Freitag, 22. Januar 2010

Bauern zahlen für den Klimawandel





HANS GMEINER
Die Folgen des Klimawandels werden für die Landwirtschaft weltweit zu einem immer größeren Problem. Immer öfter zerstören Unwetter, Hagel, Überschwemmungen, Sturmkatastrophen und Dürreperioden die Ernten. Seit den 1960er Jahren hat sich die Anzahl der großen Wetterkatastrophen pro Jahr verdoppelt, die volkswirtschaftlichen Schäden haben sich vervielfacht.

Auch die österreichische Landwirtschaft blieb davon nicht verschont. Seit 2004 hat sich die Zahl der Schadensmeldungen mehr als verdoppelt. „2009 war das vierte Katastrophenjahr hintereinander“, sagt Kurt Weinberger, Generaldirektor der Österreichischen Hagelversicherung. Das hinterläßt auch in der Bilanz der Hagelversicherung ein Loch. Weinberger: „Wir erwarten ein Minus im niedrigen zweistelligen Millionenbereich“.

Angesichts der Klimaprognosen ist für Weinberger klar: „Man muss davon ausgehen, dass es noch schlimmer wird“. Daher will er die Diskussion über das Thema Risikomanagement in der Landwirtschaft auf internationaler Ebene voran treiben. Auf seine Initiative hin diskutierten Donnerstag Versicherungsexperten aus aller Welt in Wien künftige Strategien. Dabei ging es nicht nur um die Versicherung von Ernten und Vieh, sondern auch um die Einkommensabsicherung, die angesichts der immer größeren Preisschwankungen rasant an Bedeutung gewinnt.

In Österreich sind derzeit rund 80 Prozent der Agrarflächen gegen Wetterschäden versichert. Bei der Versicherung gegen Hagel und Frost greifen daher Bund und Länder den Bauern mit jeweils 13 Mill. Euro unter die Arme und übernehmen 50 Prozent der Prämien. Die Kosten für die Versicherung anderer Risiken wie Dürre, Sturm, Starkregen, Überschwemmung oder Verwehung müssen die Bauern in voller Höhe selbst tragen.

Weinberger wünscht sich von der öffentloichen Hand eine staatliche Rückversicherung. Reserviert zeigt er sich gegenüber einer in Versicherungskreisen diskutierten Naturkatastrophenversicherung. „Das will ich nicht interpretieren“.

Vorderhand müssen die Bauern mehr zahlen: Im Schnitt hebt die Hagelversicherung die Prämien heuer um fünf Prozent an.


Wirtschaft / 22.01.2010 / Print

Samstag, 16. Januar 2010

„Halten den Preiskampf nicht mehr aus“





HANS GMEINER Berlin (SN). Im Lebensmittelhandel tobt, befeuert von Preisvergleichen der Konsumentenorganisationen, seit Wochen eine Preisschlacht wie kaum je zuvor. Die Prospekte der großen Handelsketten und Diskonter sind voll mit Sonderangeboten und noch nie da gewesenen „Tiefstpreisen“, die um bis zu 50 Prozent unter den Normalpreisen liegen. Schweinsschnitzelfleisch gibt es bei manchen Anbietern um 2,99 je Kilogramm, Kartoffeln um 25 Cent, Extrawurst um 1,88 Euro, Butterkäse um 7,13 und Mischbrot um 69 Cent.

Bei Bauern und Lebensmittelverarbeitern herrscht Alarmstufe Rot. „Wir halten das nicht mehr aus“, klagte Bauernkammerpräsident Gerhard Wlodkowski bei der Grünen Woche in Berlin. „Die Grenzen des Zumutbaren sind erreicht.“ Groß ist auch der Unmut bei den Lebensmittelherstellern. „Der Druck ist gewaltig“, sagte Michael Blass, Geschäftsführer des Verbands der Lebensmittelindustrie, im Gespräch mit den SN. Die jüngsten Preisschlachten hätten eine neue Qualität. „Damit bringt der Handel eine neue Kultur im Umgang miteinander ein“.

Diese neue Kultur empfindet Blass als alles andere als gut. Für ihn ist klar: "Schuld daran ist die Marktkonzentration". Die Revierkämpfe würden auf dem Rücken von Bauern und Lebensmittelerzeugern ausgetragen.

Die Bauern werfen den Handelsketten vor, mit ihrem Vorgehen die Qualitätsproduktion in Österreich zu zerstören. Wlodkowski: „Dabei geht es nicht allein um die Bauern, sondern auch um die Arbeitsplätze in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen“. Für Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich ist klar, wohin dieser Weg führt: „Mit der Jagd nach den billigsten Lebensmitteln kommt die industrialisierte Landwirtschaft.“ Der Kampf gegen die „Geiz-ist-geil“-Mentalität ist einer der Schwerpunkte seines heurigen Arbeitsprogramms. „Qualität geht nicht mit Schleuderpreisen“, sagt der Minister.

Wie Bauern und Verarbeiter mit dem Preisdruck wirklich fertig werden können, wissen sie freilich noch nicht so recht. Zum einen setzen sie auf das Verständnis der Konsumenten und ein entsprechendes Kaufverhalten. Zum anderen wollen sie neuerlich in Gesprächen versuchen, die Handelsketten zum Einlenken zu bringen.

Erst wenn die nichts fruchten, plant man härtere Maßnahmen. Wie die ausschauen könnten, will man noch nicht preisgeben. Bauernkammerpräsident Wlodkowski sagt: „Ich will noch nicht die Keule auspacken, bisher haben wir immer auch mit Gesprächen etwas erreicht.“


Salzburger Nachrichten Wirtschaft / 16.01.2010 / Print

Freitag, 15. Januar 2010

Exportwunder stößt an Grenze





HANS GMEINER Berlin (SN). Eigentlich hätten die Schampuskorken knallen sollen. Mit knapp acht Millionen Tonnen war im Vorjahr die Gesamtmenge der heimischen Agrarexporte so groß wie noch nie. „Umgelegt auf die Einwohnerzahl Österreichs bedeutet das, dass wir pro Österreicher eine Tonne Agrarprodukte und Lebensmittel exportiert haben“, rechnete Donnerstag Stephan Mikinovich, Chef der AMA-Marketing, bei der „Grünen Woche“ in Berlin vor. Doch trotz des Zuwachses um mehr als fünf Prozent bleibt der Schampus zu, denn die Steigerung der Exportmenge konnte den starken Rückgang der Preise nicht wettmachen. Nach aktuellen Schätzungen werden die Exporte daher wertmäßig mit insgesamt 7,1 Mrd. Euro um 10,4 Prozent unter dem Niveau des vorangegangenen Jahres liegen.

Das ist ein Dämpfer für eine der Erfolgsstorys der heimischen Landwirtschaft. Nach der beispiellosen Aufholjagd in den Jahren nach dem EU-Beitritt, als sich die Ausfuhren innerhalb von zehn Jahren mehr als vervierfachten und sich die Agrarhandelsbilanz ausglich, scheint man nun an Grenzen zu stoßen. Seit drei Jahren wachsen die Importe von Agrarprodukten nach Österreich sowohl mengen- als auch wertmäßig wieder schneller als die Exporte oder gingen (wie im Vorjahr) weniger stark zurück. Die ausgeglichene Agrarhandelsbilanz wie noch 2006 ist damit wieder in weite Ferne gerückt. Für 2009 wird ein Defizit von 700 bis 800 Millionen Euro erwartet.

Immer weiter geht auch die Schere beim Wert der Außenhandelsgüter auseinander. Während für ein Kilogramm österreichischer Ware im Export im Schnitt 0,90 Cent erlöst wurden, waren es beim Import 1,13 Euro. Vor fünf Jahren lag dieses Verhältnis, das Anhaltspunkt für Verarbeitungsgrad und Qualität der Produkte ist, noch bei 0,96 zu 0,99 Cent.

„Dafür sorgen Importprodukte, in denen viel Know-how und Forschungsgelder stecken, wie Milchprodukte gegen Darmträgheit“, sagt Mikinovich. „Da können wir nicht mit, darum setzen wir auf Frische.“


Salzburgrer Nachrichten Wirtschaft / 15.01.2010 / Print

Donnerstag, 7. Januar 2010

Bauern hängen wie eh und je am Tropf





Die Landwirtschaft ist müde. Man steckt in einer schwierigen Zeit. Vor zwei Jahren schien ihr alle Zukunft zu gehören. „Wir sind wieder wer“, hieß es. Daran richteten sich die Bauern, die so lange auf gute Preise gewartet hatten, wieder auf. Hoffnungen sprießten allerorten, Pläne wurden gemacht. Alles schien möglich.

Und dann das tiefe Tal, das alle Pläne und Träume zunichte machte. Der große Preisrutsch. Erst bei Milch, dann bei Getreide, schließlich auch bei Fleisch. Große Enttäuschung, Wut zuweilen, Hilflosigkeit.

Man musste zur Kenntnis nehmen, dass man wieder dort stand, wo man immer schon stand. Vielleicht sogar noch ein bisschen schlechter. Weniger als 25 Cent für ein Kilogramm Milch, acht, neun Cent für ein Kilogramm Getreide – das gab es noch nie.

Und was vielleicht noch schlimmer wiegt: Hoffnungen, auf die die Bauern nach zahllosen schwierigen Jahren immer gesetzt hatten, zerplatzten. Statt dessen hat sich Ernüchterung breit gemacht. Der Einstieg in die Biospriterzeugung, jahrzehntelang die Hoffnung gerade im Getreidebau? Der Preisverfall war deswegen um keinen Cent geringer. Die Qualitätsschiene, auf die Österreichs Landwirtschaft immer so stolz ist, auf die Markenprogramme und die Gütesiegel? Da hielt, genau besehen, auch nicht alles so, wie immer erwartet wurde. Die Konsumenten griffen in Scharen zu den billigen Eigenmarkenprodukten, die der Handel flugs in die Regale presste. Selbst Bio kam gehörig unter Druck.

Jetzt ist der Schwung wieder weg, und die Landwirtschaft muss erkennen, dass sie wie eh und je am Tropf hängt. Denn von den Preisen kann kein Bauer leben, nicht beim Hoch vor zwei Jahren und jetzt schon gar nicht. Dementsprechend groß ist die Abhängigkeit von Direktzahlungen. Sie machen bei einem durchschnittlichen Betrieb knapp 25 Prozent der Betriebseinnahmen aus. Das ist fast so viel, wie den Bauern laut Grünem Bericht unter dem Strich als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bleiben. Ein ganzer Wirtschaftszweig ist – alles in allem – nichts anderes als ein Nullsummenspiel. Und bei dem scheint nichts mehr zu gehen.

„Was nun?“, ist die Frage. Die Meriten aus der Vergangenheit, die bisher im internationalen Vergleich relativ gute Lage der heimischen Bauern zählen da wenig.

Die Agrarpolitik jedweder Couleur steckt ebenso wie die Bauern in einer schweren Krise. Sie hat größte Probleme, den Bedürfnissen der österreichischen Landwirtschaft gerecht zu werden.

Das ist derzeit zugegebenermaßen schwierig, aber es ist kein Grund, die Politik aus ihrer Pflicht zu entlassen. Sonntagsreden und Beteuerungen sind zu wenig. Und erst recht Taschenspielertricks wie das Milchpaket aus 2008, das den Bauern gleich mehrmals als Maßnahme gegen die Milchkrise verkauft wurde. Ohnehin nur 25 Mill. Euro schwer, wird das Geld aber erst heuer fließen. Ebenso die fünf Millionen aus dem 280-Millionen-Milchkrisenpaket der EU, der einzigen finanziellen Hilfestellung im größten Krisenjahr der Landwirtschaft seit Jahrzehnten. Für die Getreidebauern gab es nicht einmal das, sondern nur die vage Idee, Krisenlager aufzubauen – ein Polit-Almosen sozusagen.

Was den Bauern seit Monaten aufgetischt wird, sind Beteuerungen, alte Hüte und magere Erklärungen. Bemühtheit bestenfalls. Und das, während eine Illusion nach der anderen – wie eingangs skizziert – an der Wirklichkeit zerbröselt.

Landwirtschaft heute ist nicht mehr die Landwirtschaft der fünfziger und sechziger Jahre. Die Bauern sind den Märk-ten ausgesetzt. Das Umfeld hat sich total verändert. Die Gesellschaft hat immer weniger Lust zu zahlen, vor allem nicht für agrarpolitische Schrebergärten.

Und allem zum Trotz verweigert man sich in der Landwirtschaft einer ehrlichen Diskussion. In der Agrarpolitik und auf den Bauernhöfen.

Zuweilen hat man den Eindruck, als ergehe man sich in gegenseitiger Hilflosigkeit. Müde geworden vom Kampf um Anerkennung für die Arbeit und um bessere Preise sucht man lieber Zuflucht in alten Stehsätzen, Erklärungen und Beteuerungen. Und tut sich vor allem Leid. Die einen, die Bauern, so zuweilen der Eindruck, hören am liebsten, wie schlecht es ihnen geht und die anderen, die Agrarpolitiker, wie gut sie trotzdem sind.

Sie sollten aufhören damit und sich der Realität stellen.

Aber da ist sehr wenig Offensivgeist. Da sind vor allem kaum junge Bauernvertreter mit neuen Ideen. Und wenn schon jung, dann werden sie im Sinne der Partei- oder Kammer-Disziplin meist angehalten, das zu trommeln, was die Alten seit 20, 30 Jahren trommeln – und nicht durchbrachten, obwohl die politische Konstellation in unserem Land, zumindest was die Vertretung der Bauern betrifft, seit zwei Jahrzehnten so gut ist wie nirgendwo sonst.

Wirklich neue Wege will man aber nicht einmal diskutieren und schon gar nicht Tabus brechen. Dabei sind die Annahmen und Leitsätze, auf denen hierzulande die Agrarpolitik basiert, durchaus zu hinterfragen. Ist die heimische Landwirtschaft wirklich so gut, wie man gerne glaubt? Die Produktionsweise? Sind die Produkte so einzigartig? Sind sie überhaupt die richtigen? Gar nicht zu reden vom Thema Strukturpolitik, das Bauern wie Agrarpolitikern ein Gräuel zu sein scheint. Da klammert man sich da wie dort lieber an überholte Ziele und sagt eher: „Das erledigt sich sowieso von selbst“.

Dies freilich könnte bald auch der ganzen österreichischen Landwirtschaft widerfahren, wenn sie sich keinen Ruck gibt. Bauern und Agrarpolitik können es sich ganz einfach nicht leisten, müde zu sein. Und sie können es sich schon gar nicht leisten, vor der Realität die Augen zu verschließen. Nicht jetzt, wo in Europa die agrarpolitischen Weichen völlig neu gestellt werden, die öffentlichen Haushalte, von denen die Landwirtschaft so sehr abhängt, überall krachen und damit auf die Landwirtschaft Herausforderungen zukommen, wie es sie möglicherweise noch nie gegeben hat.

Raiffeisenzeitung, 7. Jänner 2010

Bei Milch geht es wieder aufwärts




Auf dem Milchmarkt scheint das Ärgste vorbei. Die Bauernmilchpreise zogen seit Sommer um bis zu 20 Prozent an.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Wenn es nach für den Milchmarkt wichtigen Signalen geht, ist bei der Milchkrise das Ärgste überwunden. Auf den internationalen Märkten haben die Preise für Milch und Milchprodukte seit dem Tiefststand im vergangenen Februar kräftig angezogen. Insbesondere die Preise für Butter und Milchpulver schnellten um bis zu 80 Prozent in die Höhe. Auch in den heimischen Regalen ist die Wende spürbar. War ein Kilogramm der billigsten Butter im Sommer um 99 Cent zu haben, so sind jetzt dafür 1,19 Euro zu zahlen – um 20 Prozent mehr. Auch bei Rahm und Fett steigen die Preise, bei Käse aber sind sie weiter gedrückt.
Damit schaut für die Milchbauern die Lage nicht mehr ganz so trist aus wie noch vor wenigen Monaten. In den vergangenen Monaten hoben die Milchverarbeiter die Bauernmilchpreise sukzessive an. Mit rund 34 Cent pro Kilogramm (brutto) lagen sie zur Jahreswende um bis zu 20 Prozent höher als noch im Juli. Mit einer Erhöhung des Bruttopreises auf 34,55 Cent pro Kilogramm zum Jahresbeginn 2010 läutete die Berglandmilch, Österreichs größter Milchverarbeiter, eine neuerliche Preisrunde ein. Die Tirol Milch folgte bereits.

Die Bauern sollten ihre Erwartungen dennoch nicht zu hoch schrauben. Preise von weit über 40 Cent, wie vor zwei Jahren, bleiben Illusion. „Der Weg nach unten ist zwar gestoppt, aber der Markt ist immer noch sehr turbulent“, sagt Helmut Petschar, Chef der Kärntnermilch und Sprecher der heimischen Milchverarbeiter. Nicht anders sieht es auch Josef Braunshofer, Geschäftsführer der Berglandmilch: „Der Markt ist sehr schwer einzuschätzen.“ Nur der Chef der Gmundner Molkerei, Michael Waidacher, gibt sich optimistisch: „Ich bin guter Dinge, dass es so weitergeht wie in den vergangenen Monaten.“

Die Unsicherheitsfaktoren sind noch groß: Vor allem die Butter- und Milchpulverlager, die von der EU in den vergangenen Monaten aufgebaut wurden, machen Sorgen. „Entscheidend wird sein, wie schnell die EU damit wieder auf den Markt kommt“, heißt es in der Branche.

Auch die Folgen der Wirtschaftskrise sind noch nicht ausgestanden. Bei Lebensmitteln werde gespart, beklagen die Milchverarbeiter. Unter dem Eigenmarkenboom, der dem Handel gute Umsätze beschere, leide man ebenso wie unter dem nach wie vor heftigen Preiskampf. „Das wird letztlich auf dem Rücken der Bauern ausgetragen.“

Dementsprechend zurückhaltend gibt man sich, was die weitere Entwicklung der Bauernmilchpreise betrifft. „Wie es weitergeht, können wir im Moment nicht sagen“, meint Kärntnermilch-Chef Petschar. „Im ersten Quartal des neuen Jahres wird sie halbwegs stabil bleiben, dann werden wir weitersehen.“ Sein Kollege Braunshofer von Berglandmilch ist überzeugt, dass die Milchbauern in Zukunft mit größeren Preisschwankungen rechnen müssen. „Das wird so kommen, ob wir es wollen oder nicht.“

Zumindest im Vorjahr scheinen die Molkereien mit diesen Preisschwankungen besser zurechtgekommen zu sein als ihre Rohstofflieferanten. Nachdem die knapp 90 heimischen Milchverarbeiter 2008 in Summe negativ bilanzierten, scheint es 2009 besser gelaufen zu sein. „Ich denke, dass wir positiv sind“, sagt Petschar.

Salzburger Nachrichten - Wirtschaft 7.1.2010

Freitag, 1. Januar 2010

Die Landwirtschaft braucht bessere Argumente






Im Handel tobt seit Wochen eine Preisschlacht wie noch nie. „Hammerpreise“, „Dauertiefstpreise“, „Superschnäppchen“. Österreichisches Weizenmehl gibt es um 29 Cent, ein Kilo Wiener Zucker um 75 Cent, Käse im Doppelpack und zum halben Preis und Fleisch zu „Wahnsinnspreisen“. Und dazu boomen die Billig-Eigenmarken der Handelsketten so sehr, dass selbst für Diskonter die Luft dünn wird.

Für die Lebensmittelhersteller und für die Landwirtschaft ist sie es schon längst. Niemand hätte geglaubt, dass so ungeniert weiter an der Preisspirale gedreht wird.

Der Druck ist enorm. Viele Verarbeiter klagen und wollen am liebsten keine Zahlen mehr über ihre wirtschaftliche Entwicklung weitergeben. Zumal dann wenn die nicht schlecht ist – „weil dann halten uns die Einkäufer bei den Preisverhandlungen die Zeitungsausschnitte vor die Nase“.

Da ist man lieber ruhig.

Das ist inzwischen offenbar auch die Landwirtschaft. Gab es seinerzeit noch Demonstrationen vor Supermärkten und heftige Scharmützel mit dem Handel, so herrscht seit geraumer Zeit nur mehr Schweigen - als schiene man mit dem Latein am Ende.

Klartext mag derzeit niemand reden. Nicht zuletzt wohl auch, weil die Landwirtschaft im Beziehungsgeflecht mit Handel, Verarbeitern aber auch Konsumenten immer schwächer wird. Vertun will man es sich da mit niemandem, will doch diese Handelskette als Gütesiegel-Nutzer gewonnen werden, geht doch dort ein ganzer Bauernverband eine Partnerschaft mit einem Diskonter ein und da will man nirgends anecken, weil man auf Projekte hofft. Allenfalls gibt es Gespräche auf höchster Ebene in dieser Vorstandetage, Meinungsaustausch in jener. Aber praktisch immer ohne greifbare Ergebnisse.

Nur keine Wellen. Das alltägliche Spiel im Geschäftsleben eben.

Das scheint alles zu sein.

Die Frage ist nur, ob die Landwirtschaft respektive die Bauernvertretung dieses Spiel gut spielt.

Wohl eher nicht. Die Gegenseite scheint besser zu sein. Die Supermarktketten nutzen nach Bedarf das Image österreichischer Produkte und gerieren sich als Partner der heimischen Bauern, wenn es ihnen hineinpasst. Und sonst halt nicht. Da sind Produkte von anderswo genauso recht, wenn nur der Preis stimmt.

Und immer mehr Konsumenten ist das nur recht.

Die Landwirtschaft muss zuschauen. Ihre Hinweise auf Arbeitsplätze, Landschaftserhaltung, Verantwortung oder darauf, dass nur mehr 13 Prozent der Haushaltsausgaben auf Lebensmittel entfallen, verfangen längst nicht mehr.

Dass es so ist, hat auch damit zu tun, dass man in Produktion und Vermarktung zu lange auf überholten Standpunkten beharrte und die eigene Stellung auf den Märkten und bei den Konsumenten falsch einschätzte - weil man keine anderen Chance sah, oft aber auch aus reinem Bestemm. „Mia san mia“.

Kein Wunder ist etwa, dass sich Handelsriesen unter dem Mäntelchen der Vertragslandwirtschaft ihre eigenen Bauern zurechtschneiderten - abseits der gewohnten und von der Bauernvertretung beeinflussbaren Strukturen.

Sogar im eigenen Umfeld tut sich die Landwirtschaft schwer, Gehör zu finden. Viele Genossenschaften haben sich längst von den Bedürfnissen der heimischen Landwirtschaft abgekoppelt. „Wir müssen ja etwas verdienen“.

Nun, da haben sie wohl recht - aber die Bauern sollten das auch.

Dafür freilich müssen sie sich neue Strategien und bessere Argumente einfallen lassen, um mit den Kräften auf den Märkten zurecht und dabei nicht zu kurz zu kommen.



Blick ins Land 1/2010 v. 1. Jänner 2010
 
UA-12584698-1