Dienstag, 18. November 2008

Die schmutzige Seite des Biogeschäfts





Auf krummen Wegen und zuweilen falsch deklariert kommt Biogetreide nach Österreich. Diese Machenschaften zerstören den Glauben an eine „gute“ Branche.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Konventionell erzeugtes Getreide wird in Deutschland auf die Reise geschickt und kommt über Italien in Österreich als Biogetreidean. Mit Pflanzenschutzmitteln belastetes „Biogetreide“, das von dem einen Futterhersteller abgelehnt wird, nimmt der nächste,ohne lange zu fackeln. Das Protokoll einer Zeugenvernehmung, das in Biokreisen kursiert, zeigt die Abgründe des Biobusiness. Mit den Vorstellungen, die sich ein Konsument von Bioprodukten und Biolandbau macht, hat das nichts zu tun.
Wie alle anderen Bauern leiden auch die heimischen Biolandwirte unter einem massiven Kostendruck. Besonders angespannt ist die Lage bei Futtergetreide. Es soll bio und dennoch möglichst billig sein. Das zieht dubiose Geschäftemacher an. Die Fälle, in denen sich das als bio gelieferte Futtergetreide in Analysen als ganz normale konventionell erzeugte Ware erweist, häufen sich.
Dem Vernehmen nach liegen tausende Tonnen falsch deklarierter Ware in Sperrlagern. Wie viel davontrotzdem auf den Markt gekommen ist, ist ungewiss. An der Wiener Getreidebörse läuft ein Verfahren, die Kripo ermittelt, gegen italienische Firmen laufen strafrechtliche Verfahren.
Das wurde jetzt auch Andreas Kocourek von der Agentur für Bio Getreide zu viel. In einem Schreiben an Geschäftspartner warnt er vor Direktimporten. Diesem Schreiben beigefügt ist ein polizeiliches Vernehmungsprotokoll, in dem Kocourek, einer der besten Kenner der Szene und selbst (noch nicht rechtskräftig) wegen Unregelmäßigkeiten bei Importen verurteilt, Einblick in die Machenschaften gibt – „zu Ihrer Information, als auch zur Vorbereitung für allfällige Ermittlungen der Kriminalpolizei“.
Darin hält der Dritteleigentümer der Agentur für Bio Getreide fest, dass es bei einer italienischen Firma, über die sein Unternehmen Biogetreide importierte, immer wieder Verunreinigungen mit Lagerschutzmitteln und Pestiziden gegeben habe. Von mehr als 500 Lieferungen dieses Lieferanten zwischen November 2007 und September 2008 waren laut Kocourek fast 100 Lieferungen falsch deklariert. „Als pauschale Rechtfertigung gaben die Mitarbeiter dieser Firma immer wieder an, dass lediglich wir so zimperlich seien“, heißt es in dem Protokoll. „Sie würden die von uns beanstandeten Getreideprodukte in ganz Europa verkaufen.“ Sowohl bei Gerste als auch bei Mais ließen die Italiener laut Kocoureks Aussagen gegenüber der Polizei erkennen, dass vor allem in Salzburg und Oberösterreich Erzeuger von Biofuttermitteln diese Wareübernehmen würden.
Das Geschäft mit der falschen Bioware ist grenzüberschreitend organisiert. So wird in dem Vernehmungsprotokoll ein deutscher Getreidelieferant genannt, der just an die in Rede stehende italienische Firma in großem Stil konventionelle Ware aus dem Raum Bamberg lieferte. Isotopenuntersuchungen bestätigten, dass genau diese Ware als „italienische“ Biogerste nach Österreich kam.
Nicht ganz unverantwortlich für die derzeitigen Zustände ist Bio Austria. Der Biobauernverband forcierte die Importe, um den Preisdruck für die Bauern zu mildern. Dabei wäre das gar nicht mehr nötig.Es gibt heuer in Österreich mehr als genug Biofuttergetreide.
Wirtschaft / 18.11.2008 / Print

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