Mittwoch, 4. Februar 2009

„Die Großen schauen auf uns“





Eine oberösterreichische Genossenschaft behauptet sich gegen internationale Saatzuchtriesen.

HANS GMEINER Rancagua (SN). Die Sonne brennt mit 35 Grad auf die Versuchsparzellen nahe Rancagua, gut 100 Kilometer südlich von Santiago de Chile. Ist bei uns tiefster Winter, herrscht dort Hochsommer. „Zurzeit haben wir sehr gutes Züchtungsmaterial“, sagt Robert Taucher von der Saatbau Linz. Der Maiszucht-Spezialist des oberösterreichischen Unternehmens ist mit der Entwicklung der kleinen Maispflanzen zufrieden. „Die werden sich auch in Europa behaupten.“
Seit den 1980er Jahren nutzt der oberösterreichische Saatgutzüchter die südliche Sonne, wenn hier auf den Feldern alles ruht. „Die Möglichkeiten in Chile verkürzen die Zuchtarbeit sehr“, sagt Karl Fischer, Chef der Saatbau Linz. Zwischen den Kontinenten werden die Körner hin- und hergeschickt. Der Aufwand ist enorm, bis eine ertragreiche Sorte, die auch gesund und widerstandsfähig ist, gefunden ist. Zigtausend Körner werden händisch geerntet, abgezählt, in Säckchen verpackt, nach Österreich geschickt und dort auf Versuchsfeldern angebaut. Im Herbst läuft alles wieder in die Gegenrichtung. „Testen, testen, testen“ ist die Devise der Saatbau Linz und ihres Tochterunternehmens Saatzucht Donau. Die beiden sind mittlerweile die einzigen Saatgutzüchter Österreichs von internationalem Rang. Mais und Weizen stehen dabei im Mittelpunkt. Es dauert oft Jahre, bis aus Tausenden von Pflanzen, die immer wieder miteinander gekreuzt werden, Sorten entstehen, die sich auf dem Markt behaupten können – einem Markt, auf dem Konzerne wie Monsanto, Pioneer und Syngenta den Ton angeben.
Bis zu 15 Jahre dauerte früher die Entwicklung einer neuen Maissorte. Dank der neuen Dihaploidtechnik, bei der das Gift der Herbstzeitlosen gezielt eingesetzt wird, kommt man mittlerweile mit drei Jahren aus. Teuer bleibt es trotzdem, eine neue Hybridmaissorte auf den Markt zu bringen. „Das kostet bis zu 300.000 Euro“, sagt Fischer. Für die Saatbau Linz macht sich der Aufwand inzwischen bezahlt. Nach einer Durststrecke in den neunziger Jahren läuft das Geschäft gut. In den vergangenen drei Jahren wurden 25 neue Maissorten der Saatbau Linz ins Sortenregister eingetragen. Weitere sechs kommen jetzt dazu.
Von allen Seiten kommt Anerkennung. Fischer: „Die großen Züchter schauen inzwischen auf uns und wundern sich, dass auch ein relativ kleines Unternehmen wie unseres solche Sorten herbringen.“ Angst vor den Großen hat Fischer nicht. Und auch zur Gentechnik hat er ein entspanntes Verhältnis. „Ohne konventionelle Züchtung, wie wir sie betreiben, kommt die Gentechnik nicht aus.“ Sollten es bestimmte Märkte verlangen, will er entsprechende Bausteine zukaufen – „wie einen Chip, der bestimmte Eigenschaften verspricht“. Selbst einzusteigen ist für die Saatbau Linz schon aus finanziellen Gründen kein Thema. „Der Züchtungsaufwand bei Monsanto beträgt 600 Millionen Dollar pro Jahr.“ Die vier Millionen Euro, die Saatbau Linz und Saatzucht Donau jährlich in die Entwicklung investieren, nehmen sich dagegen mickrig aus.
Und dennoch zählt Saatbau Linz heute bei Mais zu den zehn größten auf dem europäischen Markt. 20 Millionen Euro beträgt allein in dieser Sparte der Umsatz. In den nächsten drei Jahren will man das Maisgeschäft verdoppeln.
Im Visier haben die Oberösterreicher vor allem die Märkte in Deutschland über Tschechien und Polen bis nach Russland und in die Ukraine. „Dort sind die Verhältnisse für unsere Sorten ideal“, sagt Fischer. Schon jetzt macht man in diesen Ländern 40 Prozent des Umsatzes. In Polen plant man den Kauf eines Unternehmens. Ähnliche Pläne hegt man bei Weizen und Raps. Schon jetzt werden 20.000 Tonnen Weizensaatgut in Ungarn, in der Slowakei und in Tschechien erzeugt. Russland steht auf der Kundenliste ganz oben. Züchterglück währt nicht ewig Nach sechs Jahren mit Rekordergebnissen sagt Fischer: „Momentan schaut es nicht schlecht aus.“ Der Gesamtumsatz liegt mittlerweile bei 85 Mill. Euro. 20 Millionen kommen aus der Vertragslandwirtschaft, die den Anbau von Raps, Weizen und Biogetreide für Verarbeiter und Handel organisiert. 50 Kulturarten hat man insgesamt im Programm,
Als alter Fuchs weiß Fischer trotz allen Erfolgs: „Züchterglück hat man nicht ewig.“ In seinen Plänen schränkt ihn das nicht ein. „Wir sind breit aufgestellt, damit es nichts ausmacht, wenn ein Standbein einmal im Sumpf steckt.“
Wirtschaft / 04.02.2009 / Print

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