Montag, 1. Dezember 2008

… und es denkt sich niemand etwas dabei





Nicht weniger als 80 Vorschriften und Produktionsregeln muss ein Landwirt beachten, der für Franz Fischlers "gut so!"-Programm Milch erzeugt. Bei Werner Lamperts "Zurück zum Ursprung" wird's nicht viel weniger sein. Und auch nicht beim AMA-Gütesiegel und schon gar nicht bei den Bio-Verbänden und den vielen anderen Programmen. Aber auch wer nicht im Rahmen von Sonderprogrammen produziert, hat es kaum besser. 64 Seiten umfasst alleine das Heft, in dem alle Vorschriften zusammengefasst sind, die ein Landwirt beim Ausfüllen des Mehrfachantrags zu beachten hat. Dazu kommen dutzende Seiten mit Cross-Compliance-Paragraphen und allerlei anderen Feinheiten, die von den Bauern beachtet werden müssen, damit sie ans Geld kommen.

"Die spinnen, die Bürokraten", denken sich immer mehr Bauern. Für 95 Prozent von ihnen steht inzwischen die Eindämmung der Bürokratie an vorderster Stelle, wenn man sie nach ihren dringlichsten Wünschen fragt. Zu verdenken ist es ihnen nicht. Denn all die bürokratische Pein samt finanziellem Striptease steht zumeist in keiner Relation zum Mehrverdienst, den sie dafür bekommen. Ein paar Cent sind es beim Gütesiegel-Fleisch, ein paar Cent bei anderen Qualitätsprogrammen. Man muss selbst als Biobauer zumeist froh sein, wenn sich da gerade einmal der Mehraufwand rechnet. In vielen Fällen ist es oft nicht einmal das. Da sei nur die Umstellung auf gentechnikfreie Fütterung in der Milchproduktion genannt. Der Ausgleich der Mehrkosten, den damals die Molkereien den Bauern vollmundig versprochen haben, ist längst in Vergessenheit geraten. Das zeigte sich gerade in den vergangenen Wochen bei Milch und Molkereiprodukten. Dass in Österreich gentechnikfrei gefüttert wird, ist den Konsumenten keinen Cent wert. Und dem Handel schon gar nicht. Was von der heimischen Landwirtschaft immer wieder gefordert wurde, interessierte mit einem Mal niemanden mehr. Wenn es aber nur das wäre. Was ebenso schwer wiegt: Trotz aller Vorschriften und Kontrollen geht immer noch jede Menge daneben. Staunend muss man, wie beim jüngsten Bio-Skandal, zur Kenntnis nehmen, wie lückenhaft das System ist. Die Landwirtschaft scheint dabei zu sein, zu einem Selbstbedienungsladen für Geschäftemacher zu werden, die mit den Bauern nach Belieben fuhrwerken. Nicht nur für Handel und Verarbeiter, sondern auch für die Kontrollore. Die Ausarbeitung aller Vorschriften und deren Überwachung sind längst zu einem Millionengeschäft geworden. Werner Lampert lebt mit eigener GmbH davon und nahm dafür erst kürzlich einen 1,5-Mill.-Euro-Zuschuss vom Bund. Die "fairea" von Franz Fischlers Ökosozialem Forum erhielt 400.000 Euro für "gut so!".

Bei den Kontrollunternehmen selbst herrschen, man mag es kaum anders nennen, ohnehin fröhliche Zuständ. Die am Produktionsprozess Beteiligten machen am liebsten auch gleich die Kontrolle selbst. So mischen die Bioverbände nach wie vor bei der Austria Bio Garantie mit, hat der grüne Abgeordnete Pirklhuber mit der BIOS sein eigenes Unternehmen, ist die Biobäckerei Mauracher an Lacon beteiligt und macht sich manche Landwirtschaftskammer mit der Beteiligung an Kontrollfirmen ein Körberlgeld. Und so weiter und so fort. Und als ob das nicht genug wäre, sitzen die Kontrollstellen auch gleich in jenen Gremien, die die Kontrollrichtlinien beschließen. Und offenbar niemand denkt sich etwas dabei. Nur die Bauern. Aber auf die hört anscheinend keiner.

"Blick ins Land" Nr. 12/08 vom 01.12.2008

Dienstag, 18. November 2008

Die schmutzige Seite des Biogeschäfts





Auf krummen Wegen und zuweilen falsch deklariert kommt Biogetreide nach Österreich. Diese Machenschaften zerstören den Glauben an eine „gute“ Branche.

HANS GMEINER Salzburg (SN). Konventionell erzeugtes Getreide wird in Deutschland auf die Reise geschickt und kommt über Italien in Österreich als Biogetreidean. Mit Pflanzenschutzmitteln belastetes „Biogetreide“, das von dem einen Futterhersteller abgelehnt wird, nimmt der nächste,ohne lange zu fackeln. Das Protokoll einer Zeugenvernehmung, das in Biokreisen kursiert, zeigt die Abgründe des Biobusiness. Mit den Vorstellungen, die sich ein Konsument von Bioprodukten und Biolandbau macht, hat das nichts zu tun.
Wie alle anderen Bauern leiden auch die heimischen Biolandwirte unter einem massiven Kostendruck. Besonders angespannt ist die Lage bei Futtergetreide. Es soll bio und dennoch möglichst billig sein. Das zieht dubiose Geschäftemacher an. Die Fälle, in denen sich das als bio gelieferte Futtergetreide in Analysen als ganz normale konventionell erzeugte Ware erweist, häufen sich.
Dem Vernehmen nach liegen tausende Tonnen falsch deklarierter Ware in Sperrlagern. Wie viel davontrotzdem auf den Markt gekommen ist, ist ungewiss. An der Wiener Getreidebörse läuft ein Verfahren, die Kripo ermittelt, gegen italienische Firmen laufen strafrechtliche Verfahren.
Das wurde jetzt auch Andreas Kocourek von der Agentur für Bio Getreide zu viel. In einem Schreiben an Geschäftspartner warnt er vor Direktimporten. Diesem Schreiben beigefügt ist ein polizeiliches Vernehmungsprotokoll, in dem Kocourek, einer der besten Kenner der Szene und selbst (noch nicht rechtskräftig) wegen Unregelmäßigkeiten bei Importen verurteilt, Einblick in die Machenschaften gibt – „zu Ihrer Information, als auch zur Vorbereitung für allfällige Ermittlungen der Kriminalpolizei“.
Darin hält der Dritteleigentümer der Agentur für Bio Getreide fest, dass es bei einer italienischen Firma, über die sein Unternehmen Biogetreide importierte, immer wieder Verunreinigungen mit Lagerschutzmitteln und Pestiziden gegeben habe. Von mehr als 500 Lieferungen dieses Lieferanten zwischen November 2007 und September 2008 waren laut Kocourek fast 100 Lieferungen falsch deklariert. „Als pauschale Rechtfertigung gaben die Mitarbeiter dieser Firma immer wieder an, dass lediglich wir so zimperlich seien“, heißt es in dem Protokoll. „Sie würden die von uns beanstandeten Getreideprodukte in ganz Europa verkaufen.“ Sowohl bei Gerste als auch bei Mais ließen die Italiener laut Kocoureks Aussagen gegenüber der Polizei erkennen, dass vor allem in Salzburg und Oberösterreich Erzeuger von Biofuttermitteln diese Wareübernehmen würden.
Das Geschäft mit der falschen Bioware ist grenzüberschreitend organisiert. So wird in dem Vernehmungsprotokoll ein deutscher Getreidelieferant genannt, der just an die in Rede stehende italienische Firma in großem Stil konventionelle Ware aus dem Raum Bamberg lieferte. Isotopenuntersuchungen bestätigten, dass genau diese Ware als „italienische“ Biogerste nach Österreich kam.
Nicht ganz unverantwortlich für die derzeitigen Zustände ist Bio Austria. Der Biobauernverband forcierte die Importe, um den Preisdruck für die Bauern zu mildern. Dabei wäre das gar nicht mehr nötig.Es gibt heuer in Österreich mehr als genug Biofuttergetreide.
Wirtschaft / 18.11.2008 / Print

Bioland im Biosumpf





O Bioland Österreich! Man mag nicht glauben, was sich da im Handel mit Biogetreide abspielt. Da scheinen alle Dämme gebrochen. Woran soll man noch glauben? Und wem? Die Glaubwürdigkeit einer ganzen Branche steht auf dem Spiel.

Die wahren Opfer sind die Bauern. Nicht nur, weil ihnen höchstwahrscheinlich immer wieder einmal falsche Ware untergejubelt wurde. Sie sind es auch, die das Desaster ausbaden müssen.

Das Image der Biolandwirtschaft steht ohnehin bereits unter Druck. In den Supermärkten brechen die Umsätze weg. In Deutschland schließen Biomärkte bereits Filialen. „Bio ist heute nichts besonderes mehr", sagen Meinungsforscher. Regionalität ist das Schlagwort der Stunde. Lebensmittelmarken, die darauf setzen, buhlen um die gleiche Kundschaft.
Da sind Machenschaften wie auf dem Biogetreidemarkt reines Gift.

Fragt sich bloß, warum die Agentur für Bio Getreide, wichtigster Händler in Österreich, nicht beim ersten Verdacht die Geschäfte mit dem italienischen Partner beendete, sondern über Monate weitergemacht hat.
Es fragt sich auch, wie es um das Kontrollwesen im Lebensmittelbereich steht.
Und es fragt sich, warum Bio Austria nach dem heurigen Sommer sogar die Importe noch forcierte, obwohl die Versorgungsengpässe des Vorjahres längst Geschichte waren.
Wenn sie das schon nicht einem Richter erklären müssen, den Bauern gegenüber müssen sie es tun.

Von Hans Gmeiner am 18. Nov 2008 in Wirtschaft

Samstag, 1. November 2008

Fesche Party mit fatalem Ende?





Es war eine fesche Party, die da im schicken Wiener "Volksgarten" abging. Die Models waren sowieso fesch. Und auch die Schlagzeilen. "Sexy, selbstbewusst und kein bisschen langweilig: Der Jungbauernkalender für das Jahr 2009 zeigt die schönsten Seiten der heimischen Landwirtschaft."

Das pfeift! Alles paletti also, zeigte man doch allen: "Wir sind gar nicht so hinterwäldlerisch, wie alle meinen."

Na Gott sei Dank! Ist doch jetzt immerhin schon zehn Jahre lang Programm.

Aber sonst?

Aber sonst ist's, mit Verlaub, nicht so toll. Schon gar nicht so schlagzeilenträchtig. Da dienen die Jungbauern in der Öffentlichkeit allenfalls als Echo der Politik, die die Alten machen. Brav wird nachgebläfft, dass die Bauern keine Preistreiber sind, man "begrüßt" artig einen Bericht des EU-Parlaments über die Zukunft der jungen Bauern, man hält im Bierzelt die in der Zentrale gemalten Transparente in die Höhe, wenn ein Willi Molterer wahlkämpft. Und der Tag der "Jungen Landwirtschaft" ging vor wenigen Tagen bezeichnenderweise gleich in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern über die Bühne. Eines der zentralen Themen dort (ja, es beschleicht einen eine gewisse Vorahnung): Pensionsversicherung.

Und das am "Tag der jungen Landwirtschaft".

Da ist weit und breit nichts von dem zu sehen, was man vom bäuerlichen Nachwuchs erwarten würde: neue Ideen, neue Gedanken, Forderungen, ein Drängen und Nachdrängen. Nirgendwo auch nur so etwas Ähnliches wie ein Stachel im Fleisch der Altvorderen.

Schon gar nicht ein Stachel in deren Sitzfleisch. Von den insgesamt zwölf Abgeordneten, die für den VP-Bauernbund im neuen Nationalrat sitzen, ist nur ein einziger unter vierzig. Zweitjüngster ist übrigens dann schon der - wohl - künftige Vizekanzler, der auch auf dem Bauernbund-Ticket kandidierte.

All das sind aber nicht allein Probleme der Jungbauernschaft des Bauernbundes und damit der VP. Mitnichten. Es sind Probleme, die auf die gesamte junge Bauernschaft in Österreich zutreffen.

So tüchtig, offen und auch erfolgreich sich junge Bäuerinnen und Bauern bei der Arbeit und bei der wirtschaftlichen Führung ihrer Höfe zeigen, so sehr lassen sie immer öfter den Blick aufs Ganze vermissen.

Über dem Streben nach wirtschaftlichem Erfolg in der Landwirtschaft und Karriere im Nebenerwerb hat man vor allem die Bedeutung der Politik aus den Augen verloren. Weil man ohnehin bis weit über den Kopf nicht nur auf dem Hof, sondern auch im Job in der Arbeit steckt, hat kaum mehr jemand Lust, sich mit grundsätzlichen Fragen der Landwirtschaft respektive der Agrarpolitik oder der Position der Bauern in der Gesellschaft auseinanderzusetzen.

Das ist ihnen nicht zu verdenken. Aber zu akzeptieren ist es deswegen noch lange nicht.

Nicht nur Ortsbauernschaften verkümmern, weil niemand mehr bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, sich vorne hinzustellen, Ideen zu entwickeln, an Lösungen mitzuarbeiten. Das zieht sich bis nach oben hin, bis in die Kammern, bis in die Parteien, bis ins Ministerium. Der Stil, die Formalismen, die Sitzungen, die Leerläufe - das alles zehrt oft nur an den Nerven. Der Nachwuchs ist verschreckt und wendet sich mitunter mit Grausen.

Er sollte es nicht. Denn ohne große Not und ohne viel Nachdenken geben damit die jungen Bauern die Landwirtschaft auf, ja schmeißen sie regelrecht weg.

Und das ist dann wohl nicht so fesch - und schon gar nicht sexy.

"Blick ins Land" Nr. 11/08 vom 01.11.2008

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Zwischen gespannten und bangen Erwartungen





Die Nationalratswahlen ließen keinen Stein auf dem anderen. Wer wird nun mit wem? Wer nicht? Oder bleibt alles beim Alten? Das, worüber derzeit in den politischen Zirkeln und an den Stammtischen des Landes gerätselt wird, betrifft auch die Landwirtschaft. Was kann auf die Bauern zukommen?

Nichts Neues, sagen die einen. Nichts Tiefgreifendes zumindest - bei einer Neuauflage der "großen" Koalition sowieso nicht, aber auch nicht in anderen Varianten. Dafür werden, meint diese Denkschule, schon die nach wie vor pechschwarzen Landwirtschaftskammern und die überwiegend schwarzen Agrar-Ressorts in den Ländern sorgen. Die werden alles tun, um den bisherigen Kurs beizubehalten, bis hin zur offenen Sabotage. "Und überhaupt", setzt man noch eins drauf, "angeschafft wird ja sowieso in Brüssel."

Es gibt aber auch andere Einschätzungen. Wer zahlt, schafft an, ist dort zu hören. Zuckerln für die Bauern, wie die Milchprämie und die Erhöhung der Mittel für Agrardiesel, ohnehin noch nicht in trockenen Tüchern, könnten sehr schnell wieder weg sein. Eine andere Verteilung der Mittel für den ländlichen Raum weg von der Landwirtschaft hin in andere Bereiche wird für möglich gehalten.

Schwarzmalerei? Vielleicht. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie es weitergeht. Alleine, wer sich wie für Österreichs Landwirtschaft in Brüssel positioniert, wird weit reichende Folgen haben. Schließlich geht es dort in den nächsten Monaten um die Zukunft der Bauern nach 2013. Da spielt es sehr wohl eine Rolle, welche Partei der Agrarpolitik ihren Stempel aufdrückt oder zumindest mitredet. Es ist eines, wenn das die ÖVP tut, es ist etwas anderes, wenn das die SPÖ tut, und es ist wieder ganz etwas anderes, wenn das FPÖ, BZÖ oder Grüne tun.

Die ÖVP kennt man. "Zur Genüge", sagen da manche. Von den anderen aber weiß man in Sachen Landwirtschaft nichts. Praktisch nichts. Sie treten in der Regel nur vor Wahlen auf, die Köpfe sind nur Insidern bekannt.

In der SPÖ spielt die Landwirtschaft nur dann eine Rolle, wenn man Chancen wittert, in die Bauernschaft Keile zu treiben. Landwirtschaft betreut dort kein Bauer, sondern ein Bürgermeister, der Platz im Parteiprogramm ist klein. Die Mittel der ländlichen Entwicklung, heißt es im Wahlmanifest, wolle man nicht nur als reine Agrarförderungen sehen. Exportsubventionen für die Landwirtschaft wolle man abbauen, den Entwicklungsländern einen besseren Marktzugang ermöglichen. Und: Die Fördermittel sollen nach Arbeitsaufwand verteilt werden. Das BZÖ redet in ein paar dürren Zeilen einer Re-Nationalisierung der Agrarpolitik das Wort. Und der FPÖ fällt nicht viel mehr ein als: "Unsere Landwirtschaft muss so stark sein, dass wir unsere Bevölkerung auf heimischem Grund und Boden mit gesunden Lebensmitteln versorgen können." Das war schon alles, was zur Agrarpolitik zu hören war. Und die Grünen? Da ist einer die Agrarpolitik, Wolfgang Pirklhuber.

Aber ginge es doch nur um inhaltliche Schwerpunktsetzungen. Es geht aber auch um Engagement und um die Kompetenz, sich in der so schwierigen Materie Agrarpolitik zurechtzufinden.

Alle aus diesen Parteien, die sich gerne mit mehr oder weniger willkürlichen Zurufen und zuweilen vollmundig zur Agrarpolitik äußern, müssen erst beweisen, dass sie im Ernstfall auch Politik für die Bauern machen können.

Das kann tatsächlich spannend werden. Im besten Fall. Man versteht aber auch, dass so manchem Bauern bange wird.

"Blick ins Land" Nr. 10/08 vom 01.10.2008

Freitag, 5. September 2008

Füllhorn über die Bauern





HANS GMEINER Wels (SN). Ein Paket mit einem zusätzlichen Fördervolumen von insgesamt rund 70 Mill. Euro für die Bauern: Daspräsentierte Donnerstag Landwirtschaftsminister Josef Pröll auf der Welser Messe. 50 Mill. Euro davon entfallen auf eine Milchkuhprämie, die ab 2009 an die Milchbauern ausgezahlt werden soll. Sie soll die Erzeugerpreisrückgänge abfedern, die im Zuge der von der EUbis 2014 geplanten Aufhebung des Systems der Lieferbeschränkungen bei Milch in den kommenden Jahren zu erwarten sind. 20 Mill. Euro sind als Ausgleich für die Verteuerung von in der Landwirtschaft verwendetem Diesel vorgesehen. Statt wie bisher 50 Mill. werden ab 2009 an die Bauern 70 Mill. Euro für die Agrardieselvergütung ausgezahlt.
Details zur geplanten Milchkuhprämie stehen noch nicht fest. Sie können erst nach der für November erwarteten Anpassung der EU-Agrarpolitik im Zuge des Gesundheitschecks fixiert werden.
Das vorgesehene Prämienvolumen, das aus Mitteln der EU, aber auch aus nationalen Töpfen finanziert werden soll, bedeutet, dass jede der derzeit rund 529.000 Milchkühe in Österreichs Ställen zumindest bis zum Auslaufen der derzeitigen EU-Budgetperiode bis 2014 jährlich mit knapp 100 Euro subventioniert wird.
Wie viel davon wirklich die Bauern bekommen, steht derzeit noch nicht fest. Auch für die Milchverarbeiter soll etwas als Beihilfe zu Transportkosten, Verarbeitung und Vermarktung abfallen. Noch nicht geklärt ist auch, ob alle bäuerlichen Betriebe gleich behandelt werden, oder ob zwischen Betriebsgrößen und Produktionsgebieten Unterschiede gemacht werden. „Da muss die Branche selbst eine Lösung finden“, sagt Pröll.
In der Aufstockung der Mittel für den Agrardiesel, die in der Wirkung mit der Anhebung des Kilometergelds vergleichbar ist, sehen die heimischen Agrarpolitiker nur einen ersten Schritt, um die Landwirtschaft von den explodierenden Betriebsmitteln zu entlasten. Denn nicht nur Diesel ist teurer geworden. „Die Teuerung hat auch vor den Bauern nicht Halt gemacht“, sagte Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch. „Innerhalb des vergangenen Jahres sind die Preise für Dünger um 63 und jene für Futtermittel um 56 Prozent gestiegen.“ Grillitschverlangt, dass im Rahmen der Steuerreform eine Entlastung kommt.Derzeitscheint das Verständnis dafürin nicht bäuerlichen Kreisen enden wollend zu sein. „Wenn man in der Preiskommission das Thema Düngemittel anspricht, herrscht Schweigen im Wald, das interessiert niemanden“, sagtBauernkammerpräsident Gerhard Wlodkowski.
Wirtschaft / 05.09.2008 / Print

Freitag, 29. August 2008

High Noon in der Bredouille

Reden mag noch niemand recht davon. Aber das derzeitige "his torische Modell", nach dem die Gelder aus Brüssel an die Bauern in Österreich und sieben anderen EU-Staaten verteilt werden, ist praktisch tot. Es passt nicht zu den Plänen der Union, die will, dass in Zukunft jeder Hektar gleich viel wert und damit die Landwirtschaft vergleichbar ist. Denn einer ge mein samen Agrarpolitik spricht das Durcheinander in Europa Hohn. In nicht weniger als zwölf Varianten wird die Agrarreform 2003 umgesetzt und die Förderung von der Pro duktion entkoppelt.

Die EU sucht daher nach einem neu en Modell und strebt eine Vereinheitlichung an. Nicht bis 2010, wie ursprünglich geplant, sondern doch erst ab 2013 - was von der heimischen Agrarpolitik, aus welchen Gründen auch immer, als Er folg in den Health-Check-Ver hand lungen gefeiert wird, obwohl man doch in jedem Fall ordentlich in die Bredouille kommt. Das "historische Modell" war zwar damals der einfachste und - alles in allem - auch der gerechteste Weg, die seinerzeitigen Förderungen von der Produktion zu entkoppeln und in Zahlungs ansprüche umzulegen. Nun aber wird genau das zu einer rie - sigen Herausforderung, bringt doch die nun unvermeidliche Umstel- lung auf ein neues System gleichsam zwingend eine breite Umverteilung mit vielen Gewinnern und Verlierern. Dass insgesamt weniger Geld zur Verfügung stehen wird, macht die Sache nicht einfacher. Die Zerreißprobe scheint programmiert.

Da sind die Bauern in den westlichen Bundesländern, die sich traditionell gegenüber ihren Kollegen im Osten benachteiligt fühlen. Da sind die Grünland- und Milchbauern, denen die Prämien der Ackerbauern ein Dorn im Auge sind. Da sind die Schweinemäster, die auch mehr vom Kuchen haben möchten. Und es gibt noch viele andere Gruppen, die zum Fördertopf drängen. Schon werden die Geschütze in Stellung gebracht. Da wird eine vom Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie lanciert, die sogenannte Standard-Arbeitszeiten als Verteilungskriterium zu grunde legt. Das Ergebnis war eigentlich schon von vornherein klar. Milchvieh- und Bergbetriebe wä ren da die klaren Gewinner. Wer Getreide, Mais oder Rüben anbaut, würde viel Geld verlieren. Für die Bauern in westlichen Bundesländern wie in Salzburg gäbe es aber gleich um 6000 Euro mehr pro Jahr.

Andere würden am liebsten die Summe der Gelder, die aus Brüssel kommen, durch die Hektar dividieren. Manche könnten sich dafür er wärmen, würde dabei zumindest zwi schen Grün- und Ackerland un terschieden.

Die Marktfruchtbetriebe scheinen auf jeden Fall auf der Verliererseite zu stehen. Längst ist vergessen, dass die Förderungen für diese Betriebe seinerzeit ihre Wurzeln im Ersatz für die radikalen Preissenkungen, die der EU-Beitritt brachte, ha ben. Dass schon damals viele draufzahlten, weil Referenzerträge, von denen aus die Flächenprämien errechnet wurden, sehr niedrig an gesetzt waren, ist vollends untergegangen.

Was immer tatsächlich kommen wird - klar ist, dass die Diskussionen, die da auf die Bauern zukommen, viel Umsicht verlangen. Und auch viel Rücksicht. Es geht nicht nur um die Neuverteilung von Geld, es geht auch um den Erhalt der ös terreichischen Landwirtschaft. Ei ner Landwirtschaft, die konkurrenzfähig ist. Man muss einen Mittelweg finden, der für alle Bauern in allen Produktionsgebieten und in allen Produktionssparten gangbar ist. Denn sonst sitzen nicht nur die Agrarpolitiker in der Bredouille.

Blick ins Land" Nr. 09/08 vom 29.08.2008

Freitag, 6. Juni 2008

Die heimlichen Profiteure scheuen das Licht





Noch machen die Verantwortlichen ein großes Geheimnis darum, aber alles ist bereit: Noch vor dem Sommer sollen die Agrarförderungen jedes einzelnen Bauern im Internet veröffentlicht werden.

Per Mausklick kann man dann auf kurzem Weg erfahren, wie viel die AMA dem Nachbarn überweist, wie viel der Schwägerin oder dem Kammerpräsidenten. Auch wenn man wissen will, wie viel der Fleischer für das neue Schlachthaus bekommen hat, wie viel die Agrana oder wie viel Red Bull - Namen eingeben, und man ist im Bild.

Die Transparenz ist nicht grundsätzlich schlecht, zumal versprochen ist, dass immer auch erklärt wird, wofür das Geld überwiesen wird. Wer von öffentlichen Töpfen Geld nimmt, muss auch dazu stehen.

Ärgerlich für die Landwirtschaft ist bloß: Die Bauern und die Unternehmen, die Mittel aus der Ländlichen Entwicklung oder Exportförderung beziehen, sind die Einzigen, die zu so einem Förderungs-Strip gezwungen werden. Keine andere Branche steht im Wirtschaftsleben so nackt da wie die Landwirtschaft.

Landwirtschaftsminister Pröll sagt: "Noch am Tag der Veröffentlichung der Zahlen werden wir die Diskussion über die anderen Transferzahlungen im öffentlichen Bereich eröffnen." Er denkt dabei in erster Linie an Beamte und andere, die direkt von öffentlichen Geldern leben.

Dabei würde ein Schuss Transparenz auch Wirtschaftssparten gut stehen, die indirekt vom Einsatz von öffentlichen Geldern profitieren. Wie etwa die Handelskonzerne, die Branchen wie die aus öffentlichen Töpfen nicht gerade schmal subventionierte Landwirtschaft nach Belieben diktieren und von ihren Lieferanten gerne gläserne Kalkulationen verlangen. Es ist ja nicht so, dass sie aus reiner Nächstenliebe heimische Produkte in den Regalen haben. Verdienen tun sie nicht zuletzt auch damit, dass sie diese Produkte dank des Agrarsystems günstig in der Hand haben können.

Das erzeugt Verantwortung, die in den Chefetagen der Handelsriesen freilich auf eigene Weise interpretiert wird. In Prospekten lobt man sich als Partner der Landwirtschaft, am Verhandlungstisch geht es aber, wie jüngst ein hochrangiger Milchmanager maulte, seit Wochen wieder "regelrecht wild" zu - ganz so, als ob die Devise lautete: Hinter uns die Sintflut, die öffentliche Hand wird die Bauerneinkommen schon richten.

Das kann nicht sein. Schon gar nicht, wenn so viel öffentliches Geld im Spiel ist. Das verlangt Verantwortung und mehr Transparenz. Auf der einen Seite die Landwirtschaft, die mit offenen Karten spielen muss, auf der anderen Seite Konzerne, die vom System profitieren, aber mit verdeckten Karten gegen die Landwirtschaft spielen? Fair ist das nicht.

Von Transparenz will man im Handel freilich nichts hören. Es gibt kaum Unternehmen, die sich der Öffentlichkeit gegenüber so verschlossen geben wie Rewe, Spar und Hofer. Die Veröffentlichung von Bilanzen ist ihnen ein Gräuel. Die Höhen der Handelsspannen sind tabu. Allenfalls Umsatzzahlen sind zu erfahren. Hofer hält selbst die unter Verschluss.

Wenn das zu akzeptieren ist, ist freilich zu fragen: Wie versteht man wirklich die Partnerschaft mit der Landwirtschaft? Und nicht nur das. Es drängen sich auch andere Fragen auf: Was trägt man selbst zu dem System bei, von dem man indirekt so stark profitiert? Wie viel Steuern zahlt man? Und in welchem Land zahlt man sie eigentlich?

Blick ins Land" Nr. 06/08 vom 06.06.2008

Freitag, 2. Mai 2008

Ein Christbaum am 7. Jänner





Ein abgeräumter Christbaum am 7. Jänner nimmt sich prächtig aus dagegen, wie die Landwirtschaft mit ihren Biotreibstoffen dasteht. Armselig ist da, mit Verlaub, gar kein Ausdruck. 20 Jahre Hoffnung, Versprechen, Erwartungen, Pläne, Projekte. Und dann das. "Biosprit ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Schlagzeilen über Schlagzeilen, das Image demoliert, die Glaubwürdigkeit verspielt, die Aussichten düster.

Und die Landwirtschaft hat nichts zu sagen. Kaum mehr als ein dünnes Heftchen mit Argumenten kam von der Landwirtschaftskammer Österreich. Landwirtschaftsminister Josef Pröll fiel nicht mehr ein, als auf die Aufhebung der Flächenstilllegung zu verweisen und Kritiker als Steigbügelhalter der Ölindustrie anzuschwärzen. Und richtig hilflos Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch und Oberösterreichs Agrarlandesrat Josef Stockinger: Arbeitsplätze im ländlichen Raum beschwor der eine, "Bauern brauchen grüne Energie", meinte der andere. Als ob das in dieser Diskussion außerhalb der Landwirtschaft irgendwen interessieren würde.

Die Agrarier hatten und haben den immer neuen Studien nichts entgegenzusetzen. Nichts zu Lachgas, nichts zu Versorgung und Importen, kaum etwas zur Energiebilanz. Und schon gar nichts zum Totschlagargument "Biosprit bedeutet für Millionen Menschen Hunger". Eine mehrere Jahre alte Studie des Umweltbundesamtes und eine Analyse von Joanneum Research in Graz, der zufolge Bioethanol pro gefahrenen Pkw-Kilometer 30 bis 40 Prozent CO2 einspart - das ist alles. Und dann noch der Verweis darauf, dass in Europa bisher ohnehin nur 1,5 Prozent der Fläche für die Erzeugung von Biotreibstoffen verwendet werden - so, als ob das das Thema wäre, wo schon jetzt weltweit zumindest 4,5 Prozent der Ackerflächen dafür verwendet werden und Europa bereits derzeit einen Gutteil des Pflanzensprits importiert.

Für die Landwirtschaft rächt es sich, dass man in Sachen Bio-Treibstoffe immer schon schlampig mit Fakten war, zuweilen unsauber und herablassend argumentierte und Einwände nicht ernst nahm.

Aber nicht nur die Landwirtschaft machte Fehler. Hersteller wie Agrana, BDI, Biodiesel Vienna, Enns, Krems und wie sie alle heißen, haben die Bauern mit dem Desaster alleine gelassen und ihre Verantwortung erst gar nicht wahrgenommen. Von dort kam keine Rückendeckung. Gar nicht zu reden von der OMV. Just am Höhepunkt der Kritik an Biotreibstoffen schaltete der Ölkonzern Inserate, die Holz als Treibstofflieferant der Zukunft preisen. Und der Innovationsmanager des Konzerns ist zwar Vorstand der "Arge flüssige Biokraftstoffe" in der Wirtschaftskammer, gefällt sich aber, in Interviews Biodiesel als eine "Verschmutzung" und die österreichische Landwirtschaft als "nicht geeignet" für eine Bioethanolproduktion zu bezeichnen. Dabei wären es wohl genau diese Unternehmen, die am ehesten harte Fakten für die Diskussion liefern können. Aber ihr Herz schlägt wohl längst eher für die Konsumenten, die wie sie auf sinkende Agrarpreise hoffen. Einzig von Agrana-Chef Johann Marihart ist ab und zu etwas zu hören. Und der Anlagenhersteller BDI raffte sich zu einem offenen Brief an Sozialminister Erwin Buchinger auf.

Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Von Schulterschluss, gemeinsamer Strategie gar, ist nichts zu erkennen. Aber vielleicht gibt es tatsächlich nichts gegen die Kritik zu sagen.

Dann bleibt wohl der Christbaum am 7. Jänner prächtiger.

Blick ins Land" Nr. 05/08 vom 02.05.2008
 
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