Montag, 31. Mai 2010

Biokorn soll in den Tank




Der Markt für Biogetreide ist dabei zu entgleisen. Nun wird sogar diskutiert, aus den Überschüssen Biosprit zu erzeugen.


HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Zahl der Biobetriebe wuchs im Vorjahr um 900 auf fast 22.000, die Biofläche um 26.500 auf 545.000 Hektar. Vor zwei Wochen jubelten Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich und Bio-Austria-Obmann Rudi Vierbauch: „Österreich baut Spitzenplatz in Europa im Biobereich weiter aus.“ In den Ohren der Biogetreidebauern klingt diese Schlagzeile wie Hohn. Die unkoordinierte Ausweitung der Anbauflächen bringt den Markt stark unter Druck. Es drohen riesige Überschüsse und drastische Preiseinbußen. In manchen Segmenten werden die Erlöse kaum über jenen von konventionell erzeugtem Getreide liegen.

„Niemand hat sich um den Markt und die Vermarktung gekümmert“, lautet der Vorwurf. So sei die Anbaufläche für Roggen auf 14.000 Hektar verdoppelt worden, obwohl es für dieses Getreide praktisch keinen Markt gebe. Die Folgen: Der Markt, die Überschüsse, die Preisentwicklung und die Versuche, damit zurechtzukommen, unterscheiden sich in nichts mehr von der konventionellen Landwirtschaft.

„Wenn nichts passiert, fahren wir gegen die Wand“, befürchtet Ernst Gauhs von der RWA. Der Druck ist groß: schlechte Preise bei konventionellem Getreide, hohe Kosten für Dünger und Pflanzenschutzmittel. Aus diesen Gründen und weil bis 2014 kein Umstieg auf Bio mehr möglich ist, entschieden sich 2009 viele Betriebe in klassischen, entsprechend ertragsstarken Getreideanbaugebieten für die biologische Wirtschaftsweise. Allein die Anbaufläche von Getreide wuchs um mehr als zehn Prozent auf über 100.000 Hektar.

Die Folge: Statt wie im Vorjahr noch 200.000 Tonnen werden heuer laut Schätzungen bis zu 250.000 Tonnen auf den Markt kommen. Zudem liegen aus der vorjährigen Ernte noch 40.000 Tonnen auf Lager. Damit drängen fast 300.000 Tonnen Biogetreide auf den Markt – fast doppelt so viel, wie in Österreich jährlich benötigt wird.

„Es ist völlig aussichtslos die heuer erwarteten Mengen unterzubringen“, sagt Gauhs. Drastische Maßnahmen werden diskutiert. So soll Getreide von Betrieben, die gerade erst auf Bio umgestellt haben, nicht mehr als Biofutter zugelassen werden. Das würde den Markt um Tausende Tonnen entlasten. Weitere 25.000 Tonnen könnten durch die Verspritung aus dem Markt genommen werden. Entsprechende Gespräche laufen bereits. Das dabei als Nebenprodukt anfallende Eiweißfuttermittel könnte Importe ersetzen und ist daher für die Biobauern durchaus reizvoll.

In deren Brust schlagen freilich zwei Herzen. Da sind auf der einen Seite die Getreidebauern, die gute Preise erzielen wollen. Und da sind die Tierhalter, die froh sind, wenn das biologische Futter günstiger ist als zuletzt. Bei Bio Austria, dem größten Biobauernverband, hält man sich bedeckt. Wie man mit den Überschüssen umgehen wird, weiß man wenige Wochen vor der Ernte noch nicht. „Derzeit laufen mit den Partnern Verhandlungen“, sagt Franz Waldenberger. Er befürchtet, dass Maßnahmen wie der Verzicht auf gerade erst auf Bio umgestelltes Getreide oder die Umstellung auf Eiweißfutter bei der Verspritung zulasten der Tierproduzenten gehen könnten. „Veredler, die zukaufen müssen, leiden schon bisher unter den hohen Preisen.“ Als letztes Ventil bleibt der Export. Im Ausland reißt man sich freilich nicht um Biogetreide aus Österreich. Die Preise sind deutlich niedriger als im Inland. Waldenberger: „Die Möglichkeiten hängen von der Entwicklung in Deutschland ab.“ Diese sei aber nur schwer einzuschätzen.


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 31.05.2010 31.05.2010

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