Samstag, 13. März 2010

Bauern ringen um Stellenwert





Die Erzeugung von Nahrungsmitteln steht für die Bauern nicht mehr an erster Stelle. Das sorgt für Skepsis.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Landwirtschaft kämpft um ihren Stellenwert. Vor dem Hintergrund der Preiskämpfe im Handel und im Hinblick auf die in drei Jahren anstehende Reform der EU-Agrarpolitik buhlt man um Anerkennung bei Konsumenten und bei Politikern, die der Landwirtschaft nicht nahestehen. Man weiß: Angesichts der knappen Kassen in privaten wie öffentlichen Haushalten braucht man gute Argumente, um entsprechende Preise und Förderungen zu bekommen.
1,859 Mrd. Euro überwies die Agrarmarkt Austria im Vorjahr an rund 130.000 österreichische Bauern und mehr als 100 Unternehmen aus der Nahrungsmittelindustrie. 1,2 Mrd. Euro davon kamen direkt als Betriebsprämien und anteilige Finanzierung von Umwelt- und Bergbauernprämien aus Brüssel. Für Letztgenannte steuerten zudem der Bund 345 Mill. und die Länder 237 Mill. Euro bei. Die Förderungen auf diesem Niveau zu halten, wird immer schwieriger. Die Konsumenten versuchen zu sparen und die Agrarförderungen stehen nicht nur in der Debatte um das österreichische Budget, sondern auch in der EU in Diskussion. Hohe Produktions- und Umweltstandards sind keine Garantie mehr für hohe Preise. Die Bauern kommen mit ihren Argumenten immer schwerer durch.

Dabei haben sie durchaus einiges vorzuweisen. Allein in Österreich etwa gibt es in der Landwirtschaft und deren Umfeld mehr als 300.000 Arbeitsplätze. Investieren Bauern in Ställe und Maschinen, haben nicht nur Unternehmen in ländlichen Regionen etwas davon. „Von der zusätzlichen Wirtschaftsleistung durch Förderungen wirkt rund ein Drittel bis in die Städte“, sagt Franz Sinabell vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Dazu komme die Bedeutung der Landwirtschaft für die Umwelt, die Gestaltung und Pflege der Landschaft, für den Tourismus und neuerdings auch für das Klima.

Die Bauern haben diese Argumente bereits so sehr aufgesogen, dass sie sich ein neues Berufsbild zurechtgelegt haben. „Die Bauern sehen sich in erster Linie als Hüter von Klima, Boden und Landschaft“, ist das Ergebnis einer Umfrage der Agrarmarkt Austria.

Genau darauf will die Landwirtschaft im Kampf ums Geld noch stärker setzen. „Ökosystemleistungen“ oder die „Bereitstellung öffentlicher Güter durch die Landwirtschaft“ gehören zu den neuen Schlagworten, die für die Zukunft der Bauern nach den Vorstellungen der Agrarpolitiker eine wichtige Rolle spielen sollen.

Beobachter wie Franz Sinabell sehen diese Strategie skeptisch. Sich die Zusage von Fördergeldern mit immer neuen Auflagen und Produktionseinschränkungen zu erkaufen, sei der falsche Weg. Er warnt vor einer Spirale: „Bürokraten lassen sich immer neue Auflagen einfallen, dann kommen die Kontrollore aus Wien und Brüssel und dann kommen auch noch wir Wissenschafter und zählen alles nach“, sagt Sinabell.

Zudem warnt er vor Illusionen. Dass die EU in Zukunft mehr Geld für die ländliche Entwicklung aufwenden wolle, bedeute nicht automatisch, dass das Geld auch bei den Bauern ankomme. „Da geht der Trend eher dahin, dass man nicht landwirtschaftliche Bereiche stärker fördert.“

Sinabell rät der Landwirtschaft daher zur Rückbesinnung auf das, was die Konsumenten laut AMA nach wie vor mit der Landwirtschaft zuallererst verbinden: die Nahrungsmittelproduktion. „Die Bauernvertretung muss klar sagen, dass es keinen Sinn hat, die Produktionsmöglichkeiten einzuschränken.“

Für Österreichs Bauern mag der Wirtschaftsforscher dennoch nicht schwarzsehen. „Es kann durchaus eine große Zahl von Betrieben geben, die mit der in der Agrarreform 2014 geplanten Vereinheitlichung der Prämien pro Hektar besser fahren werden als heute“, erklärt Sinabell.

Über den Grund dafür redete man in Österreich bisher nicht: Viele österreichische Bauern haben weniger zu verlieren als ihre Kollegen in anderen Ländern. Der Grund dafür: Mit EU-Prämien von knapp 220 Euro pro Hektar liegen die durchschnittlichen Direktzahlungen, die sie erhalten, derzeit unter dem EU-Mittel.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft - 13.März 2010

Montag, 1. März 2010

Vorsicht! Österreich!





"Bitte achten Sie verstärkt auf die Herkunft der Ware." Ausgerechnet in einer Aussendung nach dem Auffliegen des Quargel-Skandals rief der Bauernbundpräsident die Konsumenten auf, beim Einkauf genauer hinzuschauen.

Sicher gut gemeint, man kennt diese Aufforderung seit langem. Und die Konsumenten befolgen sie auch. Genau darum haben sie wohl zum "Hartberger Bauernquargel" gegriffen. Hartberg, das freundliche Städtchen in der Steiermark! Bauern! Mehr Österreich kann ja gar nicht sein.

Und dann ist da deutscher Topfen drin, nichts als deutscher Topfen.

Groß ist seither die Aufregung im Land und ellenlang sind die Pressetexte und Beteuerungen. Man kennt das. Da war doch erst im vergangenen Sommer die Geschichte mit dem Analogkäse, dann die mit dem steirischen Kernöl aus chinesischen Kürbiskernen. Und jetzt der Quargel. Was in den vergangenen Wochen abging, ist nichts anders als der vorläufige Höhepunkt einer Geschichte der Schlampereien, des Augenzwinkerns und des Wegschauens, die man in Österreich offenbar nicht und nicht in den Griff kriegt. Offenbar nicht kriegen mag, möchte man fast hinzufügen.

Man kennt doch die ganzen Geschichten, man weiß doch, wo es hapert, wo getrickst wird und wo die Optik schief ist. Ungeniert wird nach wie vor mit der Auszeichnung und der Präsentation der Herkunft Schindluder getrieben. Von den Herstellern genauso wie vom Handel und von der Gastronomie. Rotweißrote Fähnchen da, rotweißrote Striche oder ein Bild von einem imposanten Bergmassiv dort. Oder urige Holzvertäfelungen und trachtige Vorhänge in den Gaststuben, in denen die Kellnerinnen im Dirndl servieren. Der Einfallsreichtum ist schier grenzenlos.

Mit allen Mitteln wird beim Konsumenten der Eindruck erweckt, Heimisches im Einkaufskorb und auf dem Teller zu haben, auch wenn' s oft nicht einmal teilweise stimmt. Dass Österreichs berühmtester Speck aus dem Fleisch vorwiegend holländischer Schweine erzeugt wird, passt da ins Bild. Wir haben uns daran gewöhnt. Und niemand tut wirklich etwas dagegen. Dem regelmäßigen Getöse haftet bereits Routine an, den meterlangen Aussendungen ebenso und den wortreichen Forderungen auch. Seit Jahren. Besser ist nichts geworden.

Offenbar gelingt es nicht, den Konsumenten die Sicherheit zu geben, dass wirklich Österreich drin ist, wo Österreich drauf steht. Die bei solchen Gelegenheiten immer wieder getrommelte Empfehlung, zu Produkten mit dem AMA-Gütesiegel zu greifen, weil man nur da wirklich Sicherheit habe, Österreichisches in der Hand zu haben, ist, genau betrachtet, ein Armutszeugnis. Das AMA-Gütesiegel hat bei Frischfleisch einen Marktanteil von nur 30 bis 40 Prozent. Bei manchen Milchprodukten sind es gerade einmal 60. Und bei Produkten wie Wurst weniger als zehn. Im Umkehrschluss heißt das aber doch nichts anderes, als dass man sich bei 60 bis 70 Prozent des Fleisches, bei bis zu 40 Prozent der Milchprodukte und bei 90 Prozent der Wurstprodukte, die in Österreich im Handel verkauft werden, nicht wirklich sicher sein kann, ob die Herkunftsangaben tatsächlich stimmen. Und da ist die Gastronomie noch gar nicht dabei.

Das kann doch nicht sein. Wirklich nicht. Auch wenn die Thematik noch so vielschichtig sein mag -es ist Zeit, die Glacéhandschuhe, mit denen man das Thema bisher angefasst hat, auszuziehen und ordentlich in diesen Sumpf zu greifen.


Blick ins Land - Ausgabe 3/10 - 1.März 2010
 
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