Mittwoch, 14. Januar 2009

Faschiertes statt Lungenbraten





Die Krise trifft auch die Bauern. Sie werden aber mit einem blauen Auge davonkommen, obwohl die Preise im Keller sind.

HANS GMEINER Salzburg (SN). In der heimischen Milchwirtschaft schrillen die Alarmglocken. Der Absatz geht zurück, die Preise stehen so stark unter Druck wie schon lange nicht mehr. Die Leute kaufen weniger, heißt es. Und wenn sie kaufen, dann schauen sie genau auf die Preise. Während es bei den billigen Eigenmarken-Produkten des Handels zweistellige Zuwächse gibt, bleiben die teureren Markenprodukte der heimischen Molkereiwirtschaft in den Regalen liegen. Und das, obwohl auch sie in den vergangenen Monaten wieder deutlich billiger wurden.
Wie kaum sonst wo im Agrarbereich sind die Auswirkungen der Finanzkrise und der um sich greifenden Verunsicherung bei den Konsumenten so deutlich zu spüren wie bei Milch und Milchprodukten. Der Markt ist zusammengebrochen, die Preise, vor Jahresfrist noch auf historischen Höchstwerten, sind bei vielen Produkten um bis zu 50 Prozent gefallen. In manchen Molkereien liegen die Nerven blank. Bei der Salzburger Alpenmilch und bei der Tirolmilch wurden die Geschäftsführer in die Wüste geschickt. Milchpreise auf Talfahrt Auch die Bauern leiden. Die Erzeugermilchpreise liegen um gut ein Viertel niedriger als noch vor einem Jahr. Mit Jahresbeginn steht die nächste Preissenkung an. Statt gut 45 Cent pro Kilogramm zahlen die Molkereien nur mehr knapp über 30 Cent pro Kilogramm Milch. Ob es dabei bleibt, ist fraglich. In der Molkereiwirtschaft, der das Wasser bereits bis zum Hals steht, hält man weitere Preissenkungen für möglich. „Wir haben den Bauernmilchpreis in den vergangenen Monaten angesichts der Marktentwicklung zu wenig weit abgesenkt“, wird betont. Die Grenze von 30 Cent ist nicht mehr tabu. In Deutschland liegen die Preise in manchen Regionen bereits bei 24 bis 26 Cent.
Aber auch in allen anderen Zweigen der Landwirtschaft sind die Preishöhenflüge des Vorjahres Geschichte. Wie auf allen Rohstoffmärkten ist auch bei Agrarprodukten die Luft draußen. Die Spekulanten haben sich zurückgezogen. Das drückte genauso auf die Preise wie die gestiegene Produktion bei Milch, die guten Ernten bei Getreide, Mais und Ölsaaten und der gleichzeitig zurückgehende Konsum. Dazu kommen zunehmende Schwierigkeiten im Exportgeschäft, weil sich die Banken mit notwendigen Finanzierungen zurückhalten. Die Maislager sind voll „Bei Fleisch haben wir derzeit real ein Preisniveau wie Mitte der siebziger Jahre“, sagt Karl Bauer, Marktexperte der Landwirtschaftskammer Österreich im Gespräch mit den SN. Im Keller sind auch die Getreidepreise. Die Maislager sind in ganz Europa voll, statt 150 Euro pro Tonne wie im Jahr 2007 bekamen die Bauern im Vorjahr kaum mehr als 70 Euro pro Tonne. Die Weizenpreise stürzten seit der Ernte im August von 180 auf 120 Euro, die Preise für Ölfrüchte wie Raps und Soja halbierten sich.Unsichere Zeiten „Die Landwirtschaft befindet sich derzeit in einer Phase großer Unsicherheit, in der nicht klar ist, wohin sich die Märkte entwickeln“ sagt Franz Sinabell, Agrarexperte des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Er schätzt, dass sich daran in den nächsten zwei Jahren kaum etwas ändern wird. „Die Leute essen derzeit lieber Faschiertes als Lungenbraten.“
Das setzt auch den Biobauern und hochpreisigen Premiummarken wie dem kürzlich gestarteten „gut so!“ zu. Ihnen rät Sinabell, wie der heimischen Landwirtschaft insgesamt, nicht von der Qualitätsstrategie abzugehen. „Der Aufschwung wird wieder kommen und dann tun sich die leichter, die auch in schlechten Zeiten bei ihrer Linie geblieben sind.“
Allem Druck zum Trotz zählt der Wifo-Experte die Landwirtschaft zu den eher sicheren Branchen. „Die Landwirtschaft wird mit einem blauen Auge durch die Krise kommen“, ist er überzeugt. In keiner anderen Branche gebe es eine derart dicke Eigenkapitaldecke. „70 Prozent der bewirtschafteten Flächen stehen im Eigentum der Bauern“, sagt Sinabell. „Das hilft beim Durchtauchen.“ Bauern investieren weniger Unternehmen, die von der Landwirtschaft leben, würden sich allerdings schwerer tun, befürchtet Sinabell. Er erwartet, dass beispielsweise die Landtechnik-Industrie vor schwierigen Zeiten steht. Die Zurückhaltung der Bauern bei Investitionen ist dort bereits zu spüren. „Die Bauern investierten in den vergangenen Monaten weniger, aber nicht so dramatisch weniger wie in anderen Sparten“, sagt Rudolf Hinterberger vom Traktorenhersteller Steyr. Sein Unternehmen blieb von Kaufzurückhaltung bisher verschont. Sogar im November, als die Zahl der verkauften Traktoren bereits um ein Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahresmonat lag, gab es beim österreichischen Hersteller noch Zuwächse.
Es herrscht aber nicht nur Tristesse. Optimisten unter den Landwirten verfolgen mit Interesse, dass in Osteuropa im Herbst deutlich weniger Getreide angebaut wurde, weil dort Geld für Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel fehlt. Jetzt hoffen die heimischen Bauern darauf, dass das gut für die Preise sein wird und sie der Krise doch noch ein Schnippchen schlagen können.
Wirtschaft / 14.01.2009 / Print

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
UA-12584698-1