Freitag, 7. August 2009

Die Bauern sind wieder in Hochform





Der Milchpreis ist eine Katastrophe, die Getreidepreise sind wieder im Keller, die Fleischpreise springen auch nicht recht an - und die Bauern sind in Hochform. An allen Ecken und Enden wird geklagt und gejammert wie schon lange nicht mehr. "Da haben wir 50 Jahre den Bauernbund gewählt und dann das", sagt ein (sic!) 40-Jähriger. "Die Ernte wird heuer ein Defizit", klagt einer beredt, obwohl er noch keinen Quadratmeter geerntet hat. Und ein anderer echauffiert sich darüber, dass die Bauernpreise immer niedrig sind und alles andere teurer wird - und pachtet dennoch dazu, was zu kriegen ist.

Ja, den Bauern geht es derzeit nicht gut. Zerplatzt sind die Träume, die vor zwei Jahren so hoch flogen. Die Situation ist schwierig, keine Frage - aber all das ist kein Grund, jedes Maß zu verlieren.

Dazu aber haben die Bauern immer schon geneigt. Man fühlt sich oft benachteiligt und als Opfer, glaubt man doch besondere Ansprüche zu haben. Derzeit gehen viele dieser Neigung wieder mit besonders großer Inbrunst nach. Dabei halten sich Bauern gerne für Unternehmer. Selbstständig, unabhängig, frei. Davon ist derzeit nicht viel zu merken. Viele Bauern scheinen ihren Masochismus nachgerade zu pflegen. Nicht wenige ruinieren sich ihr Leben damit. Und schuld sind immer nur die anderen. Immer.

Dabei verhalten sich die Bauern selbst zumeist gar nicht so anders als jene, denen sie gerne an ihrer Situation die Schuld geben. Warum sollen Abnehmer und Konsumenten mehr zahlen, wenn sie die gleiche Qualität woanders billiger kriegen. Die Bauern handeln doch auch Tag für Tag nicht anders - beim Einkauf von Maschinen, von Futtermitteln, im Supermarkt, im Kleidergeschäft.

Dass die Bauern eigentlich privilegiert sind, vergessen sie zumeist gerne. Sie haben, was sonst niemand in unserer Gesellschaft hat - ein Polster, gefüllt mit Ausgleichszahlungen, die Sicherheit geben. Auch wenn's in Feld und Stall nicht so läuft. Diese Zahlungen sollen hier nicht angezweifelt werden - aber Wirtschaftstreibende wären um Ähnliches froh, unselbstständig Beschäftigte sowieso, und auch viele Standeskollegen in anderen Ländern.

Österreichs Bauern sind da anders. Sie reden einfach nicht davon. Hauptsache, so zuweilen der Eindruck, man kann über die Preise klagen.

Da stellt sich einer ins Fernsehen und gibt den benachteiligten Milchbauern - und dann stellt sich heraus, dass der gute Mann pro Hektar und Jahr so viel an Prämien bekommt wie ein normaler Arbeiter für einen halben Monat Arbeit - nämlich 900 Euro. Und da meinen selbst Bauern über die Agrarpolitik schimpfen zu müssen, die genug Geld aus Wien, Brüssel und vom Land bekommen, um auch noch ihren Frauen ein Auto hinzustellen - jedes Jahr.

Alles ganz selbstverständlich - selbstverständlich. Der Beobachter reibt sich verwundert die Augen.

Warum nur, fragt man sich dann, warum nur betreiben viele aus dem Chor der Klagenden immer noch Landwirtschaft, vor allem jene, die durchaus auch andere Möglichkeiten hätten?

Im Englischen heißt es "Love it, change it, or leave it" - mag es, ändere es oder lass es sein.

Viele Bauern scheinen damit nichts anfangen zu können. Weder mit Ersterem noch mit Zweiterem - und schon gar nicht mit Letzterem. Dabei wäre das auch eine Alternative, eine sehr unternehmerische Entscheidung sogar. Aber dann müsste man auf eigenen Füßen stehen und hätte möglicherweise nichts mehr zum Jammern.

Blick ins Land" Nr. 08/09 vom 07.08.2009

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