Montag, 2. November 2009

Agrarpolitik mit dem Leierkasten





Es war großes Theater. 20 EU-Landwirtschaftsminister in Wien, großes Palaver über die Milch und ein Katalog an Forderungen, der in der Hauptsache in einem gipfelte: Wir wollen noch mehr Geld. 300 Millionen.

Man fühlt sich gut seither. Dabei ist man in Handeln, Worten und Werken nichts anderes als hilflos und vor allem alt.Kreative Lösungen schauen anders aus. Aber die gibt es in der Agrarpolitik schon lange nicht mehr. Da dreht man sich, so der Eindruck, lieber im Kreis.

Es ist nicht gerade Ideenreichtum, mit dem man in den vergangenen Jahren den Bauern zur Seite stand. Das Immergleiche kommt in Politik und Werbung seit Jahren immer wieder. Wie aus einem Leierkasten. Die Forderung nach dem Ausbau von erneuerbaren Energieformen, GVO-Freiheit, Biolandwirtschaft - so richtig sie auch sein mögen - laufen sich langsam tot. Weltmilchtag, Welteitag, Weltapfeltag - man kennt das zum Überdruss.

Es scheint nichts Neues mehr zu geben in der österreichischen Landwirtschaft. Die Konzepte, Ideen und Forderungen, die heute auf jedem Biertisch getrommelt werden, sind mehr als 20 Jahre alt. Die Basis, auf der man immer noch arbeitet, ist das Konzept der ökosozialen Marktwirtschaft aus den 1980er Jahren. Dieses Konzept gab den Bauern neues Selbstbewusstsein und wirkt bis heute nach. Es war die Basis für die Entwicklung der Umweltprogramme. Erhaltung der Landschaft, Schutz der Umwelt, flächendeckende Landwirtschaft, Regionalität sind Schlagworte, die seither in keiner landwirtschaftlichen Diskussion fehlen.

Österreich war damals so etwas wie internationaler Vorreiter, wenn es galt, neue Wege für die Landwirtschaft abseits der einfachen Nahrungsmittelproduktion zu finden. Man hatte die Nase weit im Wind. "Wie macht ihr Österreicher das bloß?" fragte man sich in ganz Europa.Wo sind diese Zeiten, wo ist dieser Geist hingekommen?Die Agrarpolitik hat zweifellos viel erreicht in den vergangenen Jahren. Aber die Kreativität, der Mut zum Denken und die Bauernschläue, mit denen sich die Landwirtschaft damals ihr Überleben sicherte, sind verloren gegangen.In der heutigen Generation der Bauernvertreter ist davon kaum etwas zu finden. Ein paar Taferln, die Genussregionen markieren, das jahrelange Versprechen einer Milchprämie oder das Vorziehen der Auszahlung von Prämien gelten heute als "Agrarpolitik".Ansonsten? Man schreibt fort, was man seit Jahren kennt. Immer wieder. Der größte Teil der Energie geht viel zu oft darein, an Altem festzuhalten und zu erklären, warum etwas nicht geht.Die Krise der Landwirtschaft und auch die künftige Position der Landwirtschaft in der EU bräuchten aber ganz andere Antworten, um den Bauern tatsächlich Perspektiven zu bieten.Das Umfeld und die Anforderungen haben sich zum Teil dramatisch verändert. Da sind viele Positionen und lieb gewordene Einschätzungen zu hinterfragen. Für die Landwirtschaft geht es darum, das Gesetz des Handelns nicht gänzlich aus der Hand zu geben und zum machtlosen Rohstofflieferanten zu werden. Gegenüber Handel und Industrie ist das bereits passiert. In Brüssel ist man dabei, es zu verlieren. Das sind die Herausforderungen, denen man sich heute stellen muss.Politik ist nicht an den Grenzen zu messen, die ihrem Tun gesetzt erscheinen und auf die sich Politiker so gerne berufen, sondern sie ist daran zu messen, wie und ob es ihr gelingt, diese Grenzen zu überwinden.Für die Agrarpolitik gilt das in ganz besonderem Maße.


Blick ins Land 2.11.2009

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