Freitag, 27. März 2009

Hilflosigkeit auf dem Milchmarkt





Der Milchmarkt kommt nicht zur Ruhe. Es gibt zu viel Milch, gleichzeitig geht der Verbrauch zurück. Für die gekündigten Milchbauern gibt es nur Notlösungen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). In Deutschland gingen die Milchbauern am Donnerstag wieder auf die Straße, in Österreich beutelt die Entwicklung die Milchbranche durch wie nie zuvor. Erstmals in der Geschichte wurden die Verträge der Milchbauern mit ihren Abnehmern gekündigt, Molkereien wie die Salzburger Alpenmilch zahlen nur mehr für einen Teil der angelieferten Milch den vollen Preis. Und durch die Bauernschaft geht ein Riss.
Das bekommen vor allem jene 400 Bauern in Niederösterreich und im Burgenland zu spüren, denen ihre Molkereien mit Ende März gekündigt hatten. Es waren vor allem die einfachen bäuerlichen Genossenschaftsmitglieder, die sich massiv gegen die Aufnahme dieser Bauern wehrten. Während die Burgenländer ihre Situation in Verhandlungen mit neuen Partnern falsch einschätzten und von der Wende auf dem Milchmarkt überrascht wurden, sind die Waidhofener Bauern Opfer ihrer Unstetigkeit geworden. „Sie sind ab 2000 immer dem besten Preis nachgelaufen“, heißt es, von der NÖM zur Pinzgauer Molkerei, von dort zur Gmundner Molkerei und ab 2007 zur Privatmolkerei Seifried. So etwas verzeihen die Bauern, die bei ihren Genossenschaften blieben und dafür oft verunglimpft wurden, nicht.
Mehr als Notlösungen, die ermöglichen, dass die gekündigten Bauern auch ab 1. April, dem Beginn des neuen Milchwirtschaftsjahres, die Milch abliefern können, gibt es daher vorerst nicht. In jedem Fall werden sie deutlich weniger Milchgeld bekommen als bisher.
Während die 130 burgenländischen Bauern seit Mittwochabend zumindest ein Angebot vom NÖM-Zulieferer MGN haben, bei dem sie mit einem Minus von fünf Cent zum regulären Preis davonkommen, haben die Biobauern rund um Waidhofen/Ybbs nichts Konkretes in der Hand. Luft verschafft ihnen nur, dass sie im April weiter an Seifried liefern können. Die IG-Milch-Tochter „Freie Milch Austria“, die sich bereit erklärte, die Milch zu Tagespreisen abzunehmen, ist organisatorisch noch nicht in der Lage, die Milch bei den Bauern abzuholen.
Die Situation bringt vor allem die Bio Austria stark unter Druck. „Biomilchbauern nehmen durch Molkereiwechsel die Vermarktung erfolgreich in die Hand“, hieß es noch vor zwei Jahren vollmundig. Nun kann man den Bauern keine Konzepte bieten und muss sich vorwerfen lassen, durch falsche Entscheidungen den Druck auf dem Biomilchmarkt selbst erzeugt zu haben. Vor allem, dass Werner Lampert für die Hofer-Marke „Zurück zum Ursprung“ die beschleunigte Umstellung von konventioneller auf Biomilcherzeugung durchsetzen konnte, nehmen viele Biobauern ihrem Verband übel. Lampert kann damit rasch auf Bioheumilch umstellen, die in Tirol erzeugt wird. Biomilch aus Niederösterreich fliegt deswegen aus den Hofer-Regalen. Kaum besser steht die IG-Milch da. Sie kann sich aber zugute halten, über die „Freie Milch Austria“ eine Lösung zu versuchen. Aber auch die Bauernvertreter in Kammern, Bauernbund und Ministerium haben wenig zu bieten. Viele ergötzen sich daran, dass es vor allem Bauern aus dem Umfeld der IG-Milch erwischt hat. Tenor: „Jetzt sieht man, die Heilsversprecher sind mit ihrem Latein sehr schnell am Ende.“
Wie schwierig die Lage wirklich ist, musste Montag dieser Woche Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich zur Kenntnis nehmen. Mit seinem Wunsch nach Hilfe holte er sich beim EU-Agrarministerrat eine glatte Abfuhr. Mit seiner Hilflosigkeit ist er nicht allein. Donnerstag fiel seiner deutschen Kollegin Aigner auch nicht mehr ein als die Empfehlung an ihre Landsleute: „Trinkt mehr Milch.“
Wirtschaft / 27.03.2009 / Print

Freitag, 13. März 2009

Zu viel Milch ist Ohnmacht





Ob es Häme ist, die da mitschwingt oder ob es sich doch um eine Form von Galgenhumor handelt, sei dahingestellt: „Viel Milch ist Macht, mehr Milch ist mehr Macht, zu viel Milch ist Ohnmacht". Dieser Satz ist derzeit immer wieder zu hören, wenn es um die Lage auf dem Milchmarkt geht. Ersteres glaubten vor Jahresfrist noch viele Milchbauern, Letzteres müssen heute alle zur Kenntnis nehmen. Niemand braucht die viele Milch.
Und niemand kann die Talfahrt der Preise stoppen. Viel zu eng sind die Märkte verflochten. Dass das kleine Österreich da durch Produktionsbeschränkungen Druck aus dem Markt nehmen kann, ist eine Illusion.

Die Milchbauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Jene, die in den vergangenen Jahren gegen das System und die Vermarktungsstrukturen Sturm gelaufen sind, rufen plötzlich nach der Politik und nach strengen Regularien um die Milchflut einzudämmen.
Doch auch die Politik wirkt einigermaßen ratlos. Greifbare Lösungen, wie mehr Geld oder strengere Marktregelungen, kann sie nicht bieten. Da ist die EU davor.
Ob sie wollen oder nicht: Die Bauern werden damit leben müssen. Sie sollten das am besten ganz ohne Illusionen tun.

Von Hans Gmeiner am 13. Mär 2009 in Wirtschaft

Die Milch bleibt am Kochen





Die Milchwirtschaft steht vor einem Umbruch. Bis dahin soll Brüssel helfen.

HANS GMEINER Salzburg (SN). In Sachen Verhinderung der Gentechnik in Österreich war Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich das Glück in Brüssel hold. Auf ähnliche Fortune scheint der Minister nun auch in Sachen Milch zu hoffen. Beim nächsten Agrarministerrat am 23. März will er alles daran setzen, dass die erst jüngst beim Gesundheitscheck eingeführte Erhöhung der Milchlieferquoten so schnell wie möglich überprüft wird. Auch wenn die zusätzlichen Quoten derzeit wegen der schlechten Nachfrage und der niedrigen Preise nicht ausgenutzt werden, gelten sie als mitverantwortlich an der angespannten Situation auf dem Milchmarkt. Zudem will er auf höhere Exporterstattungen und die Ausweitung der Intervention drängen, in deren Rahmen die EU Produkte aufkauft und auf Lager legt. „Wir brauchen alle Maßnahmen, die den Markt entlasten“, sagte er Donnerstag nach einem Milchgipfel, zu dem er Spitzenvertreter der Landwirtschaftskammern, des Bauernbundes und der Milchwirtschaft lud.
Wie groß diesmal die Chancen auf einen Erfolg sind, wird sich weisen. In Brüssel ist die Neigung gering, am System etwas zu ändern, das in vier Jahren ausläuft. Selbst die Bauernverbände in den meisten EU-Ländern haben das zur Kenntnis genommen. Das scheint auch Berlakovich bewusst zu sein. Darum will er die derzeitige Lage auf dem Milchmarkt auch nutzen, um die heimische Milchwirtschaft neu zu positionieren. Dabei sollen Nachfolgemodelle für das derzeitige Quotensystem und strukturelle Maßnahmen in der heimischen Milchwirtschaft im Mittelpunkt stehen.
„In diesem Bereich haben wir Spielräume“, sagt auch August Astl von der Landwirtschaftskammer Österreich. „Wir haben zu viele Verarbeitungsunternehmen mit zu hohen Kosten.“ Zudem setzt er auf verstärktes Marketing und den Ausbau der Qualitätsproduktion.
Einig sind sich Berlakovich und Astl in der Einschätzung der Möglichkeiten, durch eine Einschränkung der Produktion in Österreich den Milchmarkt zu retten. „Wer glaubt, der Staat kann das regeln, hat keine Ahnung vom Markt oder sagt nicht die Wahrheit“, sagt Astl in Richtung IG-Milch. Die Quote sei schon jetzt keine Absatzgarantie. „Schlüsselfrage ist der Preisabstand zu Deutschland.“
Schlechte Karten haben jene 400 Bauern in Niederösterreich und dem Burgenland, die von ihren Molkereien vor die Tür gesetzt wurden. Bei der MGN, der Aufkaufsgenossenschaft der NÖM, und bei der Berglandmilch ist vor allem unter den Bauern und den Funktionären die Bereitschaft gering, sie als Lieferanten aufzunehmen. Man hat kein Verständnis dafür, dass sie, wie die Bauern in Waidhofen, in den vergangenen Jahren bis zu vier Mal die Molkerei (darunter auch die Pinzgauer Molkerei) wechselten.
Der Druck auf die IG-Milch und Bio Austria, die vor allem die Bauern in Waidhofen/Ybbs zuletzt vor zwei Jahren zum Wechsel animierten, wächst. „Natürlich sind wir interessiert, dass diese Bauern einen Abnehmer finden“, sagt Berlakovich. „Aber die Vertreter dieser Organisationen müssen Lösungen suchen und auch die Molkerei, die sie kündigte, ist in die Verantwortung zu nehmen.“
Wirtschaft / 13.03.2009 / Print
 
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