Freitag, 2. April 2010

Das teure Schweigen der Lämmer





Als das Wirtschaftsforschungsinstitut Anfang Februar über eine Tageszeitung im Zusammenhang mit der Budgetsanierung die Kürzung der Agrarförderungen zur Diskussion stellte, schossen die Bauernvertreter umgehend aus allen Rohren. "Anschlag auf Bauerneinkommen" hieß es, und "Alarmstufe Rot für Agrargelder".

Ein Großteil der österreichischen Agrargelder komme von der EU, ließen sie ausrichten. "Von den rund 2, 2 Milliarden Euro, die die heimischen Bauern jährlich erhalten, steuert Brüssel knapp 1, 3 Milliarden Euro bei", rechneten von Bauernbundchef Grillitsch abwärts alle vor. "2008 kamen aus dem Bundesbudget knapp 445 Millionen Euro, den Rest brachten die Länder auf." Als Grillitschs ehemaliger Angestellter, der inzwischen zum Parteichef und Finanzminister avancierte Josef Pröll, nur drei Wochen später sein Budgetsanierungspaket mit den größten Einsparungsvorgaben für die Landwirtschaft seit Jahrzehnten vorlegte, war von einem Donnerwetter der Agrarier nichts zu hören. Da gaben sie sich brav wie die Lämmer. Und das, obwohl auch der Finanzminister wie die Wirt schaftsforscher die 2, 2 Milliarden Euro als Ausgangsbasis für seinen Budget-Kahlschlag nahm. Die auf dieser Grundlage geplante Kürzung des Agrarbudgets um 3,6 Prozent und der sich daraus ergebenden Einsparungsbedarf von 77 Millionen Euro im Jahr 2011 (die übrigens bis 2014 auf 161 Mio. Eu ro an steigen werden) gelten nur als "große Herausforderung". Nichts mehr aber war davon zu hören, dass der Großteil der dem Agrarbudget zugezählten Gelder ohnehin aus Brüssel komme.

Das hat nicht nur den Geruch von Parteigehorsam, sondern ist auch fahrlässig.

Denn die noch Anfang Februar so lautstark akklamierte Position der Agrarier hat durchaus viel für sich. Die Gelder aus Brüssel, die da ohne viel Federlesens ins Agrarbudget hineingerechnet werden, sind nichts anderes als Direktzahlungen an die Bauern und Kofinanzierungsanteile etwa für das Umweltprogramm, de facto also ein Durchlaufposten. In Deutschland zum Beispiel werden diese Mittel nicht zum Budget gezählt.

Würde man sie auch in Österreich herausrechnen, würde der Landwirtschaft viel erspart bleiben. Nähme man die derzeitigen Agrarbudgets von Bund und Ländern als Ausgangsbasis, würde der Einsparungsbedarf im ersten Jahr nicht 77 Millionen, sondern nur rund 30 Millionen Euro betragen. Nähme man gar nur die rund 445 Millionen Euro, die tatsächlich aus dem Bundesbudget kommen, wären die 3, 6 Prozent Einsparungsbedarf gar nur gut 16 Millionen Euro.

Oder anders formuliert: So wie es jetzt ausschaut, werden das Agrarressort und damit indirekt auch die Bauern zumindest doppelt so stark zur Kasse gebeten wie Ressorts, die nichts mit EU-Geldern zu tun haben.

Kein Wunder, dass da und dort bereits Stimmen laut werden, die davon sprechen, dass sich die Agrarier über den Tisch haben ziehen lassen. Das Zusammenspiel von Ministerium, Bauernkammer und Bauernbund war bisher eine Stärke der Agrarier, von der die Bauern profitierten. Nun aber droht, offenbar aus Parteiräson und treuer Ergebenheit dem Finanzminister gegenüber, die Landwirtschaft genau durch dieses Zusammenspiel Schaden zu erleiden. Unnötig teuren Schaden, der nicht nur die Arbeit in Verbänden und Kammern, sondern auch die Förderungen für die Bauern in Gefahr bringt.

Noch muss nicht alles verloren sein. Kämpfen zahlt sich vielleicht aus. Denn Pröll müsste Verständnis haben: Als Landwirtschaftsminister verlangte auch er vom Finanzminister, die EU-Gelder nicht ins Agrarbudget hineinzurechnen.

Blick ins Land 4/2010 - 2. April 2010
 
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