Dienstag, 31. August 2010

Bauernförderungen im Visier




HANS GMEINER Salzburg (SN). Vor fast 30 Jahren nahm er als Co-Autor des Werks „Bittere Pillen“ die Pharmaindustrie ins Visier. Später sorgte er mit Büchern mit Titeln wie „Schwarzbuch Markenfirmen“ oder „Korrupte Medizin“ für Aufsehen. Nun nimmt der Autor Hans Weiss mit dem „Schwarzbuch Landwirtschaft“, das am Montag präsentiert wurde, die heimischen Bauern und die Agrarwirtschaft unter die Lupe. Flapsig zuweilen, plakativ, mit vielen Zahlen und mit starken Worten. „Steueroasen“ sieht er in vielen Agrarbetrieben, „Subventionswahnsinn“ wittert er hinter den Ausgleichszahlungen, und in Tirol sind ihm „illegale Landverschiebungen“ ein Dorn im Auge. Raiffeisen wird als alles beherrschender Moloch gezeichnet und unter dem Titel „Süße Reformen“ eine „achtfache Förderung von Zucker“ angeprangert. Es fehlt auch nicht der Satz, dass Großbauern und Agrarkonzerne immer größer werden, während die Kleinen zusperren müssten – ganz so, als ob Agrarpolitik Sozialpolitik wäre und Markt und Gesellschaft nicht nach möglichst billigen Agrarprodukten verlangten.
Sechs von zehn der reichsten Österreicher erhielten Agrarsubventionen, kritisiert Weiss und nennt Namen wie Meinl, Mateschitz, Porsche oder Swarovski. Andererseits missfällt ihm, dass seinen Recherchen zufolge 98 Prozent aller österreichischen Bauern von der Einkommenssteuer befreit sind. Auch Grundsteuern, Pensions- und Krankenkassenbeiträge hätten keinen Bezug zum realen Wert der Grundstücke und dem realen Einkommen. Seine Forderungen daher: Begrenzung der Subventionen pro Bauer auf 25.000 Euro, keine Gelder mehr für Privatstiftungen und keine Agrarförderungen für Personen, die mehr als 57.000 Euro pro Jahr verdienen.

Weiss weiß, wo die Bauern besonders
empfindlich sind. Drei Arbeitnehmer finanzierten einen Bauern, rechnet er vor. Damit bringt er die Landwirte und ihre Vertreter in Rage. „Das ist nachweislich konstruiert“, kontert Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch. „Es ist die übliche Hetze, die schon mehrere Monate gegen die Bauern gefahren wird.“ Ohne Agrarsubventionen würden Lebensmittel ein Vielfaches kosten, sagt Grillitsch. „Wenn ein sogenanntes Sachbuch mit dermaßen unsachlichen und tendenziösen Darstellungen daherkommt, dann liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Parteipropaganda handelt“, vermutet er unlautere Absichten hinter der Veröffentlichung.

Salzburger Nachrichten Wirtschaft/31. August 2010

Dienstag, 17. August 2010

Bauern wurden zu Knechten Mammons gemacht





Die hohe Abhängigkeit von Förderungen macht die Bauern zum politischen Spielball.

Gern versuchen vorzugsweise Menschen, die mit der Landwirtschaft nichts zu tun haben, die Bauern gegeneinander auszuspielen.
Die so beliebte wie falsche Methode dabei, der sich zuletzt auch Staatssekretär Schieder bediente: Man verwechselt Agrar- mit Sozialpolitik, mischt reichlich vorhandene Zahlen durcheinander und heizt die Diskussion Groß gegen Klein an. Dabei hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Gelder aus den Agrartöpfen gibt es als Unterstützung auf Märkten, die geöffnet wurden zur Förderung von Bewirtschaftsformen, als Entschädigung für Bewirtschaftungserschwernisse und für Umweltprogramme. Aber nicht aus sozialen Gründen wie Bedürftigkeit oder Notsituationen.

Dass rund 40 Prozent der Bauern weniger als 5000 Euro an Förderungen bekommen, hat daher weit weniger mit einer ungerechten Geldverteilung, als mit den hierzulande vorherrschenden kleinen Betriebsgrößen zu tun.

Keine Frage – in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten haben sich die Grundlagen für das derzeitige Förder system verschoben. Sie gehören angepasst, die Ungerechtigkeiten beseitigt. Das birgt Sprengstoff genug. Billige politische Polemik ist da wenig hilfreich, sondern macht den Bauern eher Angst, führt sie ihnen doch deutlich vor Augen, dass sie vom System längst zu Knechten des Mammons gemacht wurden.

„Wir wollen gar keine Förderungen“, sagen sie. „Wir wollen gute Preise“. Aber die Aussichten darauf sind wohl noch geringer als auf ausreichende Förderungen.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 17. August 2010

Fördersystem zwingt Bauern an den Tropf




Das Fördersystem brachte die Bauern in Abhängigkeiten. Die Gelder für große Bauern sind dabei das geringste Problem.

Hans Gmeiner Salzburg (SN). Die Gesellschaft verlangt nach billigen Lebensmitteln und schätzt die Erhaltung und Pflege von Landschaft und Umwelt. Dafür ist man auch bereit, der Landwirtschaft hohe Summen zu zahlen. Für die Bauern hat das aber auch eine Kehrseite. Längst sind sie abhängig vom guten Willen der Politik und öffentlichen Geldern. Der Anteil der Ausgleichszahlungen und Förderungen am Einkommen der Bauern liegt inzwischen zumeist weit jenseits der 50-Prozent-Marke.
Gut 2,2 Mrd. Euro macht derzeit das Agrarbudget aus. 58 Prozent davon kommen aus Brüssel, 20 Prozent aus dem Bundesbudget und 22 Prozent von den Ländern. Rund 1,6 Milliarden davon fließen direkt an die Bauern. Nicht nur die Summe selbst, sondern auch die Verteilung dieser Mittel sorgt nicht nur innerhalb der Landwirtschaft, sondern auch außerhalb immer wieder für heftige Diskussionen. Wunder ist das keines, gehen doch die Förderungssummen bei Großbetrieben wie der Stiftung Fürst Liechtenstein oder bei der hardeggschen Gutsverwaltung über eine Million Euro hinaus, während der durchschnittliche Bauer mit rund 11.000 Euro und fast 40 Prozent mit weniger als 5000 Euro auskommen müssen.

Die hohen Summen und die großen Unterscheide haben zwei Gründe. Zum einen ging es Österreich bei der Umsetzung von EU-Agrarreformen immer darum, den Einkommensverlust für den einzelnen Bauern möglichst gering zu halten. Darum bilden die heutigen Förderungen immer noch sehr stark die Einkommens- und Marktverhältnisse aus der Vor-EU-Zeit der frühen 1990er-Jahren ab. Bei der Agrarreform 2014 wird dieses „historische Modell“ aber fallen.

Zum anderen ist das Fördersystem derzeit sehr flächenorientiert. Das ist vor allem bei den Umweltprogrammen stark spürbar. Verzicht auf bestimmte Dünger oder Spritzmittel und ähnliche Maßnahmen, die Ertragseinbußen mit sich bringen, werden etwa pro Hektar abgegolten. Mehr Hektar bedeutet daher mehr Ausgleichszahlungen. Der Wert der Maßnahme ist schließlich der gleiche – ob bei einem großen oder einem kleinen Betrieb.

Vor diesem Hintergrund ist nicht verwunderlich, dass die Verteilung der Mittel zwar mit der Verteilung der Flächen im Großen und Ganzen übereinstimmt (zwischen 600 und 700 Euro je Hektar), nicht aber mit der Zahl der Betriebe. Weil in Österreich die Hälfte der Bauernhöfe über weniger als fünf Hektar verfügt, ist es nur logisch, dass der Großteil der Bauern weniger als 5000 Euro an Förderungen bekommt. Bei den Großbauern ist es genau umgekehrt. Die rund 240 Betriebe, die mehr als 100.000 Euro bekommen, sind nicht einmal 0,2 Prozent der Agrarbetriebe. Sie bewirtschaften aber 3,2 Prozent der Agrarfläche und erhalten 2,9 Prozent der Fördermittel – das sind 44 Mill. Euro.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 17. August 2010

Samstag, 14. August 2010

Der Handel füllt das agrarpolitische Vakuum





Die Landwirtschaft reibt sich seit Jahren mit Inbrunst so hilf- wie erfolglos am heimischen Handel. Konkurrenzkampf auf dem Rücken und vor allem auf Kosten der Bauern wird Spar, Billa, Hofer und Co vorgeworfen, Preisdrückerei und vieles andere mehr, was schlagzeilenträchtig daherkommt, Aktivität signalisiert und manchen Bauernvertreter als Robin Hood erscheinen lässt.

Da ist fraglos was dran, aber über das Thema, um das es hinter all dem Gerangel und all den Scharmützeln gehen müsste, redet man, so scheint es, lieber nicht - der Handel ist dabei, sich die Agrarpolitik und Landwirtschaft selbst zu machen. Die Handelskonzerne sind es heute, die in vielen Bereichen der Landwirtschaft den Takt vorgeben. Von ihnen kommen die Ideen für Produkte und Märkte und sie verschaffen den Bauern neue Produktionsmöglichkeiten und Einkommen.

Die Agrarpolitik selbst, zu deren ureigensten Aufgaben das eigentlich zählt, hat da wenig zu bieten. Verfangen ist man in der Verwaltung und Verteidigung von in der Vergangenheit für die Bauern gesicherten Ansprüchen und Geldmitteln und oft beschäftigt mit sich selbst. In die Zukunft schaut man allenfalls mit Sorge, als Chance mag man sie selten begreifen. Dabei hat man in vielen Bereichen, so wirken jedenfalls die Dinge zuweilen, die Überfuhr verpasst. Es fehlt an Ideen, der Kontakt zu Markt und Konsumenten ist oftmals verloren gegangen.

Die Handelskonzerne füllten dieses Vakuum. Das meiste, was in der Landwirtschaft neu ist, kommt heute von dort. Vom Handel geht die Initiative für neue Rezepturen, für neue Produkte und für die Entwicklung neuer Marktchancen aus. Dass viele heimische Verarbeiter auch nicht zu denen zählen, die sich über die Entwicklung neuer Produkte definieren, spielt da dem Handel nur in die Hände. Die Landwirtschaft ist da aus dem Spiel geraten und scheint kaum mehr Karten im Talon zu haben. Die Macht liegt längst beim Handel. Und der ist dabei, sich die Landwirtschaft herzurichten, wie er sie will.

Beispiele dafür gibt es genug. Das beginnt bei den Eigenmarken und geht hin bis zu den Vertragsproduktionen der großen Handelskonzerne. Billa öffnete mit "Ja! Natürlich" den Markt für Bioprodukte, Hofer sorgte dafür, dass die Steigerung der Bioproduktion wenigstens bei Milch und anderen Produkten nicht in einem solchen Desaster wie bei Biogetreide endete - schließlich wurde da wie dort fernab des Marktes einfach drauflos produziert. In mancher Vorstandsetage wird sogar darüber nachgedacht, da und dort selbst in die Produktion einzusteigen, wenn die Bauern nicht das Gewünschte liefern.

Gemeinsam ist allen, dass sie sich ihre Regeln abseits des Verwaltungs- und Kontrollsystems selber machen und so ihre eigene Welt mit ihren eigenen Spielregeln gestalten.

Freilich: Die Bauern fahren nicht schlecht damit. Praktisch alle Handelsketten bekennen sich zu österreichischen Produkten und machen damit Markt für Österreichs Bauern. Und angesichts des Erfolges schaut die Agrarpolitik mit ihren Forderungen und Anwürfen meistens ziemlich alt aus.

Gesund ist diese Entwicklung indes dennoch nicht. In Handelskonzernen haben die Bauern nichts mitzureden. Schnell können sie dabei vom Marktteilnehmer zu bloßen Lieferanten werden. Um in der Produktionskette nicht wirklich endgültig ein unbedeutendes Glied zu werden, muss die Landwirtschaft ihr Verhältnis zum Handel möglichst schnell neu definieren. Auch wenn das nicht einfach sein dürfte - die Möglichkeiten sind groß. Und sie müssen genutzt werden.

Blick ins Land - 13. August 2010

Donnerstag, 12. August 2010

Der Sommer, die Schlange, das Kaninchen und die Krux





Österreichs Landwirtschaft im Sommer 2010: In Brüssel wird an einer Agrarreform gebastelt, die den heimischen Bauern nicht viel Gutes verheißt. Hierzulande ist die Landwirtschaft angesichts der Budgetnöte in das Zentrum eines dräuenden Verteilungskampfes geraten und zum politischen Spielball geworden. Man trachtet den Bauern nicht nur nach den Förderungen, sondern will ihnen auch höhere Steuerleistungen abverlangen. Und dazu die Preise für Agrarprodukte, die sich nicht und nicht erholen wollen und die Einkommen entsprechend gedrückt halten. Ein Minus von 28 Prozent gegenüber 2008 weist der Grüne Bericht für 2009 aus. Einen derartigen Rückschlag gab es noch nie.

„Es regnet überall herein“ pflegt man solche Situationen auf dem Land üblicherweise zu beschreiben. Nicht zu unrecht.

Die Landwirtschaft ist gefordert. Und sie tut sich ziemlich schwer damit, war man doch in den vergangenen Jahren so etwas wie politisches Liebkind der Nation, ja sogar ein bisschen verhätschelt – vom Politmarketing als brave Landschaftserhalter, tüchtige Umweltpfleger, ehrliche Nahrungsmittelerzeuger gezeichnete Bauern, denen man nichts verwehren wollte, hatten sie es auf den Märkte ohnehin schwer.

Das scheint angesichts der leeren öffentlichen Kassen und der Begehrlichkeiten rundum inzwischen anders zu sein. Es ist nicht zu verkennen, dass die Stimmung für die Bauern labil geworden ist. Bioschwindel, Schummelkäse, Listerienquargel, falsch deklarierte Eier, aber auch die Preissprünge vor zwei Jahren tun das ihre dazu.

Das heile Bild von der heimischen Landwirtschaft hat einige Kratzer.

Auf einmal gibt es wieder klassenkämpferische Töne gegen die Bauern. Selbst im eigenen Lager sind die Risse im einst unerschütterlichen Fundament nicht zu übersehen. Da holen sich die Bauern etwa bei ihren eigenen Leuten Abfuhren, die es bisher kaum gab.

In Sachen Budget-Sparvorgaben etwa nutzte ihnen der Hinweis darauf, dass die Gelder aus Brüssel zu Unrecht in die Ausgangsbasis hineingerechnet wurden wenig, der Finanzminister zwang aufmuckende Funktionäre zum Kotau. Und beim Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien ließ der Wirtschaftsminister den Landwirtschafts- und Umweltminister gleich völlig vor der Tür stehen.

Den Bauern und ihren Vertretern ist dazu noch nicht viel eingefallen. Nicht zu dem, was aus Brüssel zu hören ist und nicht zu dem, was sich hierzulande zusammenzubrauen scheint. Was bisher zu sehen ist, ist sehr herkömmlich. Starke Worte allenfalls, aber wenig Wirkung.

Diskussion, Forderungen und Vorschläge lassen oft jeden Bezug zur politischen Realität und dem, was sie zu bringen droht, vermissen. Man tut, als bliebe alles beim Alten und übersieht, dass man dabei in einem Sandkasten spielt.

Die Agrarier gehen mit der Zukunft defensiv um. Aus Gewohnheit, aus Angst, aus Unfähigkeit. Man jammert, schimpft und leidet. Man klammert allerorten – wortreich, seitenweise und ellenlang und vor allem mit dem immer gleichen Tenor: „Die Bauern brauchen jeden Euro, ohne Geld keine Zukunft“.

Aber ist nicht das, was man jetzt verteidigt, genau das, wovor man noch vor der letzten Agrarreform, vor dem EU-Beitritt und noch früher eindringlich warnte? Übrigens mit den gleichen Argumenten wie diesmal.

Nun ist schon klar, dass man nicht von vorneherein klein beigeben muss, aber so toll war all das, was dank all des Geldes bisher war, auch nicht. Der Strukturwandel ist trotz all der Gelder, die in die Landwirtschaft fließen, ziemlich ungebremst. Die Bauern sind alles andere als zufrieden und die Landwirtschaft kein florierender Wirtschaftszweig.

Man kann freilich einwenden, dass die Agrarier aus ihrer Sicht mit dieser Strategie im Vergleich zu anderen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten durchaus erfolgreich waren. Nur – und da ist man sich ziemlich einig – diesmal dürfte es wirklich anders kommen. „Bisher haben wir alles mit Geld lösen können“, gibt man hinter vorgehaltener Hand zu. „Das wird diesmal nicht mehr gehen“.

Damit ist klar: Die Bauern müssen sich warm anziehen, um in dem rauen Klima bestehen zu können, das da auf sie zukommt. Denn, und das macht es besonders schwierig, dieses Klima wird nicht nur für sie, sondern für alle Gesellschaftsgruppen rau.

Es wird mühsam für die Bauern, die sich nach Kontinuität sehnen, die sich immer noch für etwas Besonders im gesellschaftlichen Gefüge halten und die sich immer noch sehr schwer tun mit ihrem Unternehmerbild. Immer noch leben viele die Illusion vom freischaffenden Bauern und fordern gleichzeitig mit der Vollkaskomentalität eines Gewerkschafters Schutz und Unterstützung vor allen Unbilden des Marktes.

Das mag verständlich sein, richtig ist es nicht, wie das Kaninchen beim Blick auf die Schlange zu erstarren. Es wird nicht für alle weitergehen, keine Frage, aber es kann für viele weitergehen. Und denen, die das so sehen, muss man Hilfestellungen bieten. Berlakovichs Offensive unter dem Namen „Landwirtschaft 2020“ könnte eine solche sein. Die bäuerliche Öffentlichkeit freilich steht ihr reserviert gegenüber. „Das kennen wir ja alles schon“, heißt es an den Stammtischen. „Was soll das bringen?“

Man kann dem auch Zuversicht abgewinnen. Denn so redete man schon immer. Was hat es nicht, um nur zwei Beispiele zu nehmen, für Widerstände gegen Bio und den Feinkostladen Europas gegeben, wie viel Häme, wieviel Unkenrufe? Heute sind es, sieht man von den aktuellen Problemen der Biogetreidebauern ab, Erfolgsstories, die vielen Bauern jene Zukunft gaben, von der man an den Stammtischen glaubte, dass es sie nicht gäbe.

Zwei Beispiele, die nach Nachfolgern verlangen. Etwas Ähnliches dieser Qualität und Tragfähigkeit ist freilich nicht in Sicht, ja nicht einmal in Diskussion. Das aber, und nicht die Gefahr, dass es weniger Geld geben wird, ist die eigentliche Krux für die heimische Landwirtschaft.

Raiffeisenzeitung - Gastkommentar - 12. August 2010

Dienstag, 10. August 2010

Erfolgsstrategie unter Druck




Österreichs Landwirtschaft setzt auf hohe Qualität. Entsprechend streng sind die Vorschriften. Nur so, lautet die Idee, können sich auch die zumeist kleinen österreichischen Bauern gegen die internationale Konkurrenz behaupten und mehr Geld für ihre Produkte bekommen. Die Landwirtschaft fuhr bisher nicht schlecht damit.
Mittlerweile steht diese Strategie freilich unter großem Druck. Es wird immer schwieriger, die für die aufwendige Produktion nötigen Preise zu bekommen. Selbst Bio kann sich in vielen Bereichen kaum mehr preislich von konventioneller Ware absetzen.

Immer öfter müssen die Bauern zuschauen, wie die Konsumenten und vor allem die Verarbeiter lieber zu billigen Produkten greifen, die im Ausland zu wesentlich niedrigeren Standards erzeugt wurden. Das könnten sie genauso, dürften sie aber nicht, klagen sie.

Strenge Produktionsauflagen und oft als sehr rigid empfundene Tierhaltungs- und Umweltvorschriften verwehren ihnen das. Als Ausweg bleibt ihnen nur, bei den Preisen nachzugeben.

Politik und Vermarkter sind gefordert, das strenge Produktionsregime, dem man die Landwirtschaft unterwirft, zu Geld für die Bauern zu machen. Das hat man zuletzt aus den Augen verloren. Selbst Trümpfe, die man in der Hand hatte, spielte man leichtfertig aus.

Dass Österreich das einzige EU-Land ist, das praktisch flächendeckend gentechnikfreie Milch erzeugt, hat die Bauern bisher nur Geld gekostet, aber ihnen keinen Cent gebracht. GVO-freies Futter ist teurer als das herkömmliche Pendant, GVO-freie Milch nicht.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 10. August 2010

Auflagen bremsen Bauern-Elan




Österreicher schätzen heimische Produkte. Doch den Bauern wird es oft schwer gemacht, diese anzubieten.

HANS GMEINER
Salzburg (SN). Das Schnitzel vom Schwein aus einem oberösterreichischen Stall, das Frühstücksei von einem steirischen Huhn, die Milch zum Kaffee von einer Kuh, die im Salzburger Land weidet. Die österreichischen Konsumenten mögen das. Sie schätzen heimische Agrarprodukte. Die Bauern tun ihr Bestes, die Nachfrage zu bedienen. Doch das wird ihnen nicht immer einfach gemacht. Auch wenn die im Vergleich zu anderen EU-Ländern deutlich schärferen Produktions- und Tierhaltungsvorschriften einen Teil der spezifisch österreichischen Qualität ausmachen, werden ihnen dadurch in vielen Bereichen auch die Marktchancen verbaut. Die aufgrund der Struktur und der oft schwierigen Produktionsbedingungen in Österreich ohnehin kostenintensive Agrarproduktion wird dadurch noch kostspieliger. Das schwächt die Wettbewerbsposition. In vielen Bereichen muss man zusehen, wie mit billiger Importware, die zu deutlich niedrigeren Standards erzeugt wird, gute Geschäfte gemacht werden, obwohl man sie auch in Österreich erzeugen könnte.

Vertane Einkommenschancen
Das macht den Bauern angesichts des wachsenden Drucks auf den Märkten zunehmend Sorgen. Denn damit vergibt man sich Einkommenschancen, die angesichts der angespannten Situation dringend nötig wären.
Augenfällig ist die Entwicklung in der Schweineproduktion. „Da wurde Österreich in den vergangenen Jahren von einem Produktionsland zu einem Verarbeitungsland“, sagt Adolf Marksteiner von der Landwirtschaftskammer Österreich. Österreichs Fleischverarbeiter haben sich auf dem internationalen Markt als gesuchte Lieferanten etabliert. Statt der gut fünf Millionen Schweine, die sie noch vor zehn Jahren jährlich schlachteten und verarbeiteten, sind es heute 7,5 Millionen. Die österreichischen Bauern konnten davon aber kaum profitieren. Ihre Produktion blieb über die Jahre bei rund fünf Millionen Schweinen stabil. Der Rest kommt aus dem Ausland. „Strenge Umweltvorschriften für Ställe, Umweltverträglichkeitsprüfungen, teure Tierhaltungsvorschriften und im internationalen Vergleich sehr geringe Bestandsobergrenzen haben den Investitionswillen erheblich gebremst“, sagt Marksteiner. „In einer Branche, in der es auf jeden Cent ankommt, zahlt es sich angesichts dieser Erschwernisse kaum aus, 300.000 bis 500.000 Euro in Stallungen zu investieren“.

Ganz ähnlich ist es bei Geflügel. In dieser traditionellen agrarischen Produktionssparte bringt es Österreich nur auf einen Selbstversorgungsanteil von 75 Prozent. Das hat zum einen damit zu tun, dass es nur mehr sehr wenige Gefügelverarbeiter gibt. Zum anderen hat es aber auch ganz wesentlich damit zu tun, dass heimische Geflügelmäster wesentlich strengere Produktionsauflagen haben. „Während hierzulande in den Hühnerställen die Besatzdichte 15 Hühner pro Quadratmeter Stall nicht übersteigen darf, sind EU-weit 20 erlaubt“, sagt Marksteiner.

Für ihn ist es nicht verwunderlich, dass die Bauern zumeist an ihren angestammten Produktionszweigen, der Milch- oder Getreideproduktion, so lang wie möglich festhalten. „Der Umstieg etwa auf Lamm- oder Geflügelproduktion ist, abgesehen von den Vorschriften, schwierig und zumeist sehr Know-how- und kostenintensiv“, sagt der Kammerexperte. „Da müssen auch die persönlichen Voraussetzungen und die Verarbeitungsmöglichkeiten stimmen.“

„Die Bauern rechnen sehr genau“Der niedrige Selbstversorgungsgrad bei Produkten wie Eiern (77 Prozent), Geflügelfleisch (72 Prozent), Schafen und Ziegen (75 Prozent), Gemüse (60 Prozent) und Obst (65 Prozent) bietet daher eher selten Anreiz, eingefahrene Geleise zu verlassen und neue Einkommensmöglichkeiten zu erschließen. „Auch wenn ihnen oft das Gegenteil vorgeworfen wird, zeigt sich da, dass die Bauern sehr genau rechnen“, sagt Marksteiner. Genau das freilich könnte der Grund sein, dass die schlechte Versorgungsbilanz bei Soja bald wesentlich besser aussieht und die Eiweißfrucht für viele Bauern ein neues Einkommensstandbein wird. Denn die Preise steigen und Vermarkter wie die burgenländische Mona haben mit Produkten wie Sojamilch und Pudding neue Märkte erschlossen.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 10. August 2010

Samstag, 7. August 2010

Preishoch weckt alte Ängste




Die Getreidepreise explodieren. Und schon geht die Angst vor teurem Essen um.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Preise für agrarische Rohstoffe, die den Bauern im Vorjahr ein Einkommensminus von fast 30 Prozent bescherten, ziehen seit Monaten kontinuierlich an, bei Getreide explodieren sie regelrecht. Auf den internationalen Getreidemärkten purzeln seit Wochen die Rekorde. An der für Europa maßgeblichen Warenterminbörse Euronext in Paris notieren Weizen, Mais und Raps deutlich höher als Anfang August 2007, als eine bis dahin beispiellose Preisrallye einsetzte, die dann 2008 in überdurchschnittlichen Teuerungen bei Lebensmitteln und Hungerrevolten mündete.

Der für die Branche entscheidende Novemberkontrakt für Mahlweizen schoss nach Bekanntwerden der russischen Getreideexportsperre Donnerstag auf 224 Euro je Tonne. Das waren um 20 Prozent mehr als in der Woche zuvor. Spätestens seither ist vielen Beobachtern mulmig zumute. Denn damit wurde der bisherige Höchstwert aus 2007 um mehr als fünf Prozent übertroffen. Damals notierte der gleiche Kontrakt für Mahlweizen bei 211,50 Euro. Allein seit Anfang Juli beträgt der Preisanstieg fast 60 Prozent. Welche Dimension die aktuelle Preisrallye hat, zeigt ein Blick auf das Vorjahr. Damals lag die Notierung für Novemberweizen in der ersten Augustwoche mit 126 Euro je Tonne fast um die Hälfte niedriger als heuer.

Maispreis auf Rekordkurs
An der Wiener Getreidebörse, die für das Preisniveau in Österreich maßgeblich ist, hat die Euronext-Entwicklung noch nicht voll durchgeschlagen. Der Weizenpreis zog zwar in dieser Woche um gut zehn Prozent an, liegt mit 183 Euro je Tonne markant über dem Vorjahreswert (140 Euro), aber immer noch deutlich unter den Rekordwerten von 2007.

Aber nicht nur die Weizenpreise haben deutlich angezogen. Mit 209 Euro pro Tonne ist der Novemberkontrakt bei Mais um rund 70 Prozent teurer als vor einem Jahr. Stark angezogen haben auch die Rapspreise. Auch sie liegen mit 388 Euro je Tonne deutlich höher als 2007. Gerste hingegen blieb fast auf den Vorjahrespreisen sitzen.

Aber nicht nur bei Getreide steigen die Preise. Auch Milch wurde im vergangenen Jahr um 20 Prozent teurer. Erstmals kamen die Bauern heuer seit längerer Zeit ohne die sonst üblichen Preisrückgänge über den Sommer.

Angetrieben werden die Preise vor allem von einer geringeren Agrarproduktion. Bei Milch ist es die Rücknahme der Produktion, bei Getreide sind es die schlechten Ernteaussichten. Waren es zunächst Kälte und Nässe, die die Erwartungen dämpften und die Preise antrieben, so ist es seit Anfang Juli die Hitze im Norden und Osten Europas. Bei Mais treibt vor allem die Nachfrage aus China die Preise. Der Rapspreis wird vom Rohölpreis bestimmt.

Hinter der Preisentwicklung steckt aber auch die Rückkehr der Spekulanten auf die Rohstoffmärkte. Seit Monaten gelten Rohstoffe wieder als attraktive Anlagemöglichkeit. Schon im Vorjahr gab es eine Preisrallye bei Zucker. Zuletzt sorgten die Kakaopreise für Schlagzeilen. Ein einziger
Manager eines englischen Hedgefonds kaufte alle nur verfügbaren Handelskontrakte zusammen und trieb den Preis für die Kakao bohne damit in Rekordhöhen. Nun versprechen die Anlageberater „Weizen macht Sie reich!“ und tragen damit das Ihre zum Anstieg der Preise bei.

Die Branche versucht, die Nerven zu bewahren. „Der Weltmarkt für Weizen ist heute weit ausgeglichener als vor drei Jahren“, stellte die Welternährungsorganisation FAO Mitte dieser Woche fest. „Aus heutiger Sicht sind Ängste vor einer neuerlichen globalen Ernährungskrise nicht gerechtfertigt.“ Nach zwei Jahren mit weltweiten Rekordernten seien die Reserven wieder aufgefüllt.

Nach Angaben des Internationalen Getreiderats (IGC) liegen rund 30 Prozent eines Jahresbedarfs an Weizen auf Lager. Durch die heurigen Ernteaussfälle würden die Reserven lediglich auf 29 Prozent sinken. Als kritisch sieht man erst ein Absinken auf 20 Prozent an, wie es vor drei Jahren der Fall war. Ob das einen neuerlichen Preisschub bei Lebensmitteln verhindern kann, ist fraglich. „Der Rohstoffboom geht erst richtig los“, ist von den Börsen zu hören.

„Die Versorgung mit Getreide ist in Österreich auf jeden Fall gesichert“, sagte Freitag Franz Stefan Hautzinger von der Agrarmarkt Austria. Die Mühlenindustrie kündigte dennoch bereits an, „als Erster in der Wertschöpfungskette mit entsprechenden Preisanpassungen reagieren zu müssen“.

Auch die Bäcker reden bereits von einer Preiserhöhung in der Größenordnung von mindestens fünf Prozent im kommenden Herbst. Damit geht das Schwarze-Peter-Spiel Landwirtschaft gegen Lebensmittelverarbeiter und Gewerbe in eine neue Runde. Die Bauern halten eine derartige Anhebung der Preise für nicht gerechtfertigt. Der Getreidepreis macht nur zwei Prozent des Brotpreises aus.

Die Bauern selbst haben derzeit noch kaum etwas vom Höhenflug der Weizenpreise. Die Abnehmer wollen kaum Preise nennen. Aber auch die Bauern warten zu. Sie lagern selbst ein oder liefern zwar ab, rechnen aber noch nicht ab. Kolportiert werden etwa in Oberösterreich Preise von rund 170 Euro pro Tonne.

Auch wenn das derzeitige Preisniveau überzogen ist, ist man sich in Fachkreisen einig, dass die Agrarpreise steigen werden. Erst im Juni bekräftigen OECD und FAO ihre Prognosen, dass Weizen und Mais bis 2020 um durchschnittlich 15 bis 40 Prozent teurer werden.

Das gibt der Landwirtschaft Rückenwind. Für Experten wie den ehemaligen Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer, der neuerdings für die Europäische Volkspartei maßgeblich bei den Verhandlungen zur EU-Agrarreform mitmischt, ist klar: „Die agrarische Produktion und die landwirtschaftliche Nutzfläche gewinnen an Bedeutung.“

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 7. August 2010
 
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