Donnerstag, 7. Januar 2010

Bauern hängen wie eh und je am Tropf





Die Landwirtschaft ist müde. Man steckt in einer schwierigen Zeit. Vor zwei Jahren schien ihr alle Zukunft zu gehören. „Wir sind wieder wer“, hieß es. Daran richteten sich die Bauern, die so lange auf gute Preise gewartet hatten, wieder auf. Hoffnungen sprießten allerorten, Pläne wurden gemacht. Alles schien möglich.

Und dann das tiefe Tal, das alle Pläne und Träume zunichte machte. Der große Preisrutsch. Erst bei Milch, dann bei Getreide, schließlich auch bei Fleisch. Große Enttäuschung, Wut zuweilen, Hilflosigkeit.

Man musste zur Kenntnis nehmen, dass man wieder dort stand, wo man immer schon stand. Vielleicht sogar noch ein bisschen schlechter. Weniger als 25 Cent für ein Kilogramm Milch, acht, neun Cent für ein Kilogramm Getreide – das gab es noch nie.

Und was vielleicht noch schlimmer wiegt: Hoffnungen, auf die die Bauern nach zahllosen schwierigen Jahren immer gesetzt hatten, zerplatzten. Statt dessen hat sich Ernüchterung breit gemacht. Der Einstieg in die Biospriterzeugung, jahrzehntelang die Hoffnung gerade im Getreidebau? Der Preisverfall war deswegen um keinen Cent geringer. Die Qualitätsschiene, auf die Österreichs Landwirtschaft immer so stolz ist, auf die Markenprogramme und die Gütesiegel? Da hielt, genau besehen, auch nicht alles so, wie immer erwartet wurde. Die Konsumenten griffen in Scharen zu den billigen Eigenmarkenprodukten, die der Handel flugs in die Regale presste. Selbst Bio kam gehörig unter Druck.

Jetzt ist der Schwung wieder weg, und die Landwirtschaft muss erkennen, dass sie wie eh und je am Tropf hängt. Denn von den Preisen kann kein Bauer leben, nicht beim Hoch vor zwei Jahren und jetzt schon gar nicht. Dementsprechend groß ist die Abhängigkeit von Direktzahlungen. Sie machen bei einem durchschnittlichen Betrieb knapp 25 Prozent der Betriebseinnahmen aus. Das ist fast so viel, wie den Bauern laut Grünem Bericht unter dem Strich als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bleiben. Ein ganzer Wirtschaftszweig ist – alles in allem – nichts anderes als ein Nullsummenspiel. Und bei dem scheint nichts mehr zu gehen.

„Was nun?“, ist die Frage. Die Meriten aus der Vergangenheit, die bisher im internationalen Vergleich relativ gute Lage der heimischen Bauern zählen da wenig.

Die Agrarpolitik jedweder Couleur steckt ebenso wie die Bauern in einer schweren Krise. Sie hat größte Probleme, den Bedürfnissen der österreichischen Landwirtschaft gerecht zu werden.

Das ist derzeit zugegebenermaßen schwierig, aber es ist kein Grund, die Politik aus ihrer Pflicht zu entlassen. Sonntagsreden und Beteuerungen sind zu wenig. Und erst recht Taschenspielertricks wie das Milchpaket aus 2008, das den Bauern gleich mehrmals als Maßnahme gegen die Milchkrise verkauft wurde. Ohnehin nur 25 Mill. Euro schwer, wird das Geld aber erst heuer fließen. Ebenso die fünf Millionen aus dem 280-Millionen-Milchkrisenpaket der EU, der einzigen finanziellen Hilfestellung im größten Krisenjahr der Landwirtschaft seit Jahrzehnten. Für die Getreidebauern gab es nicht einmal das, sondern nur die vage Idee, Krisenlager aufzubauen – ein Polit-Almosen sozusagen.

Was den Bauern seit Monaten aufgetischt wird, sind Beteuerungen, alte Hüte und magere Erklärungen. Bemühtheit bestenfalls. Und das, während eine Illusion nach der anderen – wie eingangs skizziert – an der Wirklichkeit zerbröselt.

Landwirtschaft heute ist nicht mehr die Landwirtschaft der fünfziger und sechziger Jahre. Die Bauern sind den Märk-ten ausgesetzt. Das Umfeld hat sich total verändert. Die Gesellschaft hat immer weniger Lust zu zahlen, vor allem nicht für agrarpolitische Schrebergärten.

Und allem zum Trotz verweigert man sich in der Landwirtschaft einer ehrlichen Diskussion. In der Agrarpolitik und auf den Bauernhöfen.

Zuweilen hat man den Eindruck, als ergehe man sich in gegenseitiger Hilflosigkeit. Müde geworden vom Kampf um Anerkennung für die Arbeit und um bessere Preise sucht man lieber Zuflucht in alten Stehsätzen, Erklärungen und Beteuerungen. Und tut sich vor allem Leid. Die einen, die Bauern, so zuweilen der Eindruck, hören am liebsten, wie schlecht es ihnen geht und die anderen, die Agrarpolitiker, wie gut sie trotzdem sind.

Sie sollten aufhören damit und sich der Realität stellen.

Aber da ist sehr wenig Offensivgeist. Da sind vor allem kaum junge Bauernvertreter mit neuen Ideen. Und wenn schon jung, dann werden sie im Sinne der Partei- oder Kammer-Disziplin meist angehalten, das zu trommeln, was die Alten seit 20, 30 Jahren trommeln – und nicht durchbrachten, obwohl die politische Konstellation in unserem Land, zumindest was die Vertretung der Bauern betrifft, seit zwei Jahrzehnten so gut ist wie nirgendwo sonst.

Wirklich neue Wege will man aber nicht einmal diskutieren und schon gar nicht Tabus brechen. Dabei sind die Annahmen und Leitsätze, auf denen hierzulande die Agrarpolitik basiert, durchaus zu hinterfragen. Ist die heimische Landwirtschaft wirklich so gut, wie man gerne glaubt? Die Produktionsweise? Sind die Produkte so einzigartig? Sind sie überhaupt die richtigen? Gar nicht zu reden vom Thema Strukturpolitik, das Bauern wie Agrarpolitikern ein Gräuel zu sein scheint. Da klammert man sich da wie dort lieber an überholte Ziele und sagt eher: „Das erledigt sich sowieso von selbst“.

Dies freilich könnte bald auch der ganzen österreichischen Landwirtschaft widerfahren, wenn sie sich keinen Ruck gibt. Bauern und Agrarpolitik können es sich ganz einfach nicht leisten, müde zu sein. Und sie können es sich schon gar nicht leisten, vor der Realität die Augen zu verschließen. Nicht jetzt, wo in Europa die agrarpolitischen Weichen völlig neu gestellt werden, die öffentlichen Haushalte, von denen die Landwirtschaft so sehr abhängt, überall krachen und damit auf die Landwirtschaft Herausforderungen zukommen, wie es sie möglicherweise noch nie gegeben hat.

Raiffeisenzeitung, 7. Jänner 2010

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