Freitag, 2. Januar 2009

Der Schlendrian wird zur Gefahr





War das eine Aufregung in den Tagen vor Weihnachten. Irisches Dioxinfleisch in Österreich - o Graus! Kammerpräsidenten taten ihre Entrüstung per Presseaussendungen kund, die AMA-Marketing lud eilends zu einem Informationsgespräch. Da Sprechblasen, dort Sprechblasen, da Stellungnahmen und dort Klagen. Dabei konnte der heimischen Landwirtschaft gar nichts Besseres passieren. Sollte man meinen. Solche Skandale geben doch Gelegenheit, die Vorzüge der hiesigen Landwirtschaft und ihrer Produkte in die Auslage zu stellen. Dumm nur: Das geht nicht, ohne sich selbst kräftig anzupatzen.

Einmal abgesehen vom Dioxin im Fleisch, das ja nicht die Regel, sondern die kriminelle Ausnahme ist, und abgesehen davon, dass grundsätzlich nichts gegen Importe einzuwenden ist, weil ja auch die österreichische Landwirtschaft vom internationalen Handel lebt: Aber was sollen Konsumenten denken, wenn sie erfahren müssen, dass Tiroler Bauernspeck aus irischem Fleisch erzeugt wird? Dass ein Wiener Fleischer, der mit einem "Wiener Wurstgütesiegel" wirbt, durchaus auch im Ausland einkauft? Und das alles gesetzlich gedeckt und mithin völlig legal, mit viel Rot-weiß-rot auf der Verpackung, dem österreichischen Genusstauglichkeitskennzeichen und vielleicht auch noch einem Bundesadler?

Sie werden sich betrogen fühlen. Und das völlig zu Recht. Es wird ihnen in Zukunft wohl egal sein, woher der Speck, die Wurst, das Fleisch, die Butter kommt. Österreichische Qualität ist für sie, zumal dann, wenn sie noch dazu mehr dafür bezahlen sollen, wohl kaum mehr ein wichtiges Kaufkriterium.

Der Dioxinfleischskandal legt den Schlendrian in der Lebensmittelkennzeichnung offen. Der wird mittlerweile zur Gefahr für Österreichs Qualitäts-Strategie bei Lebensmitteln, weil die Konsumenten sich nicht mehr auskennen und sich verschaukelt fühlen. Und das gerade jetzt, wo die Treue wegen der zuweilen großen Preisunterschiede ohnehin schon stark strapaziert ist. Viele von denen, die sich da vor den Feiertagen entrüstet geäußert haben, haben dieser Entwicklung jahrelang zugeschaut. Achselzuckend. Die politischen Möglichkeiten in der Regierung, die ihnen die Bauern als überwiegend treue Bauernbund- und damit ÖVP-Wähler gegeben haben, haben sie nie genutzt, um diese Missstände zu ändern.

Es ist ihnen nie gelungen, zwischen all den EU-Vorgaben zur Kennzeichnung von Lebensmitteln Klarheit zu schaffen. Sie haben nichts getan, als der Handel mit viel Fantasie immer neue Zeichen und Fähnchen erfand, um Wurst, Käse, Schinken und Schnitzel in Inseraten als "österreichisch" auszuloben, ohne genau zu sagen, was dahinter steckt. Sie haben zugeschaut, wie Verbände und Organisationen mit immer neuen Siegeln die Konsumenten schwindlig machten, und den Wildwuchs auch noch mit hunderttausenden, ja Millionen Euro gefördert. Ja, sie haben mitunter sogar kräftig mitgeholfen, die Konsumenten hinters Licht zu führen. Man denke nur an den Kniefall vor Werner Lampert und dem Diskonter Hofer, für die man die Umstiegszeit auf Bio-Produktion halbierte. Man denke aber auch an die vielen Genussregionen und die Produkte, die dort erzeugt werden. Klingen allesamt gut, aber klare Regelungen dafür gibt es nicht.

Man darf gespannt sein, ob sich bei den Verantwortlichen die Lethargie jetzt löst. Als gelernter Österreicher fährt man wohl besser, wenn man das bezweifelt.

"Blick ins Land" Nr. 01/09 vom 02.01.2009

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