Freitag, 3. September 2010

Die Bauern gehen in die Gegenoffensive





Bauern schlagen gegen das „Schwarzbuch“ raue Töne an.


Hans Gmeiner Wels (SN). Die Vertreter der heimischen Agrarpolitik ringen um ihre Contenance. Das am Montag präsentierte „Schwarzbuch Landwirtschaft“, das sich mit dem heimischen Agrarsystem auseinandersetzt, zerrt an ihren Nerven. „Unterste Schublade“, sagen sie. Da darf man auch in eben jene greifen, dürfte sich am Donnerstag wohl Bauerbundpräsident Fritz Grillitsch bei einem Pressegespräch auf der Landwirtschaftsmesse Agraria in Wels gedacht haben: „Da wird die Landwirtschaft als mafiös dargestellt, von einem Kriminellen, der selbst vorbestraft ist“, ließ er seinem Groll gegen den Autor des „Schwarzbuchs“, Hans Weiss, freien Lauf. Grillitsch hat diese Anwürfe in vollem Bewusstsein gemacht. Sollte er selbst geklagt werden, wolle er sich von seiner Immunität als parlamentarischer Abgeordneter entbinden lassen, sagte er. Gegen das Buch werde es jedenfalls Klagen geben, kündigte der Bauernbundpräsident an.

Der neben Grillitsch sitzende Agrarminister Niki Berlakovich will sich aus solchen Scharmützeln heraushalten und, wie er als Hobbyfußballer formuliert, „den Ball flach spielen. Die Diskussion über Agrarzahlungen wird zu führen sein, so wie in allen Bereichen“, versucht er jeden Verdacht zu vermeiden, dass er mauert. „Man soll aber die Kirche im Dorf lassen.“ Es geht um 2,2 Milliarden Die Diskussion um das Agrarsystem nahm in den Tagen seit der Veröffentlichung teils skurrile Formen an. Im Mittelpunkt stehen die rund 2,2 Mrd. Euro, die jährlich aus den Budgets von EU, Bund und Ländern an die Bauern, die Agrarverwaltung, Verbände, in das Schulwesen, aber auch in Bereiche wie Hochwasserschutz oder Lawinenverbauung fließen.

Vorschläge, Vorwürfe und Zahlen wurden von verschiedensten Seiten lanciert, die allesamt nicht zusammenpassten. Mit einem Mal standen sogar die Förderungen für Nebenerwerbsbauern zur Diskussion. Der ehemalige Agrarkommissar Franz Fischler hatte auf die Möglichkeit verwiesen, Bauern, die nicht ausschließlich von der Landwirtschaft lebten, von den Fördertöpfen auszuschließen. „Damit würde man erst recht industrielle Agrarstrukturen fördern und ganz sicher nicht den kleinen Bauern“, kam der Konter aus Agrarkreisen schnell. Bei Nebenerwerbsbauern handle es sich vor allem um kleine Bauern, deren Hof nicht genug trage. Inzwischen hat Fischler seine Forderung auf „sehr reiche Hobbybauern“ beschränkt.

Die Bauernvertreter haben alle Mühe in diesem Umfeld ihren Argumenten Gehör zu verschaffen. Gebetsmühlenartig kommen Erklärungen wie „es stehen überall Leistungen dahinter“, „bei der Milchkrise im Vorjahr hätte es ohne Förderungen ein riesiges Bauernsterben gegeben“, „wir können beweisen, dass kleinen Bauern geholfen wird“, „es gibt Einschleifregelungen bei hohen Förderungen“ und „das schöne Österreich gibt es nicht zum Nulltarif“.

„Die Fakten sagen, dass wir eine sehr gute Agrarpolitik machen“, meint Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowksi. Freilich müsse sie weiter verbessert werden.

Daran versucht man zu arbeiten. „Wir wollen eine vernünftige Entwicklung“, sagt Berlakovich. Muckte er im Frühjahr noch gegen die Budget-Sparpläne seines Vorgängers Josef Pröll auf, so sagt er jetzt: „Die Landwirtschaft wird ihren Beitrag leisten.“ Dabei soll aber nicht in die Zahlungen der Bauern eingegriffen werden. „Wir wollen weiter jeden möglichen Euro aus Brüssel holen und alle Programme ausfinanzieren.“

Wo gespart werden wird, wollte er freilich nicht sagen. Als am wahrscheinlichsten gelten Kürzungen in Bereichen wie Hochwasser- oder Lawinenschutz. Sie zählen nicht zum Kern des Ressorts und es muss nicht in laufende Verpflichtungen eingegriffen werden, sondern man kann durch die Verschiebung von Projekten Geld freimachen.

Obergrenzen für Förderungen will der Minister im Zuge der EU-Agrarreform 2014 durchsetzen. Damit freilich sind schon Wilhelm Molterer und Franz Fischler gescheitert. Ausgerechnet die Sozialdemokraten Tony Blair und Gerhard Schröder kippten bei der letzten Agrarreform die vorgesehene 300.000-Euro-Grenze.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 03.September 2010

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