Montag, 28. Dezember 2009

Zukunft wird nicht besser





HANS GMEINER

Heuer rutschten die Agrarpreise so weit nach unten, dass die Bauern praktisch nur mehr von den Ausgleichszahlungen leben müssen, weil ihnen nichts mehr bleibt. Dabei sind ihnen die – viele mögen das wohl nicht glauben – eigentlich zutiefst zuwider. Gute Preise für ihre Produkte wären den Bauern viel lieber.
Das aber spielt es nicht. Stattdessen fahren die Preise Achterbahn, wächst der Druck auf den Märkten, werden die Preisschlachten im Handel immer heftiger, wird das Verhalten der Konsumenten immer unberechenbarer.

Die Gesellschaft tickt anders als die Landwirtschaft das gern hätte. Zwar wünschen sich die Menschen kleine Höfe, umweltschonende Bewirtschaftung, kurzum: alles ein bisschen wie im Schrebergarten. Gleichzeitig jagt man aber die Bauern mit Preisvergleichen vor sich her, greift zu Billigmarken, wo immer es geht, und weigert sich, darüber nachzudenken, ob das alles zusammenpassen und sich ausgehen kann.

Die Bauern kommen mit diesen Tatsachen kaum mehr zurecht. Leisten können sie sich das freilich nicht. Denn es wird in Zukunft kaum anders werden. Und schon gar nicht besser.

Die Bauern müssen daher, so schwierig und schmerzhaft es auch sein mag, möglichst rasch lernen, mit diesen Verhältnissen zu leben. Sie müssen dabei zwar immer wieder von der Gesellschaft Verständnis einfordern, aber sie dürfen sich nicht drauf verlassen.

Genau das aber tun derzeit viele. Sie werden wohl bald verlassen sein. Denn die Realität ist anders.


Salzburger Nachrichten - Wirtschaft, 28. 12. 2009

Schwarzes Jahr für die Bauern





Die Bauern lebten heuer von den Förderungen. In der Landwirtschaft blieb wegen der schlechten Preise nichts übrig.


HANS GMEINER Salzburg (SN). 25 Cent für ein Kilogramm Milch statt 40 und mehr im Jahr zuvor, 10 Cent für ein Kilogramm Weizen statt 16, und gar nur sechs Cent für ein Kilogramm Mais, statt früher zumindest 10 Cent – dass ihre Lage alles andere als gut ist, wissen die Bauern schon seit Monaten. Nun haben sie es schwarz auf weiß. Nach ersten Schätzungen war das Jahr 2009 für die Landwirte das schlechteste Jahr seit Langem. Kaum je zuvor gab es einen derart starken Einkommensrückgang. Im Schnitt, so die vorläufige Berechnung von Statistik Austria, fielen die Agrareinkommen je Arbeitskraft heuer gegenüber 2008 um 20,5 Prozent. Sie sind damit fast so niedrig, wie zu Beginn dieses Jahrzehnts. Aus der Landwirtschaft war damit heuer praktisch kaum etwas zu erwirtschaften, die Bauern mussten de facto von den Förderungen leben.

Heftig waren heuer vor allem die Einbußen für die Milchbauern. Der bis zum Sommer schier ungebremste Preisverfall bescherte ihnen ein Einkommensminus von 25 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Jahr. Noch schlimmer erwischte es die Getreidebauern. Wegen der starken Preisrückgänge und der im Vergleich zu 2007 niedrigeren Ernte mussten sie gar Einbußen in der Höhe von 29,1 Prozent hinnehmen. Die Rinder- und Schweinemäster kamen mit einem Minus von 6,2 bzw. 2,8 Prozent noch vergleichsweise glimpflich davon.

Den Bauern in den anderen EU-Staaten ging es kaum besser. Nach Schätzungen von Eurostat ist heuer das Bauerneinkommen in 22 der 27 EU-Staaten gesunken. Mit einem Rückgang von rund einem Fünftel freilich gehört Österreich gemeinsam mit Ungarn (minus 35,6 Prozent), Italien (minus 25,3), Luxemburg (minus 25,1), der Tschechischen Republik (minus 24,1), Irland (minus 22,3) und Deutschland (minus 21,0) zum schlechtesten Drittel. Die größten Zuwächse gab es übrigens in Großbritannien (14,3 Prozent), Malta (9,1) und Finnland (2,6). Insgesamt betrug der Rückgang im EU-Durchschnitt 12,2 Prozent.

Um wie viel Geld den Bauern heuer tatsächlich weniger in der Brieftasche bleibt, ist freilich schwer zu sagen, weil die Methoden der Darstellung der Einkommensentwicklung zwischen Statistik Austria (beruht auf Schätzungen und ist nicht betriebsbezogen) und dem Grünen Bericht (beruht auf Buchführungsergebnissen) abweichen. Nimmt man die Zahlen von Statistik Austria als Richtwert, ist davon auszugehen, dass einem durchschnittlichen Bauernbetrieb heuer gegenüber dem Vorjahr rund 4500 Euro fehlen. Statt etwa rund 22.200 Euro wird das durchschnittliche landwirtschaftliche Einkommen je Betrieb inklusive Förderungen heuer nur rund 17.800 Euro betragen. Das bedeutet, dass den Bauern aus der Bewirtschaftung von Feldern und Ställen praktisch nichts blieb. Denn diese Summe entspricht (bei aller Ungenauigkeit solcher Vergleiche) ungefähr dem, was im Schnitt laut Grünem Bericht jährlich als Betriebs- und Tierprämien, Umweltgelder und andere Zuschüsse an einen Betrieb fließt.

Kein Wunder, dass den Agrariern angesichts der in der EU diskutierten Kürzung der Mittel für die Landwirtschaft bange wird. „Die Zahlen untermauern drastisch unsere Forderung, nicht über Agrarbudgetkürzungen die finanzielle Basis der Landwirtschaftspolitik auszuhöhlen“, warnt Bauernkammerpräsident Gerhard Wlodkowski. Und Landwirtschaftminister Niki Berlakovich betont: „In Zeiten der Krise zeigt sich, wie wichtig eine starke gemeinsame Agrarpolitik ist.“


Wirtschaft / 28.12.2009 / Print

Montag, 21. Dezember 2009

Bauern geraten in ein Dilemma





Dass Österreichs Bauern in der EU schon jetzt Umwelt-Musterschüler sind, kann ihnen in Zukunft schaden.


HANS GMEINER Brüssel (SN). Umweltauflagen und Umweltmaßnahmen werden für die Bauern in Zukunft noch bedeutender werden als bisher. Denn künftig soll die EU-Agrarpolitik die Vergabe von Mitteln stärker an die Einhaltung von Umweltvorschriften binden – so zumindest der derzeitige Stand der Diskussion über die Gestaltung der Agrarpolitik nach 2013. Statt allgemeiner Betriebsprämien, die man kürzen will, sollen für die Bauern Prämien für die Teilnahme an Umweltprogrammen als Einkommensbestandteil eine wesentlich größere Rolle spielen als bisher.

Österreichs Bauern könnte das besonders unter Druck bringen. Während für die Bauern in den meisten anderen EU-Staaten der Einstieg in Umweltprogramme und andere Maßnahmen im Bereich Ländliche Entwicklung die Möglichkeit bietet, Einbußen bei den Betriebsprämien und damit beim Einkommen auszugleichen, tun sich Österreichs Bauern schwer damit. Denn sie gelten schon jetzt als EU-Musterschüler, was Umfang und Nutzung von Umweltprogrammen und Mitteln aus dem Titel Ländliche Entwicklung anlangt. Was nun in Brüssel diskutiert wird, ist bereits seit Jahren Kurs der heimischen Agrarpolitik. Entsprechend schwierig ist eine weitere Ausweitung.

Während EU-weit derzeit nur 21 Prozent der Agrarausgaben auf die Ländliche Entwicklung und damit auch auf Umweltmaßnahmen entfallen, ist das Verhältnis in Österreich traditionell seit Langem nahezu umgekehrt. Unter Berücksichtigung der Beiträge der Bundesländer liegt bei uns der Anteil der Ausgaben für Agrarumweltprogramme, Bergbauernzuschüsse und Investitionsförderungen für Projekte im ländlichen Raum bei 68 Prozent (von Gesamtmitteln in der Höhe von knapp 1,8 Mrd. Euro). Das ist, was den prozentuellen Anteil betrifft, europaweit ein Rekordwert.

Zwischen 30 Maßnahmen können die Bauern wählen. Der Bogen reicht von Biolandwirtschaft über Maßnahmen zur Düngerbeschränkung bis zu speziellen Tierhaltungsformen. Auch wenn die Bauern über die Auflagen und die damit verbundene Bürokratie mitunter laut klagen, nutzen sie das Angebot. 120.000 Landwirte nehmen an diesen Programm teil.

Der Spielraum, dieses Einkommensstandbein auszubauen, ist denkbar gering, zumal große Posten wie die Bergbauernzuschüsse schon jetzt außer Streit gestellt sind. In Brüssel weiß man um das Dilemma, auf das Österreich zusteuert. „Die Anforderungen an die Bauern sind sehr hoch und die Frage ist, wie weit man noch gehen kann“, sagt der gebürtige Steirer Peter Kaltenegger von der Generaldirektion Landwirtschaft in der EU-Kommission. „Wir wollen ja, dass die Landwirte mitmachen, um unsere Ziele etwa auch im Bereich Umwelt zu erreichen.“

Der Druck ist auch in Brüssel groß. „Es gibt momentan eine sehr ungute Orientierung der Umweltdiskussion in Richtung Schutz von Boden, Wasser und Luft“, befindet Martin Scheele, in der Generaldirektion Landwirtschaft für die Themen Umwelt, GVO und genetische Ressourcen zuständig. Er befürchtet, dass dabei das Kind mit dem Bad ausgeschüttet wird. „Wir müssen uns auf widrigere Verhältnisse einstellen“.

Was wirklich kommt, weiß freilich noch niemand. „Die Zukunft steht in den Sternen“, sagt Kaltenegger. Dass der Ende Jänner ins Amt kommende neue Agrarkommissar aus Rumänien, Dacian Ciolos, die laufende Diskussion großartig umdrehen wird, gilt als unwahrscheinlich. Aber immerhin redet in Zukunft wieder ein Österreicher ganz oben mit: Ciolos holte mit Georg Häusler einen Österreicher als Kabinettschef.


Wirtschaft / 21.12.2009 / Print

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Von den hinterfotzigen Geißeln der Landwirtschaft





Die Prospekte glänzen, dass es eine Freude ist. Die Bilder könnten brillanter nicht sein. Alles vom Feinsten, versprechen die Texte, vom Stärksten sowieso und vom Wendigsten und vom Zuverlässigsten. Neueste Elektronik. Alles noch einfacher, noch angenehmer. Kurzum - noch toller. Die Traktoren, die Mähdrescher, die Pflüge, die Anhänger, die Grubber, die Ladewagen, die Melkanlagen, die Stalleinrichtungen.

Beeindruckend? Ja eh - wenn da nicht überall so ein paar kleine Dinge wären, die täglich an den bäuerlichen Nerven zerren und die Freude an den technischen Tausendsassas vermiesen können. Denn immer noch gibts bei aller Finesse, die Konstrukteure auf Design, Verbrauch und Ergonomie anwenden, Bereiche, die sich beharrlich allem Fortschritt zu entziehen scheinen.

Nachlässigkeit bei der Planung und Konzeption, Ideenlosigkeit gar sind noch die geringsten Vorwürfe. Wen jemals eine Ladung kaltes Wasser mitten im Gesicht getroffen hat, nur weil er mit dem Strahl des Hochdruckreinigers eine versteckte Kante übersehen hat, der denkt sehr schnell eher an Bosheit.

Das tut auch der, der mit Eselsgeduld und größter Genauigkeit Traktor und Gerät abspritzt - nur um dann, wenn er glaubt, es geschafft zu haben, erst recht feststellen muss, dass da immer noch ein paar versteckte Winkel sind, in der es sich Erdklumpen gemütlich gemacht haben. Und aus denen rinnt immer die braune Brühe über den glänzenden Lack und macht all die Arbeit zunichte.

Richtig gemein kann es werden, wenn man, wie etwa bei einem Mähdrescher, dem Staub mit einem Kompressor zu Leibe rückt. Die Ecken, Kanten, Nischen an so einem Ding sind gar nicht zu zählen. Und natürlich gar nicht alle zu sehen. Aber sehr schnell zu spüren - der Staub ist dann überall. In den Augen, unter der Jacke, ja sogar unter dem Hemd. Da kommt Freude auf.Die kommt mitunter auch auf, wenn man Schmiernippel sucht. Nur selten sind sie dort, wo sie leicht erreichbar wären. Meist sind sie irgendwo unerreichbar oben oder unten oder hinten oder verdeckt oder sonst wo verzwickt und scheinen einen anzugrinsen: "Erwischst mich eh nicht!"

Da wünscht sich nichts sehnlicher, als dass der Konstrukteur der Maschine selbst zur Fettpresse greifen und sich mit all den Nippeln abplagen muss. Dann würden es wohl die Landwirte sehr schnell viel einfacher haben. Und zuschauen möchte man manchen aus dieser Zunft auch, wenn sie sich mit dem Anbau einer Feldspritze, eines Düngerstreuers oder eines ähnlichen Gerätes abplagen müssen. Wie sie sich da mit Unterlenkern, Hydraulikschläuchen, Steckern und Gelenkwelle abquälen - alleine und eingezwickt zwischen Traktor und Maschine. Aufsteigen, absteigen, vorfahren, zurückfahren, raufklettern, runterklettern. Drücken, schlagen und - fluchen. Das vor allem.

Solche Geißeln der Landwirtschaft gibt es viele. Sie machen viele Arbeiten unnötig schwer, lästig und mitunter sogar gefährlich. Und solche Geißeln gibt es bei Gott nicht nur bei den Maschinen, sondern überall. Etwa, nur um noch ein Beispiel zu nennen, bei den Pflanzenschutzmitteln. All die Dosen und Kanister gehören auf den Höfen zu den großen Plagen, vor allem dann, wenn sie sich nicht einmal richtig entleeren lassen und wenn - wie immer man das Ding dreht und wendet - immer ein Resterl von der Brühe im Behälter bleibt.

Aber von all dem steht in den glänzenden Prospekten nie etwas.

Und brillante Bilder gibt es davon auch nie.


Blick ins Land" Nr. 12/09 vom 30.11.2009
 
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