt und wird auch bezahlt“, sagt Montecuccoli. Die Preise für Blochholz, die schon einmal bei 60 Euro je Festmeter dümpelten, haben wieder 90 Euro erreicht, Faser- und Schleifholz kosten 36 Euro. Montecuccoli: „Wir sind zumindest wieder dort, wo wir vor vier Jahren waren.“

Nun hofft man, dass es so weitergeht. „Wir sind zuversichtlich, dass die Preise weiter anziehen“, sagt Bauernkammer-Präsident Gerhard Wlodkowski.

Das freilich freut nicht alle in der Branche, die am Montag mit einem gemeinsamen Auftreten in einer Pressekonferenz Einigkeit signalisierte. Vor allem die Holzverarbeiter machen sich Sorgen und warnen vor einer Rohstoffknappheit und zu hohen Preisen. Dem Drängen der Agrarpolitik, den Einsatz von Holz zur Energiegewinnung weiter zu forcieren, steht man reserviert gegenüber. „Es wäre ein Fehler, wenn Holz aus dem Wald direkt in den Ofen geht“, warnt Laszlo Döry, Vertreter der Plattenindustrie, vor überschwänglichen Plänen.

Das sind nicht die einzigen Sorgen, mit denen die Branche zu kämpfen hat. Nach wie vor lässt die Nutzung des Kleinwalds zu wünschen übrig. Auch die Infrastruktur, vor allem das Forststraßennetz, entspricht kaum den heutigen Anforderungen.

Ungelöst ist auch der Streit mit der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria, die die Transporttarife um 30 Prozent anheben will. Statt 200.000 Waggons bräuchte man dann für den Holztransport 400.000 Lkw. „Eine solche Verlagerung von der Schiene auf die Straße wäre ein Fiasko“, befürchtet Landwirtschafts- und Umweltminister Niki Berlakovich. Er erwartet Schützenhilfe von Verkehrsministerin Doris Bures.

Die Forst- und Holzwirtschaft ist hinter dem Tourismus der zweitwichtigste Devisenbringer Österreichs und bietet 280.000 Menschen Arbeit und Einkommen. In vielen Bereichen (Platten, Hallenbau) zählt man zur Weltspitze. „Ziel muss sein, die Wertschöpfung weiter zu erhöhen“ sagt Berlakovich. An den Grundlagen sollte es nicht liegen. In den vergangenen 25 Jahren wuchs der heimische Wald um 111.000 Hektar. Allein in Salzburg betrug der Zuwachs 25.000 Hektar.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 11. Jänner 2011

Montag, 10. Januar 2011

Der Dioxin-Skandal und wir





Die Gier nach billigen Lebensmitteln sorgte dafür, dass man sich weltweit vor einem einzigen Futtermischer fürchten muss.

Von Hans Gmeiner

Und wieder sorgt ein Lebensmittelskandal für dicke Schlagzeilen. Und wieder in Deutschland. Nach Gammelfleisch und Schummelkäse nun Dioxin im Futter, in Eiern und möglicherweise in Fleisch. Und wieder sind die Fragen da: Was ist das, was uns da täglich in Plastikfolien eingeschweißt in den Supermärkten als Essen angedient wird? Dieses Fleisch, diese Milch, dieser Käse, diese Eier von angeblich „glücklichen Tieren", wie sie auf den Verpackungen dargestellt werden?

Und wieder sind es die gleichen Antworten. Man echauffiert sich über die Produktionsweisen, beklagt die Geldgier der Agrarindustrie und geißelt die Politik. Ja, da mag überall etwas dran sein. Aber: All diese Diskussionen zielen in die falsche Richtung und greifen zu kurz. Jedenfalls in diesem Dioxinskandal. Denn zum einen ist das offenbar ein simpler Kriminalfall. Zum anderen ist die industrielle Erzeugung von Lebensmitteln nicht per se schlecht oder gar gefährlich.

Das Problem sind die Strukturen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. Groß, größer, noch größer mussten die Lebensmittelerzeuger und -verarbeiter werden, damit das Essen billig, billiger und noch billiger werden konnte. Alle machten mit, mussten mitmachen. Der Handel, die Erzeuger und Verarbeiter, wir Konsumenten sowieso. Ein Teufelskreis.

Metzger blieben dabei auf der Strecke, Bäcker, Müller und der Kaufmann ums Eck, die Bauern sowieso. Und damit auch das Sicherheitsnetz, das uns vor der lawinenartigen Verbreitung der Folgen eines Skandals wie dem aktuellen schützt.

Denn erst damit wurde möglich, dass ein einziger krimineller Futtermischer aus Norddeutschland einen Schaden anrichten konnte, der binnen kürzester Zeit bis ins benachbarte Ausland und sogar nach Übersee reichte. Die Marktanteile, die solche Unternehmen heute halten, sind groß, die Mengen, die sie umsetzen, riesig, die Distanzen über die sie ihre Geschäfte machen, weit. Und entsprechend groß ist der Schaden, wenn etwas gedreht wird oder etwas passiert.

Der Konsument kann sich inzwischen kaum mehr schützen. „Österreichisch kaufen", empfiehlt man nun allerorten. Damit ist man sicher auf der besseren Seite. Mehr aber auch nicht. Den letzten Lebensmittelmittelskandal brockte den Deutschen ein österreichisches Unternehmen ein. Mit Quargel. Der kostete acht Menschen das Leben.

Salzburger Nachrichten, 11. Jänner 2011 Seite 1

Sonntag, 2. Januar 2011

Lust & Wonne in der „Folter-Kammer“





In regelmäßigen Abständen bringt die Arbeiterkammer das Blut der Bauern und ihrer Vertreter ins Wallen. Da fordert man höhere Steuerleistungen von den Bauern, zettelt eine Diskussion über die Einheitswerte an, geißelt die zu hohen Lebensmittelpreise, verlangt immer neue Kontrollen und Auflagen und versucht mit Sätzen wie „Keine Steuergerechtigkeit innerhalb der Bauernschaft“ Keile zu setzen.

Es könnte noch dicker kommen für die Bauern. Die Folter-Instrumente für die Diskussion mit den Bauern jedenfalls hat sich die Arbeiterkammer schon zurechtgelegt.

In einem Positionspapier zur künftigen EU-Finanz- und Agrarpolitik fordert man nicht nur ein „Auslaufen aller Direktzahlungen und Marktstützungsmaßnahmen“, sondern nimmt in einem Aufwaschen auch gleich die Mittel für die Ländliche Entwicklung, aus denen das ÖPUL und die AZ für benachteiligte Gebiete gezahlt werden, ins Visier. Mindestens 25 Prozent dieser Mittel sollen, so wünscht man sich, künftig für den nicht-landwirtschaftlichen Bereich reserviert werden. „Der Agrarsektor soll maximal den Anteil erhalten, der dem 5-fachen seines Bevölkerungsanteils in den ländlichen Regionen entspricht“. Auf EU-Ebene soll nach den Vorstellungen der Arbeiterkammern künftig für die Programme zur ländlichen Entwicklung nicht mehr das Agrar-Ressort, sondern der Regional-Ressort zuständig sein und – gleichsam als i-Tüpfelchen - auf nationaler Ebene das Bundeskanzleramt.

Gegenüber den Bauern gefällt sich die Arbeiterkammer in solchen provokanten Positionen als „Folter-Kammer“. Gut. Diskussion und neue Vorschläge sind gerade angesichts der eingefahrenen Geleise, in denen Agrarpolitik betrieben wird, dringend notwendig. Als Beobachter kann man sich freilich zuweilen kaum des Eindrucks erwehren, dass sie von den Arbeiterkämmerern zumeist mit großer Lust und Wonne und einem ordentlichen Schuss Bosheit ersonnen werden – Hauptsache, die Bauernschaft ist aufgescheucht.

Warum sich in der Arbeiterkammer diese „Kultur“ so entfalten kann und warum die Landwirtschaft ihr gegenüber zuweilen so hilflos wirkt, ist freilich schwer nachvollziehbar. Denn grob geschätzt sind immerhin rund 100.000 Bauern, die als Nebenerwerbsbauern ihre Höfe bewirtschaften und auswärts arbeiten gehen, auch Mitglieder der Arbeiterkammer. Sie zahlen dort brav wie alle anderen 0,5 Prozent ihres Monatsgehaltes als Kammerumlage ein. Dass sie damit, so wie die Dinge liegen, die mächtigste Lobby gegen den eigenen Berufsstand füttern, ist – höflich gesagt - nur paradox zu nennen.

Dabei geht es nicht nur um Agrarpolitik, sondern durchaus auch um Eingemachtes, bei dem es der Arbeiterkammer anstünde, die Interessen der bäuerlichen Beitragszahler besser zu vertreten. So sind in den Betrieben Nebenerwerbsbauern als Arbeitnehmer nach wie vor sozialrechtlich in manchen Bereichen (Arbeitslose, Pension) schlechter gestellt, als ihre Kollegen.

Die Bauern und ihre Vertreter führen gerne Klage darüber. Über die zweite Seite sollten sie auch reden. Zu fragen ist, wie stark die Landwirtschaft, respektive die Landwirtschaftskammer, noch in der Sozialpartnerschaft ist, wie das Verhältnis zu den „Partnern“? Mit dem Attribut „mächtig“ kommen jedenfalls nur die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer daher. „Sind die zu stark, bist du zu schwach“, müssen sich hingegen die Bauernvertreter einen Sager aus der Werbung vorhalten lassen.

Sie sollten das nicht auf sich sitzen lassen – angesichts der Ideen die gewälzt werden.

Blick ins Land 1. Jänner 2011
 
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