Samstag, 28. Februar 2009

Bauern werden Milch nicht los






Niemand will Milch. Die Preise sinken, zwei Molkereien haben sogar bereits Verträge mit Hunderten Bauern gekündigt.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Vor Jahresfrist galt Milch noch als „weißes Gold“, war teuer und begehrt. Heute will sie niemand mehr. Jetzt haben zwei Privatmolkereien sogar die Verträge mit ihren Lieferanten gekündigt. 400 Milchbauern in Niederösterreich und im Burgenland wissen nicht, wie es für sie weitergeht. „In diesem Ausmaß hat es das bisher nicht gegeben“, sagt Günter Geislmayr, Sprecher der heimischen Milchwirtschaft und Chef der Gmundner Molkerei den SN. Denn bisher war es immer umgekehrt: Bauern kündigten ihre Verträge und wechselten zu einer anderen Molkerei, um das Milchgeld etwas zu verbessern.
Im Burgenland stehen 130 Milchbauern ohne Abnehmer da. Sie hatten Lieferverträge mit der Molkerei Mona, die im Vorjahr ihr Milchgeschäft an die NÖM verkaufte und nun kein Interesse mehr hat, weiterzumachen. Und die Innviertler Privatmolkerei Seifried, Biomilch-Lieferant für den Diskonter Hofer und Abfüller von „a faire Milch“ der IG-Milch, setzte 270 Biobauern aus der Region Waidhofen an der Ybbs vorsorglich vor die Tür. Weil Hofer die Milch für die Eigenmarke „zurück zum Ursprung“ auf Bio umstellt und diese in anderen Regionen erzeugen lässt, gibt es für die Biomilch aus Niederösterreich vorerst keinen Abnehmer.
Auf politischer Ebene wird derzeit fieberhaft nach Lösungen gesucht. Die betroffenen Bauern haben dabei keine guten Karten. Überall winkt man ab. Die NÖM, die sich vor Jahresfrist als Retterin der burgenländischen Milchwirtschaft feiern ließ, hat kein Interesse. „Jeder zusätzliche Liter ginge auf Kosten unserer Bauern“, sagt Leopold Gruber-Doberer von der MGN, dem genossenschaftlichen Zweig der NÖM. Auch von anderen Molkereien ist keine Hilfe zu erwarten. „Wir könnten jederzeit 50 Mill. Kilogramm Milch haben, brauchen sie aber nicht“, heißt es.
Wird für die betroffenen Bauern keine Lösung gefunden, bedeutet das für sie das Ende der Milchproduktion. Bis Anfang April haben sie noch Zeit, neue Partner zu finden.
Die Lage auf dem Milchmarkt hat sich binnen Jahresfrist völlig gedreht. In ganz Europa gibt es zu viel Milch. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Nachfrage ist stark zurückgegangen, weil die Nachfrage aus China eingebrochen ist und sich zudem Wirtschaftszweige wie etwa die Speiseeis- oder Backwarenindustrie um Ersatzprodukte für die teure Milch umsahen. Gleichzeitig haben die Bauern die Produktion ausgeweitet, weil das Milchgeschäft wieder lukrativ war. Zudem öffnete die EU durch eine Erhöhung der Produktionsquoten den Milchhahn.
Selbst die Rebellen von der IG-Milch haben angesichts des europaweiten Milchüberschusses ihr Projekt, eine Liefergemeinschaft zu gründen, auf Eis gelegt. IG-Milch-Sprecher Ernst Halbmayr: „Das ist jetzt unmöglich.“
Wurde vor einem Jahr noch gestreikt, weil die Preise von 45 Cent pro Kilogramm auf 40 Cent zu fallen drohten, so herrscht derzeit geradezu Totenstille, obwohl die Preise zum Großteil unter der 30-Cent-Marke liegen. Damit geht es für viele Bauern ans Eingemachte. Denn für einen durchschnittlichen Betrieb (jährliche Liefermenge 50.000 Kilogramm) bedeutet das einen Einnahmenentfall von rund 7500 Euro.
Dramatisch sieht man die Lage auch bei den Milchverarbeitern. „Die Zeiten in der Milchwirtschaft sind brutal“, sagt ein Manager. „Die Märkte brechen ein, die Preise fallen ins Bodenlose.“ Auf den Spotmärkten werden derzeit weniger als 20 Cent pro Kilogramm bezahlt.
Auch in Österreich werden die Preise spätestens ab März durch die Bank unter 30 Cent je Kilogramm rutschen. Damit werden sie um gut ein Drittel unter dem Niveau von Anfang 2007 liegen. Hoffnungen, dass der Milchpreis ab dem Sommer wieder steigen könnte, hält man in der Branche für illusorisch. Ohne Einschränkung der Produktion durch entsprechende Marktordungsmaßnahmen sei das nicht möglich, meint Halbmayr.
Die Molkereien kommen mit der neuen Situation nur schwer zurecht. Viele rutschten im Vorjahr in die roten Zahlen. „Im Durchschnitt sind die Molkereibilanzen für 2008 negativ“, sagt Geislmayr. Der wirtschaftliche Druck wächst rasant. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Molkereien bei den Kosten sparen. Damit kommt aber offenbar Bewegung in die Molkereiszene. Fusionen und Übernahmen sind nicht mehr ausgeschlossen. „Man fängt an zu sondieren“, bestätigt Geislmayr. Das Thema werde nicht mehr so verkrampft wie noch vor einem Jahr gesehen.
Der Chef der Gmundner Molkerei weiß, wovon er spricht. Die Landfrisch Molkerei Wels, die vor allem Frischkäse erzeugt, aber rund ein Drittel der Milch als Versandmilch billigst ins Ausland verkaufen muss, sucht einen Partner. „Das würde für uns Sinn ergeben“, sagt Geislmayr. Das Gleiche sagt auch Josef Braunshofer, Chef der Berglandmilch. Wer zum Zug kommt, soll sich im ersten Halbjahr entscheiden.
Es wird nicht bei dieser einen Übernahme bleiben. „Auf einmal reden viele miteinander“, heißt es. Wer genau mit wem spricht, wird freilich nicht verraten.
Wirtschaft / 28.02.2009 / Print

Samstag, 21. Februar 2009

Bio im Edelstahldesign statt in Jute





HANS GMEINER Nürnberg (SN). Bio ist Big Business. Das wird kaum wo so deutlich wie auf der Biofach, der größten Biomesse der Welt, die noch bis morgen, Sonntag, in Nürnberg stattfindet. Da ist nichts mehr vom „Müsli-Touch der frühen Jahre“, wie ein langjähriger Beobachter der Szene formuliert. Statt Jute und Holz überall Glas und Edelstahl, durchdesignte Stände und Hochglanzprospekte. „Vor zehn Jahren musste sich rechtfertigen, wer mit Anzug und Krawatte ankam“, sagt ein Vertreter des Veranstalters. Heute sieht man kaum anderes, schon gar nicht Latzhosen und Selbstgestricktes, die mancher immer noch mit Bio verbindet.
Biolebensmittel sind längst ein weltumspannendes Milliardengeschäft. Auf mindestens 40 Mrd. US-Dollar wird der Markt inzwischen geschätzt. Manche Institute reden sogar von mehr als 50 Mrd. US-Dollar. Leute wie Peter Augendopler, der mit seinen Backaldrin-Backmischungen in fast allen Erdteilen präsent ist, wundert das nicht. „Ich staune immer wieder, wo wir überall nach Bio gefragt werden.“
Es gibt inzwischen bei Lebensmitteln nichts mehr, was es nicht auch in Bioqualität gibt. Die Romantik handgemachter Produkte ist dabei unter die Räder gekommen. In Kunststoff eingeschweißte Würste und Fleischstücke gehören mittlerweile ebenso zum Standard wie Tiefkühlware und Fertigmahlzeiten. USA sind größter Biomarkt Mit Abstand größter Markt für Bioprodukte sind die USA. Nach Schätzungen des Branchenverbandes Organic Trade Association erreichte der Umsatz mit Biolebensmitteln dort fast 24 Mrd. US-Dollar. Größter Markt in Europa ist demnach Deutschland, wo allein mit Biolebensmitteln knapp sechs Mrd. Euro umgesetzt werden. Dahinter folgen Großbritannien und Frankreich.
Die größten Zuwachsraten gibt es in Schweden und Dänemark. Auch in den neuen EU-Staaten wie Tschechien, wo Bio lange keine Rolle spielte, wächst die Nachfrage rasant. Dort rechnet man damit, dass sich der Bioabsatz bis 2010 auf 260 Mill. Euro verfünffacht. „Spüren nichts von Krise“ Von der Wirtschaftskrise lässt sich die Branche die Goldgräberstimmung nicht vermiesen. Man ist überzeugt davon, dass der Trend anhält. „Kurzfristig mag das Geschäft nachlassen, langfristig sicher nicht“, sind die Aussteller in Nürnberg durch die Bank überzeugt.
Derzeit klagen allenfalls die kleinen Spezialbioläden über Rückgänge, die Hersteller hingegen nicht. „Wir spüren nichts von einer Krise“, sagt etwa Manfred Huber von der Mühlviertler Sonnberg Biofleisch. „Wir haben uns gefürchtet, aber dann sahen wir die Ergebnisse von Jänner und auch Februar.“ Nun sieht er keinen Grund, von seinem Ziel, auch heuer den Umsatz wie schon in den vergangenen Jahren um zehn bis 15 Prozent zu steigern, abzugehen.
Dabei spielt das Exportgeschäft eine immer wichtigere Rolle. Sonnberg macht bereits jetzt 35 Prozent des Sieben-Mill.-Euro-Umsatzes im Ausland. Die Exportquoten können aber, wie bei der Schaf- und Ziegenmolkerei Leeb aus Schlierbach, auch schon einmal mehr als 80 Prozent erreichen. „Vor allem die Handelsketten erweisen sich dabei mit ihren Auslandsniederlassungen als Türöffner“, sagt Oberösterreichs Agrarlandesrat Josef Stockinger.
Als Türöffner versteht sich auch die Biofach. Nicht nur in Europa, sondern weltweit. Der Terminkalender allein beweist, welche Bedeutung biologische Landwirtschaft mittlerweile weltweit hat. Ende April steht die Biofach India in Mumbai auf dem Programm, dann folgen die Fachmessen in Schanghai, Boston, Tokio und São Paulo – wohl in Anzug und Krawatte.
Wirtschaft / 21.02.2009 / Print

Donnerstag, 12. Februar 2009

Mit Getreide gesund bleiben





Die Saatzüchter besinnen sich der gesundheitsfördernden Eigenschaften von Getreide.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Die Farbe der Körner ist ganz anders als jene, die man sonst von Weizenkörnern kennt. Sie sind dunkelrot, fast schwarz – so wie die Farbe von schwerem Rotwein. Und das kommt nicht von ungefähr. Der sogenannte Purpurweizen, der seit drei Jahren von österreichischen Bauern erzeugt wird, ist nichts anderes als Rotwein zum Essen. Das dunkle Brot, das daraus gebacken wird, entwickelte sich rasch zu einem Verkaufsschlager.
Wie Rotwein enthält die Weizenart, die von der Saatbau Linz nach Europa gebracht wurde, einen überdurchschnittlichen Anteil an sogenannten Anthocyanen, die als gesundheitlich besonders wertvoll gelten. Diesen Stoffen wird nicht nur eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs nachgesagt, sie sollen auch die Gefäße – und damit vor Herzinfarkt – schützen und entzündungshemmend wirken. Mehr als zehn Jahre arbeitete Saatbau Linz gemeinsam mit dem chilenischen Züchter Erik von Baer an der Entwicklung der neuen Weizenart. „Wir haben den Weizen an Universitäten und in Diplomarbeiten prüfen lassen“, sagt Karl Fischer von der Saatbau Linz. „Vor allem bei den Anthocyanen sind die Unterschiede zu herkömmlichem Weizen gravierend.“ Das wird auch von der Lebensmittelindustrie geschätzt. Fischer: „Aus ganz Europa gibt es inzwischen Anfragen wegen unseres Purpurweizens.“ Schon demnächst will man mit Interessenten über eine Ausweitung der Produktion verhandeln.
Mit Produkten wie Purpurweizen kehrt die Saatzucht und damit die Landwirtschaft zu ihren Wurzeln zurück. „In den vergangenen Jahrzehnten wurden viele Inhaltsstoffe und Eigenschaften, die wir heute wieder als gut erkennen, weggezüchtet“, sagt von Baer. „Man wollte vor allem weißes Mehl haben, alles andere galt als ,schmutzig‘.“ Damit sei viel von den ursprünglichen Eigenschaften verloren gegangen.
Das soll nun anders werden. Das Geschäft mit Lebensmitteln, die spezielle gesundheitsfördernde Eigenschaften haben, will man nicht mehr ausschließlich industriellen Erzeugern lassen, die ihre Produkte in Labors auf dem Reißbrett entwickeln. Denn Anthocyane sind nicht die einzigen Stoffe, die Getreide für neue Anwendungsgebiete interessant machen.
Der Gelbweizen etwa enthält überdurchschnittlich viele sogenannte Karotinoide. Diese sollen nicht nur vorbeugend gegen Krebserkrankungen wirken, sondern auch den Cholesterinspiegel senken. Zudem wird dem Lutein, dem Hauptkarotin des Gelbweizens eine Wirkung gegen die altersbedingte Degeneration der Netzhaut nachgesagt.
Hellkörniger Roggen gilt als ideales Mittel, die Ballaststoffversorgung und die Liebe der Konsumenten zu weißem Brot auf einen Nenner zu bringen. Das helle Korn, das über besonders viele Ballaststoffe verfügt, ermöglicht es Backwaren zu erzeugen, die inhaltlich Vollkornprodukten entsprechen, aber aussehen wie herkömmliche Produkte, die aus weißem Mehl erzeugt sind.
Zu den Getreidesorten, mit denen sich die Züchter wegen ihrer inhaltlichen Eigenschaften inzwischen intensiv beschäftigen, zählen auch längst vergesse Getreidesorten wie das Einkorn und der Emmer.
Einkorn hat einen besonders hohen Anteil an essenziellen Aminosäuren, und hohe Gehalte an Betacarotin, komplexen Kohlenhydraten und wertvollen Eiweißfraktionen.
Als Stärke von Emmer gilt zum einen der hohe Zinkgehalt, der eine Schlüsselrolle im Zucker- und Fettstoffwechsel spielt. Zum anderen macht der hohe Gehalt an Folsäure, der eine wichtige Rolle bei der Zellteilung spielt, diese Getreideart für Schwangere besonders interessant.
Wiss / 12.02.2009 / Print

Konsumenten zeigen sich immer kritischer





HANS GMEINER Linz (SN). Der Trend zu gesundheitsorientierter Ernährung, zu nachhaltig erzeugten Agrarprodukten, zu Bio und zu Lebensmitteln aus der Region wird durch die Wirtschaftskrise nicht gestoppt. Das war der Tenor bei einer Veranstaltung im Rahmen der diese Woche laufenden Agrar-Wintertagung des Ökosozialen Forums am Mittwoch in Linz.
„Die Krise wird zwar auch im Konsum durchschlagen, aber sie wird nicht dazu führen, dass es diese Trends dann nicht mehr gibt“, sagte Frank Hensel, Chef von Rewe Austria. Die Konsumenten werden aber noch kritischer als bisher, erwartet die Meinungsforscherin Sophie Karmasin. „Sie fragen verstärkt ,Ist mir das Produkt den Preis wert?‘, ,Was nützt es mir?‘ und ,Kann ich es billiger kriegen?‘“, sagt sie. Mehr zahlen wollen sie nur, wenn sie tatsächlich etwas Besonderes dafür bekommen.
Der Hinweis auf Bio, auf die regionale Produktion oder die Herkunft aus Österreich sei da oft nicht mehr genug, meint Karmasin. „Die Konsumenten fangen an, das zu hinterfragen.“
Dessen ist sich auch Hensel, mit Rewe der wichtigste Vermarkter von Bioprodukten im Land, bewusst: „Bio entwickelt sich weg vom ethischen Luxusprodukt und wird Standard.“ Die Regionalität spiele dabei eine immer wichtigere Rolle. Im Rewe-Konzern gewinnt Vertragsproduktion nach eigenen Qualitätsstandards in der Vermarktung der Produkte an Bedeutung. Hensel: „Man muss die Verantwortung im gesamten Produktionsprozess bis hinunter zum Feld nehmen.“
Aber auch wenn die heimischen Bauern beste Qualitäten erzeugen, brauchen sie Direktzahlungen, warnte der ehemalige EU-Agrarkommissar Franz Fischler vor falschen Schlüssen. „Anderes zu glauben, ist bei unseren Strukturen eine Illusion.“
Wirtschaft / 12.02.2009 / Print

Dienstag, 10. Februar 2009

Bauern hoffen auf weiche Landung





HANS GMEINER Wien (SN). In der Landwirtschaft kommt die Vorbereitung auf die Zeit nach 2013, nach dem Auslaufen der derzeitigen EU-Budgetperiode, langsam ins Rollen. Vor allem im Milchsektor versucht man schon jetzt eine „weiche Landung“ (wie es die heimischen Agrarpolitiker gerne nennen) in einer Zeit ohne Produktionsquoten zu sichern. Weil die Bedeutung des Fettgehalts der Milch bei der Bezahlung ab 1. April abnimmt und damit die Produktionsquoten leichter eingehalten werden können, bekommen die Bauern heuer insgesamt um rund 12,5 Mill. Euro mehr Milchgeld ausgezahlt.
Nächstes Jahr soll dann zusätzlich ein Milchpaket mit mehr als 50 Mill. Euro Hilfe bringen. Zusätzlich dazu wird in der Milchwirtschaft bereits jetzt mit Hochdruck an Kontingentierungsmodellen gearbeitet, die, ähnlich wie in der Zuckerwirtschaft, die Liefersicherheit für Bauern und Molkereien bringen sollen.
Was auf die Landwirtschaft nach 2013 noch zukommen wird, ist weniger klar. Fix ist lediglich, dass es vor allem ums Geld, um eine weitere Öffnung der Märkte und den Abbau von Exportsubventionen gehen wird. „Es gibt viele Stimmen, die der gemeinsamen Agrarpolitik im EU-Budget in Zukunft nicht mehr jene hohe Priorität einräumen wollen, die sie bisher hatte“, sagte Montag John Bensted-Smith von der EU-Generaldirektion Landwirtschaft bei der Agrar-Wintertagung in Wien. Auch die Aufteilung der Mittel werde „ein ganz heißes Thema“ werden.
Der EU-Experte, aber auch die anderen Referenten, ließen keinen Zweifel daran, dass für die Landwirtschaft der Druck, die Förderungen zu rechtfertigen, wachsen wird. Mit einem Kahlschlag rechnet aber auch er nicht. „Wir gehen davon aus, dass viele Instrumente auch in Zukunft erhalten werden.“
Bauernkammerpräsident Gerhard Wlodkowksi blickt dennoch mit Unbehagen nach Brüssel. „Landwirtschaft ist keine Schraubenfabrik, sondern etwas Besonderes, werden da doch Lebensmittel erzeugt.“
In Trübsal brauchen die Bauern dennoch nicht zu verfallen. Der Bedarf an Lebensmitteln soll bis 2050 um 80 Prozent wachsen. „Die Preise werden zwar stärker nach oben oder unter ausschlagen, aber im Schnitt höher als in den vergangenen Jahren bleiben“, erwarten die Experten unisono. Vielleicht ist auch das derzeitige Preistief bald vorbei. „In der zweiten Jahreshälfte wird es bei Getreide und Milch wieder aufwärts gehen“, sagte etwa Michael Schmitz von der Uni Gießen.
Wirtschaft / 10.02.2009 / Print

Donnerstag, 5. Februar 2009

Der Reiz des Zündelns





Der Verkäufer eines Brennstoffhändlers ließ dieser Tage seinem Ärger freien Lauf. „Ich hab den Anbietern von Holz-Pellets gleich gesagt, sie sollen sich nicht wieder mit den Preisen spielen". Das sei doch nicht notwendig, schimpfte er. „Noch dazu, wo Heizöl derzeit so billig ist."
Der Mann kennt wohl seine Lieferanten und macht sich Sorgen. Die Versuchung, die Stimmung gegen Öl und Gas zu nutzen und bei Pellets an der Preisschraube zu drehen, ist groß. Auch wenn die Pelletshersteller jeden Verdacht, der in diese Richtung deutet, weit von sich schieben - ganz von der Hand zu weisen sind die Bedenken des Verkäufers nicht.
Zumal es wohl nicht nur seine Bedenken sind. Auch die Verbraucher, die wieder Vertrauen zu Holzpellets gefasst haben, denken sich ihren Teil. Zu sehr ist ihnen noch in Erinnerung, wie die Hersteller vor drei Jahren der Versuchung nicht widerstehen konnten und Pellets gegen teures Geld lieber im Ausland verkauften, als sich um ihre heimische Kundschaft zu kümmern.
Der Preis dafür war hoch. Der mühsam aufgepäppelte Markt für die heimische Energieform, die Unabhängigkeit vom Ausland versprach und von der nicht nur die Erzeuger der Pelletes, sondern auch Heizkessel-Hersteller gut lebten, brach zusammen.
Es war mühsam, die Branche wieder aufzubauen. Das ist gelungen. Darum sollte man alles tun, das frisch gefasste Vertrauen der Verbraucher durch hohe Preise nicht allzu sehr zu strapazieren. Noch geht das.

Von Hans Gmeiner am 5. Feb 2009 in Wirtschaft

Mittwoch, 4. Februar 2009

„Die Großen schauen auf uns“





Eine oberösterreichische Genossenschaft behauptet sich gegen internationale Saatzuchtriesen.

HANS GMEINER Rancagua (SN). Die Sonne brennt mit 35 Grad auf die Versuchsparzellen nahe Rancagua, gut 100 Kilometer südlich von Santiago de Chile. Ist bei uns tiefster Winter, herrscht dort Hochsommer. „Zurzeit haben wir sehr gutes Züchtungsmaterial“, sagt Robert Taucher von der Saatbau Linz. Der Maiszucht-Spezialist des oberösterreichischen Unternehmens ist mit der Entwicklung der kleinen Maispflanzen zufrieden. „Die werden sich auch in Europa behaupten.“
Seit den 1980er Jahren nutzt der oberösterreichische Saatgutzüchter die südliche Sonne, wenn hier auf den Feldern alles ruht. „Die Möglichkeiten in Chile verkürzen die Zuchtarbeit sehr“, sagt Karl Fischer, Chef der Saatbau Linz. Zwischen den Kontinenten werden die Körner hin- und hergeschickt. Der Aufwand ist enorm, bis eine ertragreiche Sorte, die auch gesund und widerstandsfähig ist, gefunden ist. Zigtausend Körner werden händisch geerntet, abgezählt, in Säckchen verpackt, nach Österreich geschickt und dort auf Versuchsfeldern angebaut. Im Herbst läuft alles wieder in die Gegenrichtung. „Testen, testen, testen“ ist die Devise der Saatbau Linz und ihres Tochterunternehmens Saatzucht Donau. Die beiden sind mittlerweile die einzigen Saatgutzüchter Österreichs von internationalem Rang. Mais und Weizen stehen dabei im Mittelpunkt. Es dauert oft Jahre, bis aus Tausenden von Pflanzen, die immer wieder miteinander gekreuzt werden, Sorten entstehen, die sich auf dem Markt behaupten können – einem Markt, auf dem Konzerne wie Monsanto, Pioneer und Syngenta den Ton angeben.
Bis zu 15 Jahre dauerte früher die Entwicklung einer neuen Maissorte. Dank der neuen Dihaploidtechnik, bei der das Gift der Herbstzeitlosen gezielt eingesetzt wird, kommt man mittlerweile mit drei Jahren aus. Teuer bleibt es trotzdem, eine neue Hybridmaissorte auf den Markt zu bringen. „Das kostet bis zu 300.000 Euro“, sagt Fischer. Für die Saatbau Linz macht sich der Aufwand inzwischen bezahlt. Nach einer Durststrecke in den neunziger Jahren läuft das Geschäft gut. In den vergangenen drei Jahren wurden 25 neue Maissorten der Saatbau Linz ins Sortenregister eingetragen. Weitere sechs kommen jetzt dazu.
Von allen Seiten kommt Anerkennung. Fischer: „Die großen Züchter schauen inzwischen auf uns und wundern sich, dass auch ein relativ kleines Unternehmen wie unseres solche Sorten herbringen.“ Angst vor den Großen hat Fischer nicht. Und auch zur Gentechnik hat er ein entspanntes Verhältnis. „Ohne konventionelle Züchtung, wie wir sie betreiben, kommt die Gentechnik nicht aus.“ Sollten es bestimmte Märkte verlangen, will er entsprechende Bausteine zukaufen – „wie einen Chip, der bestimmte Eigenschaften verspricht“. Selbst einzusteigen ist für die Saatbau Linz schon aus finanziellen Gründen kein Thema. „Der Züchtungsaufwand bei Monsanto beträgt 600 Millionen Dollar pro Jahr.“ Die vier Millionen Euro, die Saatbau Linz und Saatzucht Donau jährlich in die Entwicklung investieren, nehmen sich dagegen mickrig aus.
Und dennoch zählt Saatbau Linz heute bei Mais zu den zehn größten auf dem europäischen Markt. 20 Millionen Euro beträgt allein in dieser Sparte der Umsatz. In den nächsten drei Jahren will man das Maisgeschäft verdoppeln.
Im Visier haben die Oberösterreicher vor allem die Märkte in Deutschland über Tschechien und Polen bis nach Russland und in die Ukraine. „Dort sind die Verhältnisse für unsere Sorten ideal“, sagt Fischer. Schon jetzt macht man in diesen Ländern 40 Prozent des Umsatzes. In Polen plant man den Kauf eines Unternehmens. Ähnliche Pläne hegt man bei Weizen und Raps. Schon jetzt werden 20.000 Tonnen Weizensaatgut in Ungarn, in der Slowakei und in Tschechien erzeugt. Russland steht auf der Kundenliste ganz oben. Züchterglück währt nicht ewig Nach sechs Jahren mit Rekordergebnissen sagt Fischer: „Momentan schaut es nicht schlecht aus.“ Der Gesamtumsatz liegt mittlerweile bei 85 Mill. Euro. 20 Millionen kommen aus der Vertragslandwirtschaft, die den Anbau von Raps, Weizen und Biogetreide für Verarbeiter und Handel organisiert. 50 Kulturarten hat man insgesamt im Programm,
Als alter Fuchs weiß Fischer trotz allen Erfolgs: „Züchterglück hat man nicht ewig.“ In seinen Plänen schränkt ihn das nicht ein. „Wir sind breit aufgestellt, damit es nichts ausmacht, wenn ein Standbein einmal im Sumpf steckt.“
Wirtschaft / 04.02.2009 / Print

Sonntag, 1. Februar 2009

In der Mottenkiste durch die Krise





Man mag ja nicht immer gleich ganz tief in die Tasten greifen, wenn es gilt, etwas zu kritisieren oder zu kommentieren. Und man sollte es auch nicht. Schon gar nicht hierzulande, wo wie sonst kaum wo Politiker und Schreiber populistischen Zuschnitts schon so viel angerichtet haben.

Freilich, leicht ist das nicht immer. Denn es ist schon schwer verdaulich, was den Bauern in den vergangenen Tagen und Wochen von ihren Vertretern aufgetischt wurde. Da wurde ein "Konjunkturpaket" abgefeiert, über das man nur staunen konnte.

Nicht darüber, dass es so toll ist, sondern über die Chuzpe, mit der all das, was noch vor wenigen Monaten vor den Wahlen versprochen wurde, nun, neu verpackt und da und dort aufgemotzt, neu aufgetischt wurde. Mehr Geld für die Agrardiesel-Vergütung, eine Milchprämie, Sicherung der Kofinanzierung und mehr Gelder für Investitionen wurden da den Bauern als Hilfspaket in Aussicht gestellt. Verwundert reibt man sich die Augen. Der Bauer auf dem flachen Land und in den hohen Bergen dachte wohl angesichts der vollmundigen Wahlversprechen, das sei alles längst gesichert.

Mitnichten. Die Anhebung der Mittel für die Agrardieselvergütung hängt in der Luft. Die Milchprämie kommt zwar, aber erst 2010? Dabei sind jetzt die Milchpreise im Keller und bis 2010 ist's noch lange.

Und dass sich die Bauern um die Kofinanzierung der Maßnahmen für die ländliche Entwicklung durch den Bund Sorgen machen müssen, ist wohl auch für viele neu. Damit hat niemand gerechnet, zumal genau derjenige, der das alles noch im vergangenen Herbst als Landwirtschaftsminister versprochen hat, mittlerweile im Finanzministerium und mithin an der Kassa der Republik sitzt.

Aber es ist nicht nur das. Man denke nur an die reflexartigen Reaktionen auf die Gaskrise, die nicht einmal mehr ein paar Schlagzeilen in den Medien und schon gar keine politisch zählbaren Erfolge brachte. Sprechblasen allenthalben. "Als neues Einkommensstandbein müssen wir den Ausbau in Richtung erneuerbare Energien intensivieren", sagt der neue Minister. Mit Verlaub - das ist ein Satz aus der agrarpolitischen Mottenkiste.

Oder: "Verhandlungen mit Erfolg", heißt es da. "Milchpreise steigen wieder", freuen sich ein Kammerpräsident und ein Landesrat wortreich, weil Spar und Hofer die Preise angehoben haben. Sitzen die beiden in der falschen Vertretung? fragt sich da der Beobachter, weil ja doch von einer Anhebung der Bauernmilchpreise in diesem Zusammenhang bisher überhaupt nicht die Rede war. Oder gratulieren sie den Handelsriesen gar, weil sie so beeindruckt davon sind, dass denen gelingt, was den Bauernvertretern nicht gelingt?

Das alles macht Sorgen. Es ist schwer erträglich, was derzeit läuft. Zumal es weit und breit keine Alternativen gibt. Das zeigte nicht nur - aber auch - der Wahlkampf vor den Kammerwahlen in Oberösterreich. Luftblasen und Worthülsen allenthalben waren es, mit denen die Bauern von allen Seiten - und beileibe nicht nur vom schwarzen Bauernbund - drangsaliert wurden.

Sätze wie "Wir kämpfen für faire und kostengerechte Preise", "Mehr Butter aufs tägliche Brot" oder gar "Wir fordern lebensfähige Preise", klingen gut, Politik mit Hand und Fuß schaut, mit Verlaub, anders aus.

Sind der Agrarpolitik die Ideen ausgegangen? Fällt den Bauervertretern wirklich nicht mehr ein, wenn es gilt, ihre Branche durch die größte Wirtschaftskrise der jüngeren Zeit zu führen? Angesichts dessen, was in den vergangenen Wochen alles nicht geschah, würde es nicht verwundern, wenn böse Zungen bald das Wort "Bankrotterklärung" in den Mund nähmen.

"Blick ins Land" Nr. 02/09 vom 01.02.2009
 
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