Donnerstag, 29. Januar 2009

Aufwind für grünen Sprit





Mehr Bioanteil im Diesel ist für Hersteller „Segen“. Er war nötig.

HANS GMEINER Salzburg (SN). In der kommenden Woche wird der Anteil von pflanzlichem Biodiesel an herkömmlichem Diesel von derzeit fünf auf sieben Prozent angehoben. Damit erhöht sich der Bedarf um ein Drittel auf insgesamt 360.000 Tonnen. „Das ist ein Segen“, sagt der Salzburger Markus Friesacher, der in Krems in Niederösterreich zusammen mit dem Salzburger Raiffeisenverband die zweitgrößte Anlage zur Erzeugung von Biodiesel (Jahreskapazität 50.000 Tonnen) betreibt. Reinhard Thayer, Geschäftsführer der Arge Biokraft, spricht von „guten Grundlagen für Biodiesel“.
Die Branche hat Aufwind dringend nötig. Die letzten eineinhalb Jahre waren alles andere als einfach. Die Preise für Rapsöl und andere Pflanzenöle, aus denen Biodiesel erzeugt wird, waren 2008 mehr als doppelt so hoch wie im Jahr zuvor. Trotz der hohen Dieselpreise war eine rentable Produktion damit nur schwer möglich.
Nun scheint die Biodieselwelt wieder ins Lot zu kommen. Die Pflanzenölpreise sind wieder um die Hälfte gefallen, eine Tonne Rapsöl kostet jetzt wieder rund 600 Euro. Dass die Preise für herkömmlichen Diesel ebenfalls stark gefallen sind, stört Friesacher kaum. „Die Relationen, die noch im Herbst völlig aus dem Lot waren, stimmen nun wieder.“
Friesacher, der bereits jetzt einige kleinere Ölgesellschaften in Österreich, Tschechien und Rumänien beliefert, wird ab März auch der OMV Biodiesel für die Beimischung liefern. Wichtiges Standbein soll der sogenannte B100-Markt mit reinem Biodiesel bleiben, der in Österreich wegen des Preisunterschiedes von rund acht Cent pro Liter nach wie vor attraktiv ist.
Die deutschen Hersteller können davon nur träumen. Weil dort die Regierung die Steuern auf Biodiesel erhöhte, wurde Biodiesel dadurch deutlich teurer als Diesel. Der Markt gilt als tot. Viele Anlagen stehen derzeit still.
Nach wie vor still steht auch die Biodieselanlage in Enns, die von der Raiffeisenlandesbank OÖ nach dem Konkurs im vergangenen Frühjahr nolens volens übernommen werden musste. Ihre Zukunft ist ungewiss. Genauso ungewiss ist die Zukunft des Projekts der RLB OÖ in Rumänien, wo die Bank zusammen mit einem österreichischen Partner 5000 Hektar Raps anbauen wollte. Im Dezember wurde in einer Nacht- und Nebelaktion der gesamte, mehrere Millionen Euro teure Maschinenpark, zu dem mehr als ein Dutzend Großtraktoren, Mähdrescher und andere Großgeräte gehören, zurück nach Oberösterreich gebracht. „Das Projekt wurde abgebrochen“, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Die Raiffeisenlandesbank bestätigt das nicht. „Die Maschinen wurden nur zum Service geholt.“
Wirtschaft / 29.01.2009 / Print

Dienstag, 27. Januar 2009

Hofer schiebt Biomarkt an





HANS GMEINER Wels (SN). Mit einem blauen Auge kamen bisher die heimischen Biobauern durch die Krise. „Der Markt stagniert im Großen und Ganzen, in einigen Bereichen gibt es aber Rückgänge“, sagte Montag Christa Größ von Bio Austria bei der Eröffnung der Biobauerntage in Puchberg bei Wels. Martina Hörmer, Geschäftsführerin der Rewe-Tochter „Ja!natürlich“, mit einem Biomarkt-Anteil von rund 40 Prozent im Biohandel Branchenprimus, bestätigte das. „Wir wachsen zwar auch in der Krise noch, aber nicht mehr so schnell wie früher.“
Vor allem die Milch macht den Biobauern Sorgen. Der Absatz von Trinkmilch brach im Vorjahr regelrecht ein. Lag der Marktanteil von Biomilch im Sommer 2007 noch bei 11,4 Prozent, so waren es ein Jahr später nur mehr 8,8 Prozent. „Der Preisabstand zwischen konventioneller und Biomilch war mit 30 Cent pro Liter einfach zu groß“, sagt Hörmer.
Vor allem Hofer holte sich mit den konventionell erzeugten „zurück zum Ursprung“-Produkten von den Biobauern Marktanteile. Nun dürfen die Biobauern aber ausgerechnet wegen Hofer auf kräftige Zuwächse hoffen. „Dass der Biokonsum heuer um mehr als sieben Prozent wachsen wird, während der Haushaltskonsum insgesamt stagniert, ist zum Großteil darauf zurückzuführen, dass Hofer seit November die gesamte ,zurück zum Ursprung‘-Linie auf Bio umstellt“, sagt Manfred Mayr vom Marktforschungsinstitut KeyQuest zu den SN. „Wenn es diesen Schub nicht gäbe, gäbe es auf dem Markt Probleme.“
Mayr hält die Zukunftsaussichten der Biolandwirtschaft für durchaus intakt. „Die Akzeptanz ist breit“, sagt er. „Die Prognosen sind sehr gut.“ Sie seien allerdings schon besser gewesen. Mayr: „Die Diskussionen über weite Transporte und Themen wie die Klimadiskussion haben die Konsumenten sensibilisiert.“ Gaben sie bisher an, dass in Zukunft Bioprodukte für sie an Bedeutung gewinnen werden, so nennen sie neuerdings in der Region und gentechnikfrei erzeugte Produkte an erster Stelle. Mayr: „Darauf müssen die Biobauern reagieren.“
Wirtschaft / 27.01.2009 / Print

Mittwoch, 14. Januar 2009

Passagiere auf Hochschaubahn





Die Bauern leben derzeit wie auf einer Hochschaubahn. Vom Höhenflug der Agrarpreise, der vor Jahresfrist die Schlagzeilen beherrschte, ist nichts mehr geblieben. Die Preise für Milch, Getreide und Fleisch sind wieder auf Talfahrt und zuweilen tiefer, als sie je waren.

Entsprechend ist die Stimmung auf den Höfen. Von der Euphorie des Vorjahres, als viele Bauern nach langer Zeit wieder an die Zukunft glaubten, ist wenig geblieben. Jetzt steht man wieder da wie vorher - mit niedrigen Preisen und trüben Aussichten. Und dem Gefühl, von Lobbys in Wirtschaft und Politik benutzt und über den Tisch gezogen worden zu sein.
Lebensmittel sind immer noch vergleichsweise teuer im Verhältnis zur Preisentwicklung bei Agrarprodukten, die seinerzeit für Grund für Preiserhöhungen herhalten musste. Die Getreide- und Milchlager sind voll wie lange nicht mehr, aber der Hunger in der Welt trotzdem um kein Jota geringer als vor einem Jahr. Bloß die Bauernpreise sind - wieder - im Keller.
Optimismus fällt den Bauern derzeit schwer. Trübsal ist aber auch nicht angebracht. Das Eigentum an Grund und Boden und damit die Eigenkapitalausstattung gibt der Landwirtschaft Rückhalt wie keiner anderen Branche. Das Einkommen pro Kopf ist trotz des Rückgangs im Jahr 2008 noch um gut 25 Prozent höher als vor vier, fünf Jahren. Und die mittelfristigen Aussichten sind angesichts der insgesamt wachsenden Nachfrage nach Agrarprodukten nicht schlecht - auch wenn die Bauern das derzeit kaum glauben können.
Freilich: Daraus etwas zu machen, liegt freilich nicht nur an ihnen, sondern ist auch Aufgabe der Politik.

Von Hans Gmeiner am 14. Jan 2009 in Aktuell, Wirtschaft

Faschiertes statt Lungenbraten





Die Krise trifft auch die Bauern. Sie werden aber mit einem blauen Auge davonkommen, obwohl die Preise im Keller sind.

HANS GMEINER Salzburg (SN). In der heimischen Milchwirtschaft schrillen die Alarmglocken. Der Absatz geht zurück, die Preise stehen so stark unter Druck wie schon lange nicht mehr. Die Leute kaufen weniger, heißt es. Und wenn sie kaufen, dann schauen sie genau auf die Preise. Während es bei den billigen Eigenmarken-Produkten des Handels zweistellige Zuwächse gibt, bleiben die teureren Markenprodukte der heimischen Molkereiwirtschaft in den Regalen liegen. Und das, obwohl auch sie in den vergangenen Monaten wieder deutlich billiger wurden.
Wie kaum sonst wo im Agrarbereich sind die Auswirkungen der Finanzkrise und der um sich greifenden Verunsicherung bei den Konsumenten so deutlich zu spüren wie bei Milch und Milchprodukten. Der Markt ist zusammengebrochen, die Preise, vor Jahresfrist noch auf historischen Höchstwerten, sind bei vielen Produkten um bis zu 50 Prozent gefallen. In manchen Molkereien liegen die Nerven blank. Bei der Salzburger Alpenmilch und bei der Tirolmilch wurden die Geschäftsführer in die Wüste geschickt. Milchpreise auf Talfahrt Auch die Bauern leiden. Die Erzeugermilchpreise liegen um gut ein Viertel niedriger als noch vor einem Jahr. Mit Jahresbeginn steht die nächste Preissenkung an. Statt gut 45 Cent pro Kilogramm zahlen die Molkereien nur mehr knapp über 30 Cent pro Kilogramm Milch. Ob es dabei bleibt, ist fraglich. In der Molkereiwirtschaft, der das Wasser bereits bis zum Hals steht, hält man weitere Preissenkungen für möglich. „Wir haben den Bauernmilchpreis in den vergangenen Monaten angesichts der Marktentwicklung zu wenig weit abgesenkt“, wird betont. Die Grenze von 30 Cent ist nicht mehr tabu. In Deutschland liegen die Preise in manchen Regionen bereits bei 24 bis 26 Cent.
Aber auch in allen anderen Zweigen der Landwirtschaft sind die Preishöhenflüge des Vorjahres Geschichte. Wie auf allen Rohstoffmärkten ist auch bei Agrarprodukten die Luft draußen. Die Spekulanten haben sich zurückgezogen. Das drückte genauso auf die Preise wie die gestiegene Produktion bei Milch, die guten Ernten bei Getreide, Mais und Ölsaaten und der gleichzeitig zurückgehende Konsum. Dazu kommen zunehmende Schwierigkeiten im Exportgeschäft, weil sich die Banken mit notwendigen Finanzierungen zurückhalten. Die Maislager sind voll „Bei Fleisch haben wir derzeit real ein Preisniveau wie Mitte der siebziger Jahre“, sagt Karl Bauer, Marktexperte der Landwirtschaftskammer Österreich im Gespräch mit den SN. Im Keller sind auch die Getreidepreise. Die Maislager sind in ganz Europa voll, statt 150 Euro pro Tonne wie im Jahr 2007 bekamen die Bauern im Vorjahr kaum mehr als 70 Euro pro Tonne. Die Weizenpreise stürzten seit der Ernte im August von 180 auf 120 Euro, die Preise für Ölfrüchte wie Raps und Soja halbierten sich.Unsichere Zeiten „Die Landwirtschaft befindet sich derzeit in einer Phase großer Unsicherheit, in der nicht klar ist, wohin sich die Märkte entwickeln“ sagt Franz Sinabell, Agrarexperte des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Er schätzt, dass sich daran in den nächsten zwei Jahren kaum etwas ändern wird. „Die Leute essen derzeit lieber Faschiertes als Lungenbraten.“
Das setzt auch den Biobauern und hochpreisigen Premiummarken wie dem kürzlich gestarteten „gut so!“ zu. Ihnen rät Sinabell, wie der heimischen Landwirtschaft insgesamt, nicht von der Qualitätsstrategie abzugehen. „Der Aufschwung wird wieder kommen und dann tun sich die leichter, die auch in schlechten Zeiten bei ihrer Linie geblieben sind.“
Allem Druck zum Trotz zählt der Wifo-Experte die Landwirtschaft zu den eher sicheren Branchen. „Die Landwirtschaft wird mit einem blauen Auge durch die Krise kommen“, ist er überzeugt. In keiner anderen Branche gebe es eine derart dicke Eigenkapitaldecke. „70 Prozent der bewirtschafteten Flächen stehen im Eigentum der Bauern“, sagt Sinabell. „Das hilft beim Durchtauchen.“ Bauern investieren weniger Unternehmen, die von der Landwirtschaft leben, würden sich allerdings schwerer tun, befürchtet Sinabell. Er erwartet, dass beispielsweise die Landtechnik-Industrie vor schwierigen Zeiten steht. Die Zurückhaltung der Bauern bei Investitionen ist dort bereits zu spüren. „Die Bauern investierten in den vergangenen Monaten weniger, aber nicht so dramatisch weniger wie in anderen Sparten“, sagt Rudolf Hinterberger vom Traktorenhersteller Steyr. Sein Unternehmen blieb von Kaufzurückhaltung bisher verschont. Sogar im November, als die Zahl der verkauften Traktoren bereits um ein Prozent unter dem vergleichbaren Vorjahresmonat lag, gab es beim österreichischen Hersteller noch Zuwächse.
Es herrscht aber nicht nur Tristesse. Optimisten unter den Landwirten verfolgen mit Interesse, dass in Osteuropa im Herbst deutlich weniger Getreide angebaut wurde, weil dort Geld für Saatgut, Dünger und Pflanzenschutzmittel fehlt. Jetzt hoffen die heimischen Bauern darauf, dass das gut für die Preise sein wird und sie der Krise doch noch ein Schnippchen schlagen können.
Wirtschaft / 14.01.2009 / Print

Donnerstag, 8. Januar 2009

Bauern sind auch keine Heiligen





In der heimischen Landwirtschaft klagt es wieder einmal aus allen Ecken. Die Bauern sind unrund, weil die Konsumenten gerne das Angebot in den Supermärkten annehmen und nicht mehr so freudig wie in den vergangenen Jahren zu heimischer Teebutter greifen, sondern gerne auch zu billiger Importbutter.

Da leuchten gleich alle Alarmsignale dunkelrot und die Maschinerie beginnt zu laufen. Wenn nicht gerade die IG-Milch ihre "Rebellen" zum Demonstrieren schickt, tut es der Bauernbund. "Eines von zehn Milchpackerln mehr aus dem Ausland bedeutet in jeder Landgemeinde einen Arbeitslosen mehr", lässt man einen Universitätsprofessor ausrechnen.

Da kam zupass, dass man sich wegen des irischen Dioxinfleischs gleich auch über die Fleischimporte echauffieren konnte.

Ja, warum dürfen's denn das überhaupt?

Allzu viele Bauern und Agrarfunktionäre fragen sich das ernsthaft. Immer noch. Und man kann sich immer noch in Rage reden. Ausländische Lebensmittel? Massenware, keine Qualität, ja, eine Gefahr für die Gesundheit! Teufelszeug! Österreich, die einzige Insel der Seligen.

Irgendetwas kriegen da viele in der Landwirtschaft nicht auf die Reihe. Auf der einen Seite sind sie stolz auf die Exporterfolge der vergangenen Jahre und darauf, dass die Produkte aus Österreich überall so beliebt sind. Jedes Jahr werden neue Exportrekorde gefeiert. Bei Milch und Käse, bei Fleisch, bei Futtermitteln und bei vielen, vielen anderen Produkten.

Die Entwicklung der Agrarexporte ist seit dem EU-Beitritt eine der großen Erfolgsstories der heimischen Wirtschaft: Die Exporte haben sich auf mehr als sieben Milliarden Euro vervierfacht. Selbst wenn man Exportschlager wie Red Bull weglässt, das ebenfalls in der Statistik der Agrarexporte geführt wird, bleibt noch ein riesiger Zuwachs.

Auf der anderen Seite wollen viele Bauern nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Importe, gegen die sie immer wieder Sturm laufen, in den vergangenen Jahren deutlich weniger angestiegen sind, mithin die heimische Landwirtschaft zu den Gewinnern zählt. Erstmals hat Österreich im Vorjahr sogar mehr Lebensmittel und Agrarprodukte exportiert als importiert.

Da sei die Frage erlaubt, wer muss sich da mehr fürchten? Die österreichischen Bauern vor Fleisch, Käse, Milchprodukten aus Frankreich, Deutschland, Italien, Südamerika, Polen oder wie all die Länder heißen, die ständig als Bedrohungsszenario im Mund geführt werden. Oder sind es nicht doch die Bauern in Deutschland, Tschechien, Ungarn, Polen, die sich mehr ärgern könnten, weil in ihren Ländern so viele österreichische Produkte verkauft werden und ihnen Absatzmöglichkeiten wegnehmen?

Allein die Ausfuhren von Milch und Milchprodukten wuchsen zwischen 1995 und 2007 von 186 Millionen Euro auf 860 Millionen Euro. Wenn man dann schon beklagt, dass eines von zehn Milchpackerln aus dem Ausland einen Arbeitsplatz kostet, dann soll man einmal ausrechnen, wie viele Arbeitsplätze der Zuwachs der heimischen Exporte gebracht hat.

Man mag sich gar nicht ausdenken, was wäre, wenn wir hätten, was manch österreichischer Bauer sich so sehnlich wünscht: dichte Grenzen. Aber über so etwas reden die Bauern nicht gerne. Es hat Tradition, dass man gerne unterschiedliche Maßstäbe anlegt, wenn es denn nur dem eigenen Vorteil, der eigenen Position dienen könnte. Mit Verlaub - alle Scheinheiligkeit inklusive. Denn, was von den Konsumenten eingefordert wird, lassen die Bauern selbst allzu oft vermissen, wenn es nur um den eigenen finanziellen Vorteil geht.

Sie sind, so ehrlich müssen sie sein, selbst alles andere als Heilige. Was hat man da nicht schon alles erlebt: Aus Tschechien, Polen, ja sogar aus Russland wurden nach dem Fall des Eisernen Vorhanges Landmaschinen und Traktoren herbeigekarrt. Für Futter- und Pflanzenschutzmittel, die auch in Österreich erzeugt wurden, fuhr man bis Frankreich und weit hinunter nach Osteuropa. Und nur ein geringer Teil der Milchbauern, die ganz besonders laut von Konsumenten und Handel Treue zu österreichischen Produkten einmahnen, fahren Steyr- oder Lindner-Traktoren.

Gerade die am lautesten schreien, fahren oft selbst am weitesten, wenn sie nur weniger zahlen müssen.

Man versteht auch den Unmut und die Verärgerung mancher Geschäftsleute, die immer wieder erleben müssen, wie schwer sich Bauern tun, Abmachungen zu respektieren, oder wenn sie Verständnis bräuchten. Da vergessen die Bauern links und rechts sehr schnell alles. Sind die Preise hoch, will man alles - auch im Nachhinein und ganz selbstverständlich. Sind die Preise tief, will man davon nichts wissen und pocht auf Verständnis. Und das mit der Faust und Politikern im Rücken, die Stimmen erhoffen. Man frage nur, was Getreideaufkäufer in den vergangenen zwei Jahren alles erlebt haben.

Und, ganz ehrlich, man möchte in vielen bäuerlichen Vorratskammern nicht Mauserl sein. In wie vielen Fällen müsste man sich da wohl von Nudeln vom Diskonter, von Billig-Käse einer Handels-Eigenmarke, von Semmeln und Brot aus der jüngsten Supermarktaktion und von Aktions-Fleisch aus der Tiefkühltheke ernähren? Und dass man oft auch auf billige Butter aus Ostdeutschland stoßen würde, ist auch nicht so unwahrscheinlich. Man weiß ja auch auf den Bauernhöfen zu sparen. Gerade dort.

Die Lage der Bauern, das wissen wir, ist nicht einfach. In den vergangenen Monaten hat sich alles wieder zum Schlechteren gewendet. Das freilich nicht nur für die Bauern. Darum sollten die Agrarier den Blick für die Realität schärfen, doch wieder einmal über den Tellerrand schauen und sich nicht in einer wehleidigen Nabelbeschau ergehen. Sie werden draufkommen: Die da draußen sind auch nicht schlechter, schon gar nicht so schlecht und böse, wie die Bauern oft meinen. Vielleicht sind sie ja gar nicht anders als sie selbst.

Hans Gmeiner
"Raiffeisenzeitung" Nr. 01+02/09 vom 08.01.2009

Freitag, 2. Januar 2009

Der Schlendrian wird zur Gefahr





War das eine Aufregung in den Tagen vor Weihnachten. Irisches Dioxinfleisch in Österreich - o Graus! Kammerpräsidenten taten ihre Entrüstung per Presseaussendungen kund, die AMA-Marketing lud eilends zu einem Informationsgespräch. Da Sprechblasen, dort Sprechblasen, da Stellungnahmen und dort Klagen. Dabei konnte der heimischen Landwirtschaft gar nichts Besseres passieren. Sollte man meinen. Solche Skandale geben doch Gelegenheit, die Vorzüge der hiesigen Landwirtschaft und ihrer Produkte in die Auslage zu stellen. Dumm nur: Das geht nicht, ohne sich selbst kräftig anzupatzen.

Einmal abgesehen vom Dioxin im Fleisch, das ja nicht die Regel, sondern die kriminelle Ausnahme ist, und abgesehen davon, dass grundsätzlich nichts gegen Importe einzuwenden ist, weil ja auch die österreichische Landwirtschaft vom internationalen Handel lebt: Aber was sollen Konsumenten denken, wenn sie erfahren müssen, dass Tiroler Bauernspeck aus irischem Fleisch erzeugt wird? Dass ein Wiener Fleischer, der mit einem "Wiener Wurstgütesiegel" wirbt, durchaus auch im Ausland einkauft? Und das alles gesetzlich gedeckt und mithin völlig legal, mit viel Rot-weiß-rot auf der Verpackung, dem österreichischen Genusstauglichkeitskennzeichen und vielleicht auch noch einem Bundesadler?

Sie werden sich betrogen fühlen. Und das völlig zu Recht. Es wird ihnen in Zukunft wohl egal sein, woher der Speck, die Wurst, das Fleisch, die Butter kommt. Österreichische Qualität ist für sie, zumal dann, wenn sie noch dazu mehr dafür bezahlen sollen, wohl kaum mehr ein wichtiges Kaufkriterium.

Der Dioxinfleischskandal legt den Schlendrian in der Lebensmittelkennzeichnung offen. Der wird mittlerweile zur Gefahr für Österreichs Qualitäts-Strategie bei Lebensmitteln, weil die Konsumenten sich nicht mehr auskennen und sich verschaukelt fühlen. Und das gerade jetzt, wo die Treue wegen der zuweilen großen Preisunterschiede ohnehin schon stark strapaziert ist. Viele von denen, die sich da vor den Feiertagen entrüstet geäußert haben, haben dieser Entwicklung jahrelang zugeschaut. Achselzuckend. Die politischen Möglichkeiten in der Regierung, die ihnen die Bauern als überwiegend treue Bauernbund- und damit ÖVP-Wähler gegeben haben, haben sie nie genutzt, um diese Missstände zu ändern.

Es ist ihnen nie gelungen, zwischen all den EU-Vorgaben zur Kennzeichnung von Lebensmitteln Klarheit zu schaffen. Sie haben nichts getan, als der Handel mit viel Fantasie immer neue Zeichen und Fähnchen erfand, um Wurst, Käse, Schinken und Schnitzel in Inseraten als "österreichisch" auszuloben, ohne genau zu sagen, was dahinter steckt. Sie haben zugeschaut, wie Verbände und Organisationen mit immer neuen Siegeln die Konsumenten schwindlig machten, und den Wildwuchs auch noch mit hunderttausenden, ja Millionen Euro gefördert. Ja, sie haben mitunter sogar kräftig mitgeholfen, die Konsumenten hinters Licht zu führen. Man denke nur an den Kniefall vor Werner Lampert und dem Diskonter Hofer, für die man die Umstiegszeit auf Bio-Produktion halbierte. Man denke aber auch an die vielen Genussregionen und die Produkte, die dort erzeugt werden. Klingen allesamt gut, aber klare Regelungen dafür gibt es nicht.

Man darf gespannt sein, ob sich bei den Verantwortlichen die Lethargie jetzt löst. Als gelernter Österreicher fährt man wohl besser, wenn man das bezweifelt.

"Blick ins Land" Nr. 01/09 vom 02.01.2009
 
UA-12584698-1